Inhalt

VG München, Urteil v. 15.05.2025 – M 27 K 23.4470
Titel:

Ausweisung, Kosovarischer Staatsangehöriger, Verurteilung zu Freiheitstrafe von einem Jahr und neun Monaten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a., Strafaussetzung zur Bewährung, Generalpräventive Gründe, Änderung der Rechtslage nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes, Erlass und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, Abschiebungsandrohung, Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis

Normenketten:
AufenthG § 53
AufenthG § 54 Abs. 1 Nr. 1b
AufenthG § 55 Abs. 2 Nr. 2
AufenthG § 11
Schlagworte:
Ausweisung, Kosovarischer Staatsangehöriger, Verurteilung zu Freiheitstrafe von einem Jahr und neun Monaten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a., Strafaussetzung zur Bewährung, Generalpräventive Gründe, Änderung der Rechtslage nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes, Erlass und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, Abschiebungsandrohung, Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis
Fundstelle:
BeckRS 2025, 11588

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der 27-jährige Kläger kosovarischer Staatsangehörigkeit begehrt Rechtsschutz hinsichtlich seiner Ausweisung samt Abschiebungsandrohung und Einreise- und Aufenthaltsverbot sowie die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.
2
Der Kläger wurde im Kosovo geboren, besuchte dort die Schule und schloss eine Ausbildung im Bereich „Post- und Telekommunikationstechnik“ ab. Sein Vater verstarb im Jahr 1998 im Kosovo-Krieg, seine Mutter im Jahr 2015 aufgrund einer Erkrankung. Der Kläger reiste am … … … mit einem nationalen Visum zur Arbeitsaufnahme in das Bundesgebiet ein. Am … … … wurde ihm eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 Abs. 3 AufenthG i.V.m. § 26 Abs. 2 BeschV erteilt, die zuletzt am … … … bis zum … … … verlängert worden ist. Der Kläger war zunächst bei einer Firma für Heizungs- und Sanitärbau beschäftigt. Seit dem 1. August 2017 ist er als Kommissionierer bei der Firma „F.“ tätig.
3
Der Kläger trat strafrechtlich wie folgt in Erscheinung:
4
1. Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 7. April 2021 (951 Cs 412 Js 129382/21), rechtskräftig seit dem 5. Mai 2021, Verurteilung zu einer Geldstrafe in Höhe von 25 Tagessätzen wegen fahrlässigen Fahrens ohne Fahrerlaubnis; Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger lediglich im Besitz einer kosovarischen Fahrerlaubnis, die nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet berechtigte, einen Pkw führte.
5
2. Strafbefehl des Amtsgerichts Dachau vom 29. März 2022 (5 Ds 63 Js 16122/21), rechtskräftig seit dem 20. April 2022, Verurteilung zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen wegen Geldwäsche. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger Unbekannten sein Konto zum Empfang betrügerisch erlangter Gelder zur Verfügung stellte.
6
3. Urteil des Landgerichts München II vom 15. März 2023 (2 KLs 46 Js 27455/22), rechtskräftig seit dem 23. März 2023, Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten sowie einer Geldstrafe in Höhe von 200 Tagessätzen wegen bewaffneten Handeltreibens mit und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie Inverkehrbringens von Falschgeld unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Dachau vom 29. März 2022. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Der Kläger befand sich vom 26. Juli 2022 bis zum 15. März 2023 in dieser Sache in Untersuchungshaft. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger 300 g Marihuana erwarb, von denen er ein Drittel gewinnbringend weiterverkaufen und zwei Drittel selbst konsumieren wollte. 200 g hiervon bewahrte er später in seinem Zimmer in der Wohnung seines Bruders auf. Zudem bewahrte er dort in einem Abstand von ca. zwei Metern ein Messer auf. Zusätzlich lag der Verurteilung zugrunde, dass der Kläger falsche Banknoten in Höhe von insgesamt 360 EUR erhielt, die er anschließend teilweise als Trinkgeld in einer Table Dance Bar übergab. Hinsichtlich des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln hat das Strafgericht den Strafrahmen des minder schwereren Falles angewandt. Zu Gunsten des Klägers berücksichtigte es insbesondere, dass es sich um eine „weiche“ Droge handelte, sowie das Geständnis des Klägers, seine Substanzmittelstörung und die diesbezügliche Therapiebereitschaft.
