Inhalt

VG München, Beschluss v. 21.01.2025 – M 7 E 24.7772
Titel:

Erfolgloser Eilantrag, Konkurrierendes Ratsbegehren, Abwehrrecht der Vertreter des Bürgerbegehrens, Zulässige Formulierung des Ratsbegehrens, Zulässige Formulierung der Stichfrage, Keine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Bürger, Rechtmäßiger Ausschluss wegen persönlicher Beteiligung

Normenketten:
LKrO Art. 12a Abs. 2
LKrO Art. 12a Abs. 3
LKrO Art. 12a Abs. 11 S. 3
LKrO Art. 43 Abs. 1
Schlagworte:
Erfolgloser Eilantrag, Konkurrierendes Ratsbegehren, Abwehrrecht der Vertreter des Bürgerbegehrens, Zulässige Formulierung des Ratsbegehrens, Zulässige Formulierung der Stichfrage, Keine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit der Bürger, Rechtmäßiger Ausschluss wegen persönlicher Beteiligung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1243

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert wird auf 7.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller wenden sich als Vertreter der Unterzeichnenden eines Bürgerbegehrens einer Bürgerinitiative auf Landkreisebene gegen ein gegenläufiges Ratsbegehren des Landkreises Landsberg am Lech. Einer der Vertreter des Bürgerbegehrens, der Antragsteller zu 1), ist zugleich Kreisrat im Kreistag des Antragsgegners.
2
Die Antragsteller reichten bei dem Antragsgegner am 31. Oktober 2024 Unterschriftslisten zu einem Bürgerbegehren der Bürgerinitiative „Stopp LRA Neubau“ ein. Dieses enthielt folgende Fragestellung:
„Sind Sie dafür, den Neu- bzw. Erweiterungsbau des Landratsamtes am Penzinger Feld zu stoppen?“
3
Mit Beschluss des Kreistags vom 29. November 2024 wurde unter Ausschluss des Antragstellers zu 1) das Bürgerbegehren zugelassen und als Abstimmungstermin der 23. Februar 2025 bestimmt. Auf Antrag der Antragsteller stimmte der Kreistag auch einer Abänderung der Fragestellung zu. Die Fragestellung lautet nunmehr:
„Sind Sie dafür, den Neu- bzw. Erweiterungsbau, der als Lechkiesel bezeichnet wird, mit Baukosten von 120 Mio. Euro am Penzinger Feld zu stoppen?“
4
Weiterhin beschloss der Kreistag unter Ausschluss des Antragstellers zu 1) in derselben Sitzung, ein Ratsbegehren mit folgender Fragestellung sowie eine Stichfrage durchzuführen:
„Sind Sie dafür, dass der Landkreis Landsberg am Lech ein zentrales Dienstleistungsgebäude am Penzinger Feld in Landsberg realisiert, um 13 angemietete Außenstellen mit jährlichen Mietkosten von ca. 1,2 Mio. € zusammen zu fassen und die Zulassungsstelle dort unterzubringen?“
Die Stichfrage lautet:
„Werden die bei Bürgerentscheid 1 und 2 zur Abstimmung gestellten Fragen in einer miteinander nicht zu vereinbarenden Weise jeweils mehrheitlich mit Ja oder jeweils mehrheitlich mit Nein beantwortet: Welche Entscheidung soll dann gelten? Sie haben hier eine Stimme

Bürgerentscheid 1

Realisierung Dienstleistungsgebäude

Bürgerentscheid 2

Planungsstopp Lechkiesel“

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Die Bürgerinitiative reichte gegen diesen Beschluss eine Rechtsaufsichtsbeschwerde bei der Regierung von Oberbayern ein. Diese teilte mit Schreiben vom 12. Dezember 2024 mit, dass die Fragestellung des Ratsbegehrens rechtlich nicht zu beanstanden sei.
6
Am 23. Dezember 2024 erhoben die Vertreter des Bürgerbegehrens Klage (M 7 K 24.7770) auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Ratsbegehrens, hilfsweise der Stichfrage und stellten einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.
