Titel:
Normenkontrolle gegen Bebauungsplan
Normenketten:
VwGO § 47
BauGB § 1 Abs. 7, § 3, § 9
Leitsätze:
Einer planungsrechtlichen Festsetzung, die Fenster bestimmter Schlafräume für einen ungestörten Schlaf geschlossen zu halten, fehlt ein bodenrechtlicher Bezug. Mit ihr wird allein eine Verhaltenspflicht des jeweiligen Nutzers bestimmt, deren Einhaltung schon nicht angemessen zu überwachen sein dürfte und die überdies weder baulicher noch technischer Natur ist. (Rn. 15)
Aus der Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen folgt dann keine Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans, wenn die übrigen, mit keinen durchgreifenden Mängeln behafteten Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung iSd § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB bewirken können und die Gemeinde nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Teilweise erfolgreicher Normenkontrollantrag, wirksamer Bebauungsplan, Überplanung eines Altstadt- und Innenbereichs, denkmalgeschützte Gebäude, Erhalt des aufgelockerten Stadtbildes, maßvolle Nachverdichtung, Bebauungsplan, Normenkontrolle, Immissionsschutz, Teilnichtigkeit, Abwägungsgebot
Fundstelle:
BeckRS 2025, 12383
Tenor
I. Die textliche Festsetzung § 9 Abs. 2 Satz 2 des Bebauungsplans Nr. 71 „Westlich der Stadtpfarrkirche“, zuletzt bekannt gemacht am 21. März 2025, ist unwirksam. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Antragsteller wenden sich gegen den am 21. März 2025 zuletzt bekannt gemachten Bebauungsplan Nr. 71 „Westlich der Stadtpfarrkirche“ der Antragsgegnerin.
2
Der im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB aufgestellte Bebauungsplan setzt für das erstmalig überplante und an den historischen Altstadtkern der Antragsgegnerin angrenzende Gebiet, in dem sich auch die Stadtpfarrkirche und der Pfarrhof befinden, ein in verschiedene Bereiche unterteiltes Allgemeines Wohngebiet (WA 1 bis WA 7) fest. Außerdem enthält der Plan Festsetzungen insbesondere zu Art und Maß der baulichen Nutzung sowie Bauweise, überbaubarer Grundstücksfläche und zum Immissionsschutz. Anlass der Planung war eine Voranfrage für ein Bauvorhaben, das aus Sicht der Antragsgegnerin aufgrund seiner Größe und äußeren Gestalt nicht die Anforderungen an eine dem Ortsbild angepasste Nachverdichtung erfüllt. Ziel der Planung ist eine städtebauverträgliche sowie attraktivitätsbewahrende und -steigernde Nachverdichtung in Anlehnung an das städtebauliche Umfeld. Nach der Begründung des Bebauungsplans weist das Stadtquartier im Bestand eine vor allem durch Stadtvillen (Baudenkmäler) geprägte Struktur im Übergangsbereich zwischen der historischen Innenstadt und dem westlichen Stadtgebiet der Antragsgegnerin auf.
3
Die Antragsteller sind Eigentümer des im Plangebiet liegenden Grundstücks FlNr. …, das mit einem denkmalgeschützten, gegenwärtig leerstehenden Haus bebaut und von einer ebenfalls denkmalgeschützten Mauer umgeben ist. Sie haben am 13. April 2023 einen Antrag auf Normenkontrolle gestellt und gleichzeitig schriftliche Einwendungen gegenüber der Antragsgegnerin erhoben. Sie machen im Wesentlichen geltend, der Bebauungsplan leide an durchgreifenden Abwägungsmängeln, weil ihre Eigentumsbelange nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden seien. So habe die Antragsgegnerin im Hinblick auf die restriktiven Festsetzungen der Grundfläche, des Bauraums und der Gebäudehöhe offensichtlich nicht hinreichend ermittelt und berücksichtigt, dass den Eigentümern bestehendes Baurecht entzogen und deren Interessen unzumutbar eingeschränkt würden. Ebenso wenig habe sie daraus resultierende, potentielle Entschädigungsansprüche ermittelt und den aktuellen Bauantrag der Antragsteller vom 28. September 2020 berücksichtigt. Es fehlten eine artenschutzrechtliche Prüfung, eine Ermittlung der Auswirkung auf die Denkmäler im Planumgriff und eine schalltechnische Untersuchung. Sämtliche genannten Abwägungsfehler führten hier zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. Überdies sei auch der Bezugspunkt für die festgesetzte Höhe nicht ausreichend bestimmt und die Festsetzungen des Bebauungsplans „größtenteils willkürlich getroffen“. So sei weder ein städtebauliches Konzept erkennbar, welches die einzelnen Festsetzungen rechtfertige und die Aufstellung des Bebauungsplans erfordere, noch erschließe sich die unterschiedliche Behandlung der einzelnen Planbereiche im Hinblick auf die zulässige Anzahl von Wohneinheiten, die festgesetzte Grundflächenzahl (GRZ) und die vorgeschriebene Wand- bzw. Gesamthöhe.
4
Die Antragsteller haben sinngemäß beantragt,
5
den Bebauungsplan Nr. 71 „Westlich der Stadtpfarrkirche“ der Stadt A. , zuletzt bekannt gemacht am 21. März 2025, für unwirksam zu erklären.
