Titel:
Nichtigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags über die Kostenübernahme von „Abwasserkontingenten“, Einmaligkeit der Beitragserhebung, Öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch, Erlöschen, Verjährung
Normenketten:
VwGO § 124, § 154 Abs. 2, Abs. 3; § 162 Abs. 3; § 167
BGB § 134; § 203; § 209; §§ 249 ff.; § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2
BayVwVfG Art. 59, Art. 62 S. 2 Art. 54
AGBGB Art. 71 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2
KAG Art. 5 Abs. 1
Schlagworte:
Nichtigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags über die Kostenübernahme von „Abwasserkontingenten“, Einmaligkeit der Beitragserhebung, Öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch, Erlöschen, Verjährung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 11.03.2021 – M 10 K 18.6114
Fundstelle:
BeckRS 2025, 12426
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar; der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch auf Rückerstattung von Zahlungen für sog. Abwasserkontingente weiter, die er aufgrund einer Vereinbarung an die Beklagte geleistet hat.
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1. Der Kläger war bis zum Jahr 2009 Erbbauberechtigter eines Grundstücks im Gebiet der Beklagten und Geschäftsführer einer Gesellschaft, die auf diesem Grundstück ein Hotel und Restaurant betrieb.
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Die Beklagte unterhielt im Gemeindegebiet bis zum 31. Dezember 2013 eine öffentliche Entwässerungseinrichtung mit (lediglich) örtlichen Entwässerungskanälen. Die Weiterleitung der örtlichen Abwässer über eine Ringkanalisation um den Starnberger See sowie die Abwasserbehandlung in einer Kläranlage übernahm dagegen im Innenverhältnis zur Beklagten der beigeladene Abwasserverband.
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Der Beigeladene ist ein Zweckverband zur gemeinsamen Abwasserbeseitigung in den Gemeinden rund um den Starnberger See; die Beklagte ist Mitglied des Zweckverbands. Aufgabe des Zweckverbands war bis zum 31. Dezember 2013 die Errichtung, der Betrieb und die Unterhaltung eines Ringkanals um den See und einer zentralen Kläranlage für die Seeanliegergemeinden (§ 4 Abs. 1 der Satzung des Zweckverbands vom 17. Oktober 1996, OBABl. 1997 S. 11).
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Die Zweckverbandssatzung vom 17. Oktober 1996 enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:
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„§ 19 Deckung des Aufwands
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(1) Die Kosten aus Darlehen für Baumaßnahmen, die bis einschließlich 1993 aufgenommen wurden, werden nach dem Umlagenschlüssel des § 20 Absatz 1 auf die Verbandsmitglieder umgelegt. Die Umlagen werden jährlich im Voraus festgesetzt.“
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(3) Die Aufteilung der Baukosten beruht auf dem Gesamtabwasserkontingent einschließlich der Abwassermenge, jedoch ausschließlich des Abwasserkontingents für fremdenverkehrsfördernde Maßnahmen.
Soweit Teile des Abwasserkontingents für Fremdenverkehr von einer Mitgliedsgemeinde in Anspruch genommen werden, sind einmalig für je einen Einwohnergleichwert 0,02% der im Jahre der Zuteilung erhobenen Bauumlagen innerhalb von 90 Tagen nach Verbandsbeschluss an den Zweckverband zur Zahlung fällig. Diese Einnahmen werden den übrigen Mitgliedsgemeinden entsprechend ihrem Abwasserkontingent gutgeschrieben (…).
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(4) Die Kosten für die Baumaßnahmen ab 1994 sowie für die Unterhaltung und den Betrieb der Verbandsanlagen und sonstige damit verbundene laufende Ausgaben sind von den Verbandsmitgliedsgemeinden durch Umlagen aufzubringen, die in der Regel jährlich festzusetzen sind. Der Anteil der einzelnen Mitgliedsgemeinden an diesen Umlagen bemisst sich nach dem Anteil jeder Gemeinde, mit welchem sie am Gesamtabwasserkontingent (§ 20 Abs. 2) beteiligt ist. (…)“
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Die Richtlinien des Beigeladenen über die Zuteilung von Abwasserkontingenten für „fremdenverkehrsfördernde Maßnahmen“ vom 24. September 1981 lauten auszugsweise:
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„1. Verwendungszweck und Zuteilung
a) Abwasserkontingent wird grundsätzlich nur für Beherbergungsbauten oder Erweiterungsbauten gewährt, sofern die Bettenzahl bei Neubauten mindestens 100 erreichen, bei Erweiterungsbauten mindestens 50 Betten zum bisherigen Bestand hinzukommen und ein Endbestand von mindestens 100 Betten erreicht wird (…).
b) Antragsteller, Abwasserkontingentsempfänger und Kostenträger sowie für die Zweckbindung des zugeteilten Abwasserkontingents verantwortliche sind ausnahmslos die Mitgliedsgemeinden. (…)“
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Mit der neugefassten Verbandssatzung vom 21. Juni 2013 (OBABl. 2013 S. 276) wurden die bisherigen Verbandsaufgaben geändert. Der Beigeladene hat seit dem 1. Januar 2014 die Aufgabe, für alle Mitgliedsgemeinden eine gemeinsame Entwässerungseinrichtung zur Beseitigung von Abwasser getrennt nach Schmutz- und Niederschlagswasser (Trennsystem) zu planen, zu errichten, zu betreiben und zu unterhalten sowie im Bedarfsfall zu erweitern und bereits vorhandene Ortsnetze der Verbandsmitglieder zum 1. Januar 2014 zu übernehmen. Insoweit wurde dem Beigeladenen von den Mitgliedsgemeinden die diese obliegende Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis der Abwasserbeseitigung gemäß Art. 34 Abs. 1 BayWG, § 56 WHG übertragen.
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2. Der Kläger plante eine wesentliche Erweiterung des auf seinem Grundstück betriebenen Hotels, wozu er zunächst vom Landratsamt mit Bescheid vom 3. Juni 2002 die Baugenehmigung zum Neubau eines Seehotels mit 120 Gästebetten erhielt. Hierzu hatte die Beklagte einen Bebauungsplan vom 18. Dezember 1998 aufgestellt. Mit Bescheid des Landratsamts vom 23. März 2006 wurde die Geltungsdauer dieser Baugenehmigung bis einschließlich 31. März 2008 verlängert. In der Folgezeit plante der Kläger, das Hotelvorhaben bei gleicher Grundflächenzahl und Höhe mit einer deutlich erhöhten Bettenzahl von 218 auszuführen. Mit Beschluss vom 25. Mai 2007 beschloss der Gemeinderat der Beklagten daher, eine entsprechende Änderung des Bebauungsplans durchzuführen; der geänderte Bebauungsplan wurde am 11. Dezember 2007 als Satzung beschlossen.
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3. Am 20. März 2007 schloss der Kläger mit der Beklagten eine Vereinbarung:
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Nach der „Vorbemerkung“ zu dieser Vereinbarung gingen die Vertragsparteien davon aus, dass für die Erschließung des Grundstücks des Klägers der Anschluss an die öffentlichen Entwässerungseinrichtungen erforderlich sei, zu denen die Ortskanalisation der Beklagten sowie die Abwasserbeseitigungsanlagen des Beigeladenen gehörten. Für die Einleitung der auf dem Hotelgrundstück künftig anfallenden Abwassermengen in die Abwasserbeseitigungsanlagen des Beigeladenen bedürfe es der vorherigen Zuteilung entsprechender Abwasserkontingente durch den Beigeladenen an die Beklagte nach Maßgabe der Verbandssatzung und der Richtlinien über die Zuteilung von Abwasserkontingenten für „fremdenverkehrsfördernde Maßnahmen“ des Beigeladenen. Danach sei Antragsteller, Abwasserkontingentempfänger und Kostenträger gegenüber dem Beigeladenen ausschließlich die Beklagte, die auch für die Zweckbindung des zugeteilten Abwasserkontingents verantwortlich sei. Für den geplanten Betrieb des Hotels müssten auf Grundlage der Bauvoranfrage vom 5. Dezember 2006 und einem Schreiben des Beigeladenen vom 7. März 2007 hierfür 315 Entwässerungseinheiten (EW) zugeteilt werden. Daraus ergebe sich für die Beklagte gegenüber dem Beigeladenen eine Zahlungsverpflichtung von 435 EUR pro EW. Dies bedeute eine Gesamtumlage in Höhe von 137.025,00 EUR für das geplante Hotel. Nachdem die Beklagte bereits 1993 für einen geplanten Hotelbau 122 EW bezahlt habe, werde in der Vereinbarung ausschließlich auf den Wert von 2007 abgestellt, da die Beklagte seit 1993 erhöhte Bau- und Betriebsumlagen für die bisher erworbenen EW habe bezahlen müssen.