7
Der Kläger wurde mit Schreiben des Landratsamts … (Landratsamt) vom … … zu seiner beabsichtigten Ausweisung angehört.
8
Dazu nahm der Kläger mit Schreiben vom 2. Juni 2023 dahingehend Stellung, dass er wisse, dass er mit seinen Straftaten einen großen Fehler gemacht habe. Die Hauptursache sei, dass er von Cannabis abhängig gewesen sei. Er habe die Inhaftierung als Chance begriffen, um aus dem Drogenkonsum auszusteigen und habe seitdem kein Cannabis mehr konsumiert. Sein Onkel und seine Tante seien seine Ersatzeltern, aber auch sein Bruder und seine Cousins, die alle im Bundesgebiet leben würden, seien sehr wichtig für den Kläger. Im Kosovo habe er nach dem Tod seiner Eltern nur noch wenige Verwandte. Seit 2017 arbeite er für dieselbe Firma. Sein Chef habe ihn auch während der Untersuchungshaft nicht gekündigt und sei sehr zufrieden mit ihm. Laut einer vorgelegten Bestätigung einer Suchtberatungsstelle vom … … … habe der Kläger die bislang drei Beratungstermine offen und motiviert wahrgenommen. Vorgelegt wurde zudem ein negatives Drogenscreening vom … … …
9
In einem Bericht vom … … … nimmt die Bewährungshelferin des Klägers dahingehend Stellung, dass dieser regelmäßig und zuverlässig mit ihr in Kontakt stehe. Seine Lebenssituation wirke sehr geordnet. Die Geldstrafe habe der Kläger bereits gezahlt. Die Bewährungsauflage habe er begonnen, in Raten abzubezahlen. Auch die Verfahrenskosten wolle er schnellstmöglich begleichen. Der Kläger habe die Untersuchungshaft genutzt, um den Cannabiskonsum vollständig einzustellen. Die Inhaftierung hätte beim Kläger einen tiefen Eindruck hinterlassen. Aus Sicht der Bewährungshilfe gebe es die begründete Erwartung, dass er künftig nicht mehr straffällig werde.
10
Seit dem … … … ist der Kläger im Besitz einer Duldungsbescheinigung mit Arbeitserlaubnis, die zuletzt bis zum … … … verlängert worden ist.
11
Mit Bescheid des Landratsamts vom 24. August 2023, zugestellt am 26. August 2023, wurde der Kläger ausgewiesen (Ziff. 1). Es wurde eine Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen und auf die Dauer von sechs Jahren ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziff. 2). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb von vier Wochen nach Bestandskraft des Bescheids zu verlassen (Ziff. 3). Mit Eintritt der Vollziehbarkeit sei der Kläger zur Ausreise verpflichtet. Die Abschiebung könne auch in einen anderen Staat, in den er einreisen darf bzw. der zu seiner Übernahme verpflichtet ist, erfolgen (Ziff. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es liege ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1b AufenthG und ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG (a.F.) vor. Der Kläger könne sich lediglich auf das schwerwiegende Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG berufen. Der Kläger werde sowohl aus general- als auch aus spezialpräventiven Gründen ausgewiesen. Obwohl Ermittlungsverfahren gegen ihn gelaufen seien, habe er erneut Straftaten begangen. Er sei in den letzten drei Jahren drei Mal verurteilt worden. Die positiven Prognosegesichtspunkte, die seine Bewährungshelferin mitgeteilt habe, hätten wenig Gewicht, da ein laufendes Ausweisungsverfahren einen erheblichen Legalbewährungsdruck erzeuge. Ein Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK liege nicht vor, da der Kläger den Großteil seines Lebens im Kosovo verbracht habe, albanisch spreche und Geld gespart habe, um dort ein Haus zu bauen. Der Kosovo sei kein fremdes Land für ihn. Der Kläger habe zwar familiäre Bindungen in Deutschland, er sei als volljähriger Mann jedoch nicht auf die Unterstützung seines Bruders und seiner Verwandten angewiesen. Der Kläger sei arbeitsfähig und könne bei Rückkehr in den Kosovo selbst seinen Lebensunterhalt bestreiten.
12
Dagegen hat der Kläger am 8. September 2023 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und zuletzt beantragen lassen,
13
1. den Bescheid vom 24. August 2023 in der Fassung vom 13. März 2025 aufzuheben und
14
2. den Beklagten zu verpflichten, die dem Kläger am 27. Juli 2020 erteilte Aufenthaltserlaubnis zu verlängern.