6
Die Antragsgegnerin hält den gestellten Antrag auf Normenkontrolle für unbegründet und tritt den Ausführungen der Antragsteller entgegen. Da sich die Festsetzungen des Bebauungsplans erkennbar an der Bestandssituation orientierten und auch eine Nachverdichtung nicht ausschlössen, sondern lediglich regulierten, ergäben sich keine größeren Abweichungen vom ansonsten nach § 34 BauGB zu bemessenden Baurecht. Die Annahme, der gestellte, aber nicht genehmigte Bauantrag der Antragsteller (über den das aufgrund entsprechender Klage zuständige Verwaltungsgericht noch nicht entschieden hat), sei bei der gebotenen Abwägung nicht berücksichtigt worden, treffe schon deshalb nicht zu, weil das Bauvorhaben der Antragsteller unter Punkt 1. der Begründung zum Bebauungsplan aufgegriffen und sogar als „Anlass der Planung“ bezeichnet werde. Auch die übrigen geltend gemachten „Abwägungsfehler“ lägen nicht vor bzw. hätten keinen Einfluss auf das Verfahrensergebnis gehabt.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsakt und die vorgelegten Planaufstellungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
10
Der Normenkontrollantrag hat teilweise Erfolg.
11
Der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist zulässig. Er ist am 13. April 2023 innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegen den zunächst am 13. April 2022 bekannt gemachten Bebauungsplan bei Gericht eingereicht worden. Die Antragsteller sind antragsbefugt, weil sie Eigentümer eines im Plangebiet liegenden Grundstücks sind und sich gegen bauplanerische Festsetzungen wenden, die ihr Grundstück unmittelbar betreffen (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 4 BN 17.17 – juris Rn. 5 m.w.N.). Ihnen steht auch ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite, weil nicht ausgeschlossen ist, dass das Ergebnis der gerichtlichen Normprüfung ihre Rechtsstellung verbessern kann (vgl. zu diesem Erfordernis z.B.: BayVGH, U.v. 11.2.2025 – 15 N 23.388 – juris Rn. 23). Daran ändert – entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin – auch der Umstand nichts, dass die Antragsteller ihre Einwendungen gegen den streitgegenständlichen Bebauungsplan nicht bereits frühzeitig im Rahmen des Normaufstellungsverfahrens, sondern gleichzeitig mit ihrem Normenkontrollantrag am 13. April 2023 gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemacht haben. Ein – wie Letztere meint – „treuwidriges Verhalten“ liegt darin nicht.
12
Der Antrag ist nur zu einem geringen Teil begründet. Der Bebauungsplan leidet, soweit er aus Gründen des Immissionsschutzes für bestimmte Räume mit Schlafnutzung festsetzt, „die Fenster dieser Räume sind für einen ungestörten Schlaf geschlossen zu halten“, an einem Mangel, der indes nicht zu seiner Gesamtunwirksamkeit führt. Insoweit ist der Bebauungsplan gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO für unwirksam zu erklären. Im Übrigen hat der Antrag keinen Erfolg. Die vorgenommene städtebauliche Planung ist insbesondere erforderlich im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB und weist keine beachtlichen Abwägungsfehler auf.
13
1. Für die textliche Festsetzung § 9 Abs. 2 Satz 2, dass die Fenster bestimmter Schlafräume für einen ungestörten Schlaf geschlossen zu halten seien, fehlt die Rechtsgrundlage. Sie kann nicht auf § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB – die hier allein in Betracht kommende, einschlägige Norm – gestützt werden. Nach dieser Vorschrift können im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen die von der Bebauung freizuhaltenden Schutzflächen und ihre Nutzung, die Flächen für besondere Anlagen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen und sonstigen Gefahren im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes sowie die zum Schutz vor solchen Einwirkungen oder zur Vermeidung oder Minderung solcher Einwirkungen zu treffenden baulichen und sonstigen technischen Vorkehrungen, einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben, festgesetzt werden.
14
Um „bauliche und sonstige technische Vorkehrungen“ im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB handelt es sich nur dann, wenn diese die nach dem Bebauungsplan zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB selbst betreffen. Nur in diesem Fall bezieht sich die entsprechende Festsetzung auf eine städtebaulich relevante Bodennutzung. Betriebliche Regelungen, die sich allein auf Betriebsabläufe erstrecken oder – wie hier – eine persönliche Verhaltenspflicht regeln, sind nicht in diesem Sinne städtebaulich relevant; sie können in einen Bebauungsplan allenfalls als Hinweis aufgenommen werden (vgl. OVG NW, U.v. 31.3.2022 – 7 D 10/20.NE – juris Rn. 31 m.w.N.). Dies gilt auch mit Blick auf den durch das BauGB-Änderungsgesetz 2017 in § 9 Abs. 1 Nr. 24 3. Fallgruppe BauGB aufgenommenen Zusatz „einschließlich von Maßnahmen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geräusche, wobei die Vorgaben des Immissionsschutzrechts unberührt bleiben“. Auch damit sind keine verhaltensbezogenen Regelungen, sondern nur bauliche Maßnahmen, z. B. aktive oder passive Lärmschutzmaßnahmen, gemeint (vgl. auch OVG NW a.a.O.).
15
Hiervon ausgehend fehlt der streitgegenständlichen Festsetzung, die Fenster bestimmter Schlafräume für einen ungestörten Schlaf geschlossen zu halten, ein bodenrechtlicher Bezug. Mit ihr wird allein eine Verhaltenspflicht des jeweiligen Nutzers bestimmt, deren Einhaltung schon nicht angemessen zu überwachen sein dürfte und die überdies weder baulicher noch technischer Natur ist.