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Nach § 1 Abs. 1 der Vereinbarung übernimmt der Kläger im Verhältnis zur Beklagten den von dieser an den Beigeladenen für die Zuteilung von Abwasserkontingenten für sog. „fremdenverkehrsfördernde Maßnahmen“ auf der Basis der Gesamtbauumlagen 2007 zu zahlenden Betrag in Höhe von voraussichtlich 137.025,00 EUR. Die endgültige Höhe des genannten Betrages ergebe sich aus der abschließenden Rechnungstellung des Beigeladenen gegenüber der Beklagten, sodass gegebenenfalls jeweils zinslos entweder dem Kläger eine Überzahlung zu erstatten sei oder eine Nachzahlung zu leisten sei, je nachdem ob sich aus der endgültigen Rechnung niedrigere oder höhere EW als 315 EW ergäben. Etwaige Erstattungs- bzw. Nachzahlungsbeträge seien zu zahlen, sobald der Beigeladene der Beklagten schriftlich bestätige, dass weitere EW zugeteilt oder zugeteilte EW zurückgenommen worden seien.
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In § 3 Abs. 2 und 3 wird geregelt, unter der Voraussetzung, dass es zu einer die Zuteilung der Abwasserkontingente rechtfertigenden Baumaßnahme nicht oder nur teilweise komme – zum Beispiel, weil der Kläger oder ein Rechtsnachfolger vom Bauvorhaben Abstand nehme oder die Baugenehmigung nicht oder nur eingeschränkt erteilt werde – und deshalb vom Beigeladenen zugewiesene Kontingente oder Teile hiervon zurückgenommen würden oder an ihn zurück zu geben seien, finde eine Rückzahlung des nicht verzinsten Betrags an die Beklagte nach Maßgabe der Verbandssatzung sowie von Zuteilungsrichtlinien des Beigeladenen statt. Die Beklagte sei verpflichtet, den vom Beigeladenen zurückbezahlten Betrag binnen 14 Tagen an den Kläger weiterzugeben.
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Nach § 5 Abs. 1 der Vereinbarung ist für den Fall der Unwirksamkeit von Bestimmungen dieser Vereinbarung die unwirksame Bestimmung durch eine solche wirksame zu ersetzen, die dem von beiden Vertragsparteien bei Vertragsabschluss gewollten Bestimmung in rechtlich zulässiger Weise am nächsten komme. Der Kläger verzichtet „insbesondere“ darauf, unter Berufung auf die etwaige Unwirksamkeit der von ihm mit dieser Vereinbarung übernommenen Verpflichtung von ihm geleistete Zahlungen von der Beklagten zurückzufordern.
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Nach § 5 Abs. 3 der Vereinbarung bleibt von dieser Vereinbarung die Verpflichtung des Klägers unberührt, im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben fällig werdende kommunale Beiträge und Abgaben zu zahlen.
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Nach ihrem § 6 bedarf die Vereinbarung zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des Gemeinderats der Beklagten; ein Beschluss des Gemeinderats der Beklagten zur Genehmigung der Vereinbarung ist nach Aktenlage der Beklagten jedoch nicht getroffen worden.
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4. Mit einem auszugsweise vorgelegten notariellen Kaufvertrag vom 6. November 2009 veräußerte der Kläger im eigenen Namen sowie in seiner Eigenschaft als alleiniger Geschäftsführer der H1. GmbH, diese wiederum handelnd als einzig persönlich haftende Gesellschafterin der H2. GmbH, das Unternehmen bzw. seine Rechte an den Betriebsgrundstücken an einen Käufer. Unter Nummer 2.6 „Abwasserkontingente“ wurde geregelt, dass der Kläger mit der Beklagten am 20. März 2007 eine Vereinbarung zur Übernahme eines Betrags von voraussichtlich 137.025,00 EUR für die Zuteilung von Abwasserkontingenten für die Errichtung eines Hotels auf den Erbbaurechtsgrundstücken getroffen habe. Die Vereinbarung sei dem Käufer bekannt. Der Kläger habe den Betrag von 137.025,00 EUR bereits bezahlt. Dieser Betrag sei Bestandteil des Kaufpreises. Der Käufer beabsichtige, das nach Bebauungsplan zulässige Maß der baulichen Nutzung nicht auszunutzen und abweichend vom Bebauungsplan ein kleineres Hotel zu errichten. Soweit es infolge der Baureduzierung zu einer teilweisen Erstattung des für die Abwasserkontingente bezahlten Betrags von 137.025,00 EUR komme, stehe der Rückzahlungsbetrag dem Kläger zu.
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Mit Schreiben vom 7. November 2016 an die Beklagte – dieser zugegangen am 9. November 2016 – wies der Klägerbevollmächtigte darauf hin, dass nachdem mittlerweile durch den Käufer des Erbbaurechts mit den Baumaßnahmen begonnen worden sei, § 3 Abs. 2 der Vereinbarung zum Tragen komme, nach der für die nicht ausgenutzten Abwasserkontingente eine Rückzahlung stattzufinden habe. Mit dem Käufer des Erbbaurechts sei hinsichtlich der Kontingente vereinbart worden, dass ein eventueller Rückzahlungsbetrag zum Beispiel infolge einer Baureduzierung dem Kläger zustehe. Der Kläger gehe davon aus, dass nach der vorliegenden Baugenehmigung die benötigten Abwasserkontingente feststünden, so dass die vereinbarte Abrechnung erfolgen könne.
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Mit Schreiben an den Kläger vom 12. Dezember 2016 führte die Beklagte aus, dass sie bis zum 31. Dezember 2013 keine Abwasserkontingente an den Beigeladenen zurückgegeben habe bzw. von diesem keine Kontingente zurückgenommen worden seien. Folglich sei auch keine Rückzahlung erfolgt, welche gegebenenfalls an den Kläger zurückzuzahlen wäre. Zum 1. Januar 2014 sei eine Umstellung der Verbandssatzung erfolgt, wonach Beiträge unmittelbar zwischen dem Beigeladenen und den angeschlossenen Einleitern zu erheben seien.
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Auf eine Anfrage des Klägers an den Beigeladenen führte dieser mit Schreiben vom 5. Mai 2017 aus, dass die Aufgabe der Abwasserbeseitigung mittlerweile vollständig zum 1. Januar 2014 an den Beigeladenen abgegeben worden sei. Der Beigeladene könne nicht beurteilen, ob für die Schaffung von Baurecht für den Kläger es für die Beklagte erforderlich gewesen sei, ein zusätzliches Abwasserkontingent zu erwerben und ob insoweit Vorauszahlungen auf die Beiträge für den Kanalanschluss erfolgten. Die Beklagte habe damals das alleinige Satzungsrecht gehabt. Der Beigeladene sei nicht Rechtsnachfolger der Beklagten, insoweit könne auch keine Verrechnung der genannten Zahlung von 137.025,00 EUR erfolgen. Es könne auch bestätigt werden, dass die Beklagte bis Ende 2013 kein Abwasserkontingent an den Beigeladenen zurückgegeben habe und somit auch keine Rückzahlung durch den Beigeladenen an die Beklagte erfolgt sei.
