Titel:
Verteidigervergütung: Unbeachtlichkeit von Inflation oder Person des Strafantragstellers bei Bestimmung der Rahmengebühr – Beschwerderechtsweg
Normenketten:
RVG § 14 Abs. 2 S. 1
RVG VV Nr. 4106
Leitsätze:
Bei der Bestimmung der Rahmengebühr (hier nach Nr. 4106 VV RVG) eines Strafverteidigers ist die Inflation ebenso unbeachtlich, wie der Umstand, dass die Strafantragstellung bei der verfahrensgegenständlichen Beleidigung durch den OLG-Präsidenten erfolgt ist. (Rn. 20 – 21)
Das Beschwerdeverfahren betreffend eine Beschwerde gegen eine Kostenfestsetzung nach § 464b StPO ist ein Verfahren nach § 311 Abs. 1 StPO, daher entscheidet die Kammer in der Besetzung mit drei Richtern nach § 76 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GVG und nicht nach § 33 Abs. 8 S. 1 RVG durch den Einzelrichter. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verteidiger, Vergütung, Kostenfestsetzung, Beschwerdeverfahren, Rahmengebühr, Mittelgebühr, Arbeitsaufwand, Schwierigkeitsgrad, Inflation, Strafantragsteller
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 16.12.2024 – 432 Cs 412 Js 55720/22
Fundstellen:
JurBüro 2025, 186
RPfleger 2025, 313
LSK 2025, 1262
BeckRS 2025, 1262
FDStrafR 2025, 001262
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Nürnberg vom 16.12.2024 – 432 Cs 412 Js 55720/22 – wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdewert wird auf 440,79 € festgesetzt.
Gründe
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Der Beschwerdeführer vertrat den vormaligen Angeklagten des im Tenor genannten Verfahrens, dem drei Fälle der Beleidigung zur Last lagen. Verfahrensgegenstand waren Äußerungen des Angeklagten gegenüber der von Januar 2022 bis Mai 2022 für das Nachlassverfahren 36 VI 4264/21 des AG Nürnberg zuständigen Richterin und gegenüber dem Präsidenten des OLG Nürnberg über den damaligen Präsidenten des AG Nürnberg. Die Äußerungen standen im Zusammenhang mit der Unzufriedenheit des Angeklagten mit der Tätigkeit der Richterin.
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Mit Schreiben vom 26. April 2022 stellte der Präsident des AG Strafantrag wegen Beleidigung zum Nachteil der Richterin. Am 12. Mai 2022 schloss die Richterin sich dem Strafantrag an. Der Angeklagte wurde zum Vorwurf der Beleidigung zum Nachteil der Richterin am 23. Mai 2022 als Beschuldigter vernommen. Am 24. Mai 2022 sandte er an die Poststelle des OLG Nürnberg eine Nachricht per E-Mail, in der er sich über die angebliche Unfähigkeit des damaligen Präsidenten des AG beschwerte. Am 30. Mai 2022 sandte der Angeklagte eine weitere E-Mail-Nachricht an die Poststelle des OLG Nürnberg, mit der er die Absetzung des Präsidenten des AG verlangte und diesen als unfähig bezeichnete. Des Weiteren stellte er einen Befangenheitsantrag gegen den Präsidenten des AG. Wegen dieser Nachrichten stellte der Präsident des OLG Nürnberg am 1. Juni 2022 Strafantrag als Dienstvorgesetzter des Präsidenten des AG Nürnberg. Zu diesen Vorwürfen wurde der Angeklagte schriftlich als Beschuldigter angehört.
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Mit Abschlussverfügung vom 12. August 2022 beantragte die Staatsanwaltschaft N.-F. Strafbefehl gegen den Angeklagten der genannten Taten und stellte das Verfahren wegen zweier weiterer Fälle der Beleidigung, derer der Angeklagte verdächtig war, nach § 154 Abs. 1 StPO ein. Der Strafbefehl lautete auf eine Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu 30 €.
