Titel:
Rechtmäßigkeit kapazitätsrelevanter Personal- und Lehrentscheidungen
Normenkette:
BayHZV § 45, § 46
Leitsätze:
1. Eine Doppelberücksichtigung von Lehrveranstaltungen ist ausgeschlossen, wenn im Dienstleistungsexport nach § 46 HZV nur solche Curricularanteile erfasst werden, die zusätzliche Lehrveranstaltungen erfordern und nicht bereits in den Studiengängen der Lehreinheit enthalten sind – auch bei lehreinheitsübergreifender Nutzung. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Umwandlung einer A14- in eine A13-Stelle auf Zeit ist rechtmäßig, wenn sie der erneuten Besetzung mit nicht habilitiertem Personal dient. Eine Beeinträchtigung von Bewerberrechten ist nicht ersichtlich. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Deputatsermäßigungen sind rechtmäßig, wenn sie auf Grundlage des § 3 Abs. 1 Nr. 7 AVBayHIG erfolgen, regelmäßig überprüft und anhand der dienstlichen Aufgabenanteile sachgerecht bemessen werden; pauschale Rügen ohne substantiierte Anhaltspunkte sind unzureichend. (Rn. 10 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Reduktion der Lehrveranstaltungsstunden für Lehraufträge ist gerechtfertigt, da sich deren Umfang im relevanten Zeitraum verringert hat und bedarfsabhängige Schwankungen bei Titellehre (§ 45 S. 1 HZV, Art. 83 Abs. 1 S. 1 BayHIG) üblich sind. Anhaltspunkte für einen höheren tatsächlichen Umfang müssen substantiiert vorgetragen werden. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Humanmedizin (Erster Studienabschnitt), Deputatsermäßigung, Dienstleistungsexport, Lehrverpflichtung, Kapazitätsberechnung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Entscheidung vom 05.02.2025 – W 9 E 24.20081
Fundstelle:
BeckRS 2025, 12458
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin (Erster Studienabschnitt) im ersten Fachsemester an der J.-M.-U. W. (im Folgenden: JMU) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Wintersemesters 2024/2025. Sie macht geltend, dass mit der in der Satzung über die Festsetzung der Zulassungszahlen der im Studienjahr 2024/2025 an der J.-M.-U. W. als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie im höheren Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung) vom 2. Juli 2024 festgesetzten Zahl von 155 Studienplätzen für das Wintersemester 2024/2025 die vorhandene Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft sei.
2
Das Verwaltungsgericht Würzburg hat ihren Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 5. Februar 2025 abgelehnt. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass an der JMU über die vergebenen 155 Studienplätze hinaus noch weitere freie Studienplätze im Studiengang Humanmedizin (Erster Studienabschnitt) im ersten Fachsemester verfügbar seien.
3
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Sie rügt im Wesentlichen, es sei nicht nachvollziehbar, ob bzw. inwiefern die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. B.v. 5.9.2023 – 7 CE 22.10008 – juris Rn. 9 ff.) zur mangelnden Berücksichtigungsfähigkeit von Vorlesungen, die bereits Teil des Curriculums eines der Lehreinheit zugeordneten Studiengangs sind, beachtet worden sei. Zudem fehle eine erforderliche Abwägung bezüglich der Rückführung einer A14-Stelle auf Zeit auf eine A13-Stelle auf Zeit, welche zur Anpassung des Lehrangebots um zwei Lehrveranstaltungsstunden führe. Bezüglich der Deputatsverminderungen in Höhe von 15 Lehrveranstaltungsstunden fehlten nähere Darlegungen, insbesondere eine Überprüfung der Dienstaufgaben. Für Lehraufträge habe die JMU des Weiteren ohne nähere Aufklärung der Abweichung zu den Vorjahren lediglich 0,08 Lehrveranstaltungsstunden angesetzt.
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Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen.
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Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf die sich die Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), wird nicht erkennbar, dass an der JMU über die im Wintersemester 2024/2025 tatsächlich besetzten 155 Studienplätze hinaus noch ungenutzte Ausbildungskapazität im Studiengang Humanmedizin (Erster Studienabschnitt) vorhanden war.