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Mit Schreiben vom 27. Juni 2017, zur Post gegeben am selben Tag, lehnte die Beklagte eine Abrechnung bzw. Rückzahlung ab. Die erneute Befassung mit dem Sachverhalt lasse „keine andere Bewertung zu“. Die Bedingungen nach § 3 der Vereinbarung, die eine Rückzahlung auslösen würden, seien nicht eingetreten. Für die weitere Bearbeitung des Vorgangs sei eine Rechtsanwaltskanzlei mandatiert worden.
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5. Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2018 – beim Gericht eingegangen am 14. Dezember 2018 – hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Verwaltungsgericht München Klage erhoben zunächst mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Abrechnung über die Vorauszahlung in Höhe von 137.025,00 EUR für Abwasserkontingente gemäß der Vereinbarung zwischen der Beklagten und dem Kläger vom 20. März 2007 zu erteilen. Mit Schriftsatz vom 20. November 2020 stellte der Kläger seinen Antrag dahingehend um, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 103.530,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 3 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11. Januar 2017 zu zahlen.
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Die Beklagte stellte sich dagegen auf den Standpunkt, dem Kläger stehe hinsichtlich der geleisteten Zahlung kein vertraglicher Rückzahlungsanspruch gegen die Beklagte zu. Nach § 3 Abs. 2 der Vereinbarung vom 20. März 2007 finde im Rechtsverhältnis Beigeladener-Beklagte eine Rückzahlung unter der Voraussetzung statt, dass es erstens zu einer die Zuteilung der Abwasserkontingente rechtfertigenden Baumaßnahme nicht oder nur teilweise komme und zweitens deshalb vom Beigeladenen zugewiesene Abwasserkontingente oder Teile hiervon zurückgenommen würden oder zurück zu geben seien. Vorliegend sei die zweite Voraussetzung für eine Rückzahlungsverpflichtung nicht erfüllt. Unstreitig habe die Beklagte dem Beigeladenen kein Abwasserkontingent zurückgegeben. Für die Beklagte habe auch keine rechtliche Verpflichtung zur Rückgabe des Kontingents bestanden. Schließlich wäre ein Rückzahlungsanspruch im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verjährt gewesen.
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Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2019 teilte der Kläger mit, er habe auf Grundlage des geänderten Bebauungsplans vom 16. Oktober 2007 keinen Bauantrag eingereicht. Erst der Käufer des Grundstücks habe sich zur Durchführung eines Hotelneubaus entschieden, allerdings in abweichender Form. Für den nunmehr errichteten Hotelneubau sei der Bebauungsplan vom 16. Oktober 2007 nochmals geändert worden, die Baugenehmigung für die Errichtung von 3 Hotelgebäuden sei am 7. September 2015 erteilt worden. Bisher sei ein Gebäude mit 25 Zimmern und Nebenräumen im Herbst 2018 im Wesentlichen fertiggestellt worden. Das Konzept beinhalte ein exklusives, aber deutlich kleineres Hotel als nach dem Bebauungsplan vom 16. Oktober 2007 möglich gewesen wäre.
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Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 20. Januar 2020 den Beigeladenen zum Verfahren beigeladen. Der Beigeladene hat im Verfahren ausgeführt, dass in Fällen, in denen vor dem Jahr 2014 Abwasserkontingente bezahlt worden seien und die Bauvorhaben errichtet worden seien, keine Beitragsabrechnung für diese neuen Gebäude erfolgt seien. Der Beigeladene sei davon ausgegangen, dass mit konkreten ermittelten Abwasserkontingenten und der darauf erfolgten Zahlungen ein späterer Beitrag abgegolten sei. Es würden auch für den Hotelneubau des Rechtsnachfolgers des Klägers wegen der bereits bezahlten Abwasserkontingente keine Herstellungsbeiträge erhoben.
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6. Mit Urteil vom 11. März 2021 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Leistungsklage auf Zahlung von 137.025,00 EUR zuzüglich Zinsen sei zulässig, aber unbegründet. Der Kläger habe keinen Rückzahlungsanspruch. Zum einen bestehe kein vertraglicher Rückzahlungsanspruch. Zwar liege mit der Vereinbarung vom 20. März 2007 eine wirksame vertragliche Regelung vor. Die Vereinbarung sei ein öffentlich-rechtlicher Vertrag als sogenannter Austauschvertrag. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses sei die Beklagte im Gemeindegebiet Trägerin der öffentlichen Einrichtung Abwasserbeseitigung gewesen. Wegen der Besonderheit, dass die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt nicht die eigentliche Abwasserbehandlung in einer Kläranlage betrieben habe, habe die Beklagte nicht frei entscheiden können, ob für ein geplantes Neubauvorhaben ausreichende Kapazitäten zur Beseitigung des zu erwartenden Abwassers vorhanden waren. Insofern habe die Beklagte im Innenverhältnis mit dem Beigeladenen abklären müssen, ob und wie viele Kapazitäten zur Abwasserbeseitigung verfügbar waren. Hierfür hätten die Verbandssatzung und die Richtlinie des Zweckverbands eine Zuteilung von Einwohnerwerten durch den Beigeladenen vorgesehen. Den für diese Zuteilung erforderlichen finanziellen Ausgleich habe der Kläger durch § 1 der Vereinbarung übernommen. Damit sei die Gegenleistung für einen bestimmten Zweck im Vertrag vereinbart worden und habe zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der Beklagten gedient, nämlich der Finanzierung der von ihr betriebenen öffentlichen Entwässerungseinrichtung. Die Gegenleistung sei den gesamten Umständen nach angemessen und habe im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde gestanden. Die Rückzahlungsvereinbarung in § 3 der Vereinbarung habe sichergestellt, dass bei keiner oder geringerer Inanspruchnahme der vereinbarten Einwohnerwerte die Gegenleistung zugunsten des Klägers angepasst werde. Gründe für eine Nichtigkeit der Vereinbarung nach Art. 59 BayVwVfG seien nicht ersichtlich.
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Die Voraussetzungen für einen Rückzahlungsanspruch lägen jedoch nicht vor. Vorliegend sei schon keine abschließende Rechnungsstellung durch den Beigeladenen erfolgt; dies sei offenbar aufgrund des Wechsels in der Aufgabenträgerschaft für die öffentliche Entwässerung von der Beklagten zum Beigeladenen ab dem Jahr 2013 nicht mehr erfolgt. Zwar liege nach § 3 Abs. 2 der Vereinbarung eine teilweise Abstandnahme vom ursprünglichen Bauvorhaben vor. Jedoch fehle es an der weiteren Voraussetzung, dass die vom Beigeladenen zugewiesenen Abwasserkontingente oder Teile hiervon zurückgenommen worden oder an ihn zurückzugeben seien. Eine Rückzahlung durch den Beigeladenen an die Beklagte sei gerade nicht erfolgt.
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Schließlich ergebe sich ein Rückzahlungsanspruch des Klägers auch nicht aus einer Anpassung des Vertragsinhalts oder einer Kündigung des Vertrags nach Art. 60 BayVwVfG. Zwar habe sich hier das Dreiecksverhältnis zwischen dem Kläger, der Beklagten und dem Beigeladenen mit Inkrafttreten der neuen Verbandssatzung des Beigeladenen zum 1. Januar 2014 aufgelöst. Ob sich hieraus aber möglicherweise ein Anspruch des Klägers auf Anpassung oder Kündigung der ursprünglichen Vereinbarung ergeben könnte, könne im Rahmen der Leistungsklage nicht entschieden werden. Der Kläger habe gegenüber der Beklagten bisher keine Vertragsanpassung verlangt. Auch eine Kündigung des Vertrags sei bisher nicht erfolgt. Sonstige Anspruchsgrundlagen seien nicht ersichtlich.