15
Zur Begründung wurde Schriftsätzen vom 23. November 2023, 13. Februar, 6. März sowie 10. März 2025 im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger sei „nur“ wegen Handeltreibens mit Marihuana verurteilt worden. Die in seiner Wohnung vorgefundene Menge sei zu zwei Dritteln für den Eigenkonsum bestimmt gewesen. Zudem sei ein minder schwerer Fall angenommen und er lediglich auf Bewährung verurteilt worden. Der strafschärfende Umstand der mitgeführten Waffe könne nicht gegen den Kläger verwendet werden. Das bisherige strafrechtliche Erscheinungsbild des Klägers weise keine Gewalttaten auf. Das Herumliegen des Küchenmessers führe zwar zur Tatbestandsverwirklichung, sage jedoch nichts über die Gefahr des Klägers für die Allgemeinheit aus. Die Verurteilung wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis habe auf dem Irrtum beruht, seine kosovarische Fahrerlaubnis hätte noch Gültigkeit gehabt. Die Verurteilung wegen Geldwäsche sei kein so schweres Delikt, dass man von einer Wiederholungsgefahr oder schlechten Zukunftsprognose sprechen müsse. Vorgelegt wurde unter anderem ein undatiertes Schreiben seines Arbeitgebers, in dem dieser sich für den Kläger einsetzt, ein Drogenscreening vom … … … mit negativem Ergebnis, ein Gutachten über eine Untersuchung von Haaren und ein Polytoxikologisches Screening vom 14. bis 21. Februar 2025, das feststellt, dass der Kläger für einen Zeitraum von drei bis vier Monaten vor der Haarprobenentnahme am … … … keine Suchtmittel konsumiert hat, sowie ein Bericht der Bewährungsstelle des Landgerichts München II vom … … 2025, aus dem sich ergibt, dass sich die Lebenssituation des Klägers als sehr stabil darstelle, er den Weisungen zuverlässig nachkomme, einen Minijob angenommen habe, um die ausstehenden Verfahrenskosten und Geldstrafen zu bezahlen und sich glaubhaft von jeglichem Drogenkonsum distanziert habe. Aus Sicht der Bewährungshilfe seien keine konkreten Risikofaktoren gegeben.
16
Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 29. September 2023 die Behördenakten vorgelegt und beantragt,
17
die Klage abzuweisen.
18
Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2023 im Wesentlichen ausgeführt, die strafrechtlichen Bewertungen könnten vom Landratsamt nicht beurteilt werden und seien nicht Bestandteil des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens. Vom Kläger gehe aktuell eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus.
19
Das Gericht hat am 13. März 2025 mündlich zur Sache verhandelt. Der Vertreter des Beklagten hat erklärt, die unter Ziff. 2 des streitgegenständlichen Bescheids genannte sechsjährige Frist um ein Jahr auf die Dauer von fünf Jahren zu verkürzen. Zudem hat er Ziff. 3 des Bescheids um den Satz „Verlässt Herr M. die Bundesrepublik Deutschland nicht innerhalb der genannten Frist, wird er in den Kosovo abgeschoben“ ergänzt. Die Beteiligten haben sich mit dem Übergang in das schriftliche Verfahren einverstanden erklärt.
20
Mit Schriftsätzen vom 19. März sowie 7. April 2025 führte der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen ergänzend aus, es liege „nur“ ein schweres Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 AufenthG vor. Nach dem jetzt geltenden Cannabiskonsumgesetz werde der Besitz von 200 g Marihuana zum Eigenverbrauch nur mit einer Geldstrafe im unteren Bereich geahndet. Auch insgesamt hätte der Kläger nach der neuen Gesetzeslage eine wesentlich geringere Strafe – möglichweise auch nur eine Geldstrafe – zu erwarten gehabt. Dies müsste in die Prüfung der Wiederholungsgefahr und des generalpräventiven Vorgehens einfließen. Sofern das Gericht dem nicht folgen werde, werde wegen der geänderten Gefahrensituation beantragt, die Berufung gegen das Urteil zuzulassen. Der Kläger habe nachweisen können, dass er seit seiner Verurteilung drogenfrei geblieben sei. Soweit das Landratsamt meine, dies sei eine Selbstverständlichkeit, stelle dies eine unsachgemäße Abqualifizierung des Verhaltens des Klägers dar. Die verkürzte Sperrfrist sei immer noch zu hoch.