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Am 7. September 2022 erließ das AG Nürnberg den Strafbefehl antragsgemäß. Mit Schriftsatz vom 10. September 2022 teilte der Verteidiger mit, dass er den Angeklagten vertrete und legte Einspruch gegen den Strafbefehl ein. In diesem Schriftsatz äußerte sich der Verteidiger zum Sachverhalt. Zudem beantragte er erstmalig Akteneinsicht in die Akte des Strafverfahrens, die ihm gewährt wurde. Sodann äußerte er sich dann in mehreren Schriftsätzen zur Sache. Am 9. November 2022 fand eine laut Protokoll 50 Minuten dauernde Hauptverhandlung am AG Nürnberg statt, in der die ermittelnde Polizeibeamtin als Zeugin vernommen wurde. Anträge des Verteidigers auf Vernehmung der Richterin des Nachlassverfahrens, deren Vorgängerin, deren Nachfolgerin und des damaligen Präsidenten des AG lehnte der Strafrichter als bedeutungslos ab. Mit Urteil vom 9. November 2022 verurteilte das AG Nürnberg den Angeklagten wegen Beleidigung in drei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu 30 €.
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Gegen das Urteil legten der Verteidiger und die Staatsanwaltschaft jeweils Berufung ein, die Staatsanwaltschaft beschränkt auf die Rechtsfolgen. Nach zwei erfolglosen Befangenheitsanträgen des Angeklagten gegen die Vorsitzende Richterin der kleinen Strafkammer fand am 19. Oktober 2023 die etwa zweistündige Berufungshauptverhandlung am LG Nürnberg-Fürth statt. Nach Verlesung zahlreicher Urkunden und erneuter Vernehmung der ermittelnden Polizeibeamtin als Zeugin hob das LG Nürnberg-Fürth in seinem Urteil das Urteil des AG Nürnberg auf, sprach auf die Berufung des Angeklagten hin ihn frei und verwarf die Berufung der Staatsanwaltschaft. Der Freispruch erfolge aus Rechtsgründen, weil die Äußerungen des Angeklagten im Zusammenhang mit dem Nachlassverfahren standen und eine Abwägung zwischen der in Art. 5 Abs. 1 GG garantierten Meinungsfreiheit des Angeklagten und dem jeweiligen Persönlichkeitsrecht der betroffenen Richter ein Überwiegen der Meinungsfreiheit ergeben würden.
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Gegen diesen Freispruch legte die Staatsanwaltschaft Revision ein. Nach Anberaumung eines Termins zur Hauptverhandlung durch das BayObLG auf den 22. Juli 2024 nahm die GenStA München die Revision am 8. Juli 2024 zurück.
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Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2024 hat der Verteidiger seine Gebühren gegenüber der Staatskasse geltend gemacht und ausgeführt, dass die Mittelgebühr um 10% zu erhöhen sei, weil Tatvorwurf keine einfache Beleidigung gewesen sei. Für die Gebühr für seine Teilnahme an der Hauptverhandlung am Amtsgericht hat er 120% des Mittelwertes angesetzt. Dies folge daraus, dass ein Gerichtspräsident Strafantrag gestellt habe und die vermeintlich beleidigte Richterin dem beigetreten sei. Außerdem sei abzuwägen gewesen, ob die deftigen Worte seines Mandanten eine Beleidigung oder eine Meinungsäußerung gewesen seien. Die Bezirksrevisorin am AG Nürnberg hat in ihrer Stellungnahme den Arbeitsaufwand des Verteidigers für unterdurchschnittlich gehalten. In weiteren Schriftsätzen führte der Verteidiger unter anderem an, dass die Gebühren bereits seit 1. Januar 2021 festgeschrieben seien und seitdem eine Preissteigerung erfolgt sei. Auch deswegen habe er eine Gebühr oberhalb der Mittelgebühr beantragt. Laut der Bezirksrevisorin stellt die Preissteigerung kein Argument dar.
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Mit Beschluss vom 16. Dezember 2024 hat das AG Nürnberg die Vergütung des Verteidigers festgesetzt, wobei es für die Tätigkeit des Verteidigers im Ermittlungsverfahren jeweils 75% der Mittelgebühr festgesetzt, die Forderung des Verteidigers von 110% des Mittelwertes bei der Verfahrensgebühr des ersten Rechtszugs bestätigt und für die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug 90% der Mittelgebühr festgesetzt hat. Bei den Verfahrensgebühren für das Berufungsverfahren und das Revisionsverfahren und bei der Gebühr für die Hauptverhandlung im Berufungsverfahren hat es jeweils die Mittelgebühr ohne Erhöhung festgesetzt und die vom Verteidiger geltend gemachten Auslagenpauschalen anerkannt. Zudem hat es die auf die Summe aller Beträge entfallende Umsatzsteuer als erstattungsfähig angesetzt. Den vom Amtsgericht Nürnberg als erstattungsfähig angesehenen Betrag hat die Staatskasse an den Verteidiger ausgezahlt. Gegen den Beschluss vom 16. Dezember 2024 legte der Verteidiger sofortige Beschwerde ein. Er hält an seiner Gebührenbestimmung fest und hat mit der Beschwerde erstmals Zinsen ab dem 17. Juli 2024 verlangt.