7
Zur Begründung wurde ausgeführt, das Ratsbegehren sei unzulässig, weil es so formuliert sei, dass die Entscheidungsfreiheit der Bürger bei der Abstimmung beeinträchtigt werde und damit die Erfolgsaussichten des Bürgerbegehrens geschmälert würden. Das Ratsbegehren erwecke – nicht zuletzt auch durch die Stichfrage – den (falschen) Eindruck, es würden sich beide Fragestellungen widersprechen. Dies wäre nur der Fall, wenn man das Ratsbegehren als spiegelbildlich interpretiere. Nicht zu Unrecht werde das Ratsbegehren in der örtlichen Presse einheitlich als verwirrend bezeichnet. Unabhängig davon sei das Ratsbegehren unzulässig, weil es einseitig die ersparten Mietkosten erwähne, ohne die damit verbundenen Ausgaben zu erwähnen, und so den unzutreffenden Eindruck erwecke, der Bau spare Kosten. Gravierender sei jedoch, dass die Fragestellung gegen Art. 12a Abs. 3 LKrO verstoße, wonach Fragen der Organisation der Landkreisverwaltung einem Bürgerentscheid nicht zugänglich seien. Ob nach Fertigstellung des Gebäudes dort die Außenstellen untergebracht würden oder andere Bereiche, sei eine Entscheidung des Landrats, auf die kein Kreistag, kein Bürgerbegehren und damit auch kein Ratsbegehren Einfluss nehmen dürfe. Dies gelte auch für die Kfz-Zulassungsstelle, die wohl irreführenderweise nur aufgenommen worden sei, um das Ratsbegehren schmackhaft zu machen. Dem Bürger werde eine Entscheidungsmacht suggeriert, die er nicht habe. Die Frage, welche Arbeitsbereiche in dem neuen Gebäude untergebracht seien, sei ausschließlich eine Frage der inneren Organisation. Es liege die Vermutung nahe, dass gerade mit der abgewandelten Umformulierung eine spezielle Vorstellung bei den Abstimmenden erweckt werden solle, anderenfalls hätte kein Grund für einen zweiten Bürgerentscheid zum selben Thema bestanden. In solchen Fällen bestehe eine besondere Gefahr, dass die Abstimmungsberechtigten durch den gegenüber dem Bürgerbegehren geänderten Wortlaut des Ratsbegehrens irregeführt würden. Das mit dem Bürgerbegehren angegriffene Projekt stelle einen Neubau des Landratsamts dar. Demgegenüber stelle das Ratsbegehren eine Abschwächung dar. Zwar sei einerseits von einem zentralen Verwaltungsgebäude die Rede, dessen Funktion aber die bisherigen Außenstellen und die Kfz-Zulassungsstelle umfasse. Weitere Bereiche seien nicht genannt. Wenn unter dem Deckmantel „zentrales Dienstleistungsgebäude“ auch der mit dem Bürgerbegehren angegriffene Neubau gemeint sei (so nach den Ausführungen der Rechtsaufsicht), müsse man dies kommunizieren. Auszugehen sei hier vom Empfängerhorizont. Auch für den informierten Bürger sei es so nicht ersichtlich, dass der eingesparten Miete für 13 Außenstellen von jährlich 1,2 Mio. Euro die Zinsen und Tilgungen von einem „120 Mio. Euro Bau“, gemäß den Berechnungen des Kämmerers jährlich 5,5 Mio. Euro für 40 Jahre, gegenüber zu stellen seien. Orientiere sich ein Bürger, der zwar gegen das „120 Mio. Euro Projekt“, aber für ein Dienstleistungsgebäude stimmen möchte, an den beiden Fragestellungen, stelle sich ihm die Frage, wie er abstimmen solle, wenn man die Interpretation der Rechtsaufsicht zugrunde lege. Die Voraussetzungen für einen Stichentscheid lägen nicht vor, da es sich beim Ratsbegehren nicht um einen identischen Gegenstand, sondern ein „aliud“ handele, einerseits um das 120 Mio. Projekt „Lechkiesel“, andererseits um eine andere Variante. Die Stichfrage diene nur der Verwirrung und stelle Dinge als alternativ dar, die sie nicht seien. Die im Kreistag am 29. November 2024 geführte konfuse Diskussion der Kreisräte über diesen Stimmzettel habe bereits deutlich gezeigt, dass der Stimmzettel in dieser Form für massive Verwirrung sorge. Das Ratsbegehren sei auch deshalb rechtswidrig beschlossen worden, weil der Antragsteller zu 1) zu Unrecht von Beratung und Beschlussfassung ausgeschlossen worden sei. Nachdem das Ratsbegehren kein Spiegelbild des Bürgerbegehrens darstelle, sondern alternative Planungen ermöglichen solle, hätte er hierzu beraten und abstimmen dürfen, was insoweit zur Nichtigkeit des Beschlusses führe.
8
Die Antragsteller beantragen,
1.
Das Ratsbegehren, beschlossen am 29. November 2024 vom Kreistag Landsberg am Lech, wird ausgesetzt.
2.
Hilfsweise: Die Stichfrage, beschlossen am 29. November vom Kreistag Landsberg am Lech wird ausgesetzt.
9
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
10
Hierzu wurde mit Schriftsatz vom 8. Januar 2025 ausgeführt, die Fragestellung des Ratsbegehrens sei bereits im Vorfeld der Abstimmung mit der Rechtsaufsichtsbehörde abgestimmt worden. Diese habe eine in der Fragestellung begründete Irreführung nicht erkannt. Der Kreistag habe eine Stichfrage beschlossen, weil die gleichzeitig zur Abstimmung gestellten Fragen in einer miteinander nicht zu vereinbarenden Weise beantwortet werden könnten (Stichentscheid, Art. 12a Abs. 11 Satz 3 LKrO). Die Fragestellung für den Stichentscheid folge der in Bayern standardgemäßen Fassung. Die Stichfrage sei deshalb notwendig, weil sich die Ergebnisse des Bürgerentscheids 1 und 2 bei jeweils gleichzeitiger mehrheitlicher Annahme bzw. Ablehnung widersprächen. Hintergrund hierfür sei, dass die Fragestellung des Bürgerentscheids 1 (Ratsbegehren) trotz ihrer allgemeineren Formulierung die aktuellen Planungen des Kreistags („Lechkiesel“) miteinschließe. Wenn beide Entscheide mehrheitlich mit „Ja“ angenommen würden, könnte der Landkreis gemäß Bürgerentscheid 1 seine Planungen fortsetzen. Gleichzeitig würde ein mehrheitliches „Ja“ beim Bürgerentscheid 2 dazu führen, dass nicht weiter geplant werden dürfe. Hier liege ein Widerspruch begründet, der mit der Stichfrage aufgelöst werden müsse. Wenn beide Entscheidungen mehrheitlich jeweils mit „Nein“ angenommen würden, könnte der Landkreis gemäß Bürgerbegehren 1 seine Planungen für das aktuelle Projekt nicht weiter fortsetzen. Gemäß dem Bürgerentscheid 2 für den „Lechkiesel“ dürfte er dies jedoch. Auch hierin liege ein Widerspruch begründet, der einer Stichfrage bedürfe. Der Ausschluss des Antragstellers zu 1) von Beratung und Beschlussfassung sei rechtmäßig erfolgt. Seien Kreisräte Vertreter eines Bürgerbegehrens, seien sie bei der Entscheidung über dessen Zulassung wegen persönlicher Beteiligung gemäß Art. 43 Abs. 1 Satz 1 LKrO an der Beratung und Beschlussfassung ausgeschlossen. Da ein „unmittelbares“ Eigeninteresse der Vertreter des Bürgerbegehrens am Ausgang einer Entscheidung über die Durchführung eines konkurrierenden Ratsbegehrens nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht in Abrede gestellt werden könne und Art. 43 Abs. 1 LKrO die Mitglieder des Kreistags gerade vor einem Interessenkonflikt bewahren solle, dürfte eine Befangenheit in solchen Fällen wohl zu bejahen sein. Der Kreistag habe sich dieser Meinung angeschlossen.
