Inhalt

VG München, Beschluss v. 19.03.2025 – M 15 E 24.6992
Titel:

Antrag auf einstweilige Anordnung, Ausbildungsförderung, Zulassung zum Studium auf Grund einer durch eine Meisterprüfung erworbenen Zugangsberechtigung oder aufgrund eines ausländischen Sekundarschul-Abschlusses

Normenketten:
VwGO § 123
BAföG § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 1a
Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Slowakischen Republik über die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit von Bildungsnachweisen im Hochschulbereich Art. 2
Schlagworte:
Antrag auf einstweilige Anordnung, Ausbildungsförderung, Zulassung zum Studium auf Grund einer durch eine Meisterprüfung erworbenen Zugangsberechtigung oder aufgrund eines ausländischen Sekundarschul-Abschlusses
Fundstelle:
BeckRS 2025, 12321

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin von Juli 2024 bis September 2024 vorläufig Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe zu leisten. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Von den Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin ein Viertel, die Antragstellerin drei Viertel zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) für ein Auslandsstudium.
2
Die 1972 geborene, deutsche Antragstellerin besuchte in Brasilien das Gymnasium und machte im Jahr 2003 in Deutschland einen Abschluss als Friseurmeisterin. Sie studierte im Jahr 1992 für ein Semester im Ausland Tiermedizin, brach dieses Studium jedoch wegen der Geburt ihrer Tochter nach einem Semester ab. Im Jahr 2020 wurde der Antragstellerin der allgemeine Hochschulzugang für qualifizierte Berufstätige durch die LMU M aufgrund der Meisterprüfung im Friseurhandwerk und eines Beratungsgesprächs bescheinigt. Sie bewarb sich erfolglos um ein Studium der Humanmedizin in Österreich. Im Jahr 2023 bewarb sich die Antragstellerin an verschiedenen Studienorten für die Studiengänge Humanmedizin, Tiermedizin und Pharmazie. Am … August 2023 beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin Leistungen nach dem BAföG für ein Studium der Humanmedizin in Tschechien. Am … Oktober 2023 legte sie eine Immatrikulationsbescheinigung für ein Studium der Humanmedizin in B., Slowakei vor.
3
Mit Bescheid vom … Dezember 2023 lehnte die Antragsgegnerin den BAföG-Antrag für das Studium in B. ab. Die Antragstellerin habe das 45. Lebensjahr bereits überschritten. Nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BAföG schließe das BAföG grundsätzlich eine Förderung aus, wenn der Auszubildende bei Beginn des Abschnitts, für den er Ausbildungsförderung begehrt, das 45. Lebensjahr überschritten habe. Die Antragstellerin habe den allgemeinen Hochschulzugang für qualifizierte Berufstätige von der LMU M am … Februar 2020 bescheinigt bekommen und damit die Zugangsvoraussetzungen für die zu fördernde Ausbildung erworben. Grundlage hierfür sei die am ... Dezember 2003 erfolgreich abgelegte Meisterprüfung im Friseurhandwerk gewesen. Damit gehöre die Antragstellerin zur Fallgruppe des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG. Eine Zugehörigkeit zu weiteren Fallgruppen des § 10 Abs. 3 BAföG ergebe sich nach Aktenlage nicht. Die Voraussetzungen für eine (zulässige) Überschreitung der Altersgrenze lägen nicht vor, da die Antragstellerin ihr Studium nicht unverzüglich nach Erwerb der Zugangsvoraussetzungen aufgenommen habe. § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG sei zwar nicht explizit in der Regelung zur Unverzüglichkeit in § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG genannt. Für diese Fallgruppe sei jedoch genauso zu verlangen, dass die Ausbildung unverzüglich nach Erreichen der hochschulrechtlichen Zulassungsbedingungen aufgenommen werde. Die Antragstellerin habe sich zwar offensichtlich unverzüglich im Februar 2020 in S. (Österreich) für ein Studium beworben. Nachdem diese Bewerbung abgelehnt worden sei, habe die Antragstellerin jedoch erst im Jahr 2023 ein neues Bewerbungsverfahren in Angriff genommen. Damit liege ein schuldhaftes Zögern vor. Die Coronakrise liefere keine Gründe für die Verzögerung im Bewerbungsverfahren.
4
Am … Januar 2024 legte die Antragstellerin Widerspruch ein. In der Begründung des Widerspruchs trug der Bevollmächtigte der Antragstellerin unter Bezugnahme auf Kommentarliteratur und Rechtsprechung vor, die Unverzüglichkeitsbeschränkung des § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG gelte für § 10 Abs. 3 Nr. 1a BAföG nicht.
