Inhalt

OLG München, Endurteil v. 07.04.2025 – 33 U 4723/20
Titel:

Sittenwidrigkeit, Mutter des Erblassers, Ehevertrag, Schenkungsversprechen, Ausschluß des Versorgungsausgleichs, Notarielle Verträge, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Auflassungsvormerkung, Weitergabeverpflichtung, Nutzungsrecht, Übereignung, Unentgeltlichkeit, Ehegatten, Zugewinnausgleich, Vertragsschluss, Gebrauchtwagenhandel, Übertragung, Schenkung unter Auflage, Einseitige Lastenverteilung, notarielle Urkunden

Leitsätze:
1. Allein die Erwartung auf eine spätere werthaltige Immobilienschenkung (§ 516 BGB) an einen Ehegatten begründet keinen finanziellen Verzicht bei der Bewertung der Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB) eines Ehevertrags; ein Vermögenserwerb ließe sich zulässigerweise stets so gestalten, dass er von vornherein außerhalb des Zugewinns bleibt. Künftiger und erwartbarer Vermögenserwerb kann daher durch Gestaltung des Güterstands (§§ 1363 ff. BGB) zulässigerweise außerhalb des Zugewinns gehalten werden (erweiternd BGH, Beschluss vom 29.11.2023 – XII ZB 531/22). (Rn. 35)
2. Wird eine Schenkung unter Auflage (§ 525 BGB) nachträglich dahin geändert, dass allein der Beschenkte zu einer Weiterübertragung des geschenkten Grundstücks verpflichtet wird, ohne bestehende Rechte wie lediglich Nießbrauchs-, Verwaltungs-, Befriedigungs- oder Rückgewährrechte und Pflichten einer darin mitwirkenden dritten Vertragspartei anzutasten, ist dieser Dritte i.S.d. § 311 Abs. 1 BGB keine „zwingende Vertragspartei“. Seine Mitwirkung ist für die Wirksamkeit einer Vertragsänderung entbehrlich. (Rn. 38)
3. § 311 Abs. 1 BGB verlangt bei Inhaltsänderungen lediglich die Beteiligung derjenigen Parteien, deren Rechtsposition unmittelbar gestaltet wird. Maßgeblich für die parteirechtliche Einbeziehung ist die materielle Betroffenheit durch die Vertragsänderung; werden eingeräumte Rechte nicht berührt, besteht kein Anspruch der Drittperson auf Beteiligung oder Zustimmung zur Änderungsvereinbarung. (Rn. 39-41)
Schlagworte:
Sittenwidrigkeit Ehevertrag, Schenkungsversprechen, Auflage Grundstücksübertragung, Gütertrennung, Nießbrauchsrechte, Anfechtbarkeit Vertrag, Nachlassverbindlichkeiten
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 06.08.2020 – 23 O 8748/19
Fundstelle:
BeckRS 2025, 11747

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 06.08.2020, Az. 23 O 8748/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000.000,00 € abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.000.000,00 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
1. Die Kläger begehren von den Beklagten Zustimmung zur Übertragung des Grundstücks in M., I. Str. 7, auf die Kläger und den Beklagten zu 2 zu je 1/3 und Bewilligung ihrer Eintragung als Eigentümer im Grundbuch zu je 1/3.
2
2. Die Kläger sind die Kinder aus der ersten, am 30.03.1995 geschiedenen Ehe des am …09.2017 verstorbenen F. H. (im Folgenden: Erblasser). Die Beklagte zu 1 ist seit Eheschließung vom ...1995 die zweite Ehefrau des Erblassers, der Beklagte zu 2 ihr gemeinsamer, 1996 geborener Sohn. Mit Testament vom 15.05.2003 (BK 3) setzte der Erblasser die Parteien zu seinen Erben zu je 1/4 ein.
3
3. Der Erblasser und die Beklagte zu 1 vereinbarten vor ihrer Eheschließung mit notariellem Ehevertrag vom 27.07.1995 (B 3) u.a., dass für die künftige Ehe der Güterstand der Gütertrennung gelten solle, dass die Ehegatten für den Fall lebzeitiger Auflösung der Ehe gegenseitig auf Unterhalt verzichten, soweit der Anspruchsteller nicht das Sorgerecht für gemeinsame eheliche Kinder unter 14 Jahren hat, und dass der Versorgungsausgleich ausgeschlossen sein solle.