11
Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2025 erwiderten die Antragsteller, die Funktion des „zentralen Dienstleistungsgebäudes“ werde nur als Zusammenfassung der 13 Außenstellen plus Kfz-Zulassungsstelle bezeichnet. Dies sei eine Irreführung, denn der bisher geplante Neubau umfasse viel mehr. Es werde verschleiert, dass auch ein Sitzungssaal für den Kreistag, das Büro des Landrats und Büros für weitere Führungskräfte sowie Cafeteria und Atrium untergebracht würden. Landrat, Verwaltung und Öffentlichkeit (Presse) hätten seit langem vom „neuen Landratsamt“ oder auch „Neubau eines Landratsamts“ gesprochen, nie von einem Dienstleistungsgebäude. Bei einer Gegenüberstellung der Bürgerentscheide komme man aus Sicht der Abstimmenden nicht darauf, dass mit dem „zentralen Dienstleistungsgebäude“ der geplante Neubau für 120 Mio. Euro gemeint sei. Da der Begriff während der gesamten Planungsphase nie benutzt worden sei, wirke er alleine dadurch verwirrend auf die Wahlberechtigten. Auch sei unzulässig, dass der Bürger entscheiden solle, welche Teile der Organisation dort untergebracht würden. Dies sei ein Eingriff in die Organisationskompetenz des Landrats und könne damit kein Thema für einen Bürgerentscheid sein. Es wurde weiter auf die Sitzungsvorlage für den Stadtrat der Stadt Landsberg am Lech vom 17. April 2024 zur Erstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans für das Bauvorhaben hingewiesen. Dessen Titel solle auf Wunsch des Landratsamts „Landratsamt ... “ heißen und bei der Verteilung der Arbeitsbereiche sei – organisatorisch sicher nicht unbegründet – auf die Frage Außenstelle oder nicht, keine Rücksicht genommen worden. Nur ganz wenige Bereiche, die in Zukunft am Penzinger Feld arbeiten sollten, seien derzeit in Außenstellen untergebracht. Diese sehr unterschiedlichen Bezeichnungen und Beschreibungen der geplanten Reorganisation würden für die Wahlberechtigten zur weiteren Verwirrung beitragen. Eine Stichfrage sei nur dann zulässig, wenn Ergebnisse zweier Entscheidungen überhaupt nicht miteinander vereinbar seien, was nur dann der Fall wäre, wenn das Ratsbegehren ausschließlich das Spiegelbild des Bürgerbegehrens wäre. Dies vertrete nicht einmal das Landratsamt selbst. Eine Stichfrage für beide Entscheide mit „Ja“ sei aus diesem Grund nicht notwendig und daher verwirrend und unzulässig. Das Ergebnis sei vereinbar, da dann ein Dienstleistungsgebäude gebaut werden könne, nur nicht der aktuell geplante Neubau „Lechkiesel“. Im Verfahren gemäß § 123 VwGO sei zusätzlich eine Abschätzung der Folgen vorzunehmen. Erlasse das Gericht die vorläufige Anordnung und würde dann im Hauptsacheverfahren diese Entscheidung nicht bestätigt werden, könne ein weiterer Bürgerentscheid nachgeholt werden. Lasse das Gericht aber den Entscheid unverändert zu und stelle sich dies als falsch heraus, wäre eine Wahlentscheidung der Bürgerinnen und Bürger auf irreführender Basis getroffen. Das würde den Kernbereich der Demokratie berühren.
12
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem sowie im Klageverfahren (M 7 K 24.7770) Bezug genommen.
II.
13
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
14
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Abs. 1 ZPO sind dabei sowohl ein Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Grund, für den der Antragsteller vorläufig Rechtsschutz sucht, als auch ein Anordnungsgrund, der insbesondere durch die Eilbedürftigkeit der Regelung begründet wird, bzw. die für diese maßgeblichen Tatsachen glaubhaft zu machen. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 29.6.2007 – 21 CE 07.1224 – juris Rn. 3).
15
Ist der Antrag – wie hier zumindest teilweise – auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, sind an die Glaubhaftmachung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann nur in Betracht, wenn ein Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und dem Antragsteller ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – juris Rn. 5 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 123 Rn. 14 m.w.N.).