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Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
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1. Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde (§§ 464b Satz 3, Satz 4 StPO, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, 21 Nr. 1, 11 Abs. 1 RPflG) ist zulässig, da der Beschwerdewert erreicht ist (§ 304 Abs. 3 StPO).
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2. Das Beschwerdeverfahren betreffend eine Beschwerde gegen eine Kostenfestsetzung nach § 464b StPO ist ein Verfahren nach § 311 Abs. 1 StPO, daher entscheidet die Kammer in der Besetzung mit drei Richtern nach § 76 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GVG und nicht nach § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG durch den Einzelrichter (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 7. August 2017, 2 Ws 176/17, juris Leitsatz 1 und Rn. 8; OLG Rostock, Beschluss vom 18. Januar 2017, 20 Ws 21/17, juris Leitsatz 1 und Rn. 5; Niesler in: BeckOK StPO, Stand 1. Januar 2025, § 464b Rn. 5). Das OLG Nürnberg hat eine vormals entgegenstehende Rechtsauffassung aufgegeben (OLG Nürnberg, Beschluss vom 6. Dezember 2010, 2 Ws 567/10, juris Leitsatz und Rn. 7). Das Verfahren richtet sich nach den Grundsätzen der StPO (OLG Nürnberg, Beschluss vom 6. Dezember 2010, 2 Ws 567/10, juris Leitsatz und Rn. 7; OLG Rostock, Beschluss vom 18. Januar 2017, 20 Ws 21/17, juris Rn. 7).
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3. Die sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Die angemessene Gebühr jedenfalls für das Vorverfahren und das Verfahren vor dem Amtsgericht lag unterhalb der Mittelgebühr, so dass die Gebührenfestsetzung des Verteidigers auch unter Berücksichtigungen eines diesem zustehenden Ermessens bei der Gebührenfestsetzung insoweit unbillig und somit für die Staatskasse nicht verbindlich war. Für die Berufungs- und die Revisionsinstanz kann diese Frage offenbleiben, da sich der Gebührenansatz auch nach Ansicht des Amtsgerichts und des Bezirksrevisors – denen sich die Kammer anschließt – innerhalb des dem Verteidiger zustehenden Ermessens bewegt. Im Vorverfahren und im amtsgerichtlichen Verfahren war der Arbeitsaufwand für den Verteidiger im vorliegenden Fall demgegenüber deutlich unterdurchschnittlich.
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a) Die Staatskasse ist an die Festsetzung des Verteidigers wegen § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG nicht gebunden, wenn die Festsetzung unbillig ist. Soweit der Verteidiger in der Beschwerdebegründung auf die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth in der Sache 13 Qs 27/24 verweist und anführt, dass dort ein Abschlag von 25% auf die Mittelgebühr als unverhältnismäßig angesehen wurde, ist darauf hinzuweisen, dass es in dieser Entscheidung um einen Fall ging, in dem ein Abschlag von 43% vorgenommen worden war. Dies hat das Landgericht als unbillig betrachtet und einen Abschlag von 20% als angemessen erachtet. Im dortigen Fall ging es ausschließlich um die Gebühr gem. Nr. 4124 VV RVG, wobei allein die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt und diese vor Anberaumung eines Termins zur Hauptverhandlung zurückgenommen hat. Dem damaligen Mandanten des Verteidigers in der Sache 13 Qs 27/24 lag der Vorwurf der versuchten Gefangenenbefreiung und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit zwei tateinheitlichen Fällen der Beleidigung zur Last. Das ist mit dem hiesigen Sachverhalt nicht vergleichbar.