4
4. Bei Vertragsschluss betrieb der Erblasser, der nach dem eigenen Vortrag der Beklagten „unternehmerisch bemüht, jedoch wirtschaftlich erfolglos“ war (Schriftsatz vom 19.07.2024, Rn. 60, Bl. 309 ff.) einen Gebrauchtwagenhandel, der nach dem Vortrag der Beklagten geringe Beträge abwarf und 1998 eingestellt wurde (Schriftsatz vom 23.04.2020, S. 10, Bl. 92; Schriftsatz vom 19.07.2024, Rn. 60 f., Bl. 309 ff.). Sein Nettoeinkommen betrug am 30.03.1995 2.000,00 DM (Protokoll des Scheidungsverfahrens vom 30.03.1995, CLPR 2, S. 4). Der Erblasser hatte im Jahr 1985 eine Kapital-Lebensversicherung (K 10, BK 31: Versicherungssumme von 247.615,00 DM im Jahr 1987) und im Jahr 1992 eine private Rentenversicherung über monatliche Altersrenten abgeschlossen (K 9). Er hatte aus seiner am 02.01.1973 im Alter von 16 Jahren begonnenen beruflichen Ausbildung bis zum 21.02.1980 Ansprüche in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben (BK 35). Mit Kaufvertrag vom 09.08.1994 (B 7) hatte der Erblasser die von ihm bewohnte Immobilie S. str. 5, M., die er ursprünglich im Wege der Schenkung von seinen Eltern erhalten hatte, an seine Eltern verkauft, die den Kaufpreis in Höhe von DM 1,7 Mio. unmittelbar an die Gläubiger des Erblassers (B 7, Ziffer II. 5. c) zur Tilgung seiner Schulden aus dem Betrieb des im Jahr 1994 beendeten Fleischgroßhandels A. bezahlten (Bl. 88, Bl. 91 d.A.). Daneben belasteten die Eltern des Erblassers die weitere in ihrem Eigentum stehende Immobilie in der M. straße 4, M., um kreditfinanziert die weiteren Schulden des Erblassers wegzufertigen (vgl. Anlagenkonvolut BK 1, URNr. 1310 R/1995 S. 5).
5
5. Die aus Bulgarien stammende Beklagte zu 2 hatte vor der Eheschließung in Deutschland kein Aufenthaltsrecht. Sie musste das Land am 12.05.1995 auf Grund Ausreiseverpflichtung vom 09.05.1995 (K 4) verlassen und reiste mit einem Visum zur Eheschließung (K 5) wieder nach Deutschland ein.
6
6. Mit notariellem Vertrag vom 12.12.1995 (K 1 „Hausübergabe“) übertrug der Vater des Erblassers, H. H., verstorben am …03.2019, dem Erblasser im Wege einer Schenkung unter Auflagen das in seinem Alleineigentum stehende Grundstück in M., I. Str. 7, unter Vereinbarung eines Rückerwerbsrechts im Falle von Veräußerung, Belastung, Insolvenz oder Vollstreckung in das Grundstück bzw. – nach dem Tod des Vaters – unter Vereinbarung einer Verpflichtung des Erblassers zur Übereignung an seine gegenwärtigen und künftigen leiblichen Kinder. Die Mutter des Erblassers und Ehefrau des H. H., E. H., unterzeichnete den Vertrag mit und erklärte in Ziffer II. 9. u.a.:
„Frau E. H.
a) stimmt hiermit im Hinblick auf § 1365 BGB der Übergabe in allen Teilen zu“.
7
7. Mit notarieller Urkunde vom 15.05.2003 (K 2) vereinbarten H. H. und der Erblasser einen Nachtrag zur Hausübergabe vom 12.12.1995. Unter Ziffer II. „Weiterführende Vereinbarungen“ regelten sie, dass die namentlich genannten Kläger den Haus- und Grundbesitz I. Str. 7 „spätestens beim Ableben ihres Vaters F. H.“ zu je hälftigem Miteigentum bekommen sollten.