5
Mit Bescheid vom … April 2024, zugestellt am … April 2024, wies die Widerspruchsbehörde den Widerspruch zurück. Unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung zur Anhebung der Altersbegrenzungen von 30 Jahren auf 45 Jahre führte die Widerspruchsbehörde aus, es sei unklar, ob die Universität in B. die Antragstellerin aufgrund ihrer gymnasialen Ausbildung in Brasilien oder aufgrund der Feststellung des allgemeinen Hochschulzugangs der LMU zum Studium zugelassen habe. Die von der Antragsgegnerin geforderte Bescheinigung der Universität, aufgrund welcher Qualifikation die Zulassung erfolgt sei, sei die Antragstellerin schuldig geblieben. Hierzu habe sie vorgetragen, dass die Hochschule ihr auf mehrfache Nachfrage mitgeteilt habe, dass sie nur standardisierte Bestätigungen ausstelle. Es werde davon ausgegangen, dass die Zulassung aufgrund der Bescheinigung des allgemeinen Hochschulzugangs für qualifizierte Berufstätige der LMU M erfolgt sei. Die Antragstellerin habe damit erst mit 47 Jahren die Hochschulzugangsberechtigung nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a BAföG erworben. Das Unverzüglichkeitsgebot sei auf die Fallgruppe der Nummer 1a ebenfalls anzuwenden, auch wenn sie in Satz 3 nicht erwähnt werde. Für diese Fallgruppe sei gleichermaßen zu verlangen, dass Auszubildende unverzüglich nach Erreichen der hochschulrechtlichen Zulassungsbedingungen die Ausbildung aufnähmen. Sie ebenfalls dem Unverzüglichkeitsgebot zu unterwerfen, sei im Vergleich zu Auszubildenden der Nummer 1 gerechtfertigt. Sowohl die Nummer 1 als auch die Nummer 1a machten die Ausnahme vom Erwerb der Zugangsvoraussetzungen abhängig. Werde die Gruppe nach Nummer 1 dem Unverzüglichkeitsgebot unterworfen, könne für die Fallgruppe Nummer 1a nichts anderes gelten. Es bestehe demnach kein sachlicher Differenzierungsgrund der Fallgruppe des Satz 2 Nr. 1a zur Fallgruppe Satz 2 Nr. 1, insbesondere der Alternative „Zugangsvoraussetzungen durch Zugangsprüfung an einer Hochschule oder Akademie“. Anders verhalte es sich bei den Verzögerungsgründen nach Satz 2 Nr. 1b, 3 und 4, weshalb diese bewusst in Satz 3 aufgenommen worden seien. Dafür, dass der Gesetzgeber dies für die Fallgruppe des Satz 2 Nr. 1a bewusst nicht gewollt habe, sei nichts ersichtlich, insbesondere nicht vor dem Hintergrund, dass die Förderung nach dem BAföG für über 45-Jährige unter dem Aspekt zugelassen worden sei, dass auch bei deren Förderung gewährleistet sein sollte, dass das fiskalische Gemeinwohlinteresse, nur eine solche Ausbildung zu fördern, an die sich eine angemessene Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand anschließe, weiter gewahrt sei. Aus diesem Blickwinkel sei in Fällen, in denen die Zugangsvoraussetzung aufgrund beruflicher Ausbildung erst mit bzw. nach dem 45. Lebensjahr erfolge, zu erwarten, dass dieser Personenkreis das Studium dann unverzüglich aufnehme. Dies sei bei der Antragstellerin nicht der Fall. Zwar habe sie nach eigenen Angaben in der Zeit zwischen Ablehnung der Bewerbung in S. im Februar 2020 und den späteren Bewerbungen ab Januar 2023 das Studienziel bewusst weiterverfolgt und sich auf den Zulassungstest vorbereitet. Eine Vorbereitungszeit von drei Jahren werde jedoch als nicht angemessen angesehen. Nach Nummer 3 könne der Hinderungsgrund bei Auszubildenden anerkannt werden, die zwar die Zugangsvoraussetzungen besäßen, jedoch aus persönlichen oder familiären Gründen tatsächlich gehindert gewesen seien, ihre Ausbildung rechtzeitig zu beginnen. Derartige Gründe, die einen früheren Studienbeginn verhindert haben könnten und als beachtlich anzusehen wären, habe die Antragstellerin nicht vorgetragen und seien auch nicht ersichtlich. Gründe nach Nummer 4 seien ebenso nicht ersichtlich.
6
Am 18. Mai 2024 erhob die Antragstellerin über ihren Bevollmächtigten Klage gegen den ablehnenden Bescheid vom … Dezember 2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheids zum Bayerischen Verwaltungsgericht München (M 15 K 24.2632).
7
Am 4. Juli 2024 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung wegen Eilbedürftigkeit ohne mündliche Verhandlung aufzugeben, der Antragstellerin Ausbildungsförderung nach dem BAföG in gesetzlicher Höhe ab Antragstellung zu zahlen.
8
Zur Dringlichkeit wurde ausgeführt, die Antragstellerin verfüge über ein Barvermögen von 149,85 EUR, habe kein Fahrzeug, verfüge über keinerlei Einnahmen aus einer selbstständigen oder abhängigen Tätigkeit, besitze weder Aktien noch Grundstücke oder Immobilien und keinerlei Wertsachen. Es drohe daher nicht nur der Abbruch ihres Studiums, sondern auch der Absturz in die Bedürftigkeit und in die Obdachlosigkeit, da die Antragstellerin in München bei einer guten Freundin wohne und gemeldet sei und über keine eigene Wohnung (in Deutschland) mehr verfüge. Sie werde ca. 1.000 EUR im Juli 2024 verdienen. Die Wohnung in B. koste warm 790 EUR. Es sei nicht zumutbar, die Antragstellerin für die Dauer des Hauptsacheverfahrens auf die fortwährende darlehensweise Studienfinanzierung durch einen Freund zu verweisen. Des Weiteren wurde ausgeführt, nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes gelte das Unverzüglichkeitsgebot für § 10 Abs. 3 Nr. 1a BAföG nicht. Es wurde Kommentarliteratur sowie das Urteil des VG Sigmaringen vom 24. Februar 2016 – 1 K 2584/15 – zitiert. Ein Redaktionsversehen des Bundesgesetzgebers lasse sich nicht begründen. Dem Antrag waren Bankunterlagen und eine eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin über die in der Antragsschrift vorgetragenen Tatsachen, insbesondere die finanzielle Situation der Antragstellerin beigefügt.
9
Die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin beantragte am 29. Juli 2024, den Antrag abzulehnen sowie die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für die Antragsgegnerin für notwendig zu erklären.
10
Das Verwaltungsgericht München sei örtlich nicht zuständig, da die Antragstellerin ihren Wohnsitz in M. aufgegeben habe und nach B. verzogen sei. Die angegebene Adresse in der L. straße könne aus näher dargelegten Umständen kein Anknüpfungspunkt für einen Wohnsitz im Sinne des BGB sein.
11
Zudem sei der Antrag unzulässig, da die Antragstellerin nicht antragsbefugt sei. Der Antrag sei auf Zahlung gerichtet. § 50 Abs. 1 Satz 1 BAföG normiere einen Anspruch auf eine Entscheidung durch die Antragsgegnerin, nicht auf Zahlung. Die Antragsgegnerin könne die Zahlung auch nicht vornehmen. Die Auszahlung erfolge durch die Hauptkasse Dresden. Der Antrag der anwaltlich vertretenen Antragstellerin sei keiner Auslegung oder Umdeutung zugänglich. Es wurde zu § 88 VwGO ausgeführt.
12
Der Antrag sei zudem unbegründet. Nach § 5 Abs. 2 BAföG sei eine Förderung einer Ausbildung im Ausland nur für Personen möglich, die ihren ständigen Wohnsitz im Inland hätten. Auch wenn das BAföG einen eigenständigen Wohnsitzbegriff definiere, könne auf die Ausführungen zur örtlichen Zuständigkeit verwiesen werden. Nach dem Maßstab des § 5 Abs. 1 BAföG habe die Antragstellerin mit ihrem Umzug nach B. unter Aufgabe ihrer Wohnung in M. den Wohnort gewechselt, da eine tatsächliche Ortsveränderung mit Aufgabewille vorliege. Die Ausnahme des § 5 Abs. 1 Halbs. 2 BAföG sei nicht einschlägig. Die Antragstellerin sei nicht nur zum Zwecke der Ausbildung in B. , sondern habe den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen dorthin verlagert. Sie habe keine Unterkunft mehr in M. und arbeite dort nicht mehr. Sie habe vielmehr ihr gesamtes Leben in B. eingerichtet. Auch die Möglichkeit der Ausbildungsförderung nach § 5 Abs. 2 Satz 4 BAföG bestehe nicht. Danach bestehe bei deutschen Staatsangehörigen ohne Wohnsitz in Deutschland die Möglichkeit der Förderung, wenn die hinreichende Verbundenheit zum Inland anderweitig nachgewiesen werde. Ein solcher Nachweis sei nicht erbracht.
13
Nach § 1 BAföG bestehe der Rechtsanspruch auf individuelle Ausbildungsförderung nur für eine der Neigung, Eignung und Leistung entsprechende Ausbildung. Studierende seien objektiv zu umsichtiger Planung und zielstrebiger Durchführung ihrer Ausbildung verpflichtet. Gegen eine solche spreche hier bereits, dass die Antragstellerin schon im Jahr 1992 ein Semester lang Tiermedizin studiert und dieses Studium alsbald aufgegeben habe. Zudem habe sie sich im Jahr 2020 in S. für ein Studium der Humanmedizin beworben und erst drei Jahre später ein weiteres Verfahren auf sich genommen, wobei sie sich für die Studiengänge Medizin, Pharmazie und Tiermedizin beworben habe. Eine klare Zielsetzung in Hinblick auf die Planung und Zielsetzung der Ausbildung lasse sich nicht erkennen. Die Antragstellerin habe weder dargelegt noch z.B. durch eine aktuelle Immatrikulationsbescheinigung bewiesen, dass sie das Studium weiterhin fortführe. Zuletzt sei der Anspruch wegen des fehlenden unverzüglichen Aufnehmens der Ausbildung nach § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG ausgeschlossen. Diese Norm sei auch auf § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG anwendbar. Auf das Urteil des Verwaltungsgerichts Saarlouis vom 16. Januar 2018 (3 K 2570/16) wurde Bezug genommen. Die Antragstellerin habe auch die Bedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere die eidesstattliche Versicherung könne dies nicht beweisen, da sie widersprüchlich sei. Die Antragstellerin habe angegeben, dass sie kein Einkommen aus selbständiger Arbeit habe. Gleichzeitig habe sie angegeben, dass sie für den Juni 2024 [richtig: Juli 2024] ein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 1.000 EUR habe. Dies sei nicht nur widersprüchlich, sondern ziehe den gesamten Vortrag in Zweifel. Offensichtlich habe die Antragstellerin sowohl Zeit als auch Gelegenheit, einer selbstständigen Tätigkeit nachzugehen. Damit fehle es an der Bedürftigkeit, die Grundlage für eine Förderung sei.
14
Es fehle auch an einem Anordnungsgrund. Es überwiege das Interesse der Antragsgegnerin an der Aufrechterhaltung des aktuellen Zustands. Die Antragstellerin erwarte ausweislich der eidesstattlichen Versicherung für den Monat Juli 2024 Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 1.000 EUR. Eine existenzbedrohende Situation sei nicht zu befürchten. Auch eine nachhaltige wirtschaftliche Beeinträchtigung sei nicht zu erwarten. Gemäß § 7 Abs. 3 BAföG werde über die Ausbildungsförderung nur für ein Jahr entschieden. Der Bewilligungszeitraum umfasse ohnehin nur noch zwei Monate. Dagegen müsste die Antragsgegnerin im Falle des Erlasses der einstweilen Anordnung das Risiko des Vermögensausfalls der Antragstellerin tragen. Angesichts der fehlenden aktuellen tatsächlichen Wohnanschrift in B. sei zu befürchten, dass sich die Antragstellerin einer entsprechenden Rückforderung komplett entziehen könnte. Der im Antragverfahren geltend gemachte Anspruch gehe weiter als der Anspruch, den die Antragstellerin als Klägerin im Hauptsacheverfahren verfolge.
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Mit Schriftsatz vom 13. August 2024 legte der Bevollmächtigte der Antragstellerin eine eidesstattliche Versicherung der Antragstellerin vor, wonach sie nach ihrer Zulassung an der Universität in B. ihre bisherige Wohnung in M. aufgegeben habe und zu einer guten Freundin, die Mieterin einer Wohnung in M. sei, verzogen sei. Die Antragstellerin versuche, zwischen den Semestern in M. zu arbeiten, wie jetzt im Juli 2024. Sie habe zwei erwachsene Söhne, die in M. am Main wohnten. Treffen erfolgten jeweils in M. Zudem trug der Bevollmächtigte der Antragstellerin vor, nach den Anwendungshinweisen zum BAföG hätten Auszubildende, die sich ausschließlich zum Zweck der Ausbildung in einem ausländischen Staat aufhielten, weiterhin ihren ständigen Wohnsitz im Inland. Die Antragstellerin halte sich ausschließlich zum Studium im Ausland auf. Die Förderung für ein Auslandsstudium innerhalb der EU sei auch für die ganze Studienzeit möglich. Zur Dringlichkeit wurde ein Schreiben der Krankenversicherung der Antragstellerin vorgelegt, wonach die Antragstellerin Beitragsrückstände in Höhe von 1.858,47 EUR habe. Das Schreiben war an die Adresse der Antragstellerin in M. adressiert und informierte die Antragstellerin darüber, dass ihr Anspruch auf gesetzliche Krankenversicherung wegen der ausstehenden Beiträge ruhe.
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Mit Beschluss vom 14. August 2024 erklärte sich das Verwaltungsgericht München für örtlich zuständig (Ziffer I.), verpflichtete die Antragsgegnerin, der Antragstellerin von Juli 2024 bis September 2024 vorläufig Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz in gesetzlicher Höhe zu leisten, lehnte den Antrag im Übrigen ab (Ziffer II.) und erlegte von den Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin ein Viertel, der Antragstellerin drei Viertel auf (Ziffer III.).
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Die Bevollmächtigte der Antragsgegnerin erhob am 30. August 2024 dagegen Beschwerde.
18
Mit Beschluss vom 13. November 2024 hob der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Beschluss vom 14. August 2024 (M 15 E 24.3990) auf und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Verwaltungsgericht München zurück.
19
Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2025 machte die Antragstellerseite geltend, dass das Zertifikat der LMU M zur Zulassung an der Universität in B. geführt habe. Dazu legte die Antragstellerin eine Bestätigung der Universität vom 19. Dezember 2024 vor, wonach die außerhalb der Slowakischen Republik erworbene Ausbildung der Studentin auf der Grundlage eines internationalen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit von Bildungsnachweisen anerkannt worden sei (“The student submitted the Nostrification issued by Regional School Administration Office because the student’s education obtained outside Slovak Republic was recognised on the base of an international agreement on mutual recognition of the equivalence of educational documents”). Die Bestätigung lasse offen, ob die Zulassung auf Basis des brasilianischen Schulabschlusses oder auf Basis des Zertifikats der LMU erfolgt sei. Daher sei das zuständige Ministerium der Slowakischen Republik um Auskunft gebeten worden. Es wurde ein Schreiben des Ministeriums vom 15. Januar 2025 vorgelegt, wonach es kein Abkommen zwischen der Slowakischen Republik und Brasilien über die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen gebe (“There is no agreement between the Slovak Republic and Brazil on mutual recognition of qualifications.“). Es wurde der Ausdruck der Homepage des Ministeriums vorgelegt, wonach es mit Deutschland ein Abkommen über die gegenseitige Anerkennung gibt. Nach Auffassung der Antragstellerseite könne eine Zulassung daher nur auf Basis des deutschen LMU-Zertifikat erfolgt sein. Der Bevollmächtigte der Antragstellerin verwies zudem auf eine Stellungnahme des Jobcenters M. , wonach die Antragstellerin keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts habe, weil sie in der Ausbildung sei und dieser Ausbildung im Rahmen des BAföG oder des Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) dem Grunde nach förderungsfähig sei.
20
Mit Schreiben vom 3. Februar 2025 trat die Antragsgegnerseite der Schlussfolgerung, dass die Zulassung nur auf Basis des deutschen Zertifikats der LMU erfolgt sein könne, entgegen. Nach Art. 2 Abs. 1 Alt. 1 des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Slowakischen Republik über die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit von Bildungsnachweisen im Hochschulbereich (im Folgenden: Anerkennungsabkommen) werde das deutsche Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife als Hochschulbefähigung anerkannt. Ein solches habe die Antragstellerin im Verfahren nicht vorgelegt. Nach Art. 2 Abs. 2 Anerkennungsabkommen könnten sonstige Zeugnisse, die den Hochschulzugang in beiden Ländern öffneten, gemäß den jeweiligen nationalen Regelungen als sonstige Zeugnisse anerkannt werden. Die Universität in B. habe mit der vorgelegten Bescheinigung weder dargelegt, von einem solchen Ermessen Gebrauch gemacht zu haben, noch habe sie die einschlägigen nationalen Regelungen genannt. Demnach sei auch diese Vorschrift nicht einschlägig. In der Konsequenz bedeute dies, dass eine Anerkennung nach dem Anerkennungsabkommen nicht erfolgt sei.
21
Am 5. März 2025 replizierte der Bevollmächtigte der Antragstellerin, da die Universität B. als Zulassungsvoraussetzung auf ein eindeutig definiertes Abkommen Bezug nehme, müsse der Schluss gezogen werden, dass die Zulassung tatsächlich auf Basis dieses Abkommens erfolgt sei. Eine Unterscheidung zwischen dem deutschen Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife und dem deutschen Allgemeinen Hochschulzugang für qualifizierte Berufstätige sei unerheblich. Es gebe von der Universität nichts weiter darzulegen. Eine von der Antragsgegnerin angekündigte Prüfung durch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen der Kultusministerkonferenz (ZAB) sei nicht zielführend, da es nicht um eine ausländische Qualifikation in Deutschland, sondern um einen deutschen Hochschulzugangsberechtigungsnachweis im Ausland gehe. Zudem habe die Stiftung für Hochschulzulassung, die zentrale Vergabestelle für die Studiengänge Humanmedizin, Tiermedizin, Zahnmedizin und Pharmazie, in einer Stellungnahme vom … Mai 2023 festgestellt, dass das brasilianische Zeugnis keine Hochschulzugangsberechtigung darstelle, da ein Semester Studium fehle.
22
Die Antragsgegnerin legte am 7. März 2025 ein Schreiben der ZAB vom 21. Februar 2025 vor. Danach müssten alle Studienbewerber an slowakischen Hochschulen mit einem ausländischen Sekundarschulzeugnis zunächst ihr Sekundarschulzeugnis in der Slowakei anerkennen lassen. Werde das ausländische Zeugnis als gleichwertig mit einem slowakischen Reifezeugnis, das in der Slowakei den Hochschulzugang öffne, anerkannt, erfolge die Ausstellung einer Entscheidung über die Anerkennung eines Bildungsnachweises durch das regionale Schulverwaltungsamt. Dieses Nostrifizierungsverfahren werde in der Slowakei obligatorisch für alle ausländischen Bildungsnachweise durchgeführt, unabhängig davon, ob es bilaterale Abkommen zwischen der Slowakei und dem jeweiligen Land gebe. Der vorgelegten Bescheinigung sei zu entnehmen, dass im vorliegenden Fall die Klägerin eine Nostrifizierung des regionalen Schulverwaltungsamts vorgelegt habe. Es werde nicht ausgeführt, um welches internationale Abkommen es sich gehandelt habe und welches ausländische Zeugnis der Klägerin für die Nostrifizierung herangezogen worden sei. Es sei daher nicht möglich, festzustellen, welcher Bildungsnachweis Grundlage für die Zulassung zum Studium gewesen sei. Es gebe im Bildungsbereich keine bilateralen Abkommen zwischen Brasilien und der Slowakei. Es existiere ein bilaterales Abkommen zwischen der Slowakei und Deutschland, das die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit von Bildungsnachweisen im Hochschulbereich regele. Gemäß dem slowakischen Hochschulgesetz sei die formale Zugangsvoraussetzung zu einem Hochschulstudium der Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung bzw. im Fall von ausländischen Studienbewerbern die erfolgreiche Anerkennung der ausländischen Hochschulzugangsqualifikation sowie im Falle des Medizinstudiums das zusätzliche Bestehen einer Aufnahmeprüfung. Letzteres sei nicht nachgewiesen worden.
23
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sei die Unterscheidung zwischen dem deutschen Zeugnis der allgemeinen Hochschulreife und dem deutschen Allgemeinen Hochschulzugang für qualifizierte Berufstätige essenziell, da sie die Pflicht zur Vorlage anderer Unterlagen nach sich ziehe.
24
Dem trat die Antragstellerseite mit Schriftsatz vom 19. März 2025 entgegen.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte, auch in den Verfahren M 15 K 24.2632 und M 15 E 24.3990 Bezug genommen.
II.
26
Das Gericht geht davon aus, dass der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. November den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 14. August 2024 nur in den Ziffern II. und III. aufhebt, da allein diesbezüglich eine Beschwerdemöglichkeit offensteht (vgl. § 83 Satz 2 VwGO, § 17a Abs. 3 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz – GVG) und der Beschluss vom 13. November 2024 zur örtlichen Zuständigkeit nicht ausführt.
27
Das Gericht legt den Antrag auf Eilrechtsschutz gemäß §§ 122, 88 VwGO nach dem Rechtsschutzbegehren dahingehend aus, dass er sich auf den Zeitraum ab Antragstellung bei Gericht im Juli 2024, nicht auf den Zeitraum ab Antragstellung bei der Behörde richtet. Denn eine rückwirkende Bewilligung von Ausbildungsförderungsleistungen im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes kommt nicht in Betracht, da es insoweit am Vorliegen eines Anordnungsgrunds regelmäßig mangelt (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 25.3.1999 – 12 CE 97.1832 – juris, B.v. 28.7.2023 – 12 CE 23.716 – juris, VG Leipzig, B.v. 26.1.2016 – 5 L 1429/15 – juris). Des Weiteren legt das Gericht den Antrag dahingehend aus, dass er auf die vorläufige Bewilligung im Sinne eines Verpflichtungsbegehrens, nicht auf die Zahlung im Sinne eines Leistungsbegehrens gerichtet ist. Aus dem Antrag geht ersichtlich hervor, dass die Antragstellerin die Bewilligung der Leistungen durch die Antragsgegnerin begehrt und nicht von einer unmittelbaren Leistungserbringung durch die Antragsgegnerin ausgeht. So wird auf Seite 3 des Antragschreibens auf das Hauptsacheverfahren Bezug genommen, in dem beantragt wird, die Antragsgegnerin zur Bewilligung zu verpflichten. An die Fassung der Anträge ist das Gericht vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) nicht gebunden.
28
Dieser Antrag ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
29
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung ergeht, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des in der Hauptsache verfolgten materiellen Anspruchs, sowie eines Anordnungsgrundes, d.h. der Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung, glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO) gemacht wurde.
30
Nimmt die begehrte einstweilige Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache sachlich und zeitlich vorweg, ist dem Antrag nur dann stattzugeben, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (BVerwG, U.v.18.4.2013 – 10 C 9/12 – juris Rn. 22).
I.
31
Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch auf Förderung ihres Studiums der Humanmedizin an der Universität von B. im tenorierten Umfang nach § 123 VwGO glaubhaft gemacht. Sie hat insofern einen Anspruch auf vorläufige Bewilligung.
32
1. Die 1972 geborene Antragstellerin ist nicht wegen Überschreitung der Altersgrenze nach § 10 Abs. 3 BAföG von der Leistung ausgeschlossen. Das Gericht, an das gemäß (§ 173 VwGO i.V.m.) § 572 Abs. 3 ZPO zurückverwiesen wird, ist an die Zurückverweisung und an die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde liegt, entsprechend § 563 Abs. 2 und § 577 Abs. 4 ZPO gebunden (Wulf in BeckOK ZPO, 55. Ed. 1.12.2024, § 572 Rn. 20; BGH, B.v. 22.11.2012 – VII ZB 42/11 – juris). Der Verwaltungsgerichtshof führt zur Frage der Altersgrenze im Beschluss vom 13. November 2024 aus (Rn. 8 ff.):
33
„Die Ausnahme von der Altersgrenze setzt gem. § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG voraus, dass der Auszubildende ohne Hochschulzugangsberechtigung allein aufgrund seiner beruflichen Qualifikation an einer Hochschule eingeschrieben worden ist. Auszubildende, die die Zugangsberechtigung u.a. durch eine Meisterprüfung erworben haben, werden vom Wortlaut des § 10 Abs. 3 Nr. 1a nicht unmittelbar erfasst. Diese Regelungslücke wurde jedoch durch Tz 10.3.1 der Verwaltungsvorschrift geschlossen und damit eine Analogie zu dem Personenkreis der Gruppe der beruflich Qualifizierten geschaffen (Jansen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB Sozialrecht Besonderer Teil, 1. Aufl. 2023, Stand: 15.4.2023, § 10 BAföG, Rn. 40).
34
Die Anwendbarkeit des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG und damit die Ausnahme von der Altersgrenze setzt deshalb voraus, dass die Zulassung zum Studium tatsächlich auf Grund der durch eine Meisterprüfung erworbenen Zugangsberechtigung erfolgt ist. Hier hat die Antragstellerin bislang weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, auf welcher Grundlage sie zum Studium an der Comenius-Universität zugelassen worden ist. Sie behauptet lediglich, auf mehrmalige Nachfrage nur eine standardisierte Immatrikulationsbescheinigung erhalten zu haben.
35
Es erscheint in Anbetracht der hochschulrechtlichen Regelungen in der Slowakei auch nicht allein denkbar, dass die Bescheinigung der LMU vom … Februar 2020 maßgeblich für die Zulassung der Antragstellerin war. Ebenso vorstellbar ist, dass die brasilianische Sekundarschulbildung für ausreichend erachtet worden ist, um die Antragstellerin zu dem entscheidenden Aufnahmetest zuzulassen. Denn die maßgebliche hochschulrechtliche Regelung (§ 56 Abs. 1 des Gesetzes über Universitäten vom 21. Februar 2002, Act no. 131/2002 on higher education) lässt für die Zulassung zum Studium neben dem Erwerb einer vollständigen Sekundarschulbildung auch eine fachliche Sekundarschulbildung genügen. Die Antragstellerin hat nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen in Brasilien die „Ensino Médio“, also die Sekundarschule, abgeschlossen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass diese als hinreichende Qualifikation angesehen worden ist, zumal die Antragstellerin in Brasilien auf dieser Grundlage zu einem Studium der Tiermedizin an einer öffentlichen staatlichen Universität zugelassen worden ist.
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Vor diesem Hintergrund bedarf es der weiteren Aufklärung, ob tatsächlich die Bescheinigung der LMU M vom … Februar 2020 über den Erwerb des Allgemeinen Hochschulzugangs für qualifizierte Berufstätige zur Zulassungsentscheidung der Comenius-Universität geführt hat – und somit § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG einschlägig ist – oder aber bereits die brasilianische Sekundarschulbildung hierfür als ausreichend erachtet worden ist, die bei isolierter Betrachtung die Voraussetzungen einer „beruflichen Qualifikation“ i. S. v. § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG nicht erfüllen würde. Denn diese Regelung verfolgt das Ziel, ausnahmsweise auch denjenigen Auszubildenden einen Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG zu ermöglichen, die wegen besonderer beruflicher Qualifikation und mehrjähriger Berufspraxis zu Studiengängen zugelassen werden und damit gewöhnlich bereits weitaus älter sind als diejenigen, die auf dem „Ersten Bildungsweg“ die Zugangsvoraussetzungen zur Hochschule oder Akademie erreicht haben (Jansen in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB Sozialrecht Besonderer Teil, 1. Aufl. 2023, Stand: 15.4.2023, § 10 BAföG, Rn. 38). Sie setzt also eine berufliche Tätigkeit und Qualifizierung voraus. Eine Schulausbildung allein erfüllt diese Voraussetzungen nicht.“
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Mithin muss die Antragstellerin glaubhaft machen, dass sie auf Grundlage des deutschen Zertifikats der LMU vom … Februar 2020 zum Studium in B. zugelassen wurde und nicht wegen ihres brasilianischen Schulabschlusses.
38
Nach Auffassung des Gerichts ist ihr dies gelungen. Dem von ihr vorgelegten englischsprachigen Zertifikat der Fakultät für Medizin ihrer slowakischen Universität lässt sich entnehmen, dass die von der Antragstellerin außerhalb der Slowakischen Republik erhaltene Bildung auf Grundlage eines völkerrechtlichen Abkommens über gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit von Bildungsdokumenten anerkannt wurde. Nach Auffassung des Gerichts geht ebenso daraus hervor, dass die Nostrifizierung darauf basierte. Denn das Zertifikat stellt einen Kausalzusammenhang zwischen der Nostrifizierung und der Anerkennung auf völkerrechtlicher Grundlage her; die eingereichte Nostrifizierung wurde gerade ausgestellt, weil die Bildung der Antragstellerin auf dieser rechtlichen Grundlage anerkannt wurde („The student submitted the Nostrification issued by Regional School Administration Office because the student’s education obtained outside Slovak Republic was recognised on the base of an international agreement on mutual recognition of the equivalence of educational documents“). Wie von der Antragstellerin nachgewiesen, findet sich in der Liste der Länder, mit denen ein gegenseitiges internationales Abkommen über die Anerkennung von Bildungsabschlüssen besteht, auf der Homepage des Slowakischen Bildungsministeriums die Bundesrepublik Deutschland, nicht aber die Föderative Republik Brasilien. So teilt es das slowakische Bildungsministerium der Antragstellerin gegenüber auch in der vorgelegten Mail vom 15. Januar 2025 mit. Dies bestätigt auch die von der Antragsgegnerseite eingereichte Bewertung der ZAB vom 21. Februar 2025, wonach es im Bildungsbereich keine bilateralen Abkommen zwischen Brasilien und der Slowakei gibt.
39
Soweit die Antragsgegnerseite auf Art. 2 Abs. 1 Anerkennungsabkommen Bezug nimmt, wonach das „Zeugnis der Allgemeinen Hochschulreife“ als Hochschulzugangsbefähigung anerkannt wird, wohingegen nach Art. 2 Abs. 2 Anerkennungsabkommen sonstige Zeugnisse, die den Hochschulzugang in beiden Ländern eröffneten, gemäß den jeweiligen nationalen Regelungen als Zeugnisse, die den Hochschulzugang eröffneten, anerkannt werden können, ist Folgendes auszuführen: Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerseite ist für das vorliegende Verfahren nicht erforderlich, die Rechtmäßigkeit der Anerkennung durch die slowakischen Behörden anlasslos infrage zu stellen, z.B. hinsichtlich der Ermessensausübung, der Angabe der nationalen Vorschriften oder der Tatbestandsvoraussetzungen. Die Antragstellerin genügt vielmehr ihrer Last zur Glaubhaftmachung, indem sie ein Dokument vorgelegt hat, wonach ihre Bildung aufgrund eines internationalen Abkommens tatsächlich wirksam anerkannt wurde und die slowakischen Behörden diese Anerkennung ihrer Entscheidung zugrunde gelegt haben. Die Antragsgegnerseite ist dieser Glaubhaftmachung mit dem Hinweis, es sei ebenso denkbar, dass die Universität die Antragstellerin wegen ihres brasilianischen Schulabschlusses zugelassen habe, nicht erfolgreich entgegengetreten. Angesichts des allein mit Deutschland bestehenden Anerkennungsabkommens liegt es fern, dass die Universität zwar auf ein solches Abkommen verweist, der Immatrikulation jedoch einen brasilianischen Schulabschluss zugrunde gelegt hat, obwohl die Slowakische Republik mit Brasilien gerade kein Anerkennungsabkommen geschlossen hat. Selbst wenn auch brasilianische Studierende das Nostrifizierungsverfahren durchlaufen müssen, spricht nichts dafür, dass sich die Universität in diesem Fall auf ein allein mit Deutschland bestehendes Abkommen beziehen würde.
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Auch ist nicht anzunehmen, dass die slowakische Universität die Antragstellerin auf Grundlage von Art. 2 Abs. 2 Anerkennungsabkommen zugelassen hat, weil ihr brasilianischer Schulabschluss ihr in Deutschland den Hochschulzugang eröffnete. Hierfür ist nämlich Voraussetzung, dass die Antragstellerin ihren Bildungsabschluss in Deutschland anerkennen lässt bzw. bei einem Studienkolleg eine Feststellungsprüfung ablegt (vgl. § 11 Abs. 1, 4 Verordnung über die Qualifikation für ein Studium an den Hochschulen des Freistaates Bayern und den staatlich anerkannten nichtstaatlichen Hochschulen, Art. 121 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen, §§ 2, 15 Studienkollegordnung). Nach den dem Gericht vorliegenden Informationen hat sie dies nicht getan.
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2. Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, dem Anspruch der Antragstellerin stehe § 1 BAföG entgegen, vermag das Gericht nicht zu erkennen, inwieweit das Interesse an verschiedenen, durchaus ähnlichen Studiengängen dagegenspricht, dass sich die Antragstellerin, die sich bereits 2020 für ein Studium der Humanmedizin bewarb und ausweislich der Akte ein Pflegepraktikum absolvierte, in einem ihrer Neigung, Eignung und Leistung entsprechenden Studiengang befindet. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Antragstellerin, die eine Immatrikulationsbescheinigung für das akademische Jahr 2023/2024 vorgelegt hat, ihr Studium nicht weiter verfolgt und seit der Antragstellung am 4. Juli 2024 aufgegeben hat. Das Tiermedizinstudium, das die Antragstellerin anlässlich der Geburt ihrer Tochter im Jahr 1992 abgebrochen hat, unterfiele jedenfalls § 7 Abs. 3 Satz 4 BAföG, so dass der Grundanspruch auf Ausbildungsförderung nicht erschöpft ist.
42
3. Der Antragstellerin kann das Überschreiten der Altersgrenze auch nicht unter Verweis auf das Unverzüglichkeitsgebot des § 10 Abs. 3 Satz 3 BAföG entgegengehalten werden, da dieses für Fälle des § 10 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1a BAföG nicht gilt. Es wird diesbezüglich auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 13. November 2024 Bezug genommen.
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4. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BAföG ist auf den Bedarf das Einkommen des Auszubildenden anzurechnen. Soweit die Antragsgegnerseite vorträgt, die Angaben der Antragstellerin seien widersprüchlich, ergeben sich für das Gericht keine Anhaltspunkte, an den eidesstattlich versicherten Angaben der Antragstellerin zu zweifeln. Bereits mit der Antragstellung teilte die Antragstellerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 2. Juli 2024 mit, dass sie im Juli 2024 aus selbstständiger Tätigkeit voraussichtlich 1.000 EUR erwirtschaften werde. Der Vortrag, dass die Antragstellerin in der vorlesungsfreien Zeit ihrem früheren Beruf nachgeht, erscheint plausibel. Das Einkommen ist gegebenenfalls in der Höhe der Förderung zu berücksichtigen.
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5. Da über die Ausbildungsförderung in der Regel für ein Jahr entschieden wird (§ 50 Abs. 3 BAföG) und die Antragstellerin den Antrag im August 2023 gestellt hat, endet der Bewilligungszeitraum im September 2024, so dass auch nur bis Ende dieses Monats Leistungen nach dem BAföG vorläufig bewilligt werden konnten.
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6. Sonstige Gründe, die die Bewilligung von Ausbildungsförderung ausschließen, sind nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung nicht erkennbar.
II.
46
Die Antragstellerin hat mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO), dass ihr durch ein Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache unzumutbare, irreparable Nachteile entstehen würden, weil sie dargelegt hat, ihr Studium ohne die Leistungen der Ausbildungsförderung aus finanziellen Gründen nicht weiterführen zu können (Anordnungsgrund).
47
1. Wesentliche Nachteile ergeben sich nicht allein aus einem möglichen finanziellen Schaden. Sie liegen vielmehr erst dann vor, wenn der Antragsteller so langfristig und nachhaltig in seiner wirtschaftlichen Betätigung beeinträchtigt wird, dass die erlittenen Einbußen bei einer späteren Regelung nicht mehr ausgeglichen werden können (Kuhla, in BeckOK, VwGO, 69. Ed. 1.7.2023, § 123 Rn. 129). Wenn der Anordnungsanspruch auf die Zahlung einer Geldleistung gerichtet ist, dann kann der Anordnungsgrund gegeben sein, weil dem Antragsteller bei ausbleibender Zahlung die Zahlungsunfähigkeit droht. Bei dieser Ausgangslage hat der Antragsteller darzulegen, dass die Zahlungsunfähigkeit nur abgewendet werden kann, wenn der Zahlungsanspruch vollständig erfüllt wird. Soweit dies nicht dargelegt wird, fehlt der Anordnungsgrund (Kuhla, in BeckOK, VwGO, 69. Ed. 1.7.2023, § 123 Rn. 129a). Ein Anordnungsgrund ist zu bejahen, wenn ein Auszubildender glaubhaft macht, dass er ohne die beantragte vorläufige Bewilligung von Ausbildungsförderung seine Ausbildung nicht finanzieren kann und deshalb die Weiterführung der Ausbildung gefährdet ist (vgl. OVG NRW, B.v. 4.12.2014 – 12 B 1309/14 – und B.v. 29.8.2013 – 12 B 792/13 – m.w.N. jeweils juris; VG Gelsenkirchen, B.v. 27.6.2024 – 15 L 916/24 – juris Rn. 13 f.). Ein Auszubildender, der die Voraussetzungen für die Gewährung von Ausbildungsförderung erfüllt, ist für das Bestreiten seines Lebensunterhalts und die Absolvierung der Ausbildung regelmäßig auf die beanspruchten Ausbildungsförderungsleistungen angewiesen. Die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen ist insoweit gesetzlich ausgeschlossen. Demzufolge ist im Falle der Versagung von Ausbildungsförderung regelmäßig auch vom Vorliegen eines Anordnungsgrunds für das Ergehen einer einstweiligen Anordnung auszugehen. Der Umstand, dass – wie häufig im Ausbildungsförderungsrecht – bei ausbleibenden Ausbildungsförderungsleistungen der Lebensunterhalt des Auszubildenden durch Verwandte oder Bekannte vorläufig gedeckt wird, beseitigt hingegen die Eilbedürftigkeit des Ergehens einer einstweiligen Anordnung nicht, da eine gesetzliche Pflicht hierzu nicht besteht (vgl. BayVGH, B.v. 28.7.2023 – 12 CE 23.716 – juris Rn. 13).
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2. Die Antragstellerin hat an diesem Maßstab gemessen einen Anordnungsgrund für auf die Zukunft gerichtete Leistungen während der gerichtlichen Verfahren glaubhaft gemacht.
49
Für einen Auszubildenden, dem die für seinen Lebensunterhalt und seine Ausbildung erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen, ist die Gewährung der Förderung existenznotwendig. Die Notwendigkeit vorläufigen Rechtsschutzes zu verneinen, liefe dem Zweck des Bundesausbildungsförderungsgesetzes zuwider, das darauf ausgerichtet ist, dem Auszubildenden nicht nur wirksame, sondern auch schnelle Hilfe zuteil werden zu lassen (VGH BW U.v. 22.9.1976 – VI 883/76 – BeckRS 2010, 54680, beck-online). Die Antragstellerin hat mittels einer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, dass sie über keinerlei eigenes Vermögen verfügt, das sie zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts einsetzen kann. Dass die Antragstellerin angibt, im Monat Juli 2024 voraussichtlich 1.000 EUR zu erwirtschaften, steht angesichts der Studiengebühren, der Mietkosten der Wohnung in B. und vor allem der glaubhaft gemachten Schulden bei der Krankenversicherung ihrer Bedürftigkeit nicht entgegen. Der Zahlungsunfähigkeit kann sie mithin nur durch Aufgabe ihres Studiums entgehen.
50
Die Antragstellerin hat somit die Dringlichkeit ihres Antrags glaubhaft gemacht. Auf die Inanspruchnahme von Krediten oder Schenkungen von nicht verwandten Bekannten kann sie nicht verwiesen werden.
51
3. Es entspricht auch gefestigter Rechtsprechung, in Fällen der Gefährdung der sozialen, beruflichen oder wirtschaftlichen Existenz des Betroffenen eine vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache zuzulassen (BayVGH, B.v. 31.5.2023 – 12 CE 23.432 – juris Rn. 19).
III.
52
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für die Antragsgegnerin kann nur für das Widerspruchsverfahren gesondert für erforderlich erklärt werden (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO). In diesem hatte die Antragsgegnerin aber noch keinen Rechtsanwalt bevollmächtigt. Im Übrigen sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts unter den Voraussetzungen des § 162 Abs. 1 VwGO stets erstattungsfähig (§ 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
IV.
53
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 VwGO. Eine durchschnittliche Verfahrensdauer des Hauptsacheverfahrens von einem Jahr zugrunde gelegt, hat die Antragstellerin mit ihrem Eilantrag, der unter Bezugnahme auf das Hauptsacheverfahren für dessen Laufzeit gestellt war, zu einem Viertel obsiegt. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten des Ausbildungsförderungsrechts nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.