Inhalt

VGH München, Beschluss v. 03.06.2025 – 7 CE 24.10016
Titel:

Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg (FAU), Humanmedizin (Vorklinik), Sommersemester 2024, Überbuchung

Normenketten:
HZV § 7 Abs. 2
LUFV a.F. § 4 Abs. 1 Nr. 6
Schlagworte:
Friedrich-Alexander-Universität, Erlangen-Nürnberg (FAU), Humanmedizin (Vorklinik), Sommersemester 2024, Überbuchung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 26.09.2024 – AN 2 E 24.10027
Fundstelle:
BeckRS 2025, 12446

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Humanmedizin, beginnend mit dem ersten Fachsemester zum Sommersemester 2024, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2023/2024. Sie macht geltend, dass mit der in der Satzung der FAU über die Festsetzung von Zulassungszahlen für die im Studienjahr 2023/2024 als Studienanfängerinnen und Studienanfänger sowie in höhere Fachsemester aufzunehmenden Bewerberinnen und Bewerber (Zulassungszahlsatzung) vom 22. Juni 2023 festgesetzten Zahl von 173 Studienanfängerinnen und Studienanfängern (für das Studienjahr insgesamt 346 Studienplätze) die vorhandene Ausbildungskapazität nicht ausgeschöpft sei.
2
Das Verwaltungsgericht Ansbach hat den Antrag mit Beschluss vom 26. September 2024 abgelehnt. Die Antragstellerin habe nicht glaubhaft gemacht, dass an der FAU über die kapazitätsdeckend vergebenen 181 (bzw. 182 inklusive eines beurlaubten Studierenden) Studienplätze hinaus noch weitere Studienplätze im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) im Sommersemester 2024 zur Verfügung stünden.
3
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der vorliegenden Beschwerde. Die Bevollmächtigte trägt im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe die Gründe für die erfolgte Überbuchung nicht hinreichend aufgeklärt. Im Übrigen rügt sie die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Festsetzung der Lehrdeputate sowie die unzureichende Sachaufklärung hierzu.
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Der Antragsgegner widersetzt sich der Beschwerde.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), begründet den geltend gemachten Anordnungsanspruch der Antragstellerin nicht.
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Das Verwaltungsgericht geht nach eingehender Prüfung der vorgelegten kapazitätsbestimmenden Faktoren und Ergebnisse der hochschulinternen Berechnungen für die Ermittlung der Zulassungszahl hinsichtlich des Studienjahres 2023/2024 zu Recht davon aus, dass die FAU ihre Ausbildungskapazität im Studiengang Humanmedizin (Vorklinik) ausgeschöpft hat. Der Verwaltungsgerichtshof folgt den Gründen des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
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1. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass sich aus dem geringen Umfang der Überbuchung kein Anhaltspunkt für eine willkürliche Überbuchung ergibt und der Antragstellerin kein subjektiver Anspruch auf Zuteilung eines überbuchten Studienplatzes zusteht.
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a. Nach § 7 Abs. 2 HZV kann die Hochschule bei der Durchführung ihrer Auswahlverfahren durch Überbuchung der Zulassungszahlen berücksichtigen, dass vergebene Studienplätze voraussichtlich nicht besetzt werden. Damit soll ausgeglichen werden, dass zugeteilte Studienplätze nicht angenommen werden und die vorhandene Ausbildungskapazität möglichst erschöpfend genutzt wird. Maßgeblich ist hierfür das von der Hochschule prognostizierte Annahmeverhalten anhand der Erfahrungswerte der letzten Jahre (stRspr des Senats, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 7.1.2020 – 7 CE 19.10082 – juris Rn. 10; B.v. 19.9.2018 – 7 CE 18.10008 – juris Rn. 13). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Frage, wie viele Bewerberinnen und Bewerber die ihnen im Dialogorientierten Serviceverfahren (DoSV) angebotenen Studienplätze tatsächlich annehmen werden, um eine Prognoseentscheidung handelt, die erheblichen Unsicherheiten unterliegt. Daher lässt auch eine – in der ex-post-Betrachtung – fehlerhafte Prognose nicht ohne Weiteres darauf schließen, dass die Hochschule vorhandene Ausbildungskapazität verschwiegen hätte. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Hochschule bei der Vergabe der überbuchten Studienplätze willkürlich oder rechtsmissbräuchlich gehandelt hat, etwa um tatsächlich vorhandene Kapazitäten zu verschleiern (vgl. NdsOVG, B.v. 20.2.2013 – 2 NB 386.12 – juris Rn. 23) oder um die Führung von Prozessen, die eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung festgesetzter Zulassungszahlen ermöglichen, zu konterkarieren (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.2011 – 6 CN 3.10 – juris Rn. 36). Anlass zur Prüfung einer Überbuchung kann dann bestehen, wenn eine Hochschule in einem zulassungsbeschränkten Studiengang über mehrere aufeinander folgende Zulassungstermine hohe Überbuchungen vornimmt. Dann muss geprüft werden, ob sich das von der Hochschule prognostizierte Annahmeverhalten auch unter Berücksichtigung aller hierbei bestehenden Unsicherheiten noch hinreichend auf Erfahrungswerte der letzten Jahre stützen lässt, oder ob die Hochschule selbst davon ausgeht, dass über die festgesetzte Zulassungszahl hinaus noch nutzbare Ausbildungskapazität vorhanden ist. Von Letzterem wird allerdings nur in Ausnahmefällen auszugehen sein. Eine punktgenaue Ausschöpfung der vorhandenen Ausbildungskapazität wird sich kaum erreichen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 13.9.2021 – 7 CE 21.10039 – juris Rn. 12).