8
8. Mit notarieller Urkunde vom 25.06.2008 (K 3, mit Einverständnis und notariellen Vollmachten der Kläger vom 12.06.2008, unterschrieben auch von E. H.) vereinbarten H. H. und der Erblasser einen weiteren Nachtrag zur Übergabe des vorgenannten Grundstücks und regelten in Ziffer II. 1. u.a.:
„Herr F. H. hat, wenn es nicht zur Rückgabe an seinen Vater laut der Übergabeurkunde vom 12. 12. 1995 kommt, das Anwesen an seine drei Kinder
- P. H.,
- V. H.,
- A. H.
als Miteigentümer zu je 1/3 spätestens bei seinem Ableben zu übereignen.“
9
9. Zu Gunsten der drei Kinder wurde am 10.07.2008 eine – bedingte – Auflassungsvormerkung eingetragen (Grundbuchauszug, K 3a).
10
10. Die Kläger haben vor dem Landgericht die Auffassung vertreten, sie hätten bereits aus der im notariellen Vertrag vom 12.12.1995 zwischen dem Erblasser und dessen Vater vereinbarten Weitergabeverpflichtung einen Anspruch auf Übertragung der Immobilie I. Str. 7, M. . Dieser Anspruch sei als Nachlassverbindlichkeit von den Miterben zu erfüllen.
11
11. Die Beklagten haben erstinstanzlich eingewendet, dass in der Urkunde vom 12.12.1995 noch keine allgemeine Weitergabeverpflichtung vereinbart worden sei. Die Verpflichtungen aus den Urkunden aus den Jahren 2003 und 2008 sei unwirksam, da die Schenkung bereits 1995 vollzogen worden sei und die Beklagte zu 1 der nachträglichen Vereinbarung einer Auflage nicht gemäß § 1365 BGB zugestimmt habe. Ihre Zustimmung sei erforderlich gewesen, weil die Immobilie praktisch das ganze Vermögen des Erblassers ausgemacht habe und der Ehevertrag vom 27.07.1995 sittenwidrig gewesen sei. Die Heirat sei für die Beklagte zu 1 die einzige Möglichkeit gewesen, ihren weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu sichern, sie habe nur rudimentär Deutsch gesprochen.
12
12. Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils und die dort gestellten Anträge wird ergänzend Bezug genommen.
13
13. Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Auslegung des Vertrags vom 12.12.1995 ergebe, dass bereits bei der Schenkung im Jahr 1995 eine Weitergabeverpflichtung an die Enkel begründet worden sei. Damit sei ausgeschlossen, dass – die Sittenwidrigkeit des Ehevertrags unterstellt – ein Zustimmungserfordernis gemäß § 1365 BGB bestanden habe.
14
14. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht mit Endurteil vom 18.01.2021 zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil mit Versäumnisurteil vom 28.11.2023 (X ZR 11/21, BGHZ 239, 90 ff.) aufgehoben und die Sache an den Senat zurückverwiesen. Die fragliche Auflage sei wirksam, wenn die Parteien des Schenkungsvertrages – wie hier in den Urkunden von 2003 und 2008 – bereits einen, wenn auch bedingten, Anspruch des Dritten auf Übereignung des geschenkten Gegenstands begründen. Vorliegend sei die Weitergabeverpflichtung allerdings nicht bereits 1995 vereinbart worden, sondern erst in den Urkunden von 2003 bzw. 2008. Es sei daher die behauptete Sittenwidrigkeit des Ehevertrags und ggf. die Voraussetzungen des § 1365 BGB zu prüfen.