16
Nach diesen Maßstäben ist der Antrag zwar zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Antragsteller haben einen Anordnungsanspruch dahingehend, dass (allein) das Ratsbegehren oder die Stichfrage ausgesetzt werden, nicht glaubhaft gemacht.
17
In der Rechtsprechung ist mittlerweile geklärt, dass die Vertreter eines Bürgerbegehrens sich nicht nur gemäß Art. 18a Abs. 9 GO bzw. hier Art. 12a Abs. 9 LKrO gegen beeinträchtigende Maßnahmen der Gemeinde im Vorfeld einer Abstimmung zur Wehr setzen können, sondern zur Sicherung eines fairen Verfahrensablaufs auch das Recht haben müssen, ein konkurrierendes Ratsbegehren abzuwehren, wenn dieses so formuliert ist, dass damit die Entscheidungsfreiheit der Bürger bei der Abstimmung beeinträchtigt wird und damit auch die Erfolgsaussichten des Bürgerbegehrens geschmälert werden. Dies folgt aus der allgemeinen Verpflichtung der Gemeindeorgane zur Gewährung eines fairen Verfahrensablaufs (vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2018 – 4 CE 18.495 – juris Rn. 7; B.v. 17.3.2023 – 4 CE 23.503 – juris Rn. 17; VG München, B.v. 13.7.2022 – M 7 E 22.3076 – juris Rn. 19; B.v. 9.3.2023 – M 7 E 23.636 – juris Rn. 24; B.v. 22.1.2024 – M 7 E 24.6 – juris Rn. 18). Das bedeutet zwar nicht, dass sich die Formulierung eines konkurrierenden Ratsbegehrens in den Grenzen der vom Bürgerbegehren formulierten Fragestellung halten müsste. Bei Konkurrenzvorlagen, mit denen eine mit dem Ziel des Bürgerbegehrens (zumindest partiell) unvereinbare Entscheidungsalternative zur Abstimmung gestellt wird und bei denen es daher einer Stichfrage (Art. 18a Abs. 12 Satz 3 GO bzw. hier Art. 12a Abs. 11 Satz 3 LKrO) bedarf, muss aber darauf geachtet werden, dass der Gemeinderat bzw. Kreistag, der das Anliegen des Bürgerbegehrens erkennbar ablehnt, nicht durch unzutreffende Aussagen oder durch eine irreführende Wortwahl auf das Abstimmungsverhalten einwirkt und sich damit einen illegitimen Vorteil verschafft. Dabei ist ein umso strengerer Maßstab anzulegen, je mehr sich das als Reaktion auf ein zulässiges Bürgerbegehren initiierte Ratsbegehren in seiner Fragestellung der Sache nach als ein bloßes Spiegelbild der Fragestellung des Bürgerbegehrens darstellt. Hat der vom Gemeinderat bzw. Kreistag beschlossene weitere Bürgerentscheid keine echte inhaltliche Alternative zum Gegenstand, sondern wird damit im Wesentlichen nur die aufgrund des Bürgerbegehrens ohnehin zur Abstimmung stehende Frage in gegenläufiger Form neu gestellt, so liegt die Vermutung nahe, dass gerade mit dieser Umformulierung eine spezielle Vorstellung bei den Abstimmenden erweckt werden soll; anderenfalls hätte kein Grund für einen zweiten Bürgerentscheid zum selben Thema bestanden. In solchen Fällen besteht eine besondere Gefahr, dass die Abstimmungsberechtigten durch den gegenüber dem Bürgerbegehren geänderten Wortlaut des Ratsbegehrens irregeführt werden. Denn wer auf einem Stimmzettel zwei unterschiedlich formulierte Fragen samt Stichfrage vorfindet, erwartet in der Regel, dass es sich auch der Sache nach um eine wirkliche Entscheidungsalternative und nicht bloß um zwei verschiedene sprachliche Fassungen ein und derselben Fragestellung handelt (vgl. BayVGH, B.v. 17.3.2023 – 4 CE 23.503 – juris Rn. 17 f.).
18
Hier ist zunächst festzustellen, dass sich das Ratsbegehren in seiner Fragestellung der Sache nach nicht als ein bloßes Spiegelbild der Fragestellung des Bürgerbegehrens darstellt, sondern darüber hinausgeht und eine weitere Entscheidungsalternative zur Abstimmung bringt.
19
Dabei ist zunächst die Fragestellung des Bürgerbegehrens in den Blick zu nehmen, wobei zu berücksichtigen ist, dass diese nachträglich in ihrer ursprünglichen, den Unterzeichnenden des Bürgerbegehrens vorliegenden Fassung abgeändert wurde.
20
Der Inhalt eines Bürgerbegehrens ist durch Auslegung zu ermitteln. An die sprachliche Abfassung der Fragestellung dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Das Rechtsinstitut Bürgerbegehren/Bürgerentscheid ist so angelegt, dass die Fragestellung von Gemeindebürgern ohne besondere verwaltungsrechtliche Kenntnisse formuliert werden können soll. Es kann deshalb notwendig sein und ist zulässig – wie bei Willenserklärungen und Gesetzen auch –, den Inhalt einer Frage durch Auslegung zu ermitteln. Bei der Auslegung hält die Rechtsprechung eine „wohlwollende Tendenz“ für gerechtfertigt, weil das Rechtsinstitut für die Bürger handhabbar sein soll, solange nur das sachliche Ziel des Begehrens klar erkennbar ist. Für die Auslegung gilt, dass nicht die subjektive, im Lauf des Verfahrens erläuterte Vorstellung der Initiatoren vom Sinn und Zweck und Inhalt des Bürgerbegehrens, sondern nur der objektive Erklärungsinhalt, wie er in der Formulierung und Begründung der Frage zum Ausdruck gebracht und von den Unterzeichnern verstanden werden konnte und musste, maßgeblich ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2012 – 4 CE 12.1224 – juris Rn. 27). Die Fragestellung muss in jedem Fall so bestimmt sein, dass die Bürger erkennen können, für oder gegen was sie ihre Stimme abgeben und wie weit die Bindungswirkung des Bürgerentscheids (Art. 18a Abs. 13 GO bzw. Art. 12a Abs. 12 LKrO) nach dessen Entscheidungsinhalt reicht (vgl. BayVGH, U.v. 17.5.2017 – 4 B 16.1856 – juris Rn. 24 m.w.N.).