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Vorliegend bietet die von der FAU vorgenommene Überbuchung schon im Ansatz keinen Anlass zur Annahme, dass die Überbuchung willkürlich oder missbräuchlich ist. Bei 173 festgesetzten Studienplätzen und 181 vergebenen Studienplätzen beträgt die Überbuchung rund 4,6% und ist damit als geringfügig einzustufen. Eine weitere Überprüfung bzw. Aufklärung durch das Verwaltungsgericht war daher nicht angezeigt.
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b. Abgesehen davon kommt es auf die kapazitätsrechtliche Wirksamkeit der Überbuchung der Zulassungszahl nicht an. Alle die Ausbildungskapazität der FAU erschöpfenden Studienplätze sind vergeben; Anhaltspunkte dafür‚ dass im begehrten Studiengang weitere freie Kapazitäten vorhanden sind‚ ergeben sich aus der vom Verwaltungsgericht überprüften Kapazitätsberechnung nicht und werden von der Antragstellerin auch im Beschwerdeverfahren nicht mit Erfolg geltend gemacht (siehe unten 2.). Nur unter dieser Voraussetzung wäre jedoch die kapazitätsrechtliche Wirksamkeit einer Überbuchung von Belang für die Frage, ob der Antragstellerin ein Recht auf Zuteilung eines Studienplatzes zusteht (vgl. BayVGH, B.v. 13.9.2021 – 7 CE 21.10039 – juris Rn. 12; B.v. 11.2.2021 – 7 CE 20.10001 u.a. – juris Rn. 21).
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c. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang meint, die FAU müsse dem Gericht nach entsprechender Aufforderung mitteilen, ob 14 Tage nach Vorlesungsbeginn immer noch 181 Studierende eingeschrieben gewesen seien, da andernfalls der freigewordene Studienplatz nicht als besetzt zu zählen sei, ist darauf hinzuweisen, dass es nach der Systematik der Kapazitätsberechnung grundsätzlich nicht darauf ankommt, in welchem Umfang die zugelassenen Studierenden von dem Lehrangebot tatsächlich Gebrauch machen oder ob es nach Vorlesungsbeginn Exmatrikulationen gegeben hat (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2017 – 7 CE 17.10003 u.a. – juris Rn. 8).
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2. Auch mit der weiteren Rüge, den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu den Lehrverpflichtungsfestsetzungen in der Vorklinik könne größtenteils nicht gefolgt werden, dringt die Antragstellerin nicht durch.
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a. Soweit die Antragstellerin – wie in der Vorinstanz auch – vorbringt, die Unterlagen der FAU zum Vollzug der Lehrverpflichtungsverordnung seien teilweise veraltet bzw. überhaupt nicht nachvollziehbar, setzt sie sich mit den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht auseinander und kommt somit schon nicht den gesetzlichen Anforderungen an den Inhalt einer Beschwerdebegründung nach (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat hierzu festgestellt, dass die Festsetzungen bezüglich des Lehrdeputats zwar zum Teil bereits längere Zeit zurücklägen, jedoch die ausdrückliche Erklärung der FAU glaubhaft sei, dass die Festsetzungen weiterhin aktuell seien. Dies werde dadurch bestätigt, dass ausweislich des Internetauftritts der FAU alle aus den Einweisungsverfügungen ersichtlichen Stelleninhaber aktuell an der FAU tätig seien. Auch böten die Inhalte der Einweisungsverfügungen keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, diese seien nicht mehr aktuell (vgl. UA S. 12). Hierzu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht. Dies gilt auch hinsichtlich der Feststellung des Verwaltungsgerichts, die FAU habe eine hinreichend detaillierte Stellenübersicht vorgelegt, die einzelne, regelmäßig durch Nummern identifizierbare Stellen samt Lehrverpflichtung ausweise, die verschiedenen Instituten bzw. Bereichen der Medizinischen Fakultät zugeordnet seien. Es hätten im Rahmen der Amtsermittlung keine hinreichenden Anhaltspunkte bestanden, weitere Informationen anzufordern, zumal sich das Lehrangebot gegenüber dem status quo bzw. dem Vorjahr nicht wesentlich verändert habe und es im Ergebnis sogar zu einer leichten Steigerung des Lehrangebots gekommen sei (vgl. UA S. 10).
