Titel:
Klageerweiterung, Verweisungsbeschluß, Sachliche Zuständigkeit, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Geänderter Klageantrag, Rügelose Einlassung, Landgerichte, Klageabweisung, sachliche Unzuständigkeit, Perpetuatio fori, Streitwert, Abgetrenntes Verfahren, Schriftsätze, Beschlüsse, Änderung des Streitgegenstands, Schriftsatzfristen, Objektive Klagehäufung, außergerichtliche Anwaltskosten, mündlich Verhandlung, Verletzung rechtlichen Gehörs
Leitsätze:
Das für den Rechtsstreit insgesamt sachlich zuständige Landgericht bleibt nach dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig, auch wenn es den Rechtsstreit durch Abtrennung in mehrere Verfahren mit Einzelstreitwerten unterhalb der Zuständigkeitsgrenze aufspaltet.
Das für den Rechtsstreit insgesamt sachlich zuständige Landgericht bleibt nach dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig, auch wenn es den Rechtsstreit durch Abtrennung in mehrere Verfahren mit Einzelstreitwerten unterhalb der Zuständigkeitsgrenze aufspaltet. (Rn. 28)
Schlagworte:
Zuständigkeitsstreit, Verweisungsbeschluss, Prozesstrennung, Überraschungsentscheidung, rügelose Einlassung, Streitwertaddition, negative Kompetenzkonflikte
Vorinstanz:
LG Ansbach vom -- – 3 O 466/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 12679
Tenor
Sachlich zuständig ist das Landgericht Ansbach.
Gründe
1
Der Kläger war als Rechtsanwalt für die Beklagte tätig.
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Mit seiner zum Landgericht Ansbach erhobenen Klage vom 21. November 2023 begehrt der Kläger von der Beklagten die Löschung einer im Bewertungsprofil des Klägers erstellten Rezension (Klageantrag zu 1), die Unterlassung verschiedener Behauptungen (Klageanträge zu 2 bis 5), die Rücknahme und den Widerruf verschiedener Aussagen (Klageanträge zu 6 bis 9), die Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 5.001,00 € oder bei Uneinbringlichkeit Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten (Klageantrag zu 10) sowie die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 210,00 € nebst Zinsen (Klageantrag zu 11) und außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 1.212,61 € nebst Zinsen (Klageantrag zu 12).
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Mit Schriftsatz vom 21. Februar 2024 erweiterte der Kläger die Klage und kündigte an, zudem die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 3.481,35 € nebst Zinsen (Klageantrag zu 13) zu beantragen. Mit diesem Antrag macht der Kläger Rechtsanwaltsvergütung aus einem Mandat bezüglich „Hausverkauf“ und „Beseitigung Erbvertrag“ geltend.
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Mit Verfügung vom 22. Februar 2024 wies das Landgericht darauf hin, dass es beabsichtige, das Verfahren im Hinblick auf die Klageerweiterung abzutrennen, da keinerlei inhaltlicher Zusammenhang zu den mit der Klage geltend gemachten Ansprüchen ersichtlich sei. Daraufhin beantragte der Kläger mit Schriftsatz vom 27. Februar 2024, die Klageerweiterung an das zuständige Amtsgericht Weißenburg i. Bay. zu verweisen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2024 stellte der Kläger die Anträge aus der Klageschrift vom 21. November 2023 und aus dem Schriftsatz vom 21. Februar 2024. Die Beklagte beantragte Klageabweisung und den Nachlass einer Schriftsatzfrist zur Klageerweiterung und zum Hinweis vom 22. Februar 2024.
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Mit Schriftsatz vom 27. März 2024 führte die Beklagte aus, es werde weiterhin beantragt, die Klage vollumfänglich abzuweisen. Auch die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Ansprüche bestünden nicht. Außerdem sprach er sich gegen eine Verfahrenstrennung aus.
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Das Landgericht Ansbach hat mit Beschluss vom 26. April 2024 das Verfahren insoweit abgetrennt, als der Kläger mit dem Klageantrag zu 13 begehrt, die Beklagte zur Zahlung von 3.481,35 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Entscheidung beruhe auf § 145 ZPO. Der Klageantrag zu 13 stehe in keinem Sachzusammenhang mit den übrigen Anträgen. Der Antrag betreffe vielmehr ein anderes Mandatsverhältnis zwischen den Parteien. Im Interesse der Ordnung und Strukturierung des Prozessstoffes sei es sachdienlich, das Verfahren insoweit abzutrennen.