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7. Zur Begründung seiner mit Beschluss des Senats vom 19. Juni 2023 wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zugelassenen Berufung trägt der Kläger vor, der in erster Instanz zuletzt gestellte Antrag werde unverändert aufrechterhalten. Die vom Verwaltungsgericht für erforderlich gehaltene Vertragsanpassung habe der Kläger von der Beklagten verlangt, diese habe indes abgelehnt. Daraufhin habe der Kläger mit Schreiben vom 19. Oktober 2021 hilfsweise die Vereinbarung vom 20. März 2007 gekündigt. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 26. Oktober 2021 die Kündigung zurückgewiesen. Für den zwischenzeitlich in deutlich kleinerer Form realisierten Hotelneubau mit 25 Zimmern habe der Beigeladene bislang keine Beiträge für die Abwasserentsorgung erhoben.
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Nach Art. 62 BayVwVfG seien insbesondere die allgemeinen schuldrechtlichen Bestimmungen des BGB anzuwenden. Nachdem der Kläger seine Hauptleistungspflicht, nämlich die Zahlung von 137.025,00 EUR erfüllt habe, müsse die Beklagte ihrer Hauptpflicht nach § 3 Abs. 2 der Vereinbarung vom 20. März 2007 nachkommen. Die Regelung der Abwasserkontingente für das realisierte Hotel falle in den Verantwortungsbereich der Beklagten. Die Ansicht der Beklagten, sie könne sich ihrer Verpflichtung aus der Vereinbarung dadurch entledigen, dass die Zuständigkeit der öffentlichen Entwässerung inzwischen auf den Beigeladenen übergegangen sei, sei unzutreffend. Nachdem sie sich weigere, überhaupt tätig zu sein, verhindere sie wider Treu und Glauben den Eintritt der Fälligkeitsvoraussetzung für die Rückzahlung. Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, dass der Kläger seine Ansprüche erst aufgrund einer Anpassung der Vereinbarung vom 20. März 2007 durchsetzen könne, sei unzutreffend. Der Wechsel der Zuständigkeit für die öffentliche Entwässerung hindere nicht die Ermittlung des Rückzahlungsbetrags. Der Kläger habe mit Schriftsatz vom 20. November 2020 die Rückzahlung der Differenz zwischen dem laut Vereinbarung gezahlten Betrag und dem errechneten Betrag für das letztlich realisierte Hotel in Höhe von 103.530,00 EUR geltend gemacht.
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Der Kläger hat beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 103.530,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11. Januar 2017 zu zahlen.
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8. Die Beklagte hat beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten könne nicht aus den Regelungen der Vereinbarung vom 20. März 2007 hergeleitet werden. Die Beklagte habe durch Änderung des Bebauungsplans für den geplanten Hotelneubau das Baurecht für das gegenständliche Grundstück erhöht. Damit habe sie die Vorgaben nach § 1 der Vereinbarung mit dem Kläger erfüllt. Erstattungsansprüche bestünden daher weder nach § 1 Abs. 2 Satz 2 der Vereinbarung noch nach § 3 der Vereinbarung. Weder seien Kontingente vom Beigeladenen zurückgenommen worden noch seien sie an den Beigeladenen zurückzugeben. Ob der Beigeladene von seinem Recht auf Rückforderung Gebrauch mache, liege in seiner Entscheidungsbefugnis. Der Kläger könne einen Rückzahlungsanspruch aber auch nicht aus den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage herleiten. Die Grundsätze des Art. 60 Abs. 1 BayVwVfG kämen nicht zur Anwendung, wenn die Vertragsparteien insoweit Regelungen im Vertrag getroffen hätten. Ein Festhalten am Vertrag sei für den Kläger nicht unzumutbar, schließlich seien derartige Anpassungsansprüche auch bereits verjährt. Der Kläger könne aber auch eine Rückzahlung nicht mit Blick darauf verlangen, dass der Beigeladene zum 1. Januar 2014 auch im Außenverhältnis die Aufgaben des Trägers der öffentlichen Entwässerungseinrichtung übernommen habe. Dieser Umstand führe nicht zu einem Wegfall der Geschäftsgrundlage. Für das vertragliche Innenverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten sei allein die Vereinbarung vom 20. März 2007 relevant. Auf die Einrichtungsträgerschaft komme es nicht an. Der Beigeladene sei nicht Vertragspartner der Vereinbarung. Das weitere Festhalten am Vertrag sei dem Kläger auch deshalb zuzumuten, weil durch die Abwasserkontingentszuteilung ein entsprechend hohes Baurecht für den Kläger begründet worden sei, das zu einer Wertsteigerung des Grundstücks geführt habe. Ungeachtet dessen wären Zahlungsansprüche nach Art. 60 BayVwVfG bereits verjährt. Vorsorglich werde auch der geltend gemachte Zinsanspruch zurückgewiesen.
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9. Der Beigeladene hat – ohne einen eigenen Antrag zu stellen – mit Schriftsatz vom 26. September 2023 das Urteil des Verwaltungsgerichts verteidigt.
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10. In der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2025 haben die Beteiligten ihren Vortrag wiederholt und vertieft. Der Bevollmächtigte des Klägers hat ausgeführt, der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergebe sich jedenfalls aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes. Die Beklagte hat im Hinblick auf den Zahlungsanspruch die Einrede der Verjährung erhoben.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Behördenakten und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. April 2025 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg und ist daher zurückzuweisen.
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Das mit der Berufung angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 11. März 2021 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beklagte nicht den mit seiner allgemeinen Leistungsklage geltend gemachten Anspruch auf Zahlung von 103.530,00 EUR nebst Zinsen.
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1. Ein vertraglicher Zahlungsanspruch aus der Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten vom 20. März 2007 besteht schon deshalb nicht, weil die Vereinbarung nach Art. 59 BayVwVfG nichtig ist und damit zu keinem Zeitpunkt Rechtswirkungen entfaltet hat.
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a) Bei der Vereinbarung vom 20. März 2007 handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag i.S.d. Art. 54 BayVwVfG, denn sie begründet zwischen dem Kläger und der Beklagten ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts.
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aa) Für die Zuordnung eines Vertrags zum öffentlichen oder privaten Recht ist maßgebend, ob die Normen, auf deren Grundlage der Vertrag geschlossen worden ist und von denen infolgedessen die Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit des Vertrages abhängen – insbesondere die Normen, die die Pflichten und Befugnisse der Vertragsparteien hinsichtlich des Vertragsgegenstandes regeln – und diejenigen Vorschriften, die den zulässigen Vertragsinhalt bestimmen und begrenzen, dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzurechnen sind (vgl. BayVGH, B.v. 15.12.2021 – 22 C 21.951 – juris Rn. 19; BGH, U.v. 30.9.1970 – 1 ZR 132/68 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 6.7.1973 – IV C 22.72 – juris Rn. 18; vgl. auch Rozek in Schoch/Schneider, VerwaltungsR, Stand August 2024, § 54 VwVfG Rn. 38 ff. m.w.N.). Der Gegenstand eines Vertrages ist öffentlich-rechtlicher Art, wenn der Vertrag „auf von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich geregelte Sachverhalte“ einwirkt (sog. öffentlich-rechtliche Vorordnung, vgl. dazu Ehlers/Schneider in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2024, § 40 Rn. 339). Dies wird insbesondere angenommen, wenn eine Norm des öffentlichen Rechts ausdrücklich zum Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge ermächtigt oder das öffentliche Recht den Vertrag im Einzelnen normiert bzw. wenn sich die Vereinbarung auf einen von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich geregelten Sachverhalt bezieht oder die Verpflichtung eines Vertragspartners zum Erlass einer hoheitlichen Handlung enthält. Ein Vertrag ist auch dann öffentlich-rechtlich, wenn sein Gegenstand zu öffentlich-rechtlichen Berechtigungen oder Verpflichtungen in so engem Sachzusammenhang steht, dass er demselben Rechtsbereich zuzurechnen ist (Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 40 Rn. 68 m.w.N. zur Rspr; BVerwG, U.v. 30.5.2006 – 3 B 78.05 – juris Rn. 4).