16
Die Unwirksamkeit der textlichen Festsetzung § 9 Abs. 2 Satz 2 des Bebauungsplans führt hier aber nicht zur Gesamtunwirksamkeit dieses Plans. Aus der Unwirksamkeit einzelner Festsetzungen folgt dann keine Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans, wenn die übrigen, mit keinen durchgreifenden Mängeln behafteten Festsetzungen für sich betrachtet noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und die Stadt nach ihrem im Planungsverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen im Zweifel auch einen Plan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. BVerwG, B.v. 24.4.2013 – 4 BN 22.13 – juris Rn. 3; OVG NW, U.v. 31.3.2022 – 7 D 10/20.NE – juris Rn. 37).
17
So liegen die Dinge hier. Mit der in Rede stehenden textlichen Festsetzung wurde zwar den im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange an der Bauleitplanung (§ 4 Abs. 1 und 2 und § 3 Abs. 2 BauGB) erhobenen Einwänden und Vorschlägen des zuständigen Umweltingenieurs beim Landratsamt im Hinblick auf den für nötig erachteten Schutz vor den zu erwartenden Straßenverkehrslärmimmissionen wörtlich Rechnung getragen. Allerdings verbleibt auch ohne diese Festsetzung ein städtebaulich sinnvolles Konzept, das durch passive Schallschutzmaßnahmen insbesondere den notwendigen Lärmschutz gewährleistet: So sind bei Ausführung der Baumaßnahmen die Schallschutzmaßnahmen (Anforderungen der DIN 4109:2016-07 an die Luftschalldämmung der Außenbauteile wie Fenster, Rollladenkästen, Außentüren, Wände, Dächer, Lüftungseinrichtungen etc.) entsprechend dem baulichen Schallschutznachweis umzusetzen (vgl. textliche Festsetzung § 9 Abs. 1) und neue schutzbedürftige Räume mit Schlafnutzung, die keine Lüftungsöffnung zu einer lärmabgewandten Fassade aufweisen, mit einer fensterunabhängigen Lüftungseinrichtung zu be- und entlüften (textliche Festsetzung § 9 Abs. 2 Satz 1).
18
2. Im Übrigen hat der Antrag keinen Erfolg. Formelle Mängel der Satzung sind wieder geltend gemacht noch ersichtlich. Im Übrigen ist der zulässigerweise gemäß § 13a BauGB erlassene Bebauungsplan erforderlich i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB und weist keine beachtlichen Fehler oder Abwägungsmängel auf.
19
a) Der angefochtene und in mehrere Teilgebiete – WA 1 bis WA 7 – gegliederte Bebauungsplan (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Aufteilung: § 1 Abs. 2 Nr.3, Abs. 4, 5 BauNVO sowie BVerwG, B.v. 22.12.1989 – 4 NB 32/89 – juris Rn. 3 ff.) betrifft die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung des beplanten Gebiets, vgl. § 13a BauGB und durfte deshalb im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden. Der gesamte Planungsbereich ist Bestandteil des innerstädtischen Siedlungszusammenhangs, was angesichts der bereits vorhandenen Bebauung beidseits der B. straße sowie der Versiegelung durch einen angrenzenden Park- und Tennisplatz auch für das Teilgebiet WA 1 gilt.
20
b) Der Bebauungsplan entspricht dem Gebot der städtebaulichen Erforderlichkeit (§ 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
21
Nach § 1 Abs. 3 Satz 1, § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Eine städtebauliche Rechtfertigung im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist nicht nur für den Bebauungsplan im Ganzen, sondern auch für jede Einzelfestsetzung zu verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.2009 – 4 C 21.07 – juris Rn. 17). Dabei ist ihnen ein Planungsermessen eingeräumt, das neben dem „Wie“ auch das „Ob“ und „Wann“ der planerischen Gestaltung umfasst. Grundsätzlich bleibt es der Einschätzung der Gemeinde überlassen, ob sie einen Bebauungsplan aufstellt, ändert oder aufhebt. (vgl. BayVGH, U.v. 17.12.2024 – 15 N 23.1106 – juris Rn. 18; U.v. 11.3.2024 – 15 N 23.83 – juris Rn. 21). Was im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich maßgeblich nach der jeweiligen planerischen Konzeption. Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die „Städtebaupolitik“ zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (BVerwG, U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 – juris Rn. 10 f. m.w.N.; BayVGH, U.v. 24.6.2020 – 15 N 19.442 – juris Rn. 23 m.w.N.). Für die Erforderlichkeit der Planung i.S. von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist entscheidend, ob die Planung zu einer städtebaulichen Entwicklung und Ordnung beiträgt. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Für die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung ist demgegenüber das Abwägungsgebot maßgeblich, das gemäß § 1 Abs. 7 BauGB darauf gerichtet ist, die von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen und unverhältnismäßige oder gleichheitswidrige Belastungen zu vermeiden (BVerwG, U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 – juris Rn. 12 m.w.N.). Einem Bebauungsplan oder einzelnen seiner Festsetzungen fehlt die Erforderlichkeit, wenn die verfolgten Ziele verfehlt werden, insbesondere, wenn das planerische Ziel, Entwicklungen, die bereits im Gange sind, in geordnete Bahnen zu lenken oder einer sich für die Zukunft abzeichnenden Bedarfslage gerecht zu werden, nicht erreicht werden kann, wenn also etwa der Verwirklichung des Bebauungsplans auf unabsehbare Zeit rechtliche oder tatsächliche Hindernisse im Wege stehen (vgl. BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – juris Rn. 4 f.; U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 – juris Rn. 13; BayVGH, U.v. 11.2.2025 – 1523.400 – juris Rn. 27 f.; U.v. 13.12.2021 – 15 N 20.1649 – juris Rn. 26).