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Mit an die Parteien hinausgegebenem Beschluss vom 14. Januar 2025 hat das Landgericht den Streitwert des abgetrennten Verfahrens auf 3.481,35 € festgesetzt, sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. verwiesen. Der Grundsatz der „perpetuatio fori“ gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO finde keine Anwendung, da die mit Schriftsatz vom 21. Februar 2024 erhobene Honorarklage zu einer Änderung des Streitgegenstands geführt habe. Eine Zuständigkeit des Landgerichts sei auch nicht infolge rügeloser Einlassung nach § 39 ZPO eingetreten. Zwar habe der Klägervertreter auch den mit Schriftsatz vom 21. Februar 2024 erhobenen Klageantrag zu 13 in der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2024 gestellt und der Beklagtenvertreter daraufhin Klageabweisung beantragt; gleichzeitig habe dieser jedoch Schriftsatzfrist zu der ihm kurz vor der mündlichen Verhandlung zugestellten Klageerweiterung beantragt. In dem nachgelassenen Schriftsatz habe er beantragt, die Klage vollumfänglich abzuweisen. Auf Antrag des Klägers habe sich das Gericht daher für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Gericht zu verweisen.
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Nach Anhörung der Parteien hat das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. mit an die Parteien hinausgegebenem Beschluss vom 7. Februar 2025 erklärt, das Verfahren nicht zu übernehmen, und ausgesprochen, dass das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. unzuständig sei. Der Verweisungsbeschluss sei willkürlich und nicht bindend. Es habe eine rügelose Einlassung gemäß § 39 ZPO vorgelegen. Der Beklagtenvertreter habe in der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2024 Klageabweisung zu den klägerischen Anträgen beantragt, welche ausdrücklich auch die Anträge aus dem Schriftsatz bezüglich der Klageerweiterung vom 21. Februar 2024 umfasst hätten. Das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. hat die Akte an das Landgericht Ansbach zurückgeleitet.
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Das Landgericht Ansbach hat mit Beschluss vom 10. Februar 2025 die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Entscheidung über die sachliche Zuständigkeit vorgelegt. Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts sei gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend. Das Landgericht habe in seinem Beschluss vom 14. Januar 2025 ausdrücklich dargelegt, warum es nicht von seiner Zuständigkeit infolge rügeloser Einlassung ausgehe. Zu berücksichtigen sei zudem, dass der Kläger bereits mit Schriftsatz vom 27. Februar 2024 die Verweisung des abzutrennenden Verfahrens an das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. beantragt habe und sich dadurch noch vor der mündlichen Verhandlung der Möglichkeit begeben habe, die weitere Prozessführung vor dem zunächst angerufenen Gericht durch rügelose Einlassung der Beklagten zu erreichen.
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Die Parteien sind im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren angehört worden. Die Beklagte hat auf ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 30. Januar 2025 Bezug genommen. Dort hat sie ausgeführt, die Zuständigkeit des Landgerichts sei aufgrund der Unterlassungsklage begründet und die objektive Klagehäufung zulässig gewesen. Ein Erschleichen der Zuständigkeit liege nicht vor. Deshalb sei die Unzuständigkeit des Landgerichts nicht gerügt worden. Der Kläger hat auf seinen Schriftsatz vom 6. Februar 2025 verwiesen. An der Rechtsauffassung, das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. sei zuständig, werde festgehalten.
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Auf die zulässige Vorlage des Landgerichts Ansbach ist die Zuständigkeit des Landgerichts Ansbach auszusprechen.
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1. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.
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a) Die mit der Sache befassten Gerichte haben sich im Sinne dieser Vorschrift „rechtskräftig“ für unzuständig erklärt, das Landgericht Ansbach durch den nach Rechtshängigkeit der Streitsache ergangenen Verweisungsbeschluss vom 14. Januar 2025, das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. durch die zuständigkeitsverneinende Entscheidung vom 7. Februar 2025. Beide Beschlüsse sind den Parteien bekanntgegeben worden. Die in dieser Weise jeweils ausdrücklich ausgesprochene verbindliche Leugnung der eigenen sachlichen Zuständigkeit erfüllt mithin alle Anforderungen, die an das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12 m. w. N.).