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Fehlt es an einer öffentlich-rechtlichen „Vorordnung“ oder ist deren Vorhandensein oder Ausmaß bezüglich des konkreten Vertragsgegenstandes unklar, ist neben dem Zweck vor allem das weitere Bezugsfeld des Vertragsgegenstandes in die Betrachtung einzubeziehen. Der Zweck eines Vertrags kann sich nicht nur aus dem Vertragstext, sondern ggf. auch aus den begleitenden Umständen ergeben (BVerwG, U.v. 30.4.1976 – VII C 63.75 – juris Rn. 25).
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bb) Gemessen daran handelt es sich hier um einen Vertrag, dessen Gegenstand dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Nach der Vorbemerkung des Vertrages vom 20. März 2007 bedurfte die Einleitung der auf dem Hotelgrundstück künftig anfallenden Abwassermengen in die Abwasserbeseitigungsanlagen des Beigeladenen der vorherigen Zuteilung entsprechender Abwasserkontingente. Damit ist das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis der kommunalen Einrichtung betroffen. Insoweit sollte ein Vorteil durch die Erschließung mit der Entwässerungsanlage der Beklagten und der zentralen Kläranlage des Zweckverbandes abgegolten werden. Damit handelt es sich bei dieser Zahlungspflicht der Beklagten gegenüber dem Beigeladenen – die nach § 1 Abs. 1 der Vereinbarung vom 20. März 2007 auf den Kläger übergehen sollte – um einen dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Gegenstand: Da die für die Zuteilung von Abwasserkontingenten satzungsgemäß entstehende Zahlungspflicht der Beklagten letztlich als einmalige Gegenleistung für die Einleitung und Behandlung von auf dem Grundstück des Klägers anfallendem Abwasser in den Anlagen der Beigeladenen konzipiert war und es sich bei der Abwasserentsorgung um eine gesetzliche Pflichtaufgabe der Gemeinden – bzw. der hierzu gebildeten Zweckverbände – handelt (Art. 34 Abs. 1 BayWG i.V.m. § 56 WHG, ggf. i.V.m. Art. 17 Abs. 1, 22 Abs. 1 KommZG), ist die Erhebung einer Umlage i.S.d. Art. 42 KommZG zur Deckung des Finanzbedarfs eines Zweckverbands zur Abwasserbeseitigung sowohl im Hinblick auf ihre materielle Rechtfertigung als auch im Hinblick auf die Rechtsform von Schuldner und Gläubiger – auf beiden Seiten juristische Personen des öffentlichen Rechts (Art. 1 Satz 1 GO bzw. Art. 2 Abs. 3 Satz 1 KommZG) – öffentlich-rechtlicher Natur.
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b) Die Vereinbarung vom 20. März 2007 ist aber nach Art. 59 BayVwVfG nichtig und damit von Anfang an unwirksam, weil die Vereinbarung eines Zahlungsanspruchs gegen den Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung verstieß; sie begründet daher keine vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, insbesondere keinen (Rück-)Zahlungsanspruch des Klägers.
51
aa) Die mit den Art. 54 ff. BayVwVfG eröffnete Möglichkeit des Abschlusses öffentlich-rechtlicher Verträge entbindet die beteiligten Hoheitsträger nicht von der Beachtung des als Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (vgl. nur Rozek in Schoch/Schneider, VerwaltungsR, Stand November 2024, § 54 VwVfG Rn. 4 ff.). Insbesondere verfügen Hoheitsträger auch als Vertragspartei nicht über Privatautonomie, sondern bleiben uneingeschränkt an die für sie geltenden gesetzlichen Vorgaben gebunden. Insofern erweitern die Art. 54 ff. BayVwVfG nicht die Handlungsbefugnisse der Verwaltung, sondern stellen nur eine zusätzliche Handlungsform zur Verfügung.
52
bb) Nach Art. 59 Abs. 1 BayVwVfG ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt. Das ist unter anderem dann der Fall, wenn der Vertrag gegen ein gesetzliches Verbot i.S.d. § 134 BGB verstößt. Ein solcher Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot liegt insbesondere dann vor, wenn zwingende – also nicht von den Vertragsparteien abdingbare – Rechtsnormen oder -grundsätze den Inhalt einer vertraglichen Regelung strikt und unmissverständlich untersagen und der Rechtsverstoß öffentliche Interessen mehr als nur unerheblich beeinträchtigt (vgl. nur Brosius-Gersdorf/Remé in Schoch/Schneider, VerwaltungsR, Stand November 2024, § 59 VwVfG Rn. 87 ff. m.w.N.).
53
Das ist hier der Fall: Die Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten verstößt gegen den in Bayern mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatz der Einmaligkeit der Beitragserhebung; dieser im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerte Grundsatz gewährleistet, dass ein Beitragspflichtiger für eine bestimmte Baumaßnahme an einer Anlage bzw. Einrichtung und für dasselbe Grundstück grundsätzlich nur einmal zu einem Beitrag herangezogen wird, da die Beitragsschuld regelmäßig nur einmal entstehen kann (vgl. BayVGH, U.v. 31.3.2022 – 20 B 18.422 – juris Rn. 18 m.w.N.; U.v. 15.4.1999 – 23 B 97.1108 – juris Rn. 25; Wernsmann/Geiß in: BeckOK Kommunalabgabenrecht Bayern, Stand 1.2.2025, Art. 5 KAG Rn. 17). Nach dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 der Vereinbarung zielt diese ausdrücklich darauf ab, dem Kläger als „Verursacher“ der nach § 19 Abs. 3 der Zweckverbandssatzung des Beigeladenen erforderlichen (umlagepflichtigen) Zuteilung von zusätzlichen sog. Abwasserkontingenten die Kosten der Beklagten aufzuerlegen. Nachdem diese einmalige Umlagezahlung nach § 19 Abs. 3 der Zweckverbandssatzung der Beigeladenen i.V.m. Art. 42 KommZG zur Deckung des Aufwands zur Herstellung der Abwasserentsorgungsanlagen des Beigeladenen bestimmt ist, handelt es sich für den Kläger in der Sache um einen (Herstellungs-)Beitrag i.S.d. Art. 5 Abs. 1 KAG, mit dem der Vorteil wegen der Möglichkeit der Inanspruchnahme der Einrichtung abgegolten werden soll. Nachdem aber die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung kommunaler Beiträge nach § 5 Abs. 3 der Vereinbarung vom 20. März 2007 ausdrücklich unberührt bleiben soll, wird der Kläger im Ergebnis mit einer weiteren, zusätzlichen Beitragspflicht belastet, die weder über eine satzungsmäßige noch eine gesetzliche Grundlage verfügt. Nach § 1 der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Beklagten vom 27. Oktober 1983 i.d.F. vom 19. Januar 1998 (BGS/EWS) i.V.m. Art. 5 Abs. 1 KAG erhebt die Beklagte einen Beitrag zur Deckung ihres Aufwands für die Herstellung der von ihr nach § 1 Abs. 1 der Entwässerungssatzung vom 10. Januar 1991 i.d.F. vom 20. Januar 2000 als öffentliche Einrichtung betriebenen Entwässerungsanlage. Soweit die Beklagte – die ihre gesetzliche Aufgabe der Abwasserbeseitigung (Art. 34 Abs. 1 BayWG i.V.m. § 56 WHG) im hier maßgeblichen Zeitraum nicht allein, sondern im Zusammenwirken mit dem Beigeladenen erfüllt hat – im Innenverhältnis zum Beigeladenen verpflichtet war, dessen (Herstellungs-)Aufwand durch Umlagezahlungen u.a. nach § 19 Abs. 3 der Zweckverbandssatzung zu decken, wären diese Umlagen von der Beklagten zwar aufwandserhöhend i.R.d. Beitragserhebung zu berücksichtigen gewesen. Eine gesonderte Zahlungspflicht einzelner Grundstückseigentümer oder Erbbauberechtigter ist dagegen ausgeschlossen, denn sie führt letztlich zu einer – unzulässigen – mehrfachen Beitragserhebung.
