Inhalt

VG München, Beschluss v. 20.05.2025 – M 23 S 25.1605
Titel:

Tierfortnahme, Veräußerungsanordnung

Normenkette:
TierSchG § 16a
Schlagworte:
Tierfortnahme, Veräußerungsanordnung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 11580

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Nrn. 1 bis 4 des Bescheids des Antragsgegners vom … Februar 2025 wird unter der folgenden Auflage bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache wiederhergestellt:
Die Antragstellerin hat die Hündin, beginnend ab Juni, monatlich von einem Tierarzt untersuchen zu lassen und den entsprechenden tierärztlichen Befundbericht (erstmalig Ende Juni) dem Landratsamt unaufgefordert vorzulegen.
II. Die Hündin sowie die fortgenommenen Papiere (Reisepass und Impfpass der Hündin) sind an die Antragstellerin zurückzugeben.
III. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
IV. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
V. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
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Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die dauerhafte Fortnahme ihres Hundes.
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Am *. Februar 2025 nahmen Bedienstete des Veterinäramts des Landratsamts München (im Folgenden: Lanrdatsamt) im Rahmen einer Tierschutzkontrolle die von der Antragstellerin gehaltene Viszla-Hündin „Bella“ aus der Wohnung fort.
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Mit Bescheid des Landratsamts vom … Februar 2025 bestätigte das Landratsamt die am *.2.2025 erfolgte dauerhafte Fortnahme der Hündin und ihre anderweitige pflegerische Unterbringung auf Kosten der Antragstellerin auf der Rechtsgrundlage von § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Tierschutzgesetz (Ziffer 1). Es wurde angeordnet, dass die Befugnis zur Eigentumsübertragung des Tiers auf das Landratsamt übergeht und sie die Veräußerung des Tieres zu dulden habe (Ziffer 2). Die sofortige Vollziehung der Anordnungen wurde verfügt (Ziffer 3).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, der Ernährungszustand der Hündin bei Fortnahme sei sehr schlecht gewesen, er habe auf einer Skala von 1-9 bei 0-1 gelegen. Die Hündin habe ein reduziertes Allgemeinbefinden gehabt. Der Pflegezustand sei sehr schlecht gepflegt gewesen. Der Antragstellerin gegenüber sei angeordnet worden, umgehend einen Tierarzt aufzusuchen, da der Hund andernfalls an einer weiter bestehenden Mangelversorgung eingehen könne. Die Antragstellerin habe sich geweigert, keinerlei Einsicht gezeigt und habe das Kontrollpersonal beschimpft. Die erhebliche Vernachlässigung der Hündin sei durch das Veterinäramt amtlich festgestellt, die Hündin fortgenommen und Mitarbeitern des Tierschutzvereins zur pfleglichen Unterbringung und tierärztlichen Versorgung übergeben worden. Die Hündin habe bereits bei der Abholung im Auto des Tierschutzvereins sehr gierig gefressen, sobald ihr Futter angeboten wurde. Ein entsprechender Befundbericht des Tierheims wurde wiedergegeben. Die Antragstellerin sei am *. Februar 2025 telefonisch zur dauerhaften Fortnahme angehört worden. Einsicht bezüglich des Gesundheitszustandes Tiers habe nicht bestanden. Die endgültige Fortnahme sei verhältnismäßig, da eine Rückgabe des Hundes aufgrund der festgestellten Verstöße und der Uneinsichtigkeit der Antragstellerin nicht in Betracht komme. Die Einräumung einer Frist zur Herstellung tierschutzgerechter Haltungsbedingungen sei vorliegend nicht zweckdienlich. Auf die Ausführungen zur sofortigen Vollziehung der Anordnungen wird verweisen (S. 6 des Bescheids).
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Nachdem die inzwischen Bevollmächtigte die Rückgabe der Hündin von der Antragsgegnerin außergerichtlich nicht erwirken konnte, erhob sie am 14. März 2025 Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid.