22
Gemessen daran liegt ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB hier nicht vor. Die Antragsgegnerin verfolgt ein legitimes städtebauliches Anliegen von Gewicht, das gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 4 und 5 BauGB bei der Aufstellung von Bebauungsplänen zu berücksichtigen ist: Ziel der Planung ist ausweislich der Begründung – dort C) 1. – eine städtebauverträgliche sowie attraktivitätsbewahrende und -steigernde Nachverdichtung in Anlehnung an das städtebauliche Umfeld. Im Bestand weist das Stadtquartier eine vor allem durch Stadtvillen (Baudenkmäler) geprägte Struktur im Übergangsbereich zwischen der historischen Innenstadt und dem westlichen Stadtgebiet der Antragsgegnerin auf. Verbunden mit einer Bestandssicherung (ortsbildprägende städtebauliche Strukturen und Vegetationsstrukturen) ermöglicht der streitgegenständliche Bebauungsplan eine städtebauverträgliche Nachverdichtung. Diese planungsrechtlichen Vorstellungen der Antragsgegnerin – Bewahrung eines durch den unmittelbar angrenzenden Altstadtbereich, die Kirche und den Pfarrhof sowie teils denkmalgeschützte Stadtvillen mit entsprechenden Gärten geprägten, aufgelockerten Innenstadtbilds bei gleichzeitig möglicher, aber verträglicher und maßvoller zusätzlicher Bebauung – sind aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Tatsächliche Hindernisse oder Verbote, namentlich nach § 44 BNatSchG, die der Umsetzung der Planung entgegenstehen könnten, sind weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere haben sich auch im Rahmen der Beteiligung der Behörden oder sonstiger Träger öffentlicher Belange gemäß § 4 Abs. 2 BauGB keine diesbezüglichen Anhaltspunkte ergeben.
23
c) Wirksam ist auch die vorgenommene Höhenfestsetzung (textliche Festsetzung § 2 (2) 2.a)), wonach unterer Bezugspunkt für die Wand- und Gesamthöhe baulicher Anlagen die Oberkante Rohfußboden (OK RFB) des Erdgeschosses (EG), gemessen in der Gebäudemitte, ist. Die OK RFB EG darf maximal +0,3 m über der OK Fahrbahndecke der jeweils zugeordneten vorhandenen Erschließungsstraße liegen. Für die überbaubare Grundstücksfläche im WA 2 auf FlNr. …, ist die P. straße die zugeordnete vorhandene Erschließungsstraße, § 2 (2) 2. b).
24
Die Regelung begegnet keinen Zweifeln hinsichtlich ihrer Bestimmtheit. Insofern verlangt der aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Bestimmtheitsgrundsatz, Rechtsnormen – auch Festsetzungen eines Bebauungsplans – so präzise zu formulieren, dass Adressaten ihren Regelungsgehalt aus ihnen ableiten und ihr Verhalten entsprechend ausrichten können; eine willkürfreie Handhabung durch Behörden und Gerichte muss möglich sein. Das erfordert allerdings nicht in jedem Fall, dass etwa die Berechnungsparameter einer Höhenbegrenzung bereits im Wortlaut der Norm vollständig ausformuliert sind. Ausreichend ist, wenn sich mit den üblichen Auslegungsmitteln der Bedeutungsgehalt der Festsetzung erschließen lässt. (vgl. NdsOVG, U.v. 2.6.2022 – 1 L B 109/20 – juris Rn. 38).
25
Gemessen daran ist die getroffene Festsetzung ausreichend bestimmt. Die Bezugnahme auf die Oberkante des Rohfußbodens eines Gebäudes ist gebräuchlich und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Höhe des fertigen Fußbodens u.a. je nach Ausstattung variiert und erst nach Erteilung der Baugenehmigung festzustellen ist (vgl. NdsOVG, U.v. 24.2.2021 – 1 KN 3/19 – juris Rn. 35 f.). Mit dem Verweis auf die jeweils zugeordneten vorhandenen Erschließungsstraßen bzw. die P. straße als vorhandene Erschließungsstraße werden vorhandene Verkehrsflächen als Bezugspunkte gewählt, was regelmäßig ausreichend ist (vgl. OVG NW, U.v. 28.8.2014 – 7 D 8/13.NE; Grigoleit, BauNVO, 8. Aufl., 2. Bezugspunkte für die Festsetzung der Höhe der baulichen Anlagen, Abs. 1 Rn. 17). Mit der Bestimmung der Gebäudemitte wird auf einen bestimmten Punkt der Erschließungsstraße und nicht auf einen solchen innerhalb des Gebäudes Bezug genommen. Dass die Höhe der Oberkante des Rohfußbodens maximal +0,3 m über der Oberkante der Fahrbahndecke liegen darf, mithin für ein Vorhaben einen Spielraum bis zu dieser Höhe einräumt, begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Dass ein Spielraum besteht, macht eine Vorschrift nicht unbestimmt (so auch: NdsOVG, U. V. 24.2.2021 – 1 KN 3/19 – juris Rn. 35 f.)
26
d) Der Bebauungsplan erweist sich auch nicht als abwägungsfehlerhaft (§ 1 Abs. 7 BauGB).
