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VG München, Beschluss v. 30.05.2025 – M 5 E 25.3072
Titel:

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Stellenbesetzung, W 2 Professur an einer Universität, Abbruch des Auswahlverfahrens, Verwirkung

Normenketten:
VwGO § 123
GG Art. 33 Abs. 2
Schlagworte:
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Stellenbesetzung, W 2 Professur an einer Universität, Abbruch des Auswahlverfahrens, Verwirkung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 12325

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen den Abbruch eines Auswahlverfahrens betreffend die Besetzung der Professur „Allgemeine BWL mit Schwerpunkt Investition und Finanzierung im Bereich erneuerbarer Energien durch die Antragsgegnerin.
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Die Stelle ist insgesamt dreimal ausgeschrieben worden. Betreffend das erste Verfahren teilte die Hochschule dem Antragsteller mit E-Mail vom ... Februar 2023 mit, dass es zu wenig Bewerber für die Bildung einer Berufungsliste gebe und daher beabsichtigt sei, die Professur erneut mit unverändertem Text auszuschreiben. Im zweiten Auswahlverfahren zogen alle Listenplatzierten ihre Bewerbung zurück. Mit E-Mail vom … Mai 2024 teilte die Hochschule dem Antragsteller deshalb mit, dass das Berufungsverfahren aufgrund aktueller Entwicklungen ohne Besetzung der ausgeschriebenen Professur abgebrochen worden sei. Die Professur werde in Kürze mit geänderter Denomination neu ausgeschrieben und auf der Homepage der Hochschule veröffentlicht.
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Die letzte Ausschreibung erfolgte im Juni 2024. Eine Auswahlentscheidung ist seitens der Hochschule getroffen worden. Gegen diese Auswahlentscheidung hat der Antragsteller ebenfalls um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht (M 5 E 25.1938).
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Am 25. März 2025 hat der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz eingelegt. Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2025 hat die Antragstellerpartei klargestellt, dass ausdrücklich auch um Eilrechtschutz gegen den Abbruch des zweiten Auswahlverfahrens nachgesucht werde und hat zuletzt klarstellend beantragt,
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1. Die Antragsgegnerin wird im Wege einstweiliger Anordnung verpflichtet, die Ausschreibung der W2-Professur „BWL-Finanzierung und Unternehmensbewertung im Bereich erneuerbarer Energien“ unter Berücksichtigung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts weiterzuführen.
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2. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, das erste und zweite Auswahlverfahren W2-Lehrprofessur „BWL-Finanzierung und Unternehmensbewertung im Bereich erneuerbarer Energien“ mit den bisherigen Bewerbern vorläufig unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts fortzusetzen.
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Der Abbruch des Auswahlverfahrens sei rechtswidrig gewesen. Mit dem Antragsteller habe zumindest ein geeigneter Bewerber vorgelegen. Die Tätigkeit als Professor an der Uni X. belege, dass der Antragsteller geeignet sei. Die ersten beiden Verfahren seien nie beendet bzw. abgebrochen worden, sodass auch eine Frist, sich gegen den Abbruch zu wenden, nie zu laufen begonnen habe. Vom Wortlaut und der Begrifflichkeit her sei eine „Denomination“ – wie sie von der Antragsgegnerin verwendet wird – nicht mit einem „Abbruch“ des Stellenbesetzungsverfahrens gleichzustellen. Mit der Verwendung des Begriffs der „Denomination“ sei vielmehr gerade klargestellt, dass das Verfahren nicht seine Beendigung gefunden habe, sondern dass es sich lediglich um eine Änderung oder Neubewertung bezüglich einzelner Bezeichnungen oder Merkmale einer ausgeschriebenen Stelle handle. Die „Denomination“ habe keine wesentlichen Änderungen an der Position oder den Anforderungen mit sich gebracht, so dass die ursprünglichen Bewerbungen auch weiterhin zutreffend gewesen seien und mangels starker Veränderung der Anforderungen ein neuer Bewerbungsprozess nicht erforderlich gewesen sei.