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Gleichzeitig wurde im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt,
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I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin vom 14. März 2025 gegen die am *. Februar 2025 erfolgte dauerhafte Vorwegnahme ihrer Viszla-Hündin „Bella“ sowie gegen den Bescheid des Landratsamts München vom … Februar 2025 mit der Bestätigung der dauerhaften Fortnahme sowie anderweitigen pfleglichen Unterbringung und der Anordnung, dass die Befugnis zur Eigentumsübertragung der Hündin auf das Landratsamt München übergeht und die Antragstellerin die Veräußerung der Hündin zu dulden hat, wird wiederhergestellt.
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II. Die bereits vollzogene dauerhafte Vorwegnahme der Viszla-Hündin „Bella“ und die anderweitige pflegliche Unterbringung wird aufgehoben, sodass in der Folge der Hündin sowie die fortgenommenen Papiere (Reisepass und Impfpass der Hündin) an die Antragstellerin zurückzugeben sind.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass wenigstens die dauerhafte Fortnahme der Hündin die Antragstellerin in ihrem Eigentumsgrundrecht verletze und unverhältnismäßig sei. Eine tierschutzgerechte Haltung des Hundes durch die Antragstellerin zukünftig sei sichergestellt. Sie sei willens und in der Lage, den Hund künftig ordnungsgemäß zu ernähren, zu pflegen und zu halten. Das sichere die Antragstellerin zu. Sie habe die Einsicht, dass sie künftig einen Tierarzt hinzuziehen müsse. Die pauschale Feststellung, dass die Antragstellerin nicht einsichtig sei, mache eine Fristsetzung nicht überflüssig. Sie habe sich bei der Fütterung auf die Angaben des ungarischen Züchters verlassen, künftig werde sie sich aber tierärztlich beraten lassen. Sie sei bereit, Nachweise von Tierarztbesuchen vorzulegen oder unangekündigte Kontrollbesuche des Landratsamts zu dulden. Dies seien mildere Mittel. Da die dauerhafte Fortnahme sowie die weiteren Anordnungen im Bescheid vom … Februar 2025 rechtswidrig seien, sei durch das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anzuordnen, d. h. die Hündin zusammen mit ihren Papieren der Antragstellerin zurückzugeben.
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Der Antragsgegner beantragte am 25. März 2025
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Antragsablehnung
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und begründete das im Wesentlichen damit, dass es im vorliegenden Fall ausnahmsweise keiner Fristsetzung zur Sicherstellung tierschutzgemäße Zustände bedurft habe. Eine Fristsetzung sei insbesondere dann entbehrlich, wenn es im Einzelfall ausgeschlossen erscheinen, dass ein zeitnahes ordnungsgemäßes Verhalten des Tierhalters zu erwarten sei, er also die nötigen Haltungsbedingungen zeitnah werde sicherstellen können. Die Antragstellerin habe sich bei der Kontrolle am … Februar 2025 geweigert, eine mündliche Anordnung hinsichtlich des umgehenden Aufsuchens eines Tierarztes zu befolgen. Die Antragstellerin habe geäußert, die Tierärzte hätten keine Ahnung, der Hund sei gesund und normal. In weiteren Telefongesprächen nach der Fortnahme mit Mitarbeitern des Landratsamts sowie des Tierheims habe sie immer wieder darauf beharrt, dem Hund sei es gut gegangen und er sei nicht zu dünn gewesen. Bei einem Telefongespräch am … März 2025 mit einer Mitarbeiterin des Veterinäramts habe die Antragstellerin den Namen eines Tierarztes nicht nennen können. Ein Verbleib des Hundes bei der Antragstellerin sei aufgrund der Uneinsichtigkeit der Antragstellerin nicht möglich gewesen.