27
Das Abwägungsgebot verpflichtet die Antragsgegnerin, die für die Planung bedeutsamen öffentlichen und privaten Belange (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie sie gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB). Gegen das rechtsstaatlich fundierte Gebot gerechter Abwägung wird verstoßen, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet (Abwägungsausfall), in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss (Abwägungsdefizit), wenn die Bedeutung dieser Belange verkannt wird (Abwägungsfehleinschätzung) oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (Abwägungsdisproportionalität; vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1969 – IV C 105.66 – BVerwGE 34, 301,309). Das Abwägungsgebot erlaubt bei einer Planungsentscheidung einen besonders flexiblen und dem Einzelfall gerecht werdenden Interessenausgleich unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Maßgebend ist, ob nach zutreffender und vollständiger Ermittlung des erheblichen Sachverhalts alle sachlich beteiligten Belange und Interessen der Entscheidung zugrunde gelegt sowie umfassend in nachvollziehbarer Weise abgewogen worden sind (vgl. auch BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727). Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde bei der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendigerweise für die Zurückstellung des anderen Belangs entschieden hat. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese beschränkt sich im Rahmen des Abwägungsgebots auf die Frage, ob die Gemeinde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten hat. Maßgebend für die Abwägung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB; vgl. auch: BayVGH, U.v. 17.12.2024 – 2 N 22.2394 – juris Rn. 36). Die für eine Bauleitplanung angeführten Belange müssen umso gewichtiger sein, je stärker die Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken oder Grundstücke von einer Bebauung ganz ausschließen. Denn das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentum gehört in hervorgehobener Weise zu den von der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen. Das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 GG umfasst neben der Substanz des Eigentums auch die Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks muss daher von der Gemeinde als ein wichtiger Belang privater Eigentümerinteressen in der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung der öffentlichen und der privaten Belange beachtet werden (vgl. BVerwG, B.v. 13.3.2017 – 4 BN 25.16 – juris Rn. 5 m.w.N.). Schränkt die Bauleitplanung der Gemeinde bestehende Baurechte ein, muss sie diese Tatsache und den möglichen Umfang hierfür zu leistender Entschädigungen in die Abwägung einstellen (OVG RhPf, U.v. 28.2.2020 – 8 C 10585/19 – juris Rn. 25 m.w.N.).
28
Nach diesen Maßstäben liegen hier weder ein beachtliches Ermittlungs- oder Bewertungsdefizit, noch Abwägungsmängel vor. Ausgehend von den Festsetzungen des einschlägigen Flächennutzungsplans und unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Plangebiet im Übergangsbereich von Stadtvillenzu historischer Innenstadtbebauung eine stetig abnehmende Grundstücksgröße bei zunehmender Grundflächenzahl und Mischnutzung aufweist, hat die Antragsgegnerin diesen Gegebenheiten Rechnung getragen und ein Allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO) festgesetzt. Entgegen der Auffassung der Antragsteller hat sie aber auch deren schutzwürdige Eigentümerinteressen entsprechend ihrem tatsächlichen Gewicht zutreffend in die Abwägung eingestellt und berücksichtigt.
29
(1) Die Antragsgegnerin verfolgt mit ihrer Planung das legitime Ziel, die in dem bereits bebauten und vor allem durch Stadtvillen (Baudenkmäler) geprägten, historischen Innenstadtquartier, in dem sich auch die Stadtpfarrkirche und der Pfarrhof befinden, eine städtebauverträgliche sowie attraktivitätsbewahrende und -steigernde Nachverdichtung in Anlehnung an das städtebauliche Umfeld zu erreichen. Bauplanerische Mittel hierfür sind neben Festsetzungen zu Art und Maß der baulichen Nutzung sowie zu Bauweise und überbaubarer Grundstücksfläche auch Festsetzungen zur baulichen Gestaltung und Zulässigkeit von Garagen, Stellplätzen und Nebenanlagen. Ersichtlicher Leitgedanke der Bauplanung ist, das bestehende, historische Stadtbild zu bewahren und eine verträgliche Nachverdichtung durch entsprechende Bebauung zu ermöglichen. Für eine städtebauverträgliche Nachverdichtung wird eine Einbindung in die vorhandene Struktur (Anpassung an Baukubatur/Gebietscharakter und Erhalt von Vegetationsstrukturen) als zielführend angesehen. Da sich vor allem (vorhandene) große Gehölze positiv auf die Attraktivität des gesamten Ensembles auswirkten, solle von einer Beeinträchtigung dieser dringend abgesehen werden. Speziell mit Blick auf das Grundstück der Antragsteller heißt es in der Begründung des Bebauungsplans, die Freifläche in direkter Angrenzung an den D. platz (Anm.: u.a. der Garten des bereits bestehenden und gegenwärtig ungenutzten Gebäudes) stelle sich als städtebauliche und untergenutzte Lücke dar. Da sich ein Großteil der Grünfläche in privater Hand (FlNr. …*) befinde und von einer denkmalgeschützten Gartenmauer umgeben ist, sei eine Nutzung als Grünfläche nicht sinnvoll darstellbar. Weiterhin stelle die Gartenummauerung in Verbindung mit den hinter der Mauer befindlichen Vegetationsstrukturen eine deutliche Einschränkung der Sichtbezüge dar. Aufgrund der nicht möglichen Nutzung als öffentliche Freifläche (…) stelle die FlNr. … somit eine untergenutzte Fläche mit Nachverdichtungspotenzial dar. Eine Nachverdichtung in Art des Bestandes sei vor allem auch auf den Grundstücken am D. platz (FlNr. …*) für eine straßen- und stadtbildverträgliche Entwicklung zielführend. Allerdings seien Vorhaben, die nicht dem festgestellten Bestandscharakter entsprächen und sich folglich hinsichtlich Kubatur, Volumen und straßenbildprägenden Raumkanten nicht in den Bestand einfügten, aus städtebaulicher Sicht nicht mit dem Stadtquartier vereinbar (Nr. 5 der Begründung).