21
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung am 13. März 2025 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22
1. Die Klage ist teilweise unzulässig, im Übrigen unbegründet.
23
1.1 Die Verpflichtungsklage mit dem Antrag, die dem Kläger am … … … erteilte Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses bereits unzulässig. Ein entsprechender Verlängerungsantrag ist nicht zuvor beim Landratsamt gestellt worden. Der Antrag wäre im Übrigen auch unbegründet, da der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis die ausweisungsbedingte Titelerteilungssperre entgegensteht (§ 11 Abs. 1 Satz 3 a.E. AufenthG).
24
1.2 Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid in der Fassung vom 13. März 2025 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
25
1.2.1 Die Ausweisungsverfügung in Ziff. 1 des streitgegenständlichen Bescheides erweist sich als rechtmäßig.
26
Die Ausweisung findet ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1 AufenthG. Hiernach wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
27
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung der Ausweisungsentscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (stRspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 11 m.w.N.). Der Entscheidung sind daher die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162), zuletzt geändert durch G.v. 25. Oktober 2024 (BGBl I Nr. 332), zugrunde zu legen.
28
Im Fall des Klägers liegt jedenfalls aus generalpräventiven Gründen eine noch im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt fortbestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vor und bei einer Abwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der Ausreise die Bleibeinteressen des Klägers.
29
Das Gericht sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und folgt den nicht zu beanstandenden generalpräventiven Erwägungen (S. 7 f. des Bescheids) des Beklagten (§ 117 Abs. 5 VwGO). Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
30
Eine Ausweisung nach § 53 Abs. 1 AufenthG kann (alleine) auf generalpräventive Gründe gestützt werden. Vom maßgeblichen weiteren Aufenthalt eines Ausländers, der eine Straftat begangen hat, kann auch dann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn von ihm selbst keine (Wiederholungs-)Gefahr ausgeht, im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer aber nicht wirksam davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (vgl. BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 17). Dabei bedarf es keiner Verurteilung wegen besonders schwerwiegender Delikte für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wie etwa Drogendelikten oder Delikten im Zusammenhang mit organisierter Kriminalität oder Terrorismus. Erforderlich ist lediglich, dass die Ausweisung an Straftaten oder Verhaltensweisen anknüpft, bei denen sie nach allgemeiner Lebenserfahrung geeignet erscheint, andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten, im Einzelfall so etwa bei Falschangaben zur Erlangung der Duldung, einer Identitätstäuschung gegenüber der Ausländerbehörde, Falschangaben im Visumsverfahren, Verletzung der Passpflicht oder Körperverletzung. Darüber hinaus sind Art und Schwere der jeweiligen Anlasstat lediglich im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen (vgl. BayVGH, U.v. 12.10.2020 – 10 B 20.1795 – juris Rn. 33 m.w.N.). Dies gilt grundsätzlich auch bei in Deutschland verwurzelten Ausländern (vgl. BVerwG, U.v. 14.2.2012 – 1 C 7.11 – juris Rn. 20 ff.).
31
Angeknüpft werden kann dabei nur an ein Ausweisungsinteresse, das zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung noch aktuell ist. Dabei ist für die gefahrabwehrrechtliche Beurteilung eines eintretenden Bedeutungsverlustes eines strafrechtlich relevanten Handelns die einfache Verjährungsfrist des § 78 Abs. 3 StGB eine untere Grenze, die absolute Verjährungsfrist des § 78c Abs. 3 Satz 2 AufenthG eine obere Grenze. In diesem Zeitrahmen ist der Fortbestand des Ausweisungsinteresses an generalpräventiven Erwägungen zu ermitteln. Bei abgeurteilten Straftaten bilden die Tilgungsfristen des § 46 BZRG eine absolute Obergrenze für die Annahme eines noch bestehenden generalpräventiven Ausweisungsinteresses (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 22 f.; U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 18 f.). Eine angemessene generalpräventive Wirkung der Ausweisung ist nicht zu erwarten bzw. ein Bedürfnis für ein generalpräventives Einschreiten besteht nicht, wenn der Sachverhalt Besonderheiten, insbesondere derart singuläre Züge aufweist, dass die beabsichtigte Abschreckungswirkung nicht eintritt (vgl. BayVGH, B.v. 12.11.2020 – 10 ZB 20.1852c – juris Rn. 7).