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Mit Schriftsatz vom 7. April 2025 führte die Bevollmächtigte der Antragstellerin aus, dass eine tierschutzgerechte Haltung der Hündin zukünftig sichergestellt sei. Die Antragstellerin habe sich für einen Hundeführerschein im Zeitraum vom 3. Mai 2025 bis 9. Mai 2025 bei der Münchner Hunde-Uni angemeldet, um sich in Bezug auf die Haltung von Hunden weiter fortzubilden.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
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Der zulässige Antrag, über den mit Zustimmung der Beteiligten der Berichterstatter entscheiden konnte, hat lediglich insoweit Erfolg, als die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung unter einer Auflage zu Lasten der Antragstellerin ausgesprochen werden kann, § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO.
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Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen. Im Rahmen einer eigenen originären Entscheidung hat es dabei zwischen dem Interesse der Behörde an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die hierbei im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich der zugrundeliegende Bescheid hingegen als rechtswidrig und das Hauptsacheverfahren voraussichtlich als erfolgreich, ist das Interesse an der sofortigen Vollziehung in der Regel zu verneinen. Im Falle von offenen Erfolgsaussichten kann eine reine Folgenabwägung vorgenommen werden.
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Das Gericht erachtet derzeit die Erfolgsaussichten der Klage nach summarischer Prüfung im Hauptsacheverfahren als offen. Im Rahmen der demnach im Eilverfahren erforderlichen Interessenabwägung hat das Gericht sowohl den Tierschutz (Art. 20a GG) als auch die Interessen der Antragstellerin abzuwägen. Hierbei ist für das Gericht maßgeblich, dass eine sofort vollziehbare endgültige Fortnahme mit Veräußerungsanordnung und damit eine im Rahmen des Tierschutzgesetzes einschneidende Maßnahme, die irreversibel ist – für die Antragstellerin einen nicht unerheblichen und endgültigen Eingriff in ihre Tierhaltung bedeutet. Andererseits stehen jedoch elementare Pflichten eines Tierhalters inmitten, was die lebenswichtige Fütterung des Tieres betrifft, deren Verletzung bereits zu erheblichen Leiden des Tieres geführt hat.
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Mithin kann zur Verhütung nicht hinnehmbarer tierschutzwidriger Zustände die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache im vorliegenden Einzelfall nur unter der im Tenor genannten Auflage erfolgen. Der entscheidende Einzelrichter geht nach Aktenlage davon aus, dass inzwischen die Gesundheit des Hundes soweit wiederhergestellt ist, dass die Antragstellerin hierauf wird aufbauen können und nur für die Gesunderhaltung des Hundes, nicht für die Gesundheitswiederherstellung wird sorgen müssen. Weiter nimmt das Gericht an, dass die Antragstellerin auch unter dem Eindruck des Verfahrens ihre aktenkundige uneinsichtige Haltung aufgegeben hat und in Zukunft die Versorgung der Hündin sicherstellen wird, dass sie mithin durch ihr Verhalten das Hauptargument des Veterinäramts entkräftet. Die Auflage stellt insoweit eine – notwendige – regelmäßige fachliche externe Kontrolle sicher. Bei Einhaltung der Auflage erscheint die Tierhaltung auch unter tierschutzrechtlichen Aspekten bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache hinnehmbar. Hierzu wurde der Antragstellerin eine entsprechende Nachweispflicht auferlegt; unbenommen bleibt die Befugnis der zuständigen Tierschutzbehörde, unangemeldete tierschutzrechtliche Vor-Ort-Kontrollen durchzuführen. Sollte die Antragstellerin die Auflage nicht oder auch nur verzögert erfüllen und damit wiederum gegen tierschutzrechtliche Vorschriften verstoßen, behält sich das Gericht eine umgehende Änderung der Entscheidung von Amts wegen oder auf Antrag des Antragsgegners gemäß § 80 Abs. 7 VwGO vor.
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Soweit der Antrag auf auflagenfreie Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtet war, war er im Übrigen abzulehnen.
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Die tenorierte Entscheidung über die Rückgabe des Tieres beruht auf § 80 Abs. 5 Satz 3 VwGO.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO und orientiert sich am Umfang des jeweiligen Obsiegens.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. dem Streitwertkatalog 2013. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird nur die Hälfte des Gesamtstreitwertes angesetzt.