15
15. Im wieder eröffneten Berufungsverfahren führen die Beklagten vertieft zur behaupteten Sittenwidrigkeit des Ehevertrags aus. Sie behaupten, der Erblasser sei bei Ehevertragsschluss ökonomisch überlegen gewesen. Zu seinem Vermögen hätten auch ein Anspruch auf Rückgabe entwendeter Gegenständen gegen seine erste Ehefrau im Wert von mindestens 47.000,00 DM sowie Siebdrucke im Wert von 2.000,00 € gehört. Auch habe der Erblasser bei Ehevertragsschluss bereits konkret auf die Schenkung der streitgegenständlichen Immobilie sowie die daraus erzielbaren Mieteinnahmen vertrauen dürfen. Die Unterlegenheit der Beklagten zu 1 habe sich auch daran gezeigt, dass sie der deutschen Sprache kaum mächtig und ihr Aufenthaltsstatus von der Eheschließung abhängig gewesen sei. Im Übrigen sei der Schenkungsvertrag vom 25.06.2008 mangels Mitwirkung der Mutter des Erblassers unwirksam, § 311 BGB, denn die Mutter des Erblassers hätte im Hinblick auf die Aufhebung der vorhergehenden Verwaltungsregelungen in den Verträgen von 1995 und 2003 (K 1 und K 2) zwingend als Vertragspartei mit einbezogen werden müssen. Schließlich werde die Anfechtbarkeitseinrede gemäß § 2083 BGB erhoben, da der Erblasser unter Druck gesetzt worden sei, die Vereinbarungen mit seinem Vater zu schließen.
16
16. Die Beklagten beantragen zuletzt (Bl. 310 d.A.):
1. Das Urteil des Landgerichts München I vom 6. August 2020 (Az.: 23 O 8748/19) wird teilweise abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.
2. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens: Die Revision wird zugelassen.
3. Hilfsweise für den Fall des Unterliegens: Den Beklagten als Miterben des am 6. September 2017 verstorbenen Herrn F. H., zuletzt wohnhaft S. Straße 5, M., wird die Beschränkung ihrer Haftung nach § 780 ZPO im Hinblick auf Hauptforderung und Zinsen vorbehalten.
17
17. Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
18
18. Sie meinen, der Ehevertrag sei nicht sittenwidrig, da kein Vermögensgefälle zwischen den Vertragsparteien bestanden habe und eine einseitige Lastenverteilung nicht ersichtlich sei. Die Mutter des Erblassers habe an den weiteren Nachtragsvereinbarungen nicht mitwirken müssen, gleichwohl sei sie in alles eingebunden gewesen und habe dem Vorgehen zugestimmt. Ein Anfechtungsrecht hinsichtlich des Vertrags vom 25.06.2008 bestehe nicht, insbesondere lägen keine Drohungen vor.
19
19. Ergänzend wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.03.2025 verwiesen.
II.
20
20. Die zulässige Berufung der Beklagten ist in der Sache erfolglos. Das Landgericht hat den Anspruch der Kläger auf Zustimmung zur Übertragung des fraglichen Grundstücks auf die Kläger und den Beklagten zu 2 im Ergebnis zutreffend für begründet erachtet. Die Kläger haben einen Anspruch auf Übertragung des Grundstücks gegen die beklagten Miterben aus dem Schenkungsversprechen gemäß § 2301 BGB im notariellen Vertrag vom 25.06.2008.
21
21. 1. Der Erblasser konnte sich durch Schenkungsversprechen gemäß § 2301 BGB im notariellen Vertrag vom 25.06.2008 wirksam verpflichten, das fragliche Grundstück spätestens bei seinem Ableben an die Kläger und den Beklagten zu 2 zu übereignen.
22
22. 1.1 Eine Auflage, die den Beschenkten verpflichtet, den geschenkten Gegenstand spätestens mit seinem Ableben unentgeltlich auf einen Dritten zu übertragen, kann wirksam vereinbart werden (BGH, Versäumnisurteil vom 28.11.2023, X ZR 11/21, BGHZ 239, 90 ff. Rn. 22 ff.).
23
23. Unter den Tatbestand § 2302 BGB fallen kraft der Verweisung in § 2301 Abs. 1 BGB auch Verpflichtungen in Bezug auf ein Schenkungsversprechen auf den Todesfall (BGH, a.a.O., Rn. 39). Die Anwendung von § 2302 BGB ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Beschenkte den geschenkten Gegenstand in solchen Fällen von vornherein nur unter einer Auflage erhält. Denn wenn eine Schenkung unter einer Auflage der in Rede stehenden Art vereinbart wird, steht dem vom Beschenkten erlangten Vermögensvorteil zwar von Beginn an die Verpflichtung gegenüber, dem begünstigten Dritten ein Schenkungsversprechen von Todes wegen zu erteilen. Auch dies ist aber eine Konstellation, die § 2302 BGB gerade verhindern soll (BGH, a.a.O., Rn. 40 ff.).