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b) Auch der negative Kompetenzkonflikt zwischen Amtsgericht und Landgericht über die sachliche Zuständigkeit als Eingangsinstanz ist im Verfahren nach oder analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu entscheiden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 10. Juli 2023, 101 AR 148/23 e, juris Rn. 14 m. w. N.; Toussaint in BeckOK ZPO, 56. Ed. 1. März 2025, § 36 Rn. 38.1).
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c) Zuständig für die Bestimmungsentscheidung ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht, weil das im Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht über dem Amtsgericht Weißenburg i. Bay. und dem Landgericht Ansbach in der hier vorliegenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der Bundesgerichtshof ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 24. September 2019, 1 AR 83/19, juris Rn. 9 ff.; Toussaint in BeckOK, ZPO, § 36 Rn.
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45.2). 2. Sachlich zuständig ist das Landgericht Ansbach; dessen Verweisungsbeschluss vom 14. Januar 2025 entfaltet keine Bindungswirkung.
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a) Im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist der Kompetenzstreit in der Weise zu entscheiden, dass das für den Rechtsstreit tatsächlich zuständige Gericht bestimmt wird; eine Auswahlmöglichkeit oder ein Ermessen bestehen nicht (BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 1970, 2 BvR 48/70, BVerfGE 29, 45 [49, juris Rn. 19]; BGH, Beschluss vom 14. Februar 1995, X ARZ 35/95, juris Rn. 3; BayObLG, Beschluss vom 6. Juli 2023, 102 AR 135/23, juris Rn. 27; Roth in Stein, ZPO, 24. Aufl. 2024, § 36 Rn. 81). Bei der Entscheidung sind die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften und eingetretene verfahrensrechtliche Bindungswirkungen sowie Zuständigkeitsverfestigungen nach dem Grundsatz der perpetuatio fori (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) zu beachten (BayObLG, Beschluss vom 19. März 2025, 101 AR 10/25, juris Rn. 20 m. w. N.; Beschluss vom 15. Dezember 2022, 102 AR 84/22, juris Rn. 27; Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 36 Rn. 38; Roth in Stein, ZPO, § 36 Rn. 81).
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b) Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Ansbach vom 14. Januar 2025 entfaltet keine Bindungswirkung.
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aa) Zwar hat der Gesetzgeber in § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Auch ein sachlich zu Unrecht oder verfahrensfehlerhaft ergangener Verweisungsbeschluss entzieht sich danach grundsätzlich der Nachprüfung. Dies ist im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Im Fall eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist daher grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist (st. Rspr., vgl. z. B. BayObLG, Beschluss vom 31. August 2023, 102 AR 167/23, juris Rn. 19). Die Bindungswirkung entfällt allerdings dann, wenn der Verweisungsbeschluss schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, etwa weil er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (BayObLG, Beschluss vom 31. August 2023, 102 AR 167/23, juris Rn. 20 m. w. N.).
21
Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet dem Verfahrensbeteiligten das Recht, sich nicht nur zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt, sondern auch zur Rechtslage zu äußern, und verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei kann es in besonderen Fällen auch geboten sein, den Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zugrunde legen will (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Mai 2021, 2 BvR 1176/20, juris Rn. 28). In engem Zusammenhang mit der Verpflichtung des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen, steht das ebenfalls aus Art.103 Abs. 1 GG folgende Verbot von „Überraschungsentscheidungen“. Von einer solchen ist auszugehen, wenn sich eine Entscheidung ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nicht zu rechnen brauchte (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. März 2024, 2 BvR 184/22, juris Rn. 29; Beschluss vom 3. Mai 2021, 2 BvR 1176/20, juris Rn. 21; Beschluss vom 7. Februar 2018, 2 BvR 549/17 juris Rn. 4), oder das Gericht eine von ihm geschaffene Verfahrenslage, auf deren Bestand die Beteiligten vertrauen durften, übergeht (BVerfG, Beschluss vom 7. Februar 2018, 2 BvR 549/17, juris Rn. 4).
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bb) Bei Anlegung dieses Maßstabs ist der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Ansbach eine „Überraschungsentscheidung“ im Sinne der genannten höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die ausgesprochene Verweisung an das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. ist bereits deshalb nicht bindend und hat dessen Zuständigkeit nicht begründet.