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b) Hier bildeten drei in tatsächlicher Hinsicht einfach gelagerte Sachverhalte den Tatvorwurf. Zwar hat der Verteidiger insofern recht, als er sich trotz der Tätigkeit für den Mandanten im Nachlassverfahren in den Strafvorwurf gesondert einarbeiten musste. Die Tatsache, dass er sich einarbeiten muss, ist dadurch gedeckt, dass die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG überhaupt entsteht. Die Einarbeitung dürfte ihm wegen seiner Befassung mit dem Nachlassverfahren deutlich leichter gefallen sein als einem Rechtsanwalt, der die Nachlassakte nicht gekannt hätte. So konnte der Verteidiger während des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft N.-F. offenbar ohne Akteneinsicht tätig sein. Erstmals hat er nach Zustellung des Strafbefehls Akteneisicht beantragt. Bereits in diesem Antragsschriftsatz konnte er zum Nachlassverfahren vortragen. Der geringere Einarbeitungsaufwand folgt auch daraus, dass der Verteidiger im Testament des Erblassers, auf das sich der Mandant in der Nachlasssache stützt, als Testamentsvollstrecker eingesetzt ist. Der Aufwand für die Einarbeitung ist angesichts der in tatsächlicher Hinsicht einfach gelagerten Vorwürfe und der ohnehin vorhandenen Kenntnis der Vorgeschichte deutlich unterdurchschnittlich. Anders als der Verteidiger in seiner Beschwerdebegründung meint, bietet der Fall bereits wegen dieser Besonderheit keinen Anlass, allgemeine Kriterien aufzustellen, wann eine Mittelgebühr unterschritten werden muss, weil bereits ihre Festsetzung unbillig ist und wann welche Erhöhung billig ist.
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Das Gleiche gilt für die Gebühren gem. den Nr. 4106, 4108, 4124, 4126 und 4130 VV RVG. In allen Instanzen war beim Verteidiger die Kenntnis vom Stand des Nachlassverfahrens vorhanden, wobei dieses mit der Erteilung von Erbschein und Testamentsvollstreckerzeugnis jedenfalls vor dem 6. Oktober 2022 das vom Mandanten angestrebte Ziel erreicht hatte. Die Beweislage war angesichts dessen, dass die Äußerungen des Mandanten in Textform erfolgt waren, einfach. Die Ausführungen des Verteidigers zu seiner Tätigkeit in der Berufungshauptverhandlung führen jedenfalls nicht zu einem überdurchschnittlichen Aufwand. Die Besprechung der Folgen einer möglichen Einstellung des Verfahrens nach § 153a Abs. 2 StPO sind bei Fällen weniger schwerwiegender Vorwürfe häufiger erforderlich und von der Mittelgebühr in aller Regel gedeckt, so auch im vorliegenden Fall.
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c) Umstände, die den jedenfalls vor dem Amtsgericht unterdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad ausgleichen und die Sache in den weiteren Instanzen überdurchschnittlich schwierig machen würden, liegen nicht vor. Anders als der Verteidiger vorträgt, enthielt der Strafbefehl eine Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen und nicht von 100 Tagessätzen. Eine besondere Schwierigkeit des Verfahrens kann daher nicht mit dem Argument begründet werden, bereits der Strafbefehl habe eine Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen vorgesehen.
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Die Sache hatte für den Angeklagten auch nicht deswegen besondere Bedeutung, weil nach dem Einspruch gegen den Strafbefehl durch das AG Nürnberg die Verurteilung zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen erfolgt ist. Zwar liegt diese Strafe in dem Bereich, in dem Eintragungen in ein Führungszeugnis erfolgen (§ 32 Abs. 2 Nr. 5a BZRG). Das führt allerdings für sich genommen nicht zu einer besonderen Bedeutung für den Mandanten, weil die Aufnahme einer Verurteilung in ein Führungszeugnis nach § 32 Abs. 1 BZRG in Verbindung mit § 4 Nr. 1 BZRG der Regelfall ist, von dem § 32 Abs. 2 BZRG Ausnahmen regelt, eine davon in dessen Nr. 5a). Daher ist beim Drohen eines Eintrags im Führungszeugnis im Fall einer Verurteilung vom Normalfall auszugehen.
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Im Übrigen kam es auf die Grenze von 90 Tagessätzen nicht an, weil der Angeklagte bereits anderweit zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt war und die dem Angeklagten hier zur Last liegenden Taten nicht gesamtstrafenfähig waren (siehe § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB). Im Fall der Verurteilung des Angeklagten hier hätte daher die Rückausnahme des § 32 Abs. 2 Nr. 5 BZRG gegriffen, laut der eine Geldstrafe von bis zu 90 Tagessätzen nur dann nicht in das Führungszeugnis aufzunehmen ist, wenn im Register keine weitere Strafe eingetragen ist.
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d) Des Weiteren rechtfertigt eine besondere Bedeutung der Sache für den Mandanten nur dann eine Erhöhung der Rahmengebühren, wenn der Verteidiger deswegen auch einen spürbar größeren Arbeitsaufwand hat (OLG Rostock, Beschluss vom 18. Januar 2017, 20 Ws 21/17, juris Rn. 9). Das war aber nicht der Fall.
