Titel:
Ausbildungsförderungsrecht, Abgeschlossenes Studium im Ausland, Abschluss regelmäßig innerhalb eines Jahres
Normenkette:
BAföG § 5 Abs. 2 Nr. 4
Schlagworte:
Ausbildungsförderungsrecht, Abgeschlossenes Studium im Ausland, Abschluss regelmäßig innerhalb eines Jahres
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1238
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Bewilligung von Ausbildungsförderung für ein Auslandsstudium.
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Die Klägerin studierte im akademischen Jahr 2022/23 an der Universität … … in einem abgeschlossenen Masterstudiengang „International Law and Social Justice“. Laut der (englischsprachigen) Bestätigung der Studienzeit („Confirmation of Student Studies“) war für den Beginn der Ausbildung der 26. September 2022 und für das Ende der Ausbildung der 31. Oktober 2023 vorgesehen. Unter Kurslänge ist ein Jahr vermerkt.
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Am 5. September 2022 beantragte die Klägerin für dieses Studium Ausbildungsförderung bei der Beklagten.
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Mit Bescheid vom 15. November 2022 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Nach § 5 Abs. 1 Abs. 2 Nr. 4 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) könne Ausbildungsförderung für den Besuch von Ausbildungsstätten im Ausland geleistet werden, wenn die Ausbildung nach einer der Regelstudienzeit nach § 10 Abs. 2 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) vergleichbaren Frist regelmäßig innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden könne. Aufgrund der von der Klägerin eingereichten Unterlagen betrage die Regelstudienzeit in ihrem Studiengang jedoch insgesamt mehr als 12 Monate.
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Am 5. Dezember 2022 erhob die Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte zuletzt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. November 2022 zu verpflichten, der Klägerin für eine zeitweilige Ausbildung an der … … … in G. vom September 2022 bis Oktober 2023 einschließlich Ausbildungsförderung in gesetzlicher Höhe zu gewähren,
hilfsweise Ausbildungsförderung in gesetzlicher [Höhe] von September 2022 bis August 2023 zu gewähren und die Beklagte zu verpflichten, einen Antrag gemäß § 15 Abs. 3 BAföG auf Verlängerung der Förderungshöchstdauer zu prüfen.
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Mit § 5 Abs. 2 Nr. 4 BAföG würden die übrigen Grundansprüche zur Förderung eines Auslandsstudiums erweitert. Auch bislang habe eine Ausbildung in Drittstaaten gefördert werden können, diese musste allerdings im Rahmen der Inlandsausbildung förderlich sein und in dieser eingebettet sein. Wegen dieser Voraussetzungen habe vor Einführung der erweiterten Regelung ein komplettes Auslandsstudium in Drittstaaten selbst dann nicht gefördert werden können, wenn die Ausbildung im zeitlichen Rahmen des § 16 Abs. 1 Satz 1 BAföG geblieben sei. Die Rechtsfolge der Beschränkung auf regelmäßig ein Jahr Ausbildungsdauer sei auch weiterhin vom Gesetzgeber gewollt, um damit die Ausgaben für Ausbildungsförderung in Drittstaaten beschränken zu können. Die Zielrichtung der Begrenzung der Ausgaben sei im Falle eines in sich abgeschlossenen kompletten Auslandsstudiums aber nicht geboten und erscheine laut der Gesetzesbegründung bildungspolitisch sogar widersinnig, denn der Gesetzgeber habe nach der Gesetzesbegründung genau solche Masterstudiengänge im Blick gehabt, die häufig nur ein Jahr andauerten und insbesondere im englischsprachigen Raum angeboten würden. Hätte der Gesetzgeber eine starre Zeitspanne von 12 Monaten gewollt, hätte er die Formulierung „innerhalb eines Jahres“ bzw. „innerhalb von 12 Monaten“ gewählt. Es sei also aus dem Gesamtkontext der Gesetzesbegründung bereits sprachlich eine nicht eng zu begrenzende Zeitspanne gewählt worden, weil die ganz konkreten Wochen des Beginns einer Ausbildung und deren Ende gerade in Drittstaaten, die am europäischen Bologna-Prozess zur Harmonisierung der Semesterzeiten nicht beteiligt gewesen seien, sehr unterschiedlich sein könnten. Das in sich abgeschlossene Jahresprogramm werde laut Immatrikulation als einjähriger Kurs bezeichnet, obwohl es knapp 5 Wochen länger als ein Jahr andauere.
