Inhalt

OLG München, Beschluss v. 30.04.2025 – 16 UF 577/24 e
Titel:

Vollumfängliche Erfüllung des Auskunftsanspruchs bei Vermengung von ausgleichspflichtigem mit ausgleichsfreiem Vermögen

Normenketten:
FamFG § 59 Abs. 1, § 61 Abs. 1
BGB § 1379 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der Beschwerdewert gem. § 61 Abs. 1 FamFG ist nach dem vermögenswerten Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung seiner Beschwer iSd § 59 Abs. 1 FamFG und somit an einer entsprechenden Änderung des angefochtenen Beschlusses zu beurteilen, dh nach seinem Abänderungsinteresse. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Auskunftsanspruch nach § 1379 Abs. 1 BGB ist nicht vollumfänglich erfüllt, wenn ausgleichspflichtiges mit ausgleichsfreiem Vermögen vermengt wurde, weil dadurch nicht möglich ist festzustellen, in welchem Umfang ausgleichpflichtiges Vermögen vorhanden ist. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
3. Haben die Eheleute in einem Ehevertrag vereinbart, dass ausgleichspflichtiges Vermögen auch nach Vermengung ausgleichspflichtig bleibt, hat der Auskunftsberechtigte einen Anspruch darauf, durch eine entsprechende Auskunft des Auskunftspflichtigen in die Lage versetzt zu werden zu prüfen, in welchem Umfang ausgleichspflichtiges Vermögen bei diesem vorhanden ist. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
4. In der Regel kann ohne Vorlage aussagekräftiger Belege wie der Jahresabschlüsse die Auskunft über ein Unternehmen oder einen Gesellschaftsanteil nicht erteilt werden. Die Vorlage dieser Belege gehört daher zur Auskunft und nicht zur Verpflichtung, die Auskunft zu belegen. (Rn. 10 – 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Auskunftsanspruch, Auskunftserteilung, Ehevertrag, Zugewinnausgleich, Surrogatsthematik, Veräußerungserlös
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 30.01.2025 – 16 UF 577/24 e
AG München, Teilbeschluss vom 07.05.2024 – 566 F 7857/21
Fundstelle:
BeckRS 2025, 11086

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Teilbeschluss des Amtsgerichts München vom 07.05.2024, Az. 566 F 7857/21, in Ziffer 1 dahin abgeändert, dass der Antragsteller verpflichtet ist, Auskunft zu erteilen
a)
über den Bestand und Wert seines Endvermögens am 28.08.2021 (Zustellung des Scheidungsantrags)
b)
sowie seines Vermögens zum Zeitpunkt der Trennung am 01.08.2020 durch Vorlage eines vollständigen, schriftlichen, systematisch nach Aktiva und Passiva gegliederten Bestandsverzeichnisses zu jedem der zwei Stichtage, mit genauer Beschreibung der wertbildenden Faktoren und zwar insbesondere über:
c)
über sämtliche Surrogate, die sich aus dem Verkauf der ... ergeben haben und die zu den Stichtagen 01.08.2020 und 28.08.2021 bestanden,
d)
die Beteiligungsquote des Antragstellers an der ... und die Herkunft der für die Gesellschaftsbeteiligung geleisteten Kapitalrücklagen vom 10.07.2014, 26.05.2015, 12.10.2015 und 04.08.2016
e)
die Herkunft der Mittel, mit welchen er die Eigentumswohnung ..., erworben mit notariellem Kaufvertrag ..., und die Immobilie ..., erworben mit notariellem Kaufvertrag ...., bezahlt hat.
d)
Die Auskunft hat für alle Unternehmen, an denen der Antragsteller beteiligt ist, auch zu umfassen die Vorlage, von Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Steuererklärungen, Abschreibungslisten und Steuerbescheiden jeweils für die letzten drei zurückliegenden Jahre und, soweit für das letzte Jahr noch nicht möglich, eine vorläufige Gewinnermittlung, ebenso die Gesellschaftsverträge und Gewinnverteilungsbeschlüsse.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussbeschluss vorbehalten.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 37.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die Darstellung des Senats im Hinweisbeschluss vom 30.01.2025 vollumfänglich Bezug genommen.
2
Im Anschluss an die dort erteilten Hinweise hat der Antragsteller mitgeteilt, er habe mit Schriftsatz vom 10.8.2023 bereits die Auskunft zu seinem Anfangs-, Trennungs- und Endvermögen erteilt und Belege vorgelegt. Der Auskunftsanspruch sei daher bereits erfüllt. Hinsichtlich der die Surrogatsthematik betreffenden Auskunftsanträge brachte er vor, dass insofern kein Auskunftsanspruch bestehe, da diesbezüglich der Zugewinnausgleich ausweislich des Ehevertrages ausgeschlossen sei. Der ehevertraglich geregelte Auskunftsanspruch sei nicht rechtzeitig geltend gemacht worden. Überdies ergebe sich schon aufgrund der mitgeteilten Informationen, dass der Antragsteller vor Verkauf seines Betriebsvermögens einen negativen Kontostand gehabt habe und sämtliche nach Veräußerung des Betriebsvermögens angeschafften Vermögenspositionen daher ausschließlich Surrogat des Kauferlöses seien.
3
Die Antragsgegnerin verwies hierzu auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 15.9.2023 in erster Instanz und die dort geltend gemachten Widersprüchlichkeiten.
II.
4
Die Beschwerde ist gem. § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der gem. § 61 Abs. 1 FamFG erforderliche Beschwerdewert von 600 Euro ist erreicht. Der Beschwerdewert ist nach dem vermögenswerten Interesse des Beschwerdeführers an der Beseitigung seiner Beschwer (§ 59) und somit an einer entsprechenden Änderung des angefochtenen Beschlusses zu beurteilen, d. h. nach seinem Abänderungsinteresse (Sternal/Göbel, 21. Aufl. 2023, FamFG § 61 Rn. 7). Bei der Beschwerde gegen die Abweisung eines Antrags auf Auskunft und zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung ist der Beschwerdewert regelmäßig ein Bruchteil des Leistungsanspruchs, dessen Durchsetzung die verlangte Information nach den Vorstellungen des Beschwerdeführers und nach seinem wirtschaftlichen Interesse dienen soll (vgl. Sternal/Göbel, aaO Rn. 13). Ausgehend von der Angabe der Beschwerdeführerin, sie gehe von einem Zugewinnausgleichsanspruch von jedenfalls 150.000 Euro aus, ist von einer Beschwerdesumme von 37.500 Euro auszugehen.
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Die Beschwerde ist weitgehend begründet.
6
1. Es wird zunächst vollumfänglich auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 30.01.2025 Bezug genommen. Die Ausführungen gelten unverändert fort, sodass der Antragsteller verpflichtet ist, Auskunft über sein Trennungs- und