32
Hiernach liegt es im öffentlichen Interesse, die vom Kläger begangenen Delikte im Bereich der Betäubungsmittelkriminalität und der Vermögensdelikte mit dem Mittel der Ausweisung zu bekämpfen, um auf diese Weise andere Ausländer von der Nachahmung eines solchen Verhaltens abzuschrecken. Die ausländerrechtliche Reaktion auf die zum Entscheidungszeitpunkt erst etwas mehr zwei Jahre zurückliegende Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, der Geldwäsche und des Inverkehrbringens von Falschgeld ist geeignet, eine Abschreckungswirkung bei anderen Ausländern zu erzeugen. Dies gilt insbesondere, da das Betäubungsmitteldelikt ein besonders schwerwiegendes Delikt, das die öffentliche Sicherheit und Ordnung besonders beeinträchtigt, darstellt. Der Sachverhalt weist auch keine derartigen Besonderheiten auf, dass eine Abschreckungswirkung nicht eintreten kann. Der Rechtsverstoß des Klägers ist geeignet, ohne ausländerrechtliche Reaktion mit vergleichbaren Delikten von anderen Ausländerinnen und Ausländern nachgeahmt zu werden. Insbesondere gilt, dass der Verlust des Aufenthaltsrechts gerade für Ausländer, die langjährig und rechtmäßig in der Bundesrepublik leben, als besonders einschneidende Maßnahme wahrgenommen und teilweise sogar als stärker belastend empfunden wird, als die strafrechtliche Sanktion. Eine Ausweisung entfaltet daher ein erhebliches Abschreckungspotential und führt anderen Ausländern deutlich vor Augen, zu welchen Konsequenzen das unerlaubte Handeltreiben mit Betäubungsmitteln führt (vgl. OVG RhPf, U.v. 19.3.2025 – 7 A 10943/24.OVG – juris Rn. 46).
33
Eine andere Beurteilung ist hinsichtlich des Vorliegens eines generalpräventiven und besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten auch nicht wegen der zwischenzeitlich geänderten Rechtslage im Hinblick auf den Konsum von Cannabis geboten. Zwar würde das vom Kläger begangene bewaffnete Handeltreiben mit Marihuana nicht mehr nach dem Betäubungsmittelgesetz, sondern dem Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis vom 27. März 2024 (KCanG), zuletzt geändert durch Art. 1 G.v. 20.6.2024 (BGBl. 2024 I Nr. 207), geahndet werden. Das illegale Handeltreiben mit Cannabis ist jedoch trotz der teilweisen Legalisierung des Besitzes und Anbaus und einer entsprechend niedrigeren Strafandrohung unverändert strafbewehrt (vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG). Auch soweit der Klägerbevollmächtigte vorträgt, nach der aktuellen Rechtslage würde der Kläger für die Taten lediglich zu einer Geldstrafe verurteilt werden, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Dieser Umstand ist bereits deshalb unbeachtlich, da Anknüpfungspunkt für das schwerwiegende Ausweisungsinteresse nicht die Begehung der Straftat, sondern die hierauf erfolgende Verurteilung ist. Sowohl die Behörde als auch das Verwaltungsgericht dürfen hierbei die Feststellungen des Strafgerichts grundsätzlich zugrunde legen (Fleuß in: BeckOK Ausländerrecht, Kluth/Heusch, 43. Edition, Stand: 31.10.2024, § 54 AufenthG, Rn. 7). Besteht regelmäßig kein Anlass zur Prüfung, ob der Ausländer die Tat überhaupt begangen hat, so gilt dies erst recht für die Frage, ob die verhängte Strafe tat- und schuldangemessen war bzw. noch immer ist. Da eine nachträgliche Gesetzesänderung die Rechtskraft eines Urteils nicht berührt, lässt sie somit auch das schwerwiegende Ausweisungsinteresse unberührt (vgl. VG Meiningen, U.v. 10.9.2024 – 8 K 1410/22 Me – juris Rn. 29).