24
24. Eine Verpflichtung, den geschenkten Gegenstand spätestens mit dem Ableben unentgeltlich auf einen Dritten zu übertragen, fällt jedoch dann nicht unter § 2302 BGB, wenn die Vereinbarung bereits einen – wenn auch bedingten – Anspruch des Beschenkten begründet, denn § 2302 BGB verbietet nur die Verpflichtung, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten, nicht zu errichten, aufzuheben oder nicht aufzuheben, nicht aber die Vornahme solcher Rechtshandlungen (BGH, a.a.O., Rn. 43 f.).
25
25. 1.2 Hier hat sich der Erblasser mit notariellem Vertrag vom 25.06.2008 verpflichtet, das Grundstück spätestens mit seinem Ableben an seine Kinder zu übereignen. Damit ist der Erblasser bereits mit Abschluss des Vertrags zur Übereignung an die Begünstigten verpflichtet, und nicht nur zur Abgabe eines Schenkungsversprechens im Sinne von § 2302 BGB. Allerdings steht der Anspruch der Begünstigten unter der Bedingung, dass diese den Erblasser überleben, und kann erst mit dessen Ableben durchgesetzt werden.
26
26. Die hier greifende Formvorschrift des § 2301 BGB wurde durch den notariellen Erbvertrag eingehalten (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 60 ff.).
27
27. 2. Der notarielle Vertrag vom 25.06.2008 bedurfte nicht der Zustimmung der Beklagten zu 1 gemäß § 1365 BGB, da der Erblasser und die Beklagte zu 1 im Ehevertrag vom 27.07.1995 wirksam Gütertrennung vereinbart hatten. Eine Sittenwidrigkeit des Ehevertrags ergibt sich bei einer Gesamtwürdigung der Regelungen nicht.
28
28. 2.1 Die Beurteilung einer etwaigen Sittenwidrigkeit eines Ehevertrags hat die individuellen Verhältnisse beim Vertragsschluss, insbesondere also die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehegatten, den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe sowie die Auswirkungen der Regelungen auf die Ehegatten und etwaige Kinder einzubeziehen. Subjektiv sind sodann die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen Beweggründe zu berücksichtigen. Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt wird (BGH, Beschluss vom 29.11.2023, XII ZB 531/22, juris Rn. 22 m.w.N.; BGH, Urteil vom 11.02.2004, XII ZR 265/02, BGHZ 158, 81 ff., Rn. 45).
29
29. 2.2 Zwar kann nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ausnahmsweise auf eine sittenwidrige Zwangslage geschlossen werden, wenn der mit dem Verlangen nach Abschluss eines Ehevertrags konfrontierte Ehegatte erkennbar in einem besonderen Maße auf die Eheschließung angewiesen ist, etwa wenn ein ausländischer Vertragspartner bei der Aushandlung eines Ehevertrags seinen Lebensplan, dauerhaft unter Verbesserung seiner Lebensverhältnisse in Deutschland ansässig und erwerbstätig zu werden, nur unter der dem anderen Vertragspartner bekannten Voraussetzung der Eheschließung verwirklichen kann (BGH, Beschluss vom 17.01.2018, XII ZB 20/17, juris Rn. 21 m.w.N.). Hier konnte die Beklagte zu 1 nach der Ausreiseverpflichtung zum 12.05.1995 erkennbar erst aufgrund des Visums zur Eheschließung mit dem Erblasser wieder nach Deutschland einreisen.
30
30. Allerdings kann auch bei Vorliegen einer Zwangslage, wie hier der ausländerrechtlichen Komponente, nur dann eine Sittenwidrigkeit des Ehevertrags im Sinne von § 138 Abs. 1, 2 BGB bejaht werden, wenn das objektive Zusammenwirken der Regelungen auf eine einseitige Benachteiligung eines Vertragspartners abzielt (BGH, a.a.O., Rn. 18 ff.). Im hiesigen Fall aber liegt eine solche einseitige Benachteiligung zulasten der Beklagten zu 1 im Sinne der o.g. Rechtsprechung nicht vor.