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Das Bürgerbegehren stellt nunmehr zur Abstimmung, ob der Neu- bzw. Erweiterungsbau, der als „Lechkiesel“ bezeichnet wird, mit Baukosten von ca. 120 Mio. Euro, am Penzinger Feld gestoppt werden soll („Ja“) oder nicht gestoppt werden soll („Nein“).
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Sollte eine Mehrheit der Abstimmenden mit „Ja“ stimmen, dürfte der Bau in der konkreten Planung nicht weiterverfolgt werden. Unklar erscheint jedoch die Reichweite einer solchen Entscheidung. Denn es dürfte aus der Formulierung der Fragestellung nicht hinreichend deutlich werden, ob der Landkreis stattdessen eine andere, insbesondere kostengünstigere Planung für ein neues Gebäude beginnen dürfte. Der nachträglich geänderte Wortlaut der Fragestellung, der nach den Angaben der Antragsteller (gegenüber dem Ratsbegehren) der Konkretisierung dienen sollte – die Zulässigkeit dieser Änderung mag hier dahinstehen –, scheint dies nahe zu legen und jedenfalls die Antragsteller scheinen dies nach ihren Einlassungen auch auf der Grundlage des Bürgerbegehrens nicht für ausgeschlossen zu halten. Fraglich erscheint dabei weiterhin, ob nicht durch die „Konkretisierung“ eine Verengung und damit möglicherweise auch Änderung bezüglich des ursprünglichen, den Bürgern zur Unterschrift vorgelegten Abstimmungsinhalts erfolgt ist.
23
Sollte eine Mehrheit der Abstimmenden den Bürgerentscheid nicht befürworten, müsste der Bau bzw. dessen Planung nicht gestoppt werden. Umgekehrt wäre damit aber auch keine Bindungswirkung für den Landkreis verbunden, das Projekt auch tatsächlich fortzuführen und umzusetzen, mithin gehört dies nicht zum Entscheidungsgegenstand des Bürgerbegehrens. Denn dieses stellt sich mit der Form der Fragestellung (nur) als ein sogenanntes „Verhinderungsbegehren“ dar (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 22.10.1998 – 4 ZE 98.2835 – juris Rn. 6 sowie im Einzelnen Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand: 1/2024, Erl. 3 b) dd) zu Art. 18a Abs. 2 GO, Kennzahl 13.12).
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Das dem Bürgerbegehren gegenübergestellte Ratsbegehren enthält demgegenüber als sogenanntes „Durchführungsbegehren“ eine eigenständige Entscheidungsalternative, da bei einer mehrheitlichen Bejahung desselben eine Bindungswirkung bezüglich der „Realisierung“ eines zentralen Dienstleistungsgebäudes am vorgesehenen Standort gegeben wäre – sei es in Form des „Lechkiesels“ nach seiner aktuellen konkreten Planung oder aber in einer abgeänderten Form. Diese Option möchte sich der Landkreis nach eigener Entscheidung mit der Formulierung der Fragestellung offenhalten. Mit dem Ratsbegehren kann nunmehr jedoch ein Abstimmender, der (positiv) die Umsetzung der Planung möchte, seine Stimme dafür abgeben. Dies wäre bei einer bloßen Ablehnung der Fragestellung des Bürgerbegehrens hingegen nicht der Fall.
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Mit der Formulierung der Stichfrage ist weiterhin auch eindeutig klargestellt und auch für die Abstimmenden deutlich, dass eine darüber hinaus gehende Entscheidungsalternative (Abstimmung mit Bindungswirkung für den Antragsgegner über eine Alternativplanung zum „Lechkiesel“) hingegen nicht besteht. Sollte ein Bürgerentscheid mit „Ja“ und der andere Bürgerentscheid mit „Nein“ beantwortet werden, entstünde kein widersprechendes Ergebnis. In einem Fall dürfte der „Lechkiesel“ (oder ein anderes Dienstleistungsgebäude nach dem Willen des Antragsgegners) gebaut werden, im anderen Fall dürfte keinerlei Dienstleistungsgebäude am Standort errichtet werden. Würden beide Bürgerentscheide mit „Nein“ beantwortet werden, läge der Widerspruch auf der Hand, da der „Lechkiesel“ ein Dienstleistungsgebäude im Sinne des Bürgerentscheids 1 darstellt. Würden beide Bürgerentscheide mit „Ja“ beantwortet, könnte hierin zwar eine Entscheidung zugunsten eines anderen (nicht „Lechkiesel“) Dienstleistungsgebäudes zu sehen sein (so auch bereits die Ausführungen von Seiten der Antragsteller im Schreiben an die Regierung von Oberbayern vom 8. Dezember 2024). Eine solche Entscheidungsmöglichkeit wird jedoch durch das Ratsbegehren nicht eröffnet, da dieses insbesondere den „Lechkiesel“ zum Gegenstand hat und die Stichfrage dementsprechend so formuliert wurde, dass diese sowohl für den Fall gestellt wird, dass die Fragen in einer nicht zu vereinbarenden Weise jeweils mehrheitlich mit „Ja“ als auch jeweils mehrheitlich mit „Nein“ beantwortet werden. Der Antragsgegner sieht auch bei einer mehrheitlichen Beantwortung der zur Abstimmung gestellten Fragen mit „Ja“ einen Widerspruch, wie er in der Antragserwiderung ausgeführt. Auch aus den Beratungsvorgängen im Ausschuss und Kreistag laut Niederschrift geht nicht hervor, dass eine Alternativplanung zum „Lechkiesel“ (mit Bindungswirkung) zur Entscheidung gestellt werden sollte. Hierzu bestünde auch keine Verpflichtung, da der Antragsgegner den Inhalt und damit die Reichweite seines Ratsbegehrens selbst bestimmen kann.