34
Im Übrigen sieht § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG für das Handeltreiben mit einer nicht geringen Menge an Cannabis grundsätzlich eine Mindestfreiheitsstrafe von zwei Jahren vor, sofern ein Gegenstand mit sich geführt wird, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist. Es ist daher auch nicht ersichtlich, dass die vom Strafgericht als solche geahndete Straftat des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis nach der heutigen Rechtslage im Vergleich zu dem der Verurteilung zugrundeliegenden Strafrahmen einer Mindestfreiheitsstrafe von fünf Jahren in § 30a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) in ihrem Unrechtsgehalt wesentlich herabgestuft worden wäre, sodass die Absicht, andere Personen von der Begehung solcher Taten abzuhalten, kein bzw. wesentlich geringeres Gewicht haben könnte. Die vorliegende Straftat ist nach § 12 Abs. 1 StGB weiterhin als Verbrechen eingestuft.
35
Die Kammer geht auch unter Berücksichtigung des klägerseitigen Vortrags bei einer Gesamtabwägung von einem die Bleibeinteressen überwiegenden Ausweisungsinteresse aus. Insbesondere liegt – wie im Bescheid zutreffend dargestellt – aufgrund der letzten Verurteilung ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 1b AufenthG vor, da mit Urteil vom 15. März 2023 für die Straftat nach § 30a BtMG eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verhängt worden ist. Demgegenüber tritt das schwerwiegende Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG zurück. Zwar ist die gelungene berufliche Integration des Klägers und seine positive Entwicklung seit Entlassung aus der Untersuchungshaft im März 2023, insbesondere im Hinblick auf seine Drogenfreiheit, sowie sein langjähriger Aufenthalt und seine familiären Bindungen im Bundesgebiet in die Abwägungsentscheidung zu seinen Gunsten einzustellen. Angesichts der erheblichen Straftat des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln hat eine gesellschaftliche Verwurzelung des Klägers jedoch nicht in hohem Maße stattgefunden. Auch wenn davon auszugehen ist, dass der Kläger im Kosovo über wenig soziale Kontakte verfügt, ist es ihm zumutbar, sich dort wieder zu integrieren und insbesondere eine berufliche Tätigkeit aufzunehmen. Der Kläger ist dort geboren und aufgewachsen und spricht albanisch. Er ist im Jahr 2016 als Volljähriger in das Bundesgebiet eingereist. Nach den Feststellungen des Landgerichts München II beabsichtigt er, im Kosovo ein Haus zu bauen. Die Ausweisung verstößt auch nicht gegen Art. 6 GG bzw. Art. 8 EMRK. Der volljährige Kläger ist nicht auf die Unterstützung seines Bruders, Onkels oder anderer Familienmitglieder angewiesen. Auch diese sind nicht auf die Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet angewiesen. Die familiäre Unterstützung konnte den Kläger ferner auch in der Vergangenheit nicht davon abhalten, straffällig zu werden. Somit erweist sich die Ausweisung im Fall des Klägers auch unter Berücksichtigung der besonderen Härte als verhältnismäßig und nicht grundrechtsverletzend.
36
1.2.2 Darüber hinaus sind Ermessensfehler im Rahmen der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, auf die die gerichtliche Überprüfung insoweit beschränkt ist (§ 114 Satz 1 VwGO), weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die behördliche Entscheidung in der geänderten Fassung vom 13. März 2025 hält sich in dem von bei Ausweisungen aufgrund von Strafverurteilungen gem. § 11 Abs. 5 AufenthG festgelegten Rahmen und berücksichtigt die persönlichen und familiären Bindungen des Klägers zum Entscheidungszeitpunkt. Gegebenenfalls bestehende besondere Härten können durch Ausnahmegenehmigungen nach § 11 Abs. 8 AufenthG abgemildert werden. Der Mangel der unterbliebenen Anhörung zu dem eigenständigen Verwaltungsakt der Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 28 Abs. 1 BayVwVfG (vgl. BayVGH, B.v. 12.7.2023 – 10 C 23.1117 – juris Rn. 9) wurde im gerichtlichen Verfahren infolge der erneuten Entscheidung über die Befristung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG geheilt.
37
1.2.3 Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind in der geänderten Fassung vom 13. März 2025 ebenfalls rechtmäßig und nicht rechtsverletzend (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im konkreten Fall stehen der Abschiebung nach § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG insbesondere nicht die familiären Bindungen des Klägers entgegen.
38
2. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
39
3. Die Berufung war nicht zuzulassen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), da sie zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts nicht geboten ist (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 36).