54
Nachdem der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot vom Hauptinhalt der Vereinbarung vom 20. März 2007 – die Zahlungspflicht des Klägers – ausgeht, kann die salvatorische Klausel in § 5 Abs. 1 der Vereinbarung, wonach unwirksame Klauseln durch wirksame zu ersetzen sind, die dem Willen der Vertragsparteien in rechtlich zulässiger Weise am nächsten kommen, an der Gesamtnichtigkeit des Vertrags nichts ändern.
55
c) Weil die Vereinbarung vom 20. März 2007 bereits nach Art. 59 BayVwVfG nichtig ist, kommt es im Ergebnis nicht mehr maßgebend darauf an, ob die nach § 6 der Vereinbarung für deren Wirksamkeit vorgesehene (und wohl auch nach dem kommunalen Vertretungsrecht erforderliche, vgl. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GO) Genehmigung durch den Gemeinderat der Beklagten erteilt wurde.
56
2. Der Kläger hat auch keinen gesetzlichen Zahlungsanspruch aus dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Ein solcher Rückforderungsanspruch ist aufgrund der Nichtigkeit der Vereinbarung zwischen dem Kläger und der Beklagten vom 20. März 2007 zwar entstanden, war aber nach Art. 71 AGBGB bereits vor Klageerhebung am 14. Dezember 2018 erloschen.
57
a) Der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch, der als eigenständiges Rechtsinstitut des allgemeinen Verwaltungsrechts in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt ist und dessen Anspruchsvoraussetzungen denen des zivilrechtlichen Bereicherungsanspruchs entsprechen, dient der Rückabwicklung ohne Rechtsgrund erbrachter Leistungen oder sonstiger rechtsgrundloser Vermögensverschiebungen auch im Verhältnis zwischen Körperschaften des öffentlichen Rechts. Wesentlich für den Erstattungsanspruch ist ein Vermögenszustand, der ohne rechtfertigenden Grund eingetreten ist und wieder rückgängig gemacht werden soll. Er findet seine Rechtfertigung in dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, wenn ein Rechtsträger einen Vermögensvorteil dadurch erlangt hat, dass ein anderer Rechtsträger eine Leistung im Widerspruch zu materiellem Recht erbracht hat (vgl. nur BayVGH, U.v. 1.2.2006 – 14 B 00.2202 – juris Rn. 28 m.w.N.; grundlegend Ossenbühl/Cornils in Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 537 ff.).
58
b) Indem der Kläger am 29. August 2007 die Summe von 137.025,00 EUR an die Beklagte gezahlt hat, obwohl der dieser Zahlung zugrundeliegende Vertrag vom 20. März 2007 nichtig war (s.o. 1. b)) und auch sonst kein anderer Zahlungsanspruch des Beklagten erkennbar ist, ist es zu einem rechtsgrundlosen Vermögenszuwachs auf Seiten der Beklagten gekommen. Damit ist ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch des Klägers dem Grunde nach zunächst entstanden. Dieser Anspruch war jedoch bereits vor der Erhebung der Rückzahlungsklage wieder erloschen.
59
aa) Nach Art. 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AGBGB erlöschen die auf eine Geldzahlung gerichteten öffentlich-rechtlichen Ansprüche gegen eine bayerische Gemeinde grundsätzlich in drei Jahren, soweit nichts anderes bestimmt ist. Das gilt auch für den hier entstandenen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch des Klägers (vgl. Sprau in Sprau, Justizgesetze in Bayern, 1988, Art. 71 AGBGB Rn. 18). Der besondere Erlöschenstatbestand nach Art. 71 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AGBGB wird insbesondere nicht durch die allgemeinen Verjährungsbestimmungen verdrängt: Soweit im Rahmen der Bestimmungen für öffentlich-rechtliche Verträge durch Art. 62 Satz 2 BayVwVfG auf die bürgerlich-rechtlichen Verjährungsbestimmungen der §§ 194 ff. BGB verwiesen wird, handelt es sich hierbei schon deshalb nicht um eine gegenüber Art. 71 AGBGB vorrangige Regelung, weil der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch gerade keinen vertraglichen Anspruch darstellt und weder unmittelbar auf den Art. 54 ff. BayVwVfG beruht noch auf die Rückabwicklung nichtiger öffentlich-rechtlicher Verträge beschränkt ist (vgl. i.E. auch VG Regensburg, U.v. 22.9.2005 – RN 3 K 04.02552 – juris Rn. 59).
60
bb) Nach Art. 71 Abs. 1 Satz 2 AGBGB beginnt die grundsätzlich dreijährige Erlöschensfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Berechtigte von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, jedoch nicht vor dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Ohne Rücksicht auf diese Kenntnis erlischt der Anspruch jedoch spätestens in zehn Jahren von seiner Entstehung an (Art. 71 Abs. 1 Satz 4 AGBGB). Hier kann offen bleiben, ob und ggf. zu welchem Zeitpunkt der Kläger Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Verpflichteten erlangt hat oder hätte erlangen müssen, denn im Zeitpunkt der Klageerhebung am 14. Dezember 2018 war jedenfalls die zehnjährige kenntnisunabhängige Frist ab Entstehung des Anspruchs abgelaufen.
61
(1) Entstanden ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch des Klägers unmittelbar mit der rechtsgrundlosen Zahlung von 137.025,00 EUR am 29. August 2007, da die Vereinbarung vom 20. März 2007 von Anfang an nichtig war und zu keinem Zeitpunkt Rechtswirkungen entfaltet hat. Die zehnjährige Frist des Art. 71 Abs. 1 Satz 4 AGBGB wäre demnach grundsätzlich bereits am 29. August 2017 abgelaufen (vgl. Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Nachdem aber Art. 71 Abs. 2 AGBGB die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Hemmung für entsprechend anwendbar erklärt, verlängert sich die zehnjährige Erlöschensfrist entsprechend § 203 BGB vorliegend um den Zeitraum, in dem zwischen dem Kläger und der Beklagten Verhandlungen über den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch geschwebt haben, hier um insgesamt 234 Tage.
62
(2) Nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung ist der Begriff der Verhandlungen i.S.d. § 203 Satz 1 BGB weit zu verstehen. Es genügen hierfür bereits Erklärungen, die den Gläubiger berechtigterweise annehmen lassen, dass der Schuldner sich auf die Erörterung über die Berechtigung des Anspruchs einlässt. Nicht erforderlich ist dabei eine Bereitschaft zum Entgegenkommen. Ebenso reicht jeder Meinungsaustausch über den Anspruch aus, wenn nicht sofort erkennbar die Verhandlung in jeder Hinsicht abgelehnt wird (vgl. BGH, B.v. 8.12.2011 – V ZR 110/11 – juris Rn. 2; Grothe in Münchener Kommentar zum BGB, 10. Aufl. 2025, § 203 Rn. 5 ff. m.w.N.). Dabei beginnt die Hemmung grundsätzlich rückwirkend in dem Zeitpunkt, in dem der Gläubiger seinen Anspruch geltend gemacht hat (vgl. BGH, B.v. 19.12.2013 – IX ZR 120/11 – juris Rn. 2); sie endet, wenn die Fortsetzung weiterer Verhandlungen – ausdrücklich oder konkludent – von einem Verhandlungspartner verweigert wird (vgl. BGH, U.v. 15.12.2016 – IX ZR 58/16 – juris Rn. 15). Für die Auslegung entsprechender Erklärungen ist ausgehend vom Wortlaut auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen. Zudem sind der verfolgte Zweck, die Interessenlage der Parteien und die sonstigen Begleitumstände zu berücksichtigen, wenn sie den Sinngehalt der Erklärung erhellen können (vgl. BGH, U.v. 8.11.2016 – VI ZR 594/15 – juris Rn. 20 m.w.N.). Schlafen die Verhandlungen lediglich ein, endet die Hemmung in dem Zeitpunkt, in dem nach Treu und Glauben ein weiterer Verhandlungsschritt zu erwarten gewesen wäre; die zivilrechtliche Rechtsprechung legt insofern Zeiträume zwischen ein bis maximal drei Monaten zugrunde (vgl. nur Grothe in Münchener Kommentar zum BGB, 10. Aufl. 2025, § 203 Rn. 12 m.w.N).