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1. Mit ihrem Vorbringen, es sei nicht nachvollziehbar, ob und inwiefern die JMU die Rechtsprechung des Senats zur Berücksichtigung von lehreinheitsübergreifenden gemeinsamen Vorlesungen beim Curriculareigenanteil und beim Dienstleistungsexport (vgl. B.v. 5.9.2023 – 7 CE 22.10008 – juris Rn. 9 ff.) berücksichtige, dringt die Antragstellerin nicht durch.
8
Das Verwaltungsgericht hat die Berechnungen der JMU zum Dienstleistungsexport zu Recht unbeanstandet gelassen. Aus den von der JMU vorgelegten Unterlagen zur Kapazitätsberechnung ergibt sich eindeutig, dass in der Berechnung „unter ‚Dienstleistungsexport‘ (‚Dienstleistungen‘, § 46 HZV) lediglich Curricularanteile aufgeführt [sind], die zusätzliche Lehrveranstaltungen erfordern. Vorlesungen, die in den eigenen Studiengängen der betrachteten Lehreinheit bereits angeboten werden, bleiben unberücksichtigt. Dies gilt auch innerhalb einer Lehreinheit“ (Schreiben v. August 2024 „Kapazitätsermittlung und Festsetzung von Zulassungszahlen für das Wintersemester 2024/2025 und das Sommersemester 2025“, S. 2). Mit ihrem Einwand verkennt die Antragstellerin, dass die JMU bereits vor Ergehen der zitierten Entscheidung des Senats keine doppelte – im Curriculareigenanteil sowie zusätzlich im Dienstleistungsexport – Berücksichtigung von Lehrveranstaltungen, die lehreinheitsübergreifend besucht werden, vorgenommen hat. Als Dienstleistungsexport wurden schon in der Vergangenheit nur solche Curricularanteile angesetzt, die zusätzliche Lehrveranstaltungen erfordern. Auch aus dem von der JMU in Bezug genommenen Beschluss der Universitätsleitung 1445/17 vom 17. Mai 2017, der für Bachelor- und Masterstudiengänge an der JMU regelt, dass ein Dienstleistungsabzug nach Anlage 5 der Hochschulzulassungsverordnung nur für einen Curricularanteil erfolgt, der nicht bereits in den der Lehreinheit zugeordneten Studiengängen verwendet wird, wird deutlich, dass die JMU ihrer Kapazitätsberechnung schon seit Jahren eine zutreffende Berechnungspraxis zu Grunde legt. Dass die konkrete Berechnung des Dienstleistungsexports Anlass zu sonstigen Zweifeln gibt, hat die Antragstellerin nicht substantiiert eingewandt. Die von ihr benannten „Auffälligkeiten“ sind keine und erfordern daher keine weitere Aufklärung.
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2. Die Umwandlung einer A14-Stelle auf Zeit in eine A13-Stelle auf Zeit und die damit verbundene Reduzierung des Lehrangebots um zwei Lehrveranstaltungsstunden ist nicht zu beanstanden. Grund für diese Umwandlung ist das Ausscheiden des bisherigen (habilitierten) Stelleninhabers. Die JMU benötigt A14-Stellen auf Zeit, um Habilitanden nach erfolgreicher Habilitation zunächst weiterbeschäftigen zu können. Nach deren Weggang werden diese Stellen wieder in A13-Stellen auf Zeit umgewandelt, um sie bis zur Habilitation erneut mit Personen besetzen zu können, die noch nicht habilitiert sind. Anhaltspunkte dafür, dass die JMU bei diesem Vorgehen die grundrechtlich geschützten Rechte der Studienplatzbewerber außer Acht gelassen hat, sind weder erkennbar noch von der Antragstellerin vorgebracht.
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3. Mit ihrem sinngemäßen Einwand, die JMU habe das der Kapazitätsberechnung zu Grunde liegende Lehrangebot zu niedrig berechnet, weil sie die Deputatsermäßigungen in Höhe von insgesamt 15 Lehrveranstaltungsstunden inhaltlich nicht ausreichend begründet habe, wird die Antragstellerin den Darlegungsanforderungen an die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie setzt sich nicht hinreichend substantiiert mit den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander, sondern rügt pauschal und ohne hierfür belastbare Anhaltspunkte zu benennen die Überprüfungen der JMU als unzureichend. Mit diesem Vorbringen verfehlt sie die gesetzlichen Anforderungen aus § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO.