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Die Antragsgegnerin hat beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Abbrüche des ersten und zweiten Auswahlverfahrens seien rechtmäßig erfolgt, da jeweils ein sachlicher Grund vorgelegen habe. Auch sei die Geltendmachung von Eilrechtschutz gegen die Entscheidung der Hochschule über den Abbruch des Berufungsverfahrens nicht binnen einer Frist von einem Monat nach Zugang der Abbruchmitteilung erfolgt und somit verspätet.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten auch im Verfahren M 5 E 25.1938 verwiesen.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erweist sich als unzulässig.
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1. Gemäß § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dafür muss sowohl ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) als auch ein Anordnungsanspruch vorliegen, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache.
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2. Der Antragsteller hat allerdings seine prozessuale Antragsbefugnis verwirkt. Denn er hat das Fehlen eines sachlichen Grundes für einen Abbruch des Auswahlverfahrens nicht innerhalb der Monatsfrist nach Zugang der Abbruchmitteilung mittels eines Antrags nach § 123 VwGO gerichtlich geltend gemacht.
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Effektiver Rechtsschutz für das auf Fortführung eines abgebrochenen Auswahlverfahrens gerichtete Begehren ist ausschließlich durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu erlangen (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 29.11.2012 – 2 C 6.11 – BVerwGE 145, 185, juris Rn. 12; U.v. 3.12.2014 – 2 A 3.13 – BVerwGE 151, 14, juris Rn. 14, 22f.; B.v. 10.5.2016 – 2 VR 2.15 – BVerwGE 155, 152, juris Rn. 12). Damit kann das Fehlen eines sachlichen Grundes für den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens geltend gemacht werden, wobei der Antrag binnen eines Monats nach Zugang der Mitteilung über den Abbruchgrund zu stellen ist. Stellt der Bewerber nicht innerhalb eines Monats nach Zugang der Abbruchmitteilung einen derartigen Antrag, so darf der Dienstherr darauf vertrauen, dass der Bewerber den Abbruch des Auswahlverfahrens nicht angreift, sondern sein Begehren im Rahmen der neuen Ausschreibung weiterverfolgt. Nach Ablauf der Monatsfrist ist die Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit des Abbruchs des Auswahlverfahrens überprüfen zu lassen, verwirkt (BVerwG, U.v. 3.12.2014 a.a.O. Rn. 24; B.v. 10.5.2016 a.a.O. Rn. 13; B.v. 10.12.2018 – 2 VR 4.18 – NVwZ 2019, 724, juris Rn. 10) Diese – in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte – Monatsfrist ist an dem für Beamte generell geltenden Rechtsmittelsystem orientiert (vgl. § 126 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes, § 54 Abs. 2 des Beamtenstatusgesetzes, § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und als ausreichend angesehen worden, um eine zeitnahe Klärung darüber herbeiführen zu können, ob der Bewerber eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO gegen den Abbruch des Auswahlverfahrens beantragen will (BVerwG, U.v. 3.12.2014 a.a.O. Rn. 24).
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Die Antragstellerpartei hat die Monatsfrist ab Zugang der Abbruchmitteilung nicht gewahrt. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass die Mitteilung über den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) dem Antragsteller am … Mai 2024 per E-Mail zugegangen ist. Denn an diesem Tag ist die E-Mail in den Machtbereich des Empfängers gelangt, sodass noch am selben Tag oder jedenfalls am Tag darauf mit der Kenntnisnahme zu rechnen war.
