Inhalt

OLG München, Beschluss v. 14.04.2025 – 11 W 1368/24 e
Titel:

Antragsgegner, Verfahrensgebühr, Selbstständiges Beweisverfahren, Geschäftsgebühr, Post- und Telekommunikationspauschale, Gesamtschuldnerische Haftung, Gesamtschuldnerschaft, Gesamtschuldnerhaftung, Gesamtschuldverhältnis, Beschwerdesumme, Einigungsgebühr, Zustellungskosten, Anwaltsvergütung, Gesamtvergütung, Überzahlung, Beschwerdeführer, Auftraggeberhaftung, Sofortige Beschwerde, Vergütungsfestsetzung, Umsatzsteuer

Schlagworte:
Vergütungsfestsetzung, Gesamtschuldverhältnis, Tilgungsbestimmung, Anwaltsvergütung, Einzelhaftung, Überzahlung, Verfahrensgebühr
Vorinstanzen:
LG München I, Berichtigungsbeschluss vom 21.08.2024 – 34 OH 26984/13
LG München I, Beschluss vom 26.06.2024 – 34 OH 26984/13
Fundstelle:
BeckRS 2025, 11755

Tenor

Der Beschluss des Landgerichts München I vom 26.06.2024, berichtigt durch Beschluss vom 21.08.2024, wird dahingehend abgeändert, dass die von der Antragsgegnerin zu 2) und dem Antragsgegner zu 3) an Herrn Rechtsanwalt Dr. … gemäß § 11 RVG zu zahlende gesetzliche Vergütung jeweils auf
2.180,54 EUR
nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB seit dem 04.01.2024 festgesetzt wird
mit der Maßgabe, dass dieser Betrag von der Antragsgegnerin zu 2) und dem Antragsgegner zu 3) insgesamt nur einmal gezahlt werden muss.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin führte gegen die Antragsgegner ein selbstständiges Beweisverfahren beim Landgericht München I. Der Beschwerdeführer vertrat die Antragsgegner zu 1) bis 3). Zwischen der Antragstellerin einerseits und den Antragsgegnern zu 1) bis 3) wurde ein Teilvergleich geschlossen, dessen Zustandekommen durch Beschluss des Landgerichts vom 07.10.2022 festgestellt wurde. Durch Beschluss des Landgerichts vom 07.12.2023 wurde das selbstständige Beweisverfahren insgesamt für beendet erklärt. Der Streitwert des selbstständigen Beweisverfahrens wurde auf 580.762,80 EUR, der Mehrwert für den am 07.10.2022 festgestellten Vergleich auf 627.253,16 EUR festgesetzt.
2
Unter dem 17.01.2019 hatte der Beschwerdeführer dem Antragsgegner zu 3) eine Rechnung über 5.458,41 EUR gestellt, in welcher folgende Gebührenpositionen-geltend gemacht worden waren:

1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG aus 580.762,80 EUR:

4.566,90 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale:

20,00 EUR

Zwischensumme netto:

4.586,90 EUR

19 % Mehrwertsteuer:

871,51 EUR

Gesamtbetrag:

5.458,41 EUR

3
Die Rechnung war vom Antragsgegner zu 3) am 16.04.2019 beglichen worden.
4
Unter dem 15.11.2022 hatte der Beschwerdeführer der Antragsgegnerin zu 1) eine Rechnung über 30.911,50 EUR gestellt, in welcher folgende Gebührenpositionen geltend gemacht worden waren:

1,8 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG aus 580.762,80 EUR:

6.323,40 EUR

1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG aus 580.762,80 EUR:

4.566,90 EUR

0,75 Anrechnung gemäß Vorbem. 3 Abs. 4 VV RVG aus 580.762,80 EUR:

- 2.634,75 EUR

0,8 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 Nr. 2, 3100 VV RVG aus 627.253,16 EUR:

2.930,40 EUR

1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG aus 1.208.015,96 EUR:

6.555,60 EUR

1,0 Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003, 1000 Nr. 1 VV RVG aus 580.762,80 EUR:

3.513,00 EUR

1,5 Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG aus 627.253,16 EUR:

4.681,50 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale:

40,00 EUR

Zwischensumme netto:

25.976,05 EUR

19 % Mehrwertsteuer:

4.935,45 EUR

Gesamtbetrag:

30.911,50 EUR

5
Die Rechnung war von der Antragsgegnerin zu 1) am 27.12.2022 beglichen worden.
6
Mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 04.01.2024, berichtigt durch Schriftsatz vom 18.01.2024 beantragte der Beschwerdeführer Vergütungsfestsetzung gemäß § 11 RVG in Höhe von 2.221,14 EUR nebst Zinsen.
7
Der Beschwerdeführer ging hierbei von einer Gesamtvergütung in Höhe von 38.543,45 EUR aus; im Einzelnen:

2,4 Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 VV RVG aus 580.762,80 EUR: – Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG um 0,6 wegen 3 Auftraggebern -

8.431,20 EUR

1,9 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG aus 580.762,80 EUR:

6.674,70 EUR

- Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG um 0,6 wegen 3 Auftraggebern -

0,75 Anrechnung gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG aus 580.762,80 EUR:

- 2.634,75 EUR

1,4 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 Nr. 2, 3100 VV RVG aus 627.253,16 EUR:

5.128,20 EUR

- Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG um 0,6 wegen 3 Auftraggebern -

1,2 Terminsgebühr gemäß Nr. 3104 VV RVG aus 1.208.015,96 EUR:

6.555,60 EUR

1,0 Einigungsgebühr gemäß Nr. 1003, 1000 Nr. 1 VV RVG aus 580.762,80 EUR:

3.513,00 EUR

1,5 Einigungsgebühr gemäß Nr. 1000 Nr. 1 VV RVG aus 627.253,16 EUR:

4.681,50 EUR

Post- und Telekommunikationspauschale:

40,00 EUR

Zwischensumme netto:

32.389,45 EUR

19 % Mehrwertsteuer:

6.154,00 EUR

Gesamtbetrag:

38.543,45 EUR

8
Ferner ging der Beschwerdeführer davon aus, dass die Antragsgegner hierfür jeweils in Höhe von 30.911,50 EUR, also dem sich ohne Berücksichtigung der Erhöhungsgebühr ergebenden Betrag, hafteten.
9
Die Zahlungen rechnete der Beschwerdeführer auf einen Nettobetrag um und verrechnete die Zahlungen der Antragsgegnerin zu 1) zunächst auf die Geschäftsgebühr nebst vorgerichtlicher Post- und Telekommunikationspauschale, im Übrigen verrechnete er die Zahlungen auf die im Gerichtsverfahren entstandenen Gebühren.
10
Es seien mithin noch folgende Beträge offen (Anmerkungen des Gerichts zur rechnerisch richtigen Summe in Klammern):

Zwischensumme netto

ohne Geschäftsgeb. + Pausch. 8.451,20 EUR:

23.938,25 EUR

Zahlungen auf im Gerichtsverf. entst. Gebühren netto:

- 22.071,75 EUR (rechnerisch richtig:22.111,75 EUR)

offen netto:

1.866,50 EUR (rechnerisch richtig: 1.826,50 EUR)

19 % Mehrwertsteuer:

354,64 EUR (rechnerisch richtig: 347,04 EUR)

offen brutto:

2.221,14 EUR (rechnerisch richtig: 2.173,54 EUR

11
Durch Beschluss vom 26.06.2024 setzte das Landgericht die von der Antragsgegnerin zu 2) an den Beschwerdeführer zu zahlende gesetzliche Vergütung auf 2.228,14 EUR (2.221,14 EUR Anwaltskosten + 7,00 EUR Zustellkosten) nebst Zinsen fest und lehnte die Festsetzung gegen die Antragsgegnerin zu 1) und den Antragsgegner zu 3) ab.
12
Das Landgericht ging davon aus, die Auftraggeber hafteten für die Anwaltsvergütung in einem „eigenartigen Gesamtschuldverhältnis“. Der einzelne Auftraggeber schulde jene Vergütung, die entstanden wäre, wenn der Rechtsanwalt nur diesen Auftraggeber vertreten hätte, § 7 Abs. 2 Satz 1 RVG. Ein Teil dieses Betrages unterliege der Einzelhaftung, der verbleibende Teil der gesamtschuldnerischen Haftung. Erfolgte Zahlungen seien zunächst auf denjenigen Teil des von dem Zahlenden gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 RVG geschuldeten Betrags anzurechnen, für den er alleine hafte. Übersteige die Zahlung den als Einzelschuldner geschuldeten Betrag, so sei der Überschuss auf die Gesamtschuld anzurechnen. Von der tatsächlich angefallenen Anwaltsvergütung von 38.543,45 EUR seien hier 3 × 3.815,98 EUR von den Antragsgegnern zu 1) bis 3) als Einzelschuldner geschuldet. Den weiteren Betrag von 27.095,51 EUR schuldeten die Auftraggeber als Gesamtschuldner.
13
Der von der Antragsgegnerin zu 1) gezahlte Betrag von 30.911,50 EUR sei zunächst auf den von ihr als Einzelschuldnerin geschuldeten Betrag von 3.815,98 EUR und, soweit die Zahlung diesen Betrag übersteige, auf die Gesamtschuld anzurechnen.
14
Der vom Antragsgegner zu 3) gezahlte Betrag von 5.458,41 EUR sei ebenfalls zunächst auf den von ihm als Einzelschuldner geschuldeten Betrag von 3.815,98 EUR und hinsichtlich des übersteigenden Betrages auf die Gesamtschuld anzurechnen.
15
Eine Festsetzung gegen die Antragsgegnerin zu 1) scheide deswegen aus, weil ihr Zahlungsbetrag dem nach § 7 Abs. 2 Satz 1 RVG höchstens von ihr geschuldeten Betrag entspreche. Eine Festsetzung gegen den Antragsgegner zu 3) könne ebenfalls nicht vorgenommen werden, da er durch seine Zahlung seinen Einzelschuldbetrag vollständig beglichen habe. Auch sei durch seine Zahlung und die Zahlung der Antragsgegnerin zu 1) der gesamtschuldnerisch geschuldete Betrag vollständig beglichen worden. Für den noch nicht bezahlten Betrag hafte der Antragsgegner zu 3) daher nicht mehr mit.
16
Soweit die Zahlungen die Einzelschulden der Antragsgegnerin zu 1) und des Antragsgegners zu 3) und die Gesamtschuld überstiegen, habe die Anrechnung auf den von der Antragsgegnerin zu 2) geschuldeten Betrag zu erfolgen, § 11 Abs. 1 Satz 2 RVG.
17
Zustellkosten seien nur in der Höhe festzusetzen, wie sie für Zustellungen an die Antragsgegnerin zu 2) entstanden seien.
18
Es seien folgende Beträge festsetzbar:

Kosten für Zustellungen:

7,00 EUR

Anwaltskosten:

2.221,14 EUR

Summe:

2.228,14 EUR

19
Der Beschwerdeführer legte gegen den Beschluss, welcher ihm am 17.07.2024 zugestellt wurde, mit Schriftsatz vom 30.07.2024, beim Landgericht per beA eingegangen am selben Tag, Beschwerde, hilfsweise Erinnerung insoweit ein, als die beantragte Festsetzung gegen den gesamtschuldnerisch mithaftenden Antragsgegner zu 3) abgelehnt wurde.
20
Mit Schriftsatz vom 14.08.2024 beantragte der Beschwerdeführer, den Beschluss dahingehend zu berichtigen, dass die noch offene Anwaltsvergütung 2.173,54 EUR, nicht 2.221,14 EUR betrage.
21
Ferner begründete er mit dem Schriftsatz die sofortige Beschwerde:
22
Mit dieser werde weiterhin verfolgt, den Betrag in Höhe von 2.173,54 EUR zuzüglich Zustellungskosten auch gegen den Antragsgegner zu 3) festzusetzen, allerdings mit der Maßgabe, dass dieser Betrag von der Antragsgegnerin zu 2) und dem Antragsgegner zu 3) insgesamt nur einmal gezahlt werden müsse.
23
Der Ansatzpunkt, dass mehrere Auftraggeber – wenn auch nur teilweise – als Gesamtschuldner haften würden, sei unzutreffend. Nach dem Wortlaut des § 421 Satz 1 BGB sei Voraussetzung für eine Gesamtschuldnerschaft, dass mehrere Personen die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet seien und der Gläubiger nur einmal fordern dürfe. Daran fehle es hier jedoch, weil keiner der drei Auftraggeber die ganze Leistung schulde. Auch § 7 RVG ordne nicht an, dass Gesamtschuldnerschaft bestehe. Die Konstruktion des § 7 Abs. 2 RVG sei eher mit einer Höchstbetragsbürgschaft vergleichbar. Übertrage man dies, dann schulde jeder Auftraggeber die Vergütung in Höhe von 38.543,45 EUR bis zur Höhe von 30.911,50 EUR. Die Antragsgegnerin zu 1) habe diesen Betrag gezahlt und sei damit aus der Haftung entlassen. Die Antragsgegnerin zu 2) (gemeint offenbar: der Antragsgegner zu 3)) habe einen Betrag in Höhe von 5.458,41 EUR gezahlt, sodass von ihrer Höchstbetragshaftung noch der Restbetrag übrig sei. Der Auftraggeber zu 3) (gemeint offenbar: die Antragsgegnerin zu 2)) habe nichts bezahlt, sodass er noch in voller Höhe hafte. Die Hauptschuld betrage unstreitig nur noch 2.173,54 EUR. Da aber sowohl Antragsgegnerin zu 2) als auch Antragsgegner zu 3) auf diesen Betrag noch hafteten, quasi als Höchstbetragsbürgen, schulde ein jeder auch diesen Betrag.
24
Hätte der Beschwerdeführer im Vorfeld von der Antragsgegnerin zu 1) den gesamten nach § 7 Abs. 2 Satz 1 RVG geschuldeten Betrag verlangt, von der Antragsgegnerin zu 2) den Rest und vom Antragsgegner zu 3) gar nichts, wäre hiergegen nichts einzuwenden gewesen. Warum dies anders sein solle, wenn ein Auftraggeber vorab das zahle, was der Anwalt sonst hätte verlangen können, sei nicht nachzuvollziehen.
25
Wenn man schon das Modell der Gesamtschuldnerschaft übertragen wolle, müsse man berücksichtigen, dass bei drei Personen nicht nur ein Gesamtschuldverhältnis bestehe, sondern vier,
nämlich
Antragsgegnerin zu 1)/Antragsgegnerin zu 2)
Antragsgegnerin zu 2)/Antragsgegner zu 3)
Antragsgegner zu 3)/Antragsgegnerin zu 1)
Antragsgegnerin zu 1)/Antragsgegnerin zu 2)/Antragsgegner zu 3)
26
Mit der Zahlung der Antragsgegnerin zu 1) sei deren Zahlungspflicht erledigt gewesen; damit seien auch alle Gesamtschuldverhältnisse erledigt, an denen sie beteiligt gewesen sei. Es blieben nur noch die Antragsgegnerin zu 2) und der Antragsgegner zu 3) übrig. Diese bildeten wieder ein eigenes Gesamtschuldverhältnis. An diesem Gesamtschuldverhältnis sei aber die Antragsgegnerin zu 1) überhaupt nicht beteiligt. Ihre Zahlung sei dann zu betrachten wie die Zahlung eines Dritten, für die §§ 366, 367 BGB gälten. Die Zahlung sei zunächst auf die unsicheren Forderungen zu verrechnen, mithin die Einzelhaftungen, sodass die Gesamtschuld in Höhe von 2.173,54 EUR noch übrig bleiben würde.
27
Durch Beschluss vom 21.08.2024 berichtigte das Landgericht den Beschluss vom 26.06.2024 dahingehend, dass anstatt eines Betrages in Höhe von 2.228,14 EUR ein Betrag in Höhe von 2.180,54 EUR festgesetzt wurde, und half der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss nicht ab.
28
Mit Schriftsatz vom 15.11.2024 vertiefte der Beschwerdeführer nochmals seine Argumentation.
II.
29
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 11 Abs. 2 Satz 3 RVG, 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO) und hat auch in der Sache im Ergebnis Erfolg.
30
1. Allerdings hat weder das Landgericht noch der Beschwerdeführer berücksichtigt, dass hinsichtlich der bereits vom Antragsgegner zu 3) und der Antragsgegnerin zu 1) geleisteten Zahlungen zunächst § 366 Abs. 1 und Abs. 2 BGB zu prüfen sind.
31
Die Prüfung ergibt, dass im konkreten Fall aus der von allen drei Antragsgegnern geschuldeten Gesamtvergütung noch nach § 11 Abs. 1 Satz 1 RVG festsetzungsfähige (also nicht vorgerichtliche) Ansprüche aus der Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 Nr. 2, 3100 VV RVG aus 627.253,16 EUR in Höhe der Beschwerdesumme offen sind.
32
a. Nach § 366 Abs. 1 BGB wird, wenn der Schuldner dem Gläubiger aus mehreren Schuldverhältnissen zu gleichartigen Leistungen verpflichtet ist und das Geleistete nicht zur Tilgung sämtlicher Schulden ausreicht, diejenige Schuld getilgt, welche der Schuldner bei der Leistung bestimmt. Für eine Tilgungsbestimmung reicht, wenn genau der Betrag einer der Forderungen gezahlt wird (BGH, Beschluss vom 14. Juli 2008 – II ZR 204/07 –, juris Rn. 16).
33
aa. Danach hat hier die Zahlung des Antragsgegners zu 3) vom 16.04.2019 über 5.458,41 EUR, welche genau dem Betrag der an ihn gestellten Rechnung vom 17.01.2019 über die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG aus 580.762,80 EUR nebst Post- und Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer entsprach, zur Tilgung gerade dieser Ansprüche geführt. Von dieser Gebühr hat der Antragsgegner zu 3) mithin alles gezahlt, was er nach § 7 Abs. 2 Satz 1 RVG schuldet.
34
bb. Die Zahlung der Antragsgegnerin zu 1) vom 27.12.2022 über 30.911,50 EUR, welche genau dem Betrag der an sie gestellten Rechnung vom 15.11.2022 entsprach, hat zur Tilgung der dort abgerechneten Ansprüche geführt, soweit sie nach der Zahlung des Antragsgegners zu 3) noch bestanden.
35
Die Antragsgegnerin zu 1) hat mithin jedenfalls nicht auf folgende Positionen der Gesamtvergütung gezahlt:

0,6 (2,4 – Zahlung 1,8) Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG aus 580.762,80 EUR:

2.107,80 EUR zzgl. Umsatzsteuer

0,6 (1,4 – Zahlung 0,8) Verfahrensgebühr gem. Nr. 3101 Nr. 2, 3100 VV RVG aus 627.253,16 EUR:

2.197,80 EUR zzgl. Umsatzsteuer

36
Hinsichtlich der Geschäfts- und Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG aus 580.762,80 EUR sowie der Post- und Telekommunikationspauschale liegt hingegen bezogen auf die insgesamt von den Antragsgegnern geschuldeten Gebühren eine Überzahlung von 2.479,10 EUR zzgl. Umsatzsteuer vor; im Einzelnen:
Geschäfts- und Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG aus 580.762,80 EUR:

geschuldet: 1,9 – 0,75 Anrechnung =

1,15

gezahlt: 1,3 durch Antragsgegner zu 3) + (1,3 – 0,75) durch Antragsgegnerin zu 1) =

1,85

Überzahlung:

0,70

Die Überzahlung beträgt hier mithin 0,7 aus 580.762,80 EUR:

2.459,10 EUR zzgl. Umsatzsteuer.

Post- und Telekommunikationspauschale:
Geschuldet: 2 ×
gezahlt: 1 × durch Antragsgegner zu 3) und 2 × durch Antragsgegnerin zu 1)
Die diesbezügliche Überzahlung beträgt mithin 20,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer.
37
b. Falls die Überzahlung von insgesamt 2.479,10 EUR zzgl. Umsatzsteuer überhaupt auf eine der Positionen verrechnet werden kann, auf die die Antragsgegnerin zu 1) nicht gezahlt hat (was nach hiesiger Auffassung zweifelhaft erscheint), dann wäre jedenfalls nach § 366 Abs. 2 BGB erst auf die Geschäftsgebühr zu verrechnen, da diese die geringere Sicherheit bietet, da sie früher verjährt, so dass die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 Nr. 2, 3100 VV RVG aus 627.253,16 EUR in Höhe der Beschwerdesumme von 2.173,54 EUR verbleibt:
(2.107,80 EUR + 2.197,80 EUR – 2.479,10 EUR) × 1,19 = 2.173,54 EUR
38
2. Der Antragsgegner zu 3) schuldet die Beschwerdesumme von 2.173,54 EUR in voller Höhe.
39
Zwar wurde auf die insgesamt (von allen drei Antragsgegnern) geschuldete 1,4 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 Nr. 2, 3100 VV RVG aus 627.253,16 EUR bereits mindestens eine 0,8 Gebühr (bei Annahme einer Verrechnung der Überzahlung sogar mehr) durch die Antragsgegnerin zu 1) bezahlt. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass der Antragsgegner zu 3) nur noch einen Teil des Rests schuldet.
40
a. Wird der Rechtsanwalt wie hier in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig, erhält er gemäß § 7 Abs. 1 RVG die Gebühren nur einmal. Jeder der Auftraggeber schuldet die Gebühren grundsätzlich (mit Ausnahmen bei der Dokumentenpauschale) so, wie er sie schulden würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre (§ 7 Abs. 2 Satz 1 RVG), der Rechtsanwalt darf aber insgesamt nicht mehr als die Gesamtvergütung fordern (§ 7 Abs. 2 Satz 2 RVG).
41
b. Das Oberlandesgericht Düsseldorf geht in einem Urteil vom 10. März 2009 davon aus, dass die Beträge der Einzelhaftung nach § 7 Abs. 2 Satz 1 RVG zu addieren sind und die Auftraggeber für den nach Abzug der Gesamtvergütung verbleibenden Differenzbetrag als Gesamtschuldner und für den darüber hinausgehenden Betrag ihrer Einzelschuld als Alleinschuldner haften (OLG Düsseldorf, Urteil vom 10. März 2009 – I-24 U 150/08 –, juris Rn. 51 ff.; so auch Gerold/Schmidt, RVG, 26. Aufl., 1008 VV RVG Rn. 300).
42
In dem dem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf zugrunde liegenden Fall waren die beiden Auftraggeber jedoch nicht gemeinschaftlich an demselben Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit beteiligt, sondern die anwaltliche Tätigkeit betraf unterschiedliche Gegenstände (vgl. OLG Düsseldorf a.a.O., Rn. 25).
43
Jedenfalls in einem Fall wie dem vorliegenden, in welchem der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit bei allen Auftraggebern derselbe ist, sodass Nr. 1008 VV RVG zur Anwendung kommt, passt diese Art der Berechnung nicht. Denn jeder der drei Auftraggeber schuldet hier hinsichtlich der Verfahrensgebühr gem. Nr. 3101 Nr. 2, 3100 VV RVG aus 627.253,16 EUR nach § 7 Abs. 2 Satz 1 RVG eine 0,8 Gebühr, eine Addition ergibt mithin 2,4 Gebühren. Wenn man hiervon die geschuldete Gesamtvergütung von 0,8 + 2 × 0,3 = 1,4 Gebühren abzieht, verbleiben 1,0 Gebühren. Die Gesamtschuld läge damit bereits über der geschuldeten Einzelvergütung von 0,8 Gebühren. Bei weiteren Auftraggebern würde irgendwann (hier ab sechs Auftraggebern) die Gesamtschuld die geschuldete Gesamtvergütung überschreiten.
44
c. Auch die vom Landgericht angewandte Methode, jeweils einen Betrag in Höhe der Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG als Alleinschuld und den nach Abzug der Summe dieser Beträge von der Gesamtvergütung verbleibenden Betrag, also einen Betrag in Höhe der Einzelschuld abzüglich einer Erhöhung, als Gesamtschuld zu werten, überzeugt nicht.
45
Denn bei Nr. 1008 VV RVG handelt es sich, wie sich bereits aus dem klaren Wortlaut ergibt, nicht um eine gesonderte Erhöhungsgebühr, die für die einzelnen Auftraggeber anfällt. Vielmehr erhöht sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr für jede weitere Person um 0,3, es entsteht mithin eine einheitliche erhöhte Verfahrens- bzw. Geschäftsgebühr.
46
Vorliegend ergibt sich daher keine Aufteilung der Einzelschuld in einen Gesamtschuldteil und den Betrag der Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG mit der Folge, dass aufgrund der Bezahlung der gesamten Einzelschuld durch die Antragsgegnerin zu 1) der Gesamtschuldteil auch für den Antragsgegner zu 3) erloschen wäre und dieser nur noch jeweils in Höhe des Betrags der Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG haften würde.
47
d. Vielmehr folgt hier aus § 7 Abs. 1 und Abs. 2 RVG, dass der Antragsgegner zu 3) hinsichtlich der Verfahrensgebühr gem. Nr. 3101 Nr. 2, 3100 VV RVG aus 627.253,16 EUR ursprünglich in Höhe einer 0,8 Gebühr hätte in Anspruch genommen werden können, der Beschwerdeführer jedoch insgesamt nicht mehr als eine 1,4 Gebühr verlangen kann. Da bereits eine 0,8 Gebühr gezahlt wurde, kann von dem Antragsgegner zu 3) ebenso wie von der Antragsgegnerin zu 2) noch eine 0,6 Gebühr verlangt werden, jedoch von beiden gemeinsam nicht mehr als eine 0,6 Gebühr zugunsten des Beschwerdeführers erlangt werden.
48
Bei Verrechnung der Überzahlung durch die Antragsgegnerin zu 1) (siehe oben Ziffer 1.b) verringert sich dieser Betrag auf die Beschwerdesumme von 2.173,54 EUR.
49
3. Der Betrag in Höhe von 2.173,54 EUR zuzüglich Zustellungskosten ist damit auch gegen den Antragsgegner zu 3) festzusetzen, entsprechend dem Beschwerdeantrag mit der Maßgabe, dass dieser Betrag von der Antragsgegnerin zu 2) und dem Antragsgegner zu 3) insgesamt nur einmal gezahlt werden muss.
III.
50
Eine Entscheidung über außergerichtliche Kosten war nicht veranlasst; eine Kostenerstattung findet nämlich, auch im Beschwerdeverfahren, nicht statt, § 11 Abs. 2 Satz 6 RVG. Gerichtskosten sind nicht angefallen, da die Beschwerde in vollem Umfang Erfolg hatte (vgl. Nr. 1812 KV GKG).