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Strafantragsteller waren hier der damalige Präsident des AG Nürnberg, eine Richterin des AG Nürnberg und schließlich der Präsident des OLG Nürnberg. Das spielt für die Bedeutung eines Verfahrens für einen Beschuldigten aber keine wesentliche Rolle, weil im Fall einer Verurteilung die nachgewiesene Straftat und deren Gewicht, neben anderen Umständen wie der Persönlichkeit des Beschuldigten und weiteren Merkmalen maßgeblich sind, nicht aber die Person des Strafantragstellers. Weiterhin ist nicht dargelegt, inwieweit die Identitäten der Strafantragsteller im vorliegenden Verfahren für den Verteidiger zu Mehrarbeit geführt haben sollen. Auch eine Durchsicht der Schriftsätze des Verteidigers des vorliegenden Verfahrens ergab keine Anhaltspunkte für besondere Schwierigkeiten des vorliegenden Verfahrens. Der Verteidiger hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die Dauer des Nachlassverfahrens seinen Mandanten zu unangemessenen Äußerungen veranlasst habe. Diese Ausführungen begründen aber keine besondere Schwierigkeit der Sache, welche die im vorliegenden Fall gegebenen Umstände ausgleichen, die für einen für den Verteidiger einfach gelagerten Fall sprechen. Im Schriftsatz vom 17. Juli 2024, mit dem der Verteidiger seine Gebühren geltend machte, ist zwar davon die Rede, dass von Anfang an abzuwägen gewesen sei, ob eine Beleidigung im Rechtssinne oder eine Meinungsäußerung vorgelegen habe. Die Prüfung einer Rechtsfrage bei einer Strafverteidigung ist aber vom regelmäßig zu bearbeitenden Aufgabenkreis eines Rechtsanwalts gedeckt und führt nicht zu einer besonderen Schwierigkeit des Verfahrens. Auf die im Schriftsatz vom 17. Juli 2024 enthaltenen Erwägungen zum Strafmaß wurde oben bereits eingegangen. Die Person eines mutmaßlich Beleidigten – im vorliegenden Fall eine Richterin am Amtsgericht und der Präsident des Amtsgerichts – macht eine Sache für sich genommen auch nicht besonders schwierig.
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e) Weiter stellen allgemeine Preissteigerungen keinen Grund dar, von der Mittelgebühr abzuweichen. Die Mittelgebühr wird aus dem Gebührenrahmen des RVG ermittelt. Für Rahmengebühren sieht § 14 Abs. 1 RVG vor, dass die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen zu bestimmen ist. Als Umstände sind in § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit genannt, die Bedeutung der Angelegenheit und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers. Satz 2 sieht darüber hinaus ein besonderes Haftungsrisiko als mögliches weiteres Kriterium vor. Zwar ist diese Aufzählung nicht abschließend. Den genannten Kriterien ist aber gemein, dass sie alle mit dem jeweiligen Einzelfall zu tun haben. Dies ist bei dem generellen Preisniveau in Deutschland nicht der Fall. Der Gebührenrahmen ist im RVG festgeschrieben. Zu bedenken ist, dass bei besonders aufwändigen und komplexen Sachverhalten, bei denen die Höchstgebühr angemessen sein kann, eine Berücksichtigung des Preisniveaus wegen der Obergrenze nicht mehr erfolgen kann. Würde man das Preisniveau als Kriterium zulassen, würden sich bei Preissteigerungen die noch billigerweise festzusetzenden Gebühren der Höchstgebühr annähern, was zur Folge hätte, dass der Abstand zwischen der Höchstgebühr und der noch billigerweise festzusetzenden Gebühr den für die Angemessenheit der Höchstgebühr nötigen Mehraufwand nicht mehr widerspiegelt. Zwar kann sich ein geringerer Abstand auch aus den großen Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auftraggebers ergeben. Dies gründet sich aber auf den jeweiligen Einzelfall und ist vom Normgeber erkennbar gewollt, anders als die Berücksichtigung genereller Umstände wie des Preisniveaus.
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f) Im vorliegenden Verfahren war jedenfalls im Vorverfahren und in der ersten Instanz eine Gebühr deutlich unterhalb der Mittelgebühr angemessen. Das einem Rechtsanwalt zustehende Ermessen bei der Bestimmung der Gebühren (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG) rechtfertigte hier keine Bestimmung eines Betrags oberhalb der Mittelgebühr. Es ging um eine Verteidigung gegen den Vorwurf von drei Fällen der Beleidigung nach § 185 StGB, die in Nachrichten erfolgt sind, die nur der jeweilige Empfänger lesen konnte. Angesichts eines Strafrahmens von Geldstrafe oder bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe war die Bedeutung der Angelegenheit für den Mandanten gering. Ausweislich der vom Amtsgericht ausgeurteilten Tagessatzhöhe von 30 € waren die Einkommensverhältnisse des Beschuldigten gering. Der Wert der Erbmasse des Mandanten ist zwar bei seinem Vermögen zu berücksichtigen und wiegt die geringen Einkommensverhältnisse teilweise auf, führt aber nicht dazu, dass die wirtschaftliche Lage des Mandanten eine höhere Gebühr rechtfertigen würde. Wie dargelegt, war der Einarbeitungsaufwand für den Verteidiger gering. Die Bestimmung der Gebühren ist daher jedenfalls für die bis zum Abschluss der ersten Instanz angefallenen Gebühren unbillig. Im vorliegenden Einzelfall sind daher bei den anzusetzenden Rahmengebühren für das vorgerichtliche Verfahren 75% des Mittelwerts anzusetzen, im Verfahren vor dem AG Nürnberg kommen die vom Verteidiger angesetzten Auslagenpauschalen und die Umsatzsteuer hinzu.
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g) Hinsichtlich der Rahmengebühren für das Verfahren in den Rechtsmittelinstanzen sind die Bezirksrevisorin und das Amtsgericht von einer Angemessenheit der Mittelgebühr ausgegangen. Dem schließt sich die Kammer an. Grundsätzlich würde dies dazu führen, dass die Gebührenbestimmung der Verfahrens- und der Termingebühren durch den Verteidiger für die Rechtsmittelinstanzen, die jeweils 10% über der Mittelgebühr liegen, verbindlich wären. Allerdings führt die Bezirksrevisorin zu Recht an, dass die Gebührenbestimmung auf Grund der Umstände des Einzelfalls in Verbindung mit den Bemessungskriterien zu treffen ist (Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 26. Aufl., § 14 Rn. 12; Winkler in: Mayer/Kroiß, RVG, 8. Aufl., § 14 Rn. 40; v. Seltmann in: BeckOK RVG, Stand: 1.September 2021, § 14 Rn. 1). Der Verteidiger hat im Schriftsatz vom 20. November 2024 angeführt, dass er die Gebühren auch wegen der Kostensteigerungen über die Mittelgebühr erhöht hat. Die Anwendung dieses Kriteriums macht für sich genommen die Bestimmung der Gebühr unbillig, so dass sie nicht verbindlich ist (vgl. Mayer, aaO, § 14 Rn. 12). Das Amtsgericht ist dem gefolgt und hat deswegen die auch aus seiner Sicht angemessene Mittelgebühr festgesetzt. Diese Vorgehensweise ist im vorliegenden Einzelfall nicht zu beanstanden. Nicht zu beanstanden ist auch die Festsetzung der Auslagenpauschalen des Verteidigers und der auf die sich ergebende Summe der festgesetzten Gebühren anfallenden Umsatzsteuer auch in den Rechtsmittelinstanzen.
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h) Zinsen sind nicht festzusetzen, weil der zutreffende Geldbetrag von der Staatskasse vor Einlegung der sofortigen Beschwerde an den Verteidiger ausbezahlt worden ist und der Verteidiger erst mit der danach eingelegten sofortigen Beschwerde erstmals Zinsen verlangt hat. Für die Festsetzung gelten die Vorschriften der §§ 103 ff. ZPO (siehe OLG Nürnberg, Beschluss vom 20. Mai 2014, 2 Ws 225/14, juris Rn. 20). Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO erfolgt ein Ausspruch von Zinsen nur auf Antrag. Eine Pflicht zur Verzinsung eines Erstattungsbetrags kann nur ab dem Zeitpunkt ausgesprochen werden, zu dem der Festsetzungsantrag bei Gericht eingegangen ist (Schulz in: MüKo-ZPO, 7. Aufl., § 104 Rn. 72). Mit einer sofortigen Beschwerde kann zudem nur die Nachprüfung der Rechtspflegerentscheidung verlangt werden, aber keine weitere Kostenerstattung geltend gemacht werden (Niesler in: BeckOK StPO, Stand: 1. Januar 2025, § 464b Rn. 5). Deswegen ist die Zuerkennung von Zinsen, die vorher nicht beantragt worden sind, im Beschwerdeverfahren nicht möglich.