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Die Anforderungen des Art. 41 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetztes (BayVwVfG) hinsichtlich der Bekanntgabe von Verwaltungsakten sind nicht einschlägig, da es sich bei der Mitteilung über den Abbruch eines Stellenbesetzungsverfahrens nicht um einen Verwaltungsakt handelt. Eine derartige Mitteilung hat keinen Regelungsinhalt, sondern stellt ein schlicht hoheitliches Handeln ohne Regelungscharakter dar. Ihr Inhalt erschöpft sich in der Information der Bewerber darüber, dass und aus welchen Gründen das Stellenbesetzungsverfahren tatsächlich nicht fortgeführt wird. Selbständige materiell-rechtliche Folgen sind hiermit anders als bei einer das Verfahren abschließenden Sachentscheidung über die Besetzung des in Rede stehenden öffentlichen Amtes nicht verbunden (vgl. OVG NW, B.v. 15.9.2010 – 6 A 1966/08 – juris; SächsOVG, B.v. 14. Mai 2004 – 3 BS 265/03 – juris Rn. 5; SaarlOVG, B.v. 29.5.2002 – 1 W 9/02 – juris Rn. 41 f.).
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Auch war die Abbruchmitteilung nicht zwingend förmlich bekannt zu geben. Denn das Erfordernis einer Zustellung der Abbruchmitteilung kann weder der Rechtsfortbildung des Bundesverwaltungsgerichts, noch dem Gesetz entnommen werden. Insbesondere fällt die Abbruchmitteilung nicht unter eine Entscheidung, die nach Art. 10 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) zuzustellen wäre, da das Bayerische Beamtengesetz keine Vorschrift enthält, die die Notwendigkeit einer Bekanntgabe der Abbruchmitteilung kraft Zustellung vorschreibt (vgl. auch OVG Berlin-Bbg., B.v. 26.3.2018 – OVG 4 S 44.17 – juris Rn. 5).
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Der Eilantrag der Antragstellerpartei ist nach Ablauf der Monatsfrist am 25. März 2025 beim Verwaltungsgericht eingegangen. Damit ist Verwirkung eingetreten.
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Soweit der Antragstellerbevollmächtigte einwendet, es läge kein Abbruch vor, da der Begriff der „Denomination“ lediglich eine Änderung oder Neubewertung bezüglich einzelner Bezeichnungen oder Merkmale einer ausgeschriebenen Stelle bedeute, kann dem nicht gefolgt werden. Unabhängig davon, wie der Begriff der „Denomination“ auszulegen ist, hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit E-Mail vom … Mai 2024 mitgeteilt, dass das Berufungsverfahren ohne Besetzung der ausgeschriebenen Professur abgebrochen wurde. Weiter wurde mitgeteilt, dass eine Neuausschreibung erfolgen werde. Aus Sicht eines objektiven Empfängers musste – auf Grund des eindeutigen Wortlautes der Mitteilung des Abbruchs und der Information, dass eine Neuausschreibung erfolgen wird – klar sein, dass das Verfahren nicht fortgeführt, sondern dass es durch eine veränderte Ausschreibung von neuem beginnen wird und das alte Verfahren abgebrochen ist.
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Ungeachtet dessen hat der Antragsteller im neuen Auswahlverfahren auch teilgenommen. So hätte ihm spätestens mit der Einladung zum erneuten Abhalten der Probevorträge am … Dezember 2024 bewusst werden müssen, dass das alte Auswahlverfahren – bei welchem er ebenfalls Probevorträge gehalten hat – gerade nicht fortgeführt wird, sondern abgebrochen worden ist.
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3. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Eine Halbierung des Streitwerts scheidet ungeachtet des Umstandes, dass es sich um ein Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes handelt, schon deshalb aus, weil allein der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für das Begehren auf Fortführung des abgebrochenen Auswahlverfahrens in Betracht kommt (BVerwG, B.v. 10.12.2018 – 2 VR 4.18 – NVwZ 2019, 724, Rn. 23; BayVGH, B.v. 5.2.2019 – 3 CE 18.2608 – juris Rn. 36; B.v. 5.4.2019 – 3 CE 19.314 – RiA 2019, 179, juris Rn. 25).