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Die Beklagte beantragte,
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Auch wenn die Kurslänge von der ausländischen Universität als einjährig bezeichnet werde, werde die Dauer gleichzeitig mit 13 Monaten bescheinigt. Mit dem Erlass des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vom 21. Juli 2022 seien „Einführende Hinweise zu den vollzugsrelevanten Vorschriften des 27. Gesetzes zur Änderung des Bundesausbildungsgesetzes“ versandt worden. Nach den dort genannten Hinweisen und Beispielen sei für die Beklagte deutlich, dass die Dauer des Studiums der Klägerin vom 26. September 2022 bis zum 31. Oktober 2023, für die ein 14-monatiger Bewilligungszeitraum gebildet werden müsse, nicht förderfähig sei. Die Beklagte verkenne nicht, dass lediglich die fünf Tage im September 2022 die Entscheidung über die Ablehnung der Förderfähigkeit ausmachten. Die Grenze der Förderfähigkeit sei jedoch bindend.
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Mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2024 replizierte die Klägerbevollmächtigte, nach dem Willen des Gesetzgebers komme es für die Förderung eines „einjährigen“ Masterstudiengangs nicht auf die Einhaltung exakt eines Jahres an. Die gesetzgeberische Intention habe auf Ausbildungen abgezielt, die im außereuropäischen Ausland im Rahmen eines Jahresprogramms zum Abschluss gebracht werden könnten, indem sogar eine Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus nach § 15 Abs. 3 BAföG und Studienabschlusshilfe nach § 15 Abs. 3a BAföG beantragt werden können solle. Hätte der Gesetzgeber eine absolut starre Begrenzung von 12 Monaten gewollt, wäre die Neuregelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BAföG angesichts der bereits zuvor bestehenden zeitlichen Begrenzungen für außereuropäische Ausbildungen gem. § 16 Abs. 1 BAföG nicht erforderlich gewesen. Der Gesetzgeber habe aber gerade die Möglichkeiten, in einem Jahresprogramm den Masterabschluss zu erwerben, auch deutschen BAföG-Empfängern ermöglichen wollen. Dem Gesetzgeber sei bekannt gewesen, dass die außereuropäischen einjährigen Masterprogramme nicht unbedingt mit der einjährigen Förderungshöchstdauer des § 16 Abs. 1 BAföG kompatibel seien. Masterprogramme im Ausland könnten keine Rücksicht auf deutsche verwaltungsrechtliche Regeln nehmen. Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BAföG sei eine Ausweitung bereits nach dem Wortlaut möglich, weshalb der Masterstudiengang der Universität von Br. darunter zu subsumieren sei. Im vorliegenden Fall habe der fachliche Unterricht nach allgemeinen einführenden Veranstaltungen tatsächlich im Oktober 2022 begonnen und am 24. Oktober 2023 geendet. Nach Ende des Unterrichts sei von den Studierenden lediglich erwartet worden, für die Lehrenden für eventuelle Rücksprachen erreichbar zu sein. Die Bestätigung des Prüfungsausschusses spreche von einem einjährigen Unterrichtsprogramm, auch wenn die Zeugnisvergabe erst Anfang Dezember stattgefunden habe. Das von der Klägerin besuchte Masterprogramm werde erst seit dem Studienjahr 2020/2021 angeboten.
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Die Klägerbevollmächtigte legte ein englischsprachiges Schreiben vom 7. Oktober 2024 einer Person mit der Funktionsbezeichnung „Subject Lead Law, School of Business and Law“ vor, wonach das Masterprogramm ein Jahr, vom 26. September 2022 bis 24. Oktober 2023 stattgefunden habe. Der Kurs überschreite typischerweise 12 Monate etwas („typically extends slightly beyond 12 months“), weil die Studierenden ihre Dissertationen im Zeitraum September/Oktober einreichten. Während dieser Zeit werde von den Studierenden erwartet, mit ihren Betreuern in Kontakt zu bleiben für Feedback und etwaige Überarbeitungen ihrer Dissertationen.
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Zudem wurde eine E-Mail des „Vice-Chancellor’s Office“ der Universität … … vorgelegt, wonach das Masterprogramm in dem dem streitgegenständlichen Jahr vorangegangenen Jahr vom 28. September 2020 bis zum 31. Oktober 2021 angeboten wurde.
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Mit Schriftsatz vom 16. Januar 2024 verzichtete die Klägerbevollmächtigte auf mündliche Verhandlung. Am 20. Januar 2024 stimmte die Beklagte der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zu.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen (vgl. § 117 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Entscheidungsgründe
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Die Klage konnte nach Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage hat in der Sache weder im Haupt- noch im Hilfsantrag Erfolg. Der ablehnende Bescheid vom 15. November 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die von ihr beantragten Leistungen nach dem BAföG (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 5 VwGO).
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I. 1. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 4 BAföG wird Auszubildenden, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland haben, Ausbildungsförderung geleistet für den Besuch einer im Ausland gelegenen Ausbildungsstätte, wenn die Ausbildung nach einer der Regelstudienzeit nach § 10 Absatz 2 des Hochschulrahmengesetzes (HRG) vergleichbaren Festsetzung regelmäßig innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden kann. Die Norm ist im Juli 2022 in Kraft getreten und findet daher auf den Fall der Klägerin Anwendung.