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Umgekehrt haben jedoch die Formulierung des Ratsbegehrens und der Stichfrage auch zur Folge, dass sich der Abstimmende dafür aussprechen kann, dass der Bau eines (auch alternativen) Dienstleistungsgebäudes auf dem vorgesehenen Standort gänzlich unterbleibt, indem er für das Bürgerbegehren und gegen das Ratsbegehren stimmt sowie bei der Stichfrage für den Planungsstopp „Lechkiesel“ und damit gleichzeitig – hier hat er nur eine Stimme – gegen die Realisierung eines Dienstleistungsgebäudes (vgl. zum „Durchführungsbegehren“ Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand: 1/2024, Erl. 3 b) dd) zu Art. 18a Abs. 12 GO, Kennzahl 13.12).
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Insgesamt dürften damit die mit dem Bürgerbegehren verbundenen Unklarheiten ausgeräumt sein und das Abstimmungsergebnis eine klare Handlungs- oder Unterlassungsanweisung an den Antragsgegner herbeiführen können. Denn – wie ausgeführt – bleibt mit dessen Fragestellung für die Abstimmenden offen, ob dem Antragsgegner die Möglichkeit einer (wie auch immer) alternativen Planung auf dem Standort verbleibt bzw. ob (auch) eine solche mit dem Bürgerbegehren verhindert werden könnte.
28
Für die Abstimmenden dürfte auch hinreichend erkennbar sein, dass es sich bei dem im Ratsbegehren zur Abstimmung gestellten „zentralen Dienstleistungsgebäude“ insbesondere um das Projekt „Lechkiesel“ handeln soll und nicht (nur) um eine Alternativplanung. Dieses konkrete Projekt wird bereits seit mehreren Jahren sowie auch aktuell geplant und der Landkreis wirbt gerade und ersichtlich nur für dessen Umsetzung (unter dem Begriff „Bürgeramt der Zukunft“, vgl. unter www.buergeramt-ll.de) und nicht für eine Alternative hierzu. Dementsprechend wird auch der Begriff „Realisierung“ verwendet und nicht etwa Neu- oder Alternativplanung. Auch wenn der Begriff „zentrales Dienstleistungsgebäude“ für den geplanten Neubau des Landratsamts bzw. eines Landratsamtsgebäudes in diesem Zusammenhang noch nicht verwendet worden sein mag, beschreibt dieser jedenfalls eine maßgebliche Zweckbestimmung dieses Gebäudes, wonach wesentliche Teile des Landratsamts mit Parteiverkehr, wie insbesondere die Führerschein- und Zulassungsstelle oder auch das Bauamt (so nach der von der Antragstellerseite vorgelegten Sitzungsvorlage der Stadt Landsberg am Lech zum einschlägigen Bebauungsplan unter „Nutzungen“), dort untergebracht werden sollen, ohne sich dabei jedoch allein auf die Realisierung des „Lechkiesels“ nach aktueller Planung festzulegen. Nach neuerem Verständnis sehen sich Kreisverwaltungsbehörden als Dienstleister für Bürgerinnen und Bürger und die Bezeichnung von Landratsamtsgebäuden als Dienstleistungsgebäude ist keine Neuschöpfung des Antragsgegners, sondern ein gängiger Begriff (vgl. z.B. Artikel in Bayerische Staatszeitung vom 4.12.2018: „In Holz-Hybridbauweise errichtet“ – „Neues Dienstleistungsgebäude des Landratsamts“ – https://www.bayerische-staatszeitung.de/staatszeitung/bauen/detailansicht-bauen/artikel/in-holz-hybridbauweise-errichtet.html#topPosition). Weiterhin ist das Ratsbegehren dem Bürgerbegehren gegenübergestellt und spätestens mit der Formulierung der Stichfrage wird für den Abstimmenden erkennbar, dass er sich (nur) zwischen – einerseits – einem Planungsstopp für den „Lechkiesel“ und – andererseits – der Realisierung eines Dienstleistungsgebäudes entscheiden kann, hingegen nicht für ein anderes Gebäude als den „Lechkiesel“. Zudem kann er erkennen, dass – wenn er sich für den Planungsstopp ausspricht – weder der „Lechkiesel“ noch ein anderes Dienstleistungsgebäude am Standort errichtet werden dürfte, da er bei der Stichfrage nur eine Stimme hat, worauf ausdrücklich auf dem Stimmzettel hingewiesen wird. Der Bürger dürfte daher durch die Wahl der Formulierungen der Frage des Ratsbegehrens sowie der Stichfrage nicht zu unrichtigen Schlussfolgerungen verleitet und damit in seiner Abstimmungsfreiheit verletzt werden.