30
Die Antragsgegnerin hat mit diesen Erwägungen sowohl das Interesse an der Erhaltung des bestehenden Ortsteils und -bilds wie auch das private Interesse der Grundstückseigentümer an einer möglichst uneingeschränkten baulichen Nutzung ihrer Grundstücke berücksichtigt. Im Ergebnis ist sie den Nutzungsinteressen der Grundstückseigentümer entgegengekommen, indem sie eine angepasste und angemessene Erweiterung des vorhandenen Baubestandes ermöglicht hat. Die getroffenen Festsetzungen genügen den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Abwägung der wechselseitig betroffenen Belange und insbesondere an eine verhältnismäßige und den Gleichheitssatz wahrende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Dies gilt in besonderem Maß für das Grundstück der Antragsteller, die nun damit rechnen können, ihren bislang unbebauten und von einer denkmalgeschützten Mauer umgebenen Garten ebenfalls bebauen zu dürfen.
31
(2) Mit den Festsetzungen der zulässigen Grundfläche, des Bauraums und der Gebäudehöhe auf dem Grundstück FlNr. … wird den Antragstellern entgegen ihrem Vorbringen auch weder ein bereits bestehendes Baurecht genommen, noch bedarf es der von ihnen vermissten Ermittlung bzw. Berücksichtigung potentieller Entschädigungsansprüche. Denn mit den planerischen Festsetzungen wird lediglich konkretisiert, was gem. § 34 BauBG – und damit auch ohne den streitgegenständlichen Bebauungsplan – bereits zuvor gegolten hat: dass sich nämlich ein innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässiges Vorhaben nach Art und Maß seiner baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbauten Grundstücksfläche in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen muss. Nichts Anderes ergibt sich unter Berücksichtigung des bereits am 28. September 2020 für das Grundstück FlNr. … eingereichten Bauantrags, den die Antragsgegnerin nach Darstellung der Antragsteller „offensichtlich nicht berücksichtigt“ habe. Das trifft allerdings nicht zu; richtig ist vielmehr, dass eine Bauvoranfrage für ein Vorhaben auf dem Grundstück FlNr. … (Mehrfamilienhaus mit Garage und Flachdach) ausweislich Nr. 1 der Begründung des Bebauungsplans gerade den Anlass zu der streitgegenständlichen Bauleitplanung gegeben hat, weil dieses angesichts seiner Ausmaße und Gestaltung „nicht die Anforderungen an eine dem Ortsbild angepasste Nachverdichtung erfüllt“ habe.
32
(3) Der streitgegenständliche Bebauungsplan ist auch nicht deshalb abwägungsfehlerhaft, weil artenschutzrechtliche Belange nicht ausreichend ermittelt worden sind. Diesbezüglich hat die Antragsgegnerin unter Nr. 9 der Begründung zum Bebauungsplan ausgeführt, entsprechend den Vorgaben des beschleunigten Verfahrens werde zwar von einer formalen Umweltprüfung gemäß § 2 Abs. 4 BauGB sowie einem Umweltbericht nach § 2a BauGB abgesehen, die Umweltbelange bei der Planung jedoch gleichwohl berücksichtigt. Das Plangebiet setze sich zu einem großen Teil aus bereits bebauten/genutzten Grundstücken zusammen, in dem sich Gehölze befänden. § 39 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG sei grundsätzlich zu beachten, wonach es verboten ist, diese in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September abzuschneiden, auf den Stock zu setzen oder zu beseitigen. Kartierte Biotope oder Schutzgebiete des Naturschutzes seien von der Planung nicht betroffen. Aufgrund der Gegebenheiten vor Ort sei auch nicht davon auszugehen, dass Verbotstatbestände gemäß § 44 BNatSchG durch das Bauvorhaben ausgelöst würden. Belange des Artenschutzes seien grundsätzlich zu beachten. Aufgrund der vorhandenen Bebauung und der getroffenen Festsetzungen sei insgesamt, würden die Maßnahmen hinsichtlich der Grünordnung zum Erhalt von Gehölzen berücksichtigt, von keinen erheblichen Auswirkungen auf das Schutzgut Tiere, Pflanzen und biologische Vielfalt auszugehen (Nr. 9.1). Angesichts des bereits zuvor – oben unter 2.a), b) – ausgeführten Umstands, dass der Planbereich bereits zum Großteil überbaut ist, es sich durchwegs – auch im Teilgebiet WA 1 – um einen innerstädtischen und keinen Außenbereich handelt und Anhaltspunkte für naturschutzrechtliche Verbote im Sinne des § 44 BNatSchGG weder von fachlicher oder privater Seite vorgetragen noch ersichtlich sind, sind diese Ermittlung und Abwägung hier ausreichend.
33
(4) Es liegt auch kein Ermittlungsdefizit im Hinblick auf die „Auswirkung auf die Denkmäler im Planumgriff“ vor. Abgesehen davon, dass Anlass, Ziel und Zweck der Planung ausweislich Nr. 1. der Begründung die Bewahrung der vor allem durch Stadtvillen und Baudenkmäler geprägten Struktur des beplanten Stadtquartiers ist, enthält Nr. 4. der textlichen Hinweise eine vollständige Auflistung der vorhandenen Baudenkmäler und Gebote für den Umgang mit diesen. Nach Nr. 9.8 der Begründung wurden alle Festsetzungen in Bezug auf die vorhandenen Baudenkmäler so getroffen, dass die vollständige Kubatur der Baukörper (Höhe, Fläche, Geschosse, Bauweise etc.) eingefangen und festgesetzt wird. Unter Berücksichtigung der genannten Regelungen des BayDSchG ist mit Auswirkungen geringer Erheblichkeit auf das Schutzgut Kultur und Sachgüter zu rechnen. Diese Ermittlungen sind ebenfalls ausreichend.