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b. Im Hinblick auf die Rüge der Antragstellerin, die im Rahmen der festgesetzten Lehrverpflichtung bei den Stellen mit den Stellennummern 180318, 11237, 80263296 und 80181132 erfolgten Abzüge für „Administration“ ließen nicht erkennen, inwieweit es sich um eine Tätigkeit im Bereich der Forschung oder im Bereich der Lehre handele, hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass aus allen Einweisungsverfügungen hinreichend sachliche Gründe für die jeweils festgesetzten Lehrverpflichtungen erkennbar seien und dies auch insoweit gelte, als die FAU Arbeitszeit prozentual vergleichsweise allgemein zur „Forschung“, „Administration“ oder „Wissenschaftlicher Tätigkeit“ zugewiesen hat. Denn hierdurch komme noch ausreichend zum Ausdruck, dass es die FAU für erforderlich gehalten habe, im Rahmen ihres Organisationsermessens betreffend den Wissenschaftsbetrieb von der grundsätzlich hälftigen Aufteilung der Arbeitszeit in Lehre und Forschung zugunsten von Forschung bzw. Verwaltung abzuweichen (vgl. UA S. 13). Hierzu verhält sich die Antragstellerin ebenfalls nicht (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn der nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 LUFV (in der für das streitgegenständliche Sommersemester noch geltenden Fassung vom 28. Februar 2023) vorgesehene Maximalwert von zehn Lehrveranstaltungsstunden der Wissenschaftlichen Mitarbeiter im Beamtenverhältnis im Hinblick auf die von dieser Personengruppe wahrzunehmenden weiteren Dienstaufgaben regelmäßig nicht voll ausgeschöpft wird (vgl. BayVGH, B.v. 12.8.2021 – 7 CE 21.10040 – juris Rn. 8). Es gibt auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Verpflichtung der FAU zur erschöpfenden Nutzung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten keinen zwingenden Grund, die Lehrtätigkeit dieser Gruppe von Mitarbeitern einseitig zu Lasten ihrer Forschungstätigkeit oder ihrer sonstigen Aufgaben auszuweiten (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2016 – 7 CE 15.10413 u.a. – juris Rn. 13). Festsetzungen von Lehrverpflichtungen innerhalb der Bandbreite von 0 bis 10 Lehrveranstaltungsstunden müssen sachlich gerechtfertigt sein, das Organisationsermessen der jeweiligen Hochschule ist dabei jedoch ebenso zu beachten wie das Forschungsinteresse der Lehrstuhl- bzw. Stelleninhaber. Aus den einschlägigen Formblättern der FAU ergibt sich, dass diese unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH, B.v. 12.8.2021 – 7 CE 21.10040 – juris Rn. 10 f.) regelhaft und einheitlich davon ausgeht, dass 10 Lehrveranstaltungsstunden einem Lehranteil an der Gesamtarbeitszeit von ca. 50% entsprechen und dann entsprechend dem konkreten Lehranteil bzw. den Anteilen der sonstigen Aufgaben an der Gesamtarbeitszeit auch das Lehrdeputat gleichermaßen verringert wird. Diese Dokumentation ist ausreichend, um den organisatorisch bestimmten Zeitanteil für die Lehre und das daraus abgeleitete Deputat zu plausibilisieren.
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c. Mit dem weitgehend pauschalen Vorbringen, Drittmitteleinwerbung (von den Stelleninhabern mit den Stellennummern 014851, 110691, 113005, 88026485, 013817 und 88026517) dürfe nicht zu Lasten der Lehre gehen, da Drittmittel grundsätzlich nicht für die Lehre, sondern für die Forschung eingeworben würden, kann die Antragstellerin die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass hinsichtlich der prozentualen Zuweisung von Arbeitszeit für die Drittmitteleinwerbung keine Bedenken bestünden (vgl. UA S. 13), nicht in Zweifel ziehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. B.v. 11.2.2021 – 7 CE 20.10001 u.a. – juris Rn. 8; B.v. 12.2.2014 – 7 ZB 13.10357 – juris Rn. 10) gehören unter Berücksichtigung des Organisationsermessens der jeweiligen Hochschule sowie des Forschungsinteresses der Lehrstuhl- bzw. Stelleninhaber zu den Dienstleistungen, die wissenschaftlichen Mitarbeitern übertragen werden können, auch die Mitwirkung an Forschung und Verwaltung und die Betreuung technisch-wissenschaftlicher Einrichtungen. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin können somit Aufgaben wie die Einwerbung und Verwaltung von Drittmitteln – auch wenn diese allein der Forschung dienen – vom Lehrdeputat in Abzug gebracht werden. In diesem Zusammenhang weist das Verwaltungsgericht im Übrigen zutreffend darauf hin, dass gerade in medizinischen Fächern Drittmittel von besonderer Bedeutung sind, um universitäre Forschung finanzieren zu können.
17
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
18
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).