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Darüber hinaus ist gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu den Deputatsermäßigungen in Höhe von 15 Lehrveranstaltungsstunden nichts zu erinnern. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 7 der Ausführungsverordnung zum Bayerischen Hochschulinnovationsgesetz (AVBayHIG) vom 13. Februar 2023 (GVBl S. 66) haben wissenschaftliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit (Art. 19 ff. BayHSchPG), soweit ihnen Lehraufgaben übertragen werden, eine Lehrverpflichtung von höchstens zehn Lehrveranstaltungsstunden. Dies entspricht der bisherigen Regelung in § 4 Abs. 1 Nr. 6 der Verordnung über die Lehrverpflichtung des wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an Universitäten, Kunsthochschulen und Fachhochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung – LUFV, außer Kraft getreten am 23.2.2023). Der Senat hat bereits wiederholt ausgeführt, es begegne auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung der JMU zur erschöpfenden Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten keinen Bedenken, dass dieser Maximalwert im Hinblick auf die von dieser Personengruppe wahrzunehmenden weiteren Dienstaufgaben regelmäßig nicht voll ausgeschöpft wird (vgl. BayVGH, B.v. 20.7.2023 – 7 CE 23.10002 – juris Rn. 10 m.w.N). Zu den konkreten Deputatsermäßigungen der JMU hat der Senat zuletzt mit Beschluss vom 9. August 2021 – 7 CE 21.10004 u.a. – (juris Rn. 13) festgestellt, dass sich aus den Unterlagen des Präsidenten der JMU zum „Vollzug der Lehrverpflichtungsverordnung“ (v. 30.9.2020) ergibt, dass die Lehrverpflichtung der Lehrenden unter Berücksichtigung des prozentualen Umfangs der sonstigen ihnen übertragenen Aufgaben festgesetzt wurde. Die Antragstellerin führt selbst aus, ihr lägen Unterlagen auch bezüglich des Wintersemesters 2021/2022 sowie „als singuläre Änderung“ die Deputatsfestsetzung für Frau Dr. W. aus dem Jahr 2022 vor. Somit ergibt sich bereits aus dem Vorbringen der Antragstellerin, dass die JMU die Deputatsfestsetzungen und damit auch die -ermäßigungen einer regelmäßigen Überprüfung unterzieht. Für ihre Behauptung, dass diese Überprüfung „ohne kritische Würdigung“ erfolgt sei, bleibt die Antragstellerin jede Begründung schuldig.
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4. Soweit die Antragstellerin ferner bemängelt, der Ansatz von 0,08 Lehrveranstaltungsstunden für Lehraufträge werfe insofern Fragen auf, als er von den deutlich höheren Werten der Vorjahre abweiche, führt dies ebenfalls nicht zu einer Änderung des angefochtenen Beschlusses. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der „Lehrauftragsstunden“, unter die auch die von Privatdozenten und außerplanmäßigen Professoren erbrachten Lehrleistungen fallen – sog. Titellehre – (vgl. BayVGH, B.v. 1.7.2009 – 7 CE 09.10044 – juris Rn. 7), von 2,0 auf 0,8 Lehrveranstaltungsstunden reduziert. Nach den Angaben des Antragsgegners in der Beschwerdeerwiderung handelt es sich hierbei um einen Anteil der Vorlesung „Anatomie I (Bewegungsapparat)“ im Sommersemester 2023. Dass tatsächlich in den dem Berechnungsstichtag vorausgehenden zwei Semestern (§ 45 Satz 1 HZV) durchschnittlich eine höhere Zahl von Lehrveranstaltungsstunden aus dem Bereich Titellehre zur Verfügung gestanden hätte, bringt die Antragstellerin nicht vor. Die Anzahl an Lehrveranstaltungen, die durch Lehrbeauftragte oder durch Privatdozenten erbracht werden, schwankt. Dies ist Ausdruck unterschiedlichen Bedarfs (Art. 83 Abs. 1 Satz 1 BayHIG) und erfordert ohne weitere Anhaltspunkte, die die Antragstellerin nicht aufgezeigt hat, keine weiteren Ermittlungen.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 und 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.