31
31. (1) Nach dem eigenen Vortrag der Beklagtenpartei im gesamten Rechtsstreit verfügte der Erblasser zum Zeitpunkt des Ehevertragsschlusses am 27.07.1995 über kein wesentliches eigenes Vermögen. Auch das weitere Vorbringen der Beklagten nach den gerichtlichen Hinweisen vom 03.02.2025 im Schriftsatz vom 07.03.2025 (Bl. 423 ff., Rn. 16 ff.) lässt keine ökonomische Überlegenheit des Erblassers bei Vertragsschluss erkennen. Der Vortrag zu Ansprüchen auf entwendete Gegenstände gegen die erste Ehefrau im Wert von mindestens 47.000,00 DM sowie zu Siebdrucken blieb vage und würde jedenfalls als Anfangsvermögen auch im Rahmen eines Zugewinnausgleichs nicht zum Ausgleich gebracht werden. Ein monatliches Nettoeinkommen von 2.000,00 DM aus dem Gebrauchtwagenhandel sowie die Lebens- bzw. Rentenversicherungen stellten 1995 allenfalls eine geringe finanzielle Absicherung dar, die kein die Sittenwidrigkeit begründendes Gefälle des finanziellen Status im Vergleich zur Beklagten zu 1 zu begründen vermag. Im Gegenteil zeigen die Vereinbarungen im Rahmen des Verkaufs der Immobilie S. str. 5 an die Eltern des Erblassers, dass der Erblasser im Jahr 1994 hohe Schulden angehäuft hatte. Damit kommt es auch nicht darauf an, dass die Beklagten im Widerspruch zu ihrer bisherigen Darstellung, der Gebrauchtwagenhandel sei als Einzelunternehmen mangels Anlage- und Umlaufvermögen wertlos gewesen (Schriftsatz vom 23.04.2020, S. 9, Bl. 92), ersichtlich ins Blaue hinein nunmehr einen Wert des Unternehmens von DM 75.000,00 behaupten.
32
32. Soweit die Beklagtenpartei im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 03.04.2025 neu zu den Vermögensverhältnissen des Erblassers im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorträgt, ist dieser Vortrag bereits verspätet und nicht zuzulassen, § 531 Abs. 2 ZPO. Im Übrigen verhilft das Vorbringen der Berufung auch nicht zum Erfolg, denn entgegen der Darstellung der Beklagten beschränkt sich die Würdigung des Senats nach Vorstehendem keineswegs auf den Vortrag der Beklagten in erster Instanz. Vielmehr haben die Beklagten auch im Berufungsverfahren in gleicher Weise wie erstinstanzlich vorgetragen (vgl. Schriftsatz vom 19.07.2024, Bl. 309 ff., Rn. 60 f.) und dabei ausdrücklich auf ihre erstinstanzliche Darstellung verwiesen. Soweit die Beklagten auf Zuwendungen des Erblassers an seine Kinder Bezug nehmen, lassen solche schon nicht den Schluss auf den Eigenerwerb derartiger Mittel durch den Erblasser zu. Soweit die Beklagten behaupten, die erworbenen Rentenanwartschaften beliefen sich im Jahr 2017 auf 161,73 €, hat dies ersichtlich für die Beurteilung keine Relevanz. Die Vereinbarung der Gütertrennung stellt sich damit als neutral dar.
33
33. Auch die weiteren Regelungen zielten nicht auf eine einseitige Benachteiligung der Beklagten zu 1. So kam der Ausschluss des Versorgungsausgleichs eher ihr zugute, da der bei Eheschließung bereits 38-jährige Erblasser seit seinem 23. Lebensjahr nicht mehr abhängig erwerbstätig gewesen war und auch aus seiner Ausbildungszeit keine nennenswerten Anwartschaften im Versorgungsausgleich erworben hatte. Der bei Eheschließung 22-jährigen Ehefrau sollten mithin die von ihr im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung künftig zu erwerbenden Anwartschaften verbleiben. Der Betreuungsunterhalt war weiterhin geschuldet, der gegenseitige Ausschluss des sonstigen Unterhalts fällt nach den Gesamtumständen nicht ins Gewicht.