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2. Diese Voraussetzungen erfüllt das Studium der Klägerin nicht, da es nicht regelmäßig innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden kann. Dass die Universität … … ein § 10 HRG vergleichbares Verfahren zur Bestimmung der Studiendauer durchgeführt hätte, ist nicht ersichtlich, so dass es auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt. Das Studium dauerte sowohl im maßgeblichen Jahr als auch im Jahr zuvor länger als ein Jahr. Welche Inhalte in diesen Zeiten Teil der Ausbildung waren (Schreiben der Masterarbeit, einführende Veranstaltungen), ist unerheblich. Nach der von der Klägerin vorgelegten Auskunft der Universität … … übersteigt das Masterprogramm regulär ein Jahr.
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Das Gericht legt § 5 Abs. 2 Nr. 4 BAföG so aus, dass ein solcher Studiengang, der regelmäßig ein Jahr überschreitet, nicht darunterfällt, sondern die Zeitgrenze von einem Jahr eng zu verstehen ist. Dafür spricht zunächst der Wortlaut, der nicht etwa auf einen „einjährigen“ Studiengang abstellt. Eine andere Auslegung ist nicht etwa geboten, weil der Gesetzgeber den Zusatz „regelmäßig“ gewählt hat. Vielmehr lässt sich dieser so verstehen, dass – wie auch im Fall von § 10 HRG – nicht die individuelle Studiendauer, die z.B. aufgrund von Erkrankung, Beurlaubung oder der Wiederholung einer Prüfungsleistung länger sein kann, sondern die grundsätzliche Studiendauer entscheidend ist. Auch der Gesetzesbegründung lässt sich nicht entnehmen, dass insbesondere Masterprogramme in Drittstaaten auch dann umfasst sein sollten, wenn sie länger als ein Jahr dauern. Vielmehr zielte der Gesetzgeber darauf, eine bis dahin nicht bestehende Möglichkeit zu schaffen, auch abgeschlossene Studiengänge in Drittstaaten zu erlauben (vgl. Bt-Drs. 20/1631, S. 2 f., 24). Zwar war es Wille des Gesetzgebers, komplette Masterstudiengänge im Ausland, insbesondere im englischsprachigen Raum zu ermöglichen (vgl. BT-Drs. 20/1631, 24). Eine zeitliche Ausweitung, auch Studiengänge, die ein Jahr überschritten, zu fördern, lässt sich der Gesetzesbegründung indes nicht entnehmen. Bei § 16 BAföG begründet der Gesetzgeber die zeitliche Beschränkung damit, dass dieser Zeitraum ausreichend sei, um „einen Einblick in die Fachwissenschaft und den Wissenschaftsbetrieb sowie die Lebensgewohnheiten und Kultur des Gastlandes zu gewinnen, Sprachkenntnisse zu verbessern und persönliche Beziehungen zu knüpfen“ (vgl. BT-Drs. VI/1975, S. 28). Dies gilt ebenso im Fall abgeschlossener Studiengänge. Die Begrenzung auf ein Jahr erfolgte dabei aus finanziellen Gründen. Dass die Situation für die Studierenden angesichts der unterschiedlichen Praxis in verschiedenen Ländern dazu führen kann, dass manche Studiengänge nicht gefördert werden, ist für diese Studierenden verständlicherweise misslich, wurde jedoch vom Gesetzgeber in Kauf genommen.
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Auch eine systematische Auslegung unter Einbeziehung von § 16 BAföG führt zu keinem anderen Ergebnis. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber mit Hinblick auf den unterschiedlichen Wortlaut dort gerade eine andere Lösung gewählt („längstens für ein Jahr“). Ebenso wenig verfängt das Argument, eine Begrenzung auf ein Jahr sei vor dem Hintergrund von § 16 BAföG nicht erforderlich. Denn die dortige Regelung betrifft gerade nicht Ausbildungen nach § 5 Abs. 2 Nr. 4 BAföG.
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Auch der Hilfsantrag ist unbegründet. Der Gesetzgeber hat sich in § 5 Abs. 2 Nr. 4 BAföG gerade für eine Lösung entschieden, bei der die Leistung vom vollständigen Erfüllen der Tatbestandsvoraussetzungen abhängt („wenn“), nicht eine teilweise Leistung vorgesehen („soweit“). Anders als in § 16 BAföG wird die Förderung nicht längstens für ein Jahr geleistet, sondern überhaupt nur, wenn das Studium regelmäßig innerhalb eines Jahres abgeschlossen werden kann.
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Die Klage war daher abzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 188 Abs. 2 VwGO gerichtskostenfrei.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).