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Die Fragestellung des Ratsbegehrens dürfte auch im Übrigen entgegen dem Vorbringen der Antragsteller nicht zu beanstanden sein, da die konkrete Formulierung weder irreführend sein noch durch sie in einer dem Gebot der Sachlichkeit und Ausgewogenheit bzw. den Anforderungen an einen fairen Verfahrensablauf widersprechenden Weise auf die Abstimmungsfreiheit der Bürger eingewirkt werden dürfte. Gleiches dürfte hinsichtlich der Stichfrage gelten.
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So ist nicht ersichtlich, dass in der Fragestellung des Ratsbegehrens unzutreffende Aussagen enthalten wären. Soweit dort ausgeführt wird, dass die Realisierung eines zentralen Dienstleistungsgebäudes der Zusammenfassung 13 angemieteter Außenstellen mit jährlichen Mietkosten von ca. 1,2 Mio. Euro dienen soll („um“), dürfte dies in nicht zu beanstandender Form die kommunalpolitische Absicht bzw. das hervorgehobene Motiv der Kreistagsmehrheit für das Projekt beschreiben (vgl. auch BayVGH, B.v. 1.3.2018 – 4 CE 18.495 – juris Rn. 13; U.v. 16.3.2001 – 4 B 99.318 – juris Rn. 33; VG Bayreuth, B.v. 19.1.2023 – B 9 E 23.10 – juris Rn. 23; VG München, B.v. 22.1.2024 – M 7 E 24.6 – juris Rn. 22). Wie sich auch aus der von den Antragstellern vorgelegten Sitzungsvorlage zum Bebauungsplan („Nutzungen“) ergibt, sollen bisherige Außenstellen aufgelöst und in dem neuen Gebäude sowie dem bisherigen Hauptgebäude (so wohl z.B. die Ausländerbehörde) untergebracht werden. Die „13 angemieteten Außenstellen“ wurden auch zuletzt von dem Antragsgegner nochmals im Einzelnen benannt. Dem Leser wird dabei auch nicht suggeriert, dass diese Außenstellen sämtlich in dem zu errichtenden Gebäude untergebracht werden sollen. Vielmehr ergibt sich aus der Formulierung deutlich nur, dass (jedenfalls) die Zulassungsstelle dort untergebracht werden soll. Dies entspricht auch der bisherigen Planung, wie sie sich aus der von den Antragstellern vorgelegten Sitzungsvorlage zum Bebauungsplan („Nutzungen“) ergibt. Die genannten 13 angemieteten Außenstellen sollen ausweislich der Formulierung „zusammengefasst“ werden (mit der Folge der Einsparung von Mietkosten). Über die konkreten Örtlichkeiten werden keine Aussagen getroffen und daher damit auch nicht „verschleiert“, welchen Zwecken der Neubau ansonsten dienen könnte bzw. sollte (wie Sitzungssaal, Landratsbüro).
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Weiterhin dürfte nicht zu beanstanden sein, dass die Fragestellung des Ratsbegehrens mit der Darlegung der Motivation und der Nennung der Zulassungsstelle, die ein besonders hohes Aufkommen an Parteiverkehr haben dürfte, werbende Elemente enthält. Die Fallgestaltung, dass der Gemeinderat bzw. Kreistag aus Anlass eines mit dem Bürgerbegehren beantragten Bürgerentscheids gem. Art. 18a Abs. 2 GO bzw. Art. 12a Abs. 2 LKrO beschließt, diesem Bürgerentscheid als Entscheidungsalternative einen von ihm beschlossenen Bürgerentscheid gegenüber zu stellen (Konkurrenzvorlage), ist nicht anhand von Art. 18a Abs. 15 GO bzw. Art. 12a Abs. 14 LKrO zu beurteilen (vgl. BayVGH, B.v. 17.3.2023 – 4 CE 23.503 – juris Rn. 17). Die in Bürgerentscheiden zur Abstimmung gestellten Fragen dürfen grundsätzlich auch erläuternde oder wertende Zusätze enthalten, die in der Praxis zumindest eine bestimmte Tendenz erkennen lassen. Vom Gemeinderat bzw. Kreistag beschlossene Konkurrenzvorlagen müssen danach ebenfalls nicht wertungsfrei formuliert sein, sondern können schon durch die Art der Fragestellung für ein zustimmendes Votum werben. Ähnlich wie bei der Unterschriftsleistung für ein Bürgerbegehren wird von den Abstimmungsberechtigten also auch bei der Stimmabgabe erwartet, dass sie sich ungeachtet einer einseitig gefärbten Umschreibung des Abstimmungsgegenstands ein eigenständiges Urteil bilden. Die Grenze des rechtlich Zulässigen ist erst überschritten, wenn die Darstellung nicht bloß tendenziös, sondern objektiv irreführend ist (vgl. BayVGH, B.v. 17.3.2023 – 4 CE 23.503 – juris Rn. 22 m.w.N.). Dies dürfte vorliegend jedoch nicht der Fall sein. Die Fragestellung des Ratsbegehrens ist weder übertrieben, reißerisch oder unsachlich formuliert noch, wie bereits dargestellt, irreführend. Soweit die Fragestellung des Ratsbegehrens eine konkrete Höhe von Einsparungen durch den Neubau enthält, werden demgegenüber in der Fragestellung des Bürgerbegehrens gleichermaßen die Baukosten für diesen benannt, sodass hiermit auch keine Einseitigkeit vorliegt. Auch muss das Ratsbegehren selbst nicht zwingend den Einsparungen von Mietkosten gegenüberstehende Ausgaben für den Neubau anführen. Denn das Paritätsgebot des Art. 18a Abs. 15 GO bzw. Art. 12a Abs. 14 LKrO gilt nur für Veröffentlichungen und Informationsveranstaltungen (vgl. BayVGH, B.v. 17.3.2023 – 4 CE 23.503 – juris Rn. 17).