34
34. Damit ist hier eindeutig zu verneinen, dass die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig zu einer derart einseitigen Lastenverteilung im Scheidungsfall führen würde, dass ihr – und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und ihrer Lebensverhältnisse – wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten, § 138 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 11.02.2004, XII ZR 265/02, BGHZ 158, 81 ff., Rn. 45).
35
35. (2) Dass ein wesentlicher Vermögenserwerb des Erblassers aus eigener Kraft zu erwarten war, mithin bereits bei Vertragsschluss feststand, dass die Beklagte zu 1 auf erheblichen Vermögensvorteile verzichten würde, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Anders als die Beklagten meinen, kann es nicht als finanzieller Verzicht der Beklagten zu 1 gewertet werden, dass bereits bei Ehevertragsschluss die Schenkung der Immobilie I. Str. 7, M., sowie die daraus erzielbaren Mieteinnahmen in Aussicht gestanden hätten. Denn der zu erwartende Immobilienerwerb von den Eltern hätte an einem Zugewinn vorbei gestaltet werden können, was unzweifelhaft möglich war, weil das Güterrecht nicht dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zuzuordnen ist und der Zugewinnausgleich mithin – auch wegen der gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen verschiedenen Güterstände – einer ehevertraglichen Gestaltung am weitesten zugänglich ist (BGH, Beschluss vom 29.11.2023, XII ZB 531/22, juris Rn. 19 m.w.N.). Die Mieteinnahmen wurden erwartbar vertraglich ohnehin den Nießbrauchsberechtigten H. und E. H. zugewiesen (K 1, Ziffer II. 4), soweit nicht die Verwendung zur Tilgung von Schulden des Erblassers vereinbart wurde (K 1, Ziffer II. 7 b).
36
36. 2.3 Dass die Beklagte zu 1 nicht gewusst hätte, dass sie am 27.07.1995 einen Ehevertrag unterschrieben hat, hat sie schon nicht dargetan. Die Anfechtung hat sie nicht erklärt.
37
37. 3 Einer Mitwirkung von E. H., der Ehefrau des Schenkers des vorgenannten Grundstücks H. H., bedurfte der Vertrag vom 25.06.2008 entgegen der Ansicht der Beklagten nicht.
38
38. 3.1 Das fragliche Grundstück stand unstreitig zunächst im Alleineigentum des Vaters des Erblassers. Damit war seine Ehefrau bei einer etwaigen Übertragung nicht zwingend Vertragspartei. Zwar waren in der Vereinbarung zur Hausübergabe vom 12.12.1995 (K 1) auch E. H. Rechte eingeräumt worden, namentlich Rückgewährrechte und Ansprüche nach dem Tod von H. H. (K 1, Ziffer II. 2), der Nießbrauch auf Lebensdauer bedingt durch den Tod von H. H. (K 1, Ziffer II. 4) und die Verwaltung des Anwesens bis zum Ableben (K 1, Ziffer II. 7). Auch der Verzicht auf erbrechtliche Ansprüche gegen den Erblasser wurde vereinbart (K 1, Ziffer II. 9 c). Entsprechend unterzeichnete auch E. H. diesen Vertrag und erklärte ihre Zustimmung nach § 1365 BGB (K 1, Ziffer II. 9.).
39
39. 3.2 Im Nachtrag 2003 (K 2) dagegen war E. H. zurecht nicht mehr Vertragspartei, § 311 BGB, denn der Vater des Erblassers und der Erblasser vereinbarten hierin nur Abweichungen zur Verpflichtung des Erblassers, das Grundstück nach dem Tod des Übergebers in bestimmten Fällen (Insolvenz, Ablehnung mangels Masse, Zwangsvollstreckung) an seine Kinder weiterzugeben, womit ursprünglich die gegenwärtigen und künftigen leiblichen Kinder gemeint waren (K 1, Ziffer II. 6), 2003 dann nur noch die Kinder aus erster Ehe (K 2, Ziffer II. 1).