34
(5) Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller fehlt es auch nicht an der Ermittlung und Berücksichtigung eines potentiellen immissionsschutzrechtlichen Konflikts. Der Antragsgegnerin war nicht zuletzt aufgrund der Stellungnahmen des Sachgebiets Immissionsschutz beim zuständigen Landratsamt bewusst, dass im Planbereich aus immissionsschutzfachlicher Sicht erhebliche Lärmimissionen insbesondere durch den Straßenverkehr auf der B. straße und in Teilbereichen (insbesondere WA 1) auf der F. -Straße einwirken. Es sei davon auszugehen, dass im Bereich des WA 1 im Bereich der neu hinzukommenden Bebauung die Beurteilungspegel der Straßenverkehrsgeräusche tagsüber und nachts weit über den Werten von 60 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts liegen. Im Bereich der P. straße wechsele die Fahrbahnoberfläche der B. straße von einer ebenen Oberfläche in Kopfsteinpflaster. Deshalb seien im Bereich der Wohngebiete WA 1, WA 2, WA 5 und WA 6 durch den wechselnden Fahrbahnbelag akustisch deutlich wahrnehmbare „Pegelsprünge“ der Straßenverkehrslärmimmissionen zu erwarten, die von den Anwohnern als deutlich belästigend empfunden werden können. Für WA 1 und WA 2 wurde in 15 m Entfernung zum Fahrbahnmittelpunkt der B. straße ein (maximaler) Beurteilungspegel in der Größenordnung von 57 dB(A) nachts abgeschätzt. Dieser Pegel berücksichtigt den Einfluss des Kopfsteinpflasters auf den Beurteilungspegel der Straßenverkehrslärmimmissionen. Bei Beurteilungspegeln von 49 dB(A) und mehr sei bei gekippten Fenstern (Fenster in Spaltlüftungsstellung) ungestörter Schlaf häufig nicht möglich. Im Hinblick auf mögliche Freistellungen von der Baugenehmigungspflicht für Neu-, An- und Umbauten im Planbereich seien aus fachtechnischer Sicht zum Schutz der Bewohner vor Straßenverkehrslärmimmissionen Festsetzungen mit immissionsschutzfachlichem Bezug erforderlich (vgl. Beschlussvorlage vom 26.8.2021, VA Bl. 364).
35
Diesen Ermittlungen und Erwägungen hat die Antragsgegnerin mit der textlichen Festsetzung § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Rechnung getragen. Danach sind bei Ausführung der Baumaßnahmen die Schallschutzmaßnahmen (Anforderungen der DIN 4109:2016-07 an die Luftschalldämmung der Außenbauteile wie Fenster, Rollladenkästen, Außentüren, Wände, Dächer, Lüftungseinrichtungen etc.) entsprechend dem baulichen Schallschutznachweis umzusetzen. Neue schutzbedürftige Räume mit Schlafnutzung, die keine Lüftungsöffnung zu einer lärmabgewandten Fassade aufweisen, sind mit einer fensterunabhängigen Lüftungseinrichtung zu be- und entlüften. Mit dieser Festsetzung wird – wie oben bereits festgestellt – ein übliches und taugliches Lärmschutzkonzept durch passive Schallschutzmaßnahmen aufgestellt. Dass damit die Lösung eines potentiellen Lärmschutzkonflikts auf das Baugenehmigungsverfahren verlagert wird, ist, wovon auch die Antragsteller selbst ausgehen, rechtlich hier nicht zu beanstanden (vgl. dazu z.B.: BVerwG, B.v. 18.5.1995 – 4 NB 15/94 – juris Rn. 15).
36
(6) Die Festsetzungen des Bebauungsplans sind auch nicht größtenteils willkürlich getroffen, weil – wie die Antragsteller meinen – kein städtebauliches Konzept erkennbar sei, welches die einzelnen Festsetzungen rechtfertigt. Unter Nr. 7.1 und der Überschrift „Städtebauliches Konzept“ in der Begründung des angefochtenen Bebauungsplans legt die Antragsgegnerin dar, die Aufstellung des Bebauungsplans solle die städtebauliche Weiterentwicklung des Stadtquartiers im Übergangsbereich zwischen historischer Innenstadt und westlichem Stadtteil von A. regeln. Das Plangebiet sei bereits erschlossen und eigne sich aufgrund der vorhandenen Bebauung und Strukturen für an die Umgebung angepasste Nachverdichtungsmaßnahmen. Der Bebauungsplan entspreche, abgesehen von den Ausnahmen auf den FlNrn. … (Pfarrhof), …, … (Grünfläche) sowie der Teilfläche FlNr. …, der Darstellung im Flächennutzungsplan. Des Weiteren sei die Planung gemäß einer vorangegangenen Bestandsaufnahme der Bestandsbebauung und der vorhandenen Vegetation entsprechend angepasst. Die Sicherstellung einer städtebau- und quartiersverträglichen Gesamtordnung werde so gewährleistet. Dass die Antragsgegnerin mit ihrem Gesamtkonzept ein legitimes städtebauliches Ziel verfolgt, wurde bereits an anderer Stelle ausgeführt.