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Das Landgericht hat den Verweisungsbeschluss damit begründet, das Landgericht sei für das abgetrennte Verfahren sachlich unzuständig, da der Streitwert weniger als 5.000,00 € betrage. Mit einer solchen Entscheidung musste die Beklagte nicht rechnen. Der Hinweis des Landgerichts vom 22. Februar 2024, es gedenke, zur Förderung der Übersichtlichkeit des Prozessstoffes das Verfahren im Hinblick auf die Klageerweiterung abzutrennen, diente dazu, der Beklagten rechtliches Gehör vor einer beabsichtigten Verfahrenstrennung nach § 145 ZPO zu gewähren. Im Einklang mit den Zuständigkeitsregelungen der Zivilprozessordnung beschränkte er sich auf diesen verfahrensrechtlichen Gesichtspunkt, ohne eine Verweisung an das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. in den Raum zu stellen. Zwar wurde der Beklagten eine Abschrift des Schriftsatzes des Klägers vom 27. Februar 2024, mit dem er die Verweisung der „Klageerweiterung vom 21.02.2024“ an das „zuständige“ Amtsgericht Weißenburg i. Bay. beantragt hat, übersandt. Für die Beklagte bestand gleichwohl kein Anlass anzunehmen, dass der Rechtsstreit insoweit an das Amtsgericht verwiesen werden würde, nachdem die Parteien zur Sache verhandelt und das Gericht hinsichtlich der Klageerweiterung lediglich eine Abtrennung, nicht aber eine Verweisung beschlossen hatte. Indem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2024 ausweislich des Protokolls die Anträge sowohl aus der Klageschrift vom 21. November 2023 als auch aus dem Schriftsatz vom 21. Februar 2024 gestellt und die Beklagte neben der Gewährung von Schriftsatzfristen in der Sache Klageabweisung beantragt hat, haben die Parteien zur Sache verhandelt. Das Landgericht hat nach Eingang der Erwiderung und Stellungnahme der Beklagten die Abtrennung des Verfahrens in Bezug auf die Klageerweiterung beschlossen, ohne hinsichtlich dieses Verfahrensteils eine Verweisung auszusprechen. Zwar hat es den Verweisungsantrag des Klägers nicht explizit ablehnend verbeschieden, jedoch durfte die Beklagte dieser verfahrensleitenden Maßnahme entnehmen, dass sich das Gericht – wie es der Rechtslage entspricht – auch für das abgetrennte Verfahren für zuständig hält. Einer ausdrücklichen Ablehnung eines Verweisungsantrags bedarf es dann nicht. Soweit in dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Ansbach vom 10. Februar 2025 ausgeführt wird, die Beklagte habe mit Beschluss vom 2. April 2024 nochmals ausdrücklich Frist zur Stellungnahme zu der vom Kläger mit Schriftsatz vom 27. Februar 2024 beantragten Verweisung an das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. erhalten, trifft dies nicht zu. Ein solcher Beschluss existiert nicht. Zudem hat das Landgericht mit dem Beschluss vom 26. April 2024, in dem es das Verfahren hinsichtlich der Klageerweiterung lediglich abgetrennt hat, konkludent zum Ausdruck gebracht, dass es sich hinsichtlich des abgetrennten Verfahrens für zuständig hält. Es hat damit eine Verfahrenslage geschaffen, in der die Beklagte darauf vertrauen durfte, dass das Landgericht von seiner eigenen Zuständigkeit ausgeht. Das abgetrennte Verfahren hat das Landgericht erst mit weiterem Beschluss vom 14. Januar 2025 an das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. verwiesen. Auf eine geänderte Beurteilung der Zuständigkeitsfrage hätte die Beklagte zuvor hingewiesen werden müssen. Sie hatte in der eingetretenen Verfahrenslage keinen Anlass, mit einer Verweisung im weiteren Verlauf zu rechnen.
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Die Verletzung des in Art. 103 Abs. 1 GG verankerten Gebots stellt einen so schwerwiegenden Mangel des Verweisungsbeschlusses dar, dass ihm die Bindungswirkung im Gerichtsstandsbestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO abzuerkennen ist. Einer Feststellung, dass die Verweisung bei ordnungsgemäßer Anhörung beider Parteien möglicherweise unterblieben wäre, bedarf es nicht (BayObLG, Beschluss vom 17. Oktober 2022, 101 AR 80/22, juris Rn. 18).
25
c) Sachlich zuständig ist das Landgericht Ansbach.
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Noch zutreffend geht das Landgericht Ansbach davon aus, dass die Klageerweiterung zu einer Änderung des Streitgegenstands geführt hat und daher die Zuständigkeit erneut zu prüfen war. Diese Prüfung ergibt jedoch, dass das Landgericht Ansbach zuständig geblieben ist.