63
Nach diesen Maßstäben ist die – zu diesem Zeitpunkt noch nicht verstrichene – Erlöschensfrist nach Art. 71 Abs. 2 AGBGB i.V.m. § 203 BGB mit Wirkung vom 9. November 2016, gehemmt worden. Nach Aktenlage hat der Kläger erstmals mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 7. November 2016 – der Beklagten zugegangen am 9. November 2016 – einen Anspruch auf Abrechnung bzw. Rückzahlung des aufgrund der Vereinbarung vom 20. März 2007 gezahlten Betrags geltend gemacht. Mit E-Mail vom 14. November 2016 hat die Beklagte den Eingang des Schreibens bestätigt und eine inhaltliche Prüfung angekündigt. Damit hat die Beklagte sich auf eine Erörterung über die Berechtigung des geltend gemachten Anspruchs eingelassen. Für den Hemmungsbeginn ist demnach der Tag des Eingangs des Schreibens vom 7. November 2016, d.h. der 9. November 2016, maßgeblich.
64
Das Ende der Hemmung markiert das Schreiben der Beklagten an den Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 27. Juni 2017, zur Post gegeben am selben Tag: Mit diesem Schreiben hat die Beklagte erklärt, die „erneute Befassung mit dem Sachverhalt“ lasse „keine andere Bewertung zu“. Die Bedingungen für eine Rückzahlung seien nicht eingetreten. Diese Formulierung lässt keine weitere Gesprächsbereitschaft mehr erkennen, sondern enthält vielmehr eine einseitig-abschließende Würdigung des Sachverhalts. Nach dem objektiven Empfängerhorizont lässt sich das Schreiben der Beklagten nur als endgültige Zurückweisung des geltend gemachten Anspruchs auffassen. Hierfür spricht auch der das Schreiben abschließende Hinweis, den Vorgang einer Rechtsanwaltskanzlei übergeben zu haben: Damit hat die Beklagte gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Klägers jedenfalls konkludent zum Ausdruck gebracht, dass eine Weiterverfolgung der Ansprüche nicht mehr im Verhandlungs-, sondern nur noch im Klageweg möglich ist. Ausgehend von einem Zugang des mit einfacher Post übersandten Schreibens vom 27. Juni 2017 analog Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG i.d.F. des Gesetzes vom 18. Juli 2016 (BGBl. I. S. 1679) am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post hat die Hemmung am 30. Juni 2017 geendet.
65
(3) Die Hemmung der Verjährung in Fällen des hier über Art. 71 Abs. 2 AGBGB entsprechend anwendbaren § 203 Satz 1 BGB hat nach § 209 BGB zur Folge, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird, d.h. dass sich die noch nicht verstrichene Frist um den Zeitraum der Hemmung verlängert (vgl. Grothe in Münchner Kommentar zum BGB, 10. Aufl. 2025, § 209 Rn. 1). Die Verjährungsfrist ist daher um die Hemmungszeit zu verlängern; diese muss tagesgenau herausgerechnet werden (vgl. Grothe, a.a.O., § 209 Rn. 4 m.w.N.). Eine Hemmung vom 9. November 2016 bis zum 30. Juni 2017 bedeutet eine Hemmung um insgesamt 234 Tage. Dies zugrunde gelegt, hat sich das Ende der zehnjährigen Erlöschensfrist aus Art. 71 Abs. 1 Satz 4 AGBGB vom 29. August 2017 um die o.g. 234 Tage auf den 20. April 2018 verschoben. Im Zeitpunkt des Eingangs der Klage beim Verwaltungsgericht am 14. Dezember 2018 war der Zahlungsanspruch daher bereits erloschen, ohne dass es insofern noch auf die zusätzliche Ablaufhemmung nach Art. 71 Abs. 2 AGBGB i.V.m. § 203 Satz 2 BGB ankäme: Diese hätte nur Relevanz, wenn die nach dem Ende der Hemmung noch verbleibende Verjährungsfrist kürzer als drei Monate gewesen wäre (vgl. dazu Grothe in Münchener Kommentar zum BGB, 10. Aufl. 2025, § 203 Rn. 13).
66
An diesem Ergebnis änderte sich auch dann nichts, wenn man in dem Schreiben der Beklagten vom 27. Juni 2017 noch keine endgültige Verweigerung weiterer Verhandlungen sehen und – mangels Erwiderung des Klägers – lediglich von einem „Einschlafen“ der Verhandlungen ausgehen wollte: In diesem Fall wäre das Ende der Hemmung spätestens drei Monate nach Zugang des Schreibens vom 27. Juni 2017 anzunehmen, weil spätestens zu diesem Zeitpunkt nach Treu und Glauben mit einer Erwiderung durch den Bevollmächtigten des Klägers zu rechnen gewesen wäre; auch dann hätte sich die zehnjährige Frist aus Art. 71 Abs. 1 Satz 4 AGBGB aber allenfalls bis zum 20. Juli 2018 verschoben und wäre die Klageerhebung am 14. Dezember 2018 verspätet gewesen, ohne dass es noch auf die zusätzliche Ablaufhemmung nach Art. 71 Abs. 2 AGBGB i.V.m. § 203 Satz 2 BGB ankäme.
67
cc) Mit dem Ablauf der zehnjährigen Frist nach Art. 71 Abs. 1 Satz 4 AGBGB ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch des Klägers ohne weiteres erloschen; Art. 71 AGBGB begründet – anders als die zivilrechtlichen Verjährungsregeln nicht nur ein Leistungsverweigerungsrecht, sondern ist von Amts wegen zu beachten (vgl. BayVGH, B.v. 21.6.2021 – 6 ZB 20.2742 – juris Rn. 19; Sprau in Sprau, Justizgesetze in Bayern, 1988, Art. 71 AGBGB Rn. 38).
68
dd) Nichts anderes ergibt sich im Ergebnis, wenn man auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aufgrund des i.w.S. abgabenrechtlichen Hintergrunds der an die Beklagte geleisteten Zahlung nicht Art. 71 Abs. 1 AGBGB anwendet, sondern die abgabenrechtlichen Verjährungsvorschriften als in diesem Fall materiell vorrangige leges speciales i.S.d. Art. 71 Abs. 1 Satz 1 AGBGB („soweit nichts anderes bestimmt ist“) ansieht. Nach den §§ 228, 229 Abs. 1 Satz 1 AO, die über Art. 10, Art. 13 Abs. 1 Nr. 5a) KAG auf Kommunalabgaben entsprechend anwendbar sind, unterliegen abgabenrechtliche Zahlungsansprüche einer besonderen Verjährungsfrist von regelmäßig fünf Jahren seit der erstmaligen Fälligkeit des Anspruchs. Hier ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch des Klägers mit seiner Entstehung am 29. August 2007 fällig geworden (§ 271 Abs. 1 BGB analog, vgl. dazu Riese in Schoch/Schneider, VerwaltungsR, Bearbeitungsstand August 2024, § 90 VwGO Rn. 38 m.w.N.) und damit bereits am 29. August 2012 verjährt (vgl. Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Wie Art. 71 Abs. 1 AGBGB bewirkt auch die abgabenrechtliche Verjährung nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5a) KAG i.V.m. § 232 AO nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut das Erlöschen des materiellen Anspruchs; es entsteht nicht lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners (vgl. nur Werth in Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 232 Rn. 1).
