Inhalt

OLG München, Beschluss v. 05.06.2025 – 7 W 661/25 e
Titel:

Kosten der Nebenintervenienten, Nebenintervention, Prozeßbevollmächtigter, Gesonderte Wertfestsetzung, Gerichtsgebührenfreiheit, Rechtsprechung des BGH, Bruchteilsgemeinschaft, Selbständiges Rechtsmittel, Erledigung der Hauptsache, Gegenstandswert, Sofortige Beschwerde, Schriftsätze, Landgerichte, Wirtschaftliches Interesse, Streitwert, Gesonderte Festsetzung, Kosten des Rechtsstreits, Kostenentscheidung, Angriffs- und Verteidigungsmittel, Außergerichtliche Kosten

Schlagworte:
Nebenintervention, Streitwertfestsetzung, wirtschaftliches Interesse, Hauptsachewert, Kostenentscheidung, Prozesskosten, Beschwerdeverfahren
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 30.04.2025 – 33 O 8738/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 12557

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 30.04.2025 wird zurückgewiesen.

Gründe

1
Die Parteien stritten vor dem Landgericht München I in der Hauptsache um einen Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Zustimmung zur Freigabe eines beim Amtsgericht München hinterlegten Geldbetrages i.H.v. … €. Die Parteien sind Mitglieder einer Bruchteilsgemeinschaft, die Eigentümerin eines Anwesens in M. war.
2
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 30.08.2023, dort S. 7, Bl. 17 d.A., verkündete der Beklagte den weiteren Mitgliedern der Bruchteilsgemeinschaft, den Nebenintervenienten zu 1) bis 3), den Streit mit der Aufforderung, dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten beizutreten.
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Die Nebenintervenienten zu 1) und 2) sind mit Schriftsätzen ihres Prozessbevollmächtigten vom 17.11.2023 (Bl. 100 d.A. und Bl. 99 d.A.) dem Rechtsstreit beigetreten, jedoch nicht auf Seiten des Beklagten, sondern auf der des Klägers. Der Nebenintervenient zu 3) ist dem Rechtsstreit ebenfalls auf Seiten des Klägers beigetreten (vgl. Schriftsatz des Nebenintervenientenvertreters zu 3) vom 10.09.2024, Bl. 130 d.A.).
4
In der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2024 vor dem Landgericht schlossen sich die Nebenintervenienten dem Antrag der Klägerseite an (vgl. S. 3 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2024, Bl. 181 d.A.).
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Mit Endurteil vom 28.01.2025, Az. 33 O 8738/23, verurteilte das Landgericht München I den Beklagten, gegenüber der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts München der Freigabe eines Betrages in Höhe von … € zugunsten des Klägers zuzustimmen (Ziffer I des Tenors). Im Übrigen stellte es die Erledigung der Hauptsache fest (Ziffer II des Tenors). Schließlich legte das Landgericht dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervenienten zu 1) bis 3) auf (Ziffer III des Tenors).
6
Mit Schriftsätzen ihrer jeweiligen Prozessbevollmächtigten vom 29.01.2025 beantragten die Nebenintervenienten zu 1) und 2) (Bl. 234/235 d.A.) sowie der Kläger (Bl. 236/237 d.A.) und mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 31.01.2025 auch der Nebenintervenient zu 3) (Bl. 238/239 d.A.) die Festsetzung der Kosten unter Zugrundelegung eines Streitwertes von 867.981,15 €.
7
Mit Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 31.03.2025 (Bl. 264 f. d.A.) beantragte der Beklagte „das rechtlich geschützte, wirtschaftliche Interesse der Nebenintervenienten am Ausgang des Hauptrechtsstreitens [sic] anhand der tatsächlichen Interessen der unterstützenden Parteien für diese jeweils gesondert festzusetzten [sic].“
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Mit Beschluss des Landgerichts München I vom 30.04.2025, Az. 33 O 8738/23, dem Beklagtenvertreter am 02.05.2025 zugestellt, wurde der Antrag des Beklagten auf Festsetzung eines gesonderten Streitwerts für die Nebenintervention zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Landgericht u.a. aus, dass die Nebenintervenienten dem Rechtsstreit auf Seiten des Klägers beigetreten seien und sich in der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2024 uneingeschränkt den Anträgen der Klägerseite angeschlossen hätten. In einem solchen Fall sei nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 11.12.20212 – II ZR 233/09) entgegen der Rechtsprechung des OLG Dresden (Beschluss vom 19.02.2018 – 10 W 30/18) der Wert der Hauptsache maßgebend, sodass eine gesonderte Festsetzung des Gegenstandswertes der Nebenintervention nicht in Betracht komme.
9
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 16.05.2025 (Bl. 284/286 d.A.), eingegangen beim Landgericht am selben Tag, legte der Beklagte sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 30.04.2025 ein und berief sich zur Begründung auf die Entscheidung des OLG Dresden vom 19.02.2018 – 10 W 30/18.
10
Das Landgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 19.05.2025, Bl. 1/2 d.A., nicht ab und ordnete die Vorlage der Akten an das Oberlandesgericht München an.
II.