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Der Kläger hat den Streitwert der ursprünglichen Klage mit 9.249,90 € beziffert. Dass es sich insoweit um offensichtlich übertriebene Einschätzungen des Klägers gehandelt hätte, die bei der Bestimmung des Streitwerts außer Betracht zu bleiben hätten (KG, Beschluss vom 19. Dezember 2023, 6 U 36/22, juris Rn. 26), ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Auch das Landgericht ist von seiner insoweit bestehenden sachlichen Zuständigkeit ausgegangen. Mit der Klageerweiterung hat der Kläger gegen die Beklagte einen weiteren Anspruch geltend gemacht. Es liegt eine zulässige nachträgliche objektive Klagehäufung vor, § 260 ZPO. Für den mit der Klageerweiterung geltend gemachten Anspruch war dieselbe Prozessart zulässig und ebenfalls das Landgericht Ansbach zuständig. Zwar beträgt der Streitwert dieses Anspruchs lediglich 3.481,35 €. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts ist aber gleichwohl gegeben, da mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammengerechnet werden, § 5 Halbsatz 1 ZPO (Greger in Zöller, ZPO, § 260 Rn. 1a; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, 46. Aufl. 2025, § 260 Rn. 11).
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Die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts wird – wenn wie hier die Klagehäufung zulässig war – durch die Prozesstrennung nach § 145 ZPO nicht berührt, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO. Dies gilt auch, wenn die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts nur auf einer Addition der Streitwerte nach § 5 ZPO beruhte (BayObLG, Beschluss vom 19. September 2022, 102 AR 5/22, juris Rn. 45; Fritsche in Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Aufl. 2025, § 145 Rn. 13; Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2016, § 145 Rn. 22; Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 22. Aufl. 2025, § 145 Rn. 7; Wendtland in BeckOK ZPO, § 145 Rn. 16; Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2022, § 145 Rn. 14; Greger in Zöller, ZPO, § 145 Rn. 7; Seiler in Thomas/Putzo, ZPO, § 145 Rn. 4). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Landgericht genannten Kommentarstellen. Die Kommentierung von Toussaint im Beck´schen Online-Kommentar zur Zivilprozessordnung (Rn. 5 zu § 506) betrifft lediglich den Fall, dass das für den ursprünglichen Klageanspruch zuständige Amtsgericht für den geänderten Klageantrag unzuständig ist. Die Kommentierung von Roth in Stein, Kommentar zur Zivilprozessordnung (Rn. 43 zu § 261) besagt nur, dass eine Änderung des Streitgegenstands durch Klageänderung, Klageerweiterung oder Inzidentklage von § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht erfasst wird und sie daher eine erneute Prüfung der Zuständigkeit erforderlich macht. Dass bei der Prüfung der sachlichen Zuständigkeit für den geänderten Streitgegenstand keine Addition der Streitwerte nach § 5 Halbsatz 1 ZPO zu erfolgen habe oder die Prozesstrennung nach § 145 ZPO die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts berühre, ergibt sich hieraus nicht. Ein für den Rechtsstreit insgesamt zuständiges Gericht bleibt nach dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig, auch wenn es den Rechtsstreit durch Abtrennung aufspaltet.
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Wäre das Landgericht nicht ohnehin gemäß § 5 ZPO sachlich zuständig gewesen, wäre es durch die rügelose Einlassung der Beklagten nach § 39 ZPO zuständig geworden. Die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszugs wird auch dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. Vorliegend hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2024 (insgesamt) Klageabweisung und eine Schriftsatzfrist zu der Klageerweiterung beantragt. Sie hat somit insgesamt mündlich zur Sache verhandelt, ohne die Unzuständigkeit zu rügen. Die vom Landgericht im Vorlagebeschluss zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19. Februar 2013 (X ARZ 507/12) stünde einer Zuständigkeit des Landgerichts Ansbach auch dann nicht entgegen, wenn die Zuständigkeit des Landgerichts Ansbach infolge rügeloser Einlassung nach § 39 ZPO begründet worden wäre. Die Verfahrenslage in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrunde liegenden Fall, in dem die antragsgemäße Verweisung vor mündlicher Verhandlung erfolgte, unterscheidet sich maßgeblich von dem vorliegenden Fall, in dem die Abtrennung und Verweisung erst nach mündlicher und rügeloser Verhandlung erfolgte.