69
3. Einem Zahlungsanspruch des Klägers in Gestalt eines Schadensersatzanspruchs aus dem Gesichtspunkt der vorvertraglichen Haftung der Beklagten entsprechend den § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB steht – ohne dass es überhaupt auf den Bestand und den Umfang eines etwaigen Schadensersatzanspruchs des Klägers ankommt – jedenfalls die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen.
70
a) Die Grundsätze der vorvertraglichen Haftung nach § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB gelten zwar entsprechend auch für öffentlich-rechtliche Verträge (vgl. Herresthal in BeckOGK BGB, § 311 Rn. 219 ff.). Ob ein solcher Haftungsanspruch – etwa aus dem Gesichtspunkt der Verletzung von vorvertraglichen Schutzpflichten oder der pflichtwidrigen Vereitelung der Vertragswirksamkeit – entstanden ist, kann jedoch ebenso offen bleiben wie die Entscheidung, ob auf einen solchen Schadensersatzanspruch die besondere Erlöschensregel aus Art. 71 Abs. 1 AGBGB oder (über Art. 62 Satz 2 BayVwVfG) die bürgerlich-rechtlichen Verjährungsbestimmungen anwendbar sind, da in beiden Fällen jedenfalls im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt des Senats kein durchsetzbarer Anspruch besteht.
71
b) Unterfällt der Schadensersatzanspruch der Sonderregel des Art. 71 Abs. 1 AGBGB, war er im Zeitpunkt der Klageerhebung am 14. Dezember 2018 bereits erloschen. Das ergibt sich schon daraus, dass ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt der vorvertraglichen Haftung jedenfalls im Zeitpunkt des Eintritts eines Vermögensschadens – hier also mit der auf der nichtigen Vereinbarung vom 20. März 2007 beruhenden Zahlung von 137.025,00 EUR am 29. August 2007 – entstanden wäre. Infolgedessen war auch die kenntnisunabhängige Höchstfrist von zehn Jahren ab der Entstehung des Anspruchs (Art. 71 Abs. 1 Satz 4 AGBGB) im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verstrichen; auf die Ausführungen zum Erlöschen des ebenfalls am 29. August 2007 entstandenen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs des Klägers (oben 2. b)) wird insofern verwiesen.
72
c) Wendet man auf den Schadensersatzanspruch dagegen die bürgerlich-rechtlichen Verjährungsregeln (über Art. 62 Satz 2 BayVwVfG) an, war der Anspruch im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verjährt. Die Beklagte hat zudem – spätestens im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 30. April 2025 – ausdrücklich die Einrede der Verjährung erhoben; er ist damit jedenfalls berechtigt, die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB).
73
Nach der Zivilrechtsprechung unterliegt die Haftung aus dem Gesichtspunkt der Verletzung vorvertraglicher Pflichten nach § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach §§ 195, 199 BGB (vgl. BGH, U.v. 10.11.2009 – XI ZR 252/08 – juris Rn. 43; U.v. 2.6.2008 – II ZR 210/06 – juris Rn. 26; Emmerich in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2022, § 311 Rn. 238; Herresthal in BeckOGK BGB, § 311 Rn. 504). Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder grob fahrlässig nicht erlangt hat (§ 199 Abs. 1 BGB). Hier ist der Anspruch mit dem Eintritt eines Vermögensschadens beim Kläger aufgrund der rechtsgrundlosen Zahlung an die Beklagte, also im Jahr 2007 entstanden (vgl. Piekenbrock in BeckOGK BGB, § 199 Rn. 61 m.w.N.). Ob und ggf. wann der Kläger als Gläubiger des Schadensersatzanspruchs Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und dem Schuldner des Anspruchs hatte bzw. hätte haben müssen, bedarf jedoch keiner Entscheidung, da jedenfalls die hier einschlägige Verjährungshöchstfrist nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB im Zeitpunkt der Klageerhebung bereits abgelaufen war. Die Verjährungshöchstfrist nach § 199 Abs. 2 BGB kommt hier von vornherein nicht in Betracht, nachdem der geltend gemachte Schadensersatzanspruch nicht auf der Verletzung der höchstpersönlichen Rechtsgüter des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruht. Im Rahmen der für sonstige Schadensansprüche einschlägigen Verjährungshöchstfrist nach § 199 Abs. 3 BGB ist hier die zehnjährige Frist ab Entstehung des Anspruchs nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB einschlägig, da sich der Zeitpunkt der Anspruchsentstehung mit der rechtsgrundlosen Zahlung an die Beklagte eindeutig bestimmen lässt. Die von der Entstehung des Anspruchs unabhängige 30-jährige Höchstfrist nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB bezieht sich auf den (hier weder geltend gemachten noch erkennbaren) Fall von Spätschäden, die unabhängig vom schadensstiftenden Ereignis eintreten (vgl. nur Piekenbrock in BeckOGK BGB, § 199 Rn. 199 m.w.N.); maßgeblich ist nach § 199 Abs. 3 Satz 2 BGB jedenfalls die früher endende Frist, hier also die zehnjährige Höchstfrist ab Entstehung des Anspruchs nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB. Insofern sind im Ergebnis die längst mögliche bürgerlich-rechtliche Verjährungszeit und die Erlöschenshöchstfrist nach Art. 71 Abs. 1 Satz 4 AGBGB deckungsgleich und sind trotz zwischenzeitlicher Verjährungshemmung am 20. April 2018 bzw. spätestens 20. Juli 2018 abgelaufen. Nachdem – wie oben unter 2. b) im Einzelnen dargestellt – die Frist nach Art. 71 AGBGB im Zeitpunkt der Klageerhebung am 14. Dezember 2018 bereits abgelaufen war, gilt dasselbe auch für die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs aus dem Gesichtspunkt vorvertraglicher Haftung nach § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB.
74
4. Schließlich ergibt sich auch dann kein durchsetzbarer Zahlungsanspruch des Klägers, wenn man vor dem wirtschaftlichen Hintergrund der Vereinbarung vom 20. März 2007 unterstellt, dass die Zahlung des Klägers von 137.025,00 EUR am 29. August 2007 zur Erfüllung einer Abgabenschuld erfolgte. In diesem Fall ergäbe sich zwar grundsätzlich ein Rückerstattungsanspruch des Klägers aus Art. 10, Art. 13 Abs. 1 Nr. 2b) KAG i.V.m. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO. Dieser unterläge aber der abgabenrechtlichen Verjährungsfrist nach Art. 10, Art. 13 Abs. 1 Nr. 5a) KAG i.V.m. §§ 228, 229 Abs. 1 Satz 1 AO von regelmäßig fünf Jahren seit der erstmaligen Fälligkeit des Anspruchs. Nachdem ein Erstattungsanspruch aus § 37 Abs. 2 Satz 1 AO mangels besonderer Regelungen nach § 220 Abs. 2 Satz 1 AO mit seiner Entstehung fällig wird (vgl. Koenig in Koenig, AO, 5. Aufl. 2024, § 37 Rn. 61; Ratschow in Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 37 Rn. 50), liefe die fünfjährige Verjährungsfrist hier vom 29. August 2007 an und wäre damit am 29. August 2012 – also weit vor Klageerhebung – abgelaufen (vgl. Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5a) KAG i.V.m. § 232 AO führt der Ablauf der abgabenrechtlichen Verjährungsfrist zum Erlöschen des materiellen Anspruchs (vgl. nur Werth in Klein, AO, 18. Aufl. 2024, § 232 Rn. 1).
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5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da der Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es nicht der Billigkeit, seine außergerichtlichen Kosten dem unterliegenden Kläger aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.
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6. Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Revisionsgründe vorliegt.