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Die Vertreter des Bürgerbegehrens haben auch keinen rechtlichen Anspruch darauf, dass das Bürgerbegehren auf der linken und das Ratsbegehren auf der rechten Seite des Stimmzettels abgedruckt wird. So orientiert sich auch die vorgeschlagene Reihenfolge in der Regelung des § 22 Abs. 3 Satz 3 der Mustersatzung an der in Art. 76 Abs. 2 LWG für Volksentscheide geltenden Regelung (vgl. Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand: 1/2024, Erl. 6 zu § 22 Mustersatzung, Kennzahl 21.00).
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Bei der (hervorgehobenen) Nennung der Unterbringung der Zulassungsstelle dürfte es sich auch nicht um einen nach Art. 12a Abs. 3 LKrO unzulässigen Entscheidungsinhalt handeln. So dürfte es sich schon nicht um eine Frage der inneren Organisation der Kreisverwaltung handeln, sondern um die Frage der örtlichen Unterbringung eines (bereits vorhandenen) Organisationsteils. Zudem wird die Unterbringung der Zulassungsstelle nicht zum Entscheidungsgegenstand gemacht, sondern es handelt sich nur um einen erläuternden Zusatz zur dargestellten Motivation. Die diesbezügliche Entscheidung wurde offensichtlich bereits getroffen (vgl. Sitzungsvorlage Bebauungsplan – „Nutzungen“). Somit hinge nur die tatsächliche Umsetzung dieser Entscheidung vom Ausgang des Ratsbegehrens bzw. der Bürgerentscheide ab. Folglich wäre die Umsetzung der Entscheidung dann aber auch von der Fragestellung des Bürgerbegehrens gleichermaßen betroffen. Denn wenn es zu einem Planungsstopp käme, könnte eine Unterbringung der Zulassungsstelle in einem neuen Gebäude auf dem Standort nicht erfolgen. Auch dies würde dann einen Eingriff in die Organisationshoheit bedeuten.
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Schließlich dürfte auch der Ausschluss des Antragstellers zu 1) von Beratung und Abstimmung über das Ratsbegehren gemäß Art. 43 Abs. 1 LKrO rechtlich nicht zu beanstanden sein und daher nicht zu einer Nichtigkeit des Beschlusses über das Ratsbegehren führen. Die Regelung bezweckt die Unterbindung einer etwaigen Interessenkollision, soll die Integrität des Kreistags garantieren, die Kreisrätinnen und Kreisräte im Hinblick auf das Stimmenthaltungsverbot des Art. 42 Abs. 1 Satz 2 LKrO von Interessenkonflikten freistellen und auch nur den Anschein einer sachwidrigen Verfolgung von Sonderinteressen oder von „Vetternwirtschaft“ vermeiden (vgl. Bauer/Böhle/Ecker/Kuhne, Bayerische Kommunalgesetze, Stand: Februar 2024, Art. 43 LKrO Rn. 1). Da im Falle einer Konkurrenzvorlage mit Stichfrage ein „unmittelbares“ Eigeninteresse der Vertreter des Bürgerbegehrens am Ausgang einer Entscheidung über die Durchführung eines konkurrierenden Ratsbegehrens nach allgemeiner Lebenserfahren nicht in Abrede gestellt werden kann und Art. 49 GO bzw. Art. 43 LKrO die Mitglieder eines Gemeinderats bzw. Kreistags gerade vor einem Interessenkonflikt bewahren will, dürfte eine Befangenheit in solchen Fällen zu bejahen sein (vgl. Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand: 1/2024, Erl. 4 b) cc) zu Art. 18a Abs. 2 GO, Kennzahl 13.02). Wie ausgeführt, besteht auch eine weitgehende Teilkongruenz der Entscheidungsinhalte der gegenläufigen Bürgerentscheide.
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Da demnach keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen das Ratsbegehren bestehen dürften, haben die Antragsteller den erforderlichen Abwehranspruch nicht glaubhaft gemacht.
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Schon angesichts der voraussichtlichen Erfolglosigkeit der Hauptsacheklage dürfte daher für eine reine Interessenabwägung – wie von den Antragstellern geltend gemacht – kein maßgeblicher Raum verbleiben. Zudem bezieht sich der Antrag lediglich auf eine Aussetzung des Ratsbegehrens. Mit einer alleinigen Durchführung des Bürgerbegehrens hätte sich die Konkurrenzvorlage jedoch erübrigt. Darüber hinaus bestehen auch – wie ausgeführt – rechtliche Bedenken an der hinreichenden Bestimmtheit der Fragestellung des Bürgerbegehrens, sollte dieses isoliert zur Abstimmung gestellt werden.
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Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 i.V.m. § 159 Satz 2 VwGO abzulehnen.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auch § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.