37
Auch im Hinblick auf die zugelassene Anzahl von Wohneinheiten pro Wohngebäude, die Grundflächenzahl (GRZ), die zulässige Zahl der Geschosse und die Gebäudehöhe sind die vorgenommenen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht willkürlich. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB kann im Bebauungsplan aus städtebaulichen Gründen die höchstzulässige Zahl der Wohnungen in Wohngebäuden festgesetzt werden. Von dieser Ermächtigung hat die Antragsgegnerin in § 4 ihrer Satzung Gebrauch gemacht und bestimmt, dass im Planbereich in der Regel zwei oder drei Wohneinheiten pro Wohngebäude zulässig sein sollen. WA 5 und WA 3.2 bilden hier unter bestimmten Umständen eine Ausnahme: dort sind maximal fünf Wohneinheiten erlaubt, um eine Nutzungsänderung zu ermöglichen bzw. den Unterhalt des bestehenden Baudenkmals durch die Vermeidung einer Unternutzung zu gewährleisten und dieses im Bestand langfristig zu sichern (vgl. Nr. 8.4 der Begründung). Da der Bebauungsplan, wie mehrfach ausgeführt, vor allem das Ziel verfolgt, das durch denkmalgeschützte Gebäude und vorhandenes Grün geprägte, aufgelockerte Stadtbild zu erhalten und gleichzeitig eine maßvolle Nachverdichtung zu ermöglichen, ist diese Beschränkung städtebaulich gerechtfertigt. Soweit Nr. 8.4 der Begründung bezüglich WA 2 und der dort zulässigen zwei Wohneinheiten darauf verweist, die Stellplatzsicherung sei dort nicht „darstellbar“, ist dies auch dem notwendigen Schutz einer ortsbildprägenden Rotbuche geschuldet, in deren Kronenbereich keine Stellplätze hergestellt werden dürfen (vgl. textliche Festsetzungen § 6 Abs. 1). In diesem Zusammenhang hat die Antragsgegnerin auch dargelegt, dass an dem zu schützenden Wurzelwerk dieses Baumes die Planung einer Tiefgarage scheitert.
38
Auch die gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB festgelegte Grundflächenzahl (textliche Festsetzungen § 2 Abs. 1) und damit das zulässige Maß der baulichen Nutzung des jeweiligen Grundstücks sind nicht willkürlich, sondern den städtebaulichen Gegebenheiten und Zielen entsprechend angesetzt. Die vorgenommene GRZ-Verteilung steht in Relation zur Verteilung der Hauptgebäudeflächen und Grundflächen. Die GRZ wird wie folgt berechnet: GRZ = Hauptgebäudefläche/Grundfläche. Die Grundflächenzahl wurde in 0,1 Schritten (0 bis > 0,4) kategorisiert, die den Anteil der durch Hauptgebäude überbauten Grundstücksflächen wiedergeben. Die Prägung des Plangebiets erfolgt nicht durch eine hohe Anzahl einer bestimmten GRZ-Kategorie, sondern durch die Verteilung innerhalb des Plangebiets bzw. der Entwicklung Richtung Innenstadt. In Relation zu den abnehmenden Grundstücksflächen nimmt die GRZ zu und erreicht in den Bereichen der historischen Innenstadt (D. platz) zum Teil auch GRZ-Werte von 1,0 (vollständige Überbauung). Aus städtebaulicher Sicht ist im Sinne des Erhalts der gegenwärtigen Quartiersprägung (Stadtvillen) und der straßenbildverträglichen Einbindung/Nachverdichtung auf den Brachflächen entlang der B. straße (Anm.: wozu das Gartengrundstück der Antragsteller zählt) eine GRZ von 0,4 oder kleiner zielführend (vgl. Nr. 2.3.6 der Anlage 1 Bestandsaufnahme). Diese Erwägungen sind nachvollziehbar.
39
Auch bezüglich der zulässigen Anzahl von Geschossen und der Wandhöhe (textliche Festsetzungen § 2 Abs. 2 und 3) liegen – entgegen der Ansicht der Antragsteller – keine willkürlichen planungsrechtlichen Festsetzungen vor. Vielmehr folgen auch diese den Gegebenheiten des festgestellten Bestandes und dienen dem Erhalt einer aufgelockerten Bebauung mit den gewünschten Sichtachsen. Bezüglich der Geschossigkeit wurden die Gebäude hinsichtlich der Anzahl an Geschossen/Vollgeschossen (ein, zwei und drei Vollgeschosse) kartiert. Die Beurteilung/Kartierung der Geschossigkeit erfolgte vor Ort von außen hinsichtlich der Fenster und Raumwirkung. Geschosse im Keller bleiben unberücksichtigt und Geschosse im Dach wurden in dieser Bestandsaufnahme als Dachgeschosse kartiert. Folglich ist es möglich, dass die kartierte Geschossigkeit von der tatsächlichen Geschossigkeit abweicht. Beispiel wäre ein Gebäude mit einem Dachgeschoss, das gemäß der oben aufgeführten gesetzlichen Regelung allerdings ein Vollgeschoss ist und somit drei Vollgeschosse anstatt zwei Vollgeschosse mit Dachgeschoss hätte. Prägend für das Plangebiet sind vor allem Gebäude mit zwei Vollgeschossen und einem Dachgeschoss. Aus städtebaulicher Sicht ist ein Höchstmaß von zwei Vollgeschossen und einem Dachgeschoss somit zielführend (Nr. 2.3.7 der Anlage 1 Bestandsaufnahme). Auch diese Einschätzung ist sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich.
40
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, weil die Antragsgegnerin nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Durch den Wegfall der für unwirksam erklärten Festsetzung verbessert sich die Rechtsposition der Antragsteller nur unwesentlich. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.
41
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
42
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I.1 der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen wie die angefochtene Satzung.