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1. Zur Entscheidung über die Beschwerde ist gemäß § 33 Abs. 8 S. 1 Hs. 2 RVG der Senat als Kollegium berufen, da das Landgericht – wenngleich im Hinblick auf § 33 Abs. 8 S. 1 Hs. 1 RVG fehlerhaft – als Kollegium entschieden hat.
12
2. Die Beschwerde des Beklagten ist zulässig, insbesondere ist die Wertgrenze des § 33 Abs. 3 S. 1 RVG überschritten und wurde die Beschwerde innerhalb der Frist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG eingelegt.
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3. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, da das Landgericht den zwar zulässigen, jedoch unbegründeten Antrag des Beklagten auf gesonderte Wertfestsetzung zu Recht zurückwies.
14
Der Antrag des Beklagten vom 31.03.2025 auf gesonderte Wertfestsetzung im Verhältnis zu den Nebenintervenienten ist als Antrag auf gesonderte Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG auszulegen.
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a. Dieser Antrag ist zulässig.
16
aa. Das erstinstanzliche Verfahren ist durch Endurteil beendet, sodass die Rechtsanwaltsvergütung der Nebenintervenientenvertreter gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 RVG fällig wurde.
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bb. Der Beklagte ist erstattungspflichtiger Gegner der Nebenintervenienten, weil er nach der Kostenentscheidung in Ziffer 3 des Endurteils des Landgerichts auch die durch die Nebenintervention verursachten Kosten zu tragen hat. Als solcher ist er nach § 33 Abs. 2 Satz 2 Var. 3 RVG antragsberechtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 11.12.2012 – II ZR 233/09, Rdnr. 1).
18
b. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Nach § 33 Abs. 1 RVG setzt die gesonderte Festsetzung voraus, dass sich die Gebühren in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert richten. Die Gebühren für die Nebenintervention richten sich hier aber nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert.
19
aa. Bereits in seinem Beschluss vom 30.10.1959 (V ZR 204/57, Rdnr. 5) vertrat der BGH die Meinung, dass – selbst wenn der Nebenintervenient mit seinem Beitritt wirtschaftlich eigene Interessen verfolgen sollte – er jedenfalls, wenn er keinen eingeschränkten Antrag stelle, am Prozess im gleichen Umfang beteiligt sei wie die Partei, der er beigetreten sei. Seine Angriffs- und Verteidigungsmittel bezweckten den Sieg dieser Partei und zwar in voller Höhe des von ihr oder gegen sie geltend gemachten Klageanspruchs. Für die Art der Prozessführung mache es keinen Unterschied, ob das wirtschaftliche Interesse dem der Hauptpartei gleichkomme oder ob es geringer oder gar höher sei.
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Im Beschluss vom 11.12.2012 – II ZR 233/09, Rdnr. 2 ließ der BGH sodann ausdrücklich offen, ob und wann trotz gleicher Anträge von Nebenintervenient und von ihm unterstützter Partei ein geringeres Interesse des Nebenintervenienten am Obsiegen der unterstützten Partei zu berücksichtigen sei. Auf dieses Offenlassen stützt sich das OLG Dresden in seinem vom Beklagten in Bezug genommenen Beschluss vom 19.02.2018 – 10 W 30/18 (dort Rdnr. 26), wenn es den Gegenstandswert der Nebenintervention vom Antrag der unterstützten Partei löst und bei der Wertbemessung nur noch auf das eigene wirtschaftliche Interesse des Nebenintervenienten am Obsiegen der von ihm unterstützten Partei abstellt.
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Dabei lässt das OLG Dresden jedoch den Beschluss des BGH vom 12.01.2016 – X ZR 109/12 außer Betracht, mit dem der Wert für die Nebenintervention ohne Rücksicht auf die vom Nebenintervenienten gestellten Anträge und ohne Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des Nebenintervenienten am Obsiegen der von ihm unterstützten Partei nach dem Wert der Hauptsache zu bestimmen ist (BGH, aaO, Rdnr. 6). Nur für den Fall, dass der Nebenintervenient allein ein selbständiges Rechtsmittel einlegt, hat der BGH offengelassen, ob es dann auf das wirtschaftliche Interesse des Nebenintervenienten ankommt. Für alle anderen Fälle, kommt es nach dieser Rechtsprechung jedenfalls ausdrücklich nicht darauf an, ob das wirtschaftliche Interesse des Nebenintervenienten dem der unterstützten Hauptpartei gleichkommt oder ob es geringer oder gar höher ist. Solche Aspekte betreffen nämlich das Innenverhältnis des Nebenintervenienten zur unterstützten Partei und sind deshalb für den Rechtsstreit zwischen den Hauptparteien weder relevant noch in diesem aufzuklären (BGH, aaO, Rdnr. 7).
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bb. Da es streitgegenständlich nicht um ein selbständig von den Nebenintervenienten eingelegtes Rechtsmittel geht, verbleibt es damit nach der Rechtsprechung des BGH dabei, dass das wirtschaftliche Interesse der Nebenintervenienten für die Wertbestimmung irrelevant ist. Für die Bemessung der Anwaltsgebühren der Nebenintervenienten ist daher ausschließlich der Gerichtsgebührenwert von Bedeutung, sodass das Landgericht den Antrag des Beklagten auf gesonderte Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG zu Recht zurückgewiesen hat.
III.
23
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).