40
40. Rechte von E. H. waren damit nicht betroffen, wie ausdrücklich hinsichtlich des lebenslangen Nießbrauchs geregelt wurde (K 2, a.a.O., a.E.). Auch die Verwaltungsrechte wurden explizit unverändert bei den Nießbrauchsberechtigten belassen (K 2, Ziffer II. 2. d, Ziffer II. 5 b a.E.). Die Nutzungsrechte (K 2, Ziffer II. 3) und Mieterträge (K 2, Ziffer II. 4) konnte der Vater des Erblassers als bis zu seinem Tod allein Nießbrauchsberechtigter ohne weitere Voraussetzung einräumen, zumal auch die Nutzungsrechte erst nach dem Ableben von E. H. gelten sollten (K 2, Ziffer II. 3 vorletzter Absatz).
41
41. 3.3. Auch in der Vereinbarung vom 25.06.2008 war E. H. zurecht nicht mehr Vertragspartei, § 311 BGB, denn auch hier wurden ihre bereits im Vertrag von 12.12.1995 (K 1) eingeräumten Rechte nicht tangiert. Wie schon in der Vereinbarung vom 15.05.2003 (K 2) wurden Nießbrauch, Nutzungsrechte und Verwaltung durch E. H. gegenüber der Regelung von 1995 (K 1) nicht verändert (K 3 Ziffer II. 5, 6). Zudem hat E. H. zur begleitenden Vereinbarung hinsichtlich Nutzung und Verwaltung ausweislich der Notarsurkunde vom 12.06.2008 ausdrücklich ihr Einverständnis gegeben (K 3, B 25).
42
42. 3.4 Einer Zustimmung zu den Vereinbarungen 2003 und 2008 unter dem Gesichtspunkt des § 1365 BGB bedurfte es nicht, da die relevante Vermögensverschiebung bereits mit Vertrag vom 12.12.1995 (K 1) stattgefunden hatte, der E. H. ausdrücklich nach § 1365 BGB zugestimmt hatte. Der Erbvertrag von H. und E. H. vom 18.10.2006 (K 12) ist insoweit irrelevant.
43
43. 4. Mangels dargetaner Anfechtbarkeit des Vertrags vom 25.06.2008 steht den Beklagten – wozu im Verfahren zwischen den Parteien umfangreich vorgetragen wurde – auch keine Anfechtbarkeitseinrede zu, §§ 2078, 2083 BGB. Zu dem entsprechenden Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 24.03.2025 hat die Beklagtenpartei nichts vorgebracht und auch keine Schriftsatzfrist beantragt. Auch im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 03.04.2025 tragen die Beklagten inhaltlich nicht weiter vor.
44
44. 4.1 Soweit die Beklagten aus der Drucksituation, die der Erblasser in seinem Testament vom 15.05.2003 (BK 3) formuliert hat, eine Anfechtbarkeit der Vereinbarung vom 25.06.2008 (K 3) ableiten wollen (Bl. 443 d.A.), wird schon nicht vorgetragen, dass sich der Erblasser auch 2008 unter Druck sah. In seinem Testament beschreibt der Erblasser konkret einen seelischen Druck zur Unterzeichnung des Vertrags vom 15.05.2003; eine solche Situation ist für den Zeitpunkt der Vereinbarung vom 25.06.2008 nicht ersichtlich.
45
45. 4.2 Zu einer Drucksituation hinsichtlich der Erteilung weiterer Aufträge für die Hausverwaltung (Bl. 444) tragen die darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nur vage vor, ohne dass ein Bezug zur Vereinbarung vom 25.06.2008 (K 3) ersichtlich würde.
46
46. 5. Der Hilfsantrag nach § 780 ZPO ist unbegründet. Der geltend gemachte Anspruch bezieht sich ausschließlich auf einen Nachlassgegenstand.
III.
47
47. Die Kostenentscheidung bei vorliegender Gesamtschuldklage (Grüneberg/Weidlich, BGB, 84. Aufl. 2025, § 2059 Rn. 11 m.w.N.) beruht auf §§ 97, 100 Abs. 4 ZPO.
48
48. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Bei der Bemessung der Sicherheitsleistung war zu berücksichtigen, dass zugunsten der Kläger und des Beklagten zu 2 bereits eine Auflassungsvormerkung für das Grundstück im Grundbuch eingetragen ist, §§ 894, 895 ZPO.
49
49. Der Streitwert war auf 2.000.000,00 € festzusetzen (BGH, Beschluss vom 28.11.2023, X ZR 11/21, Bl. 130/131 d.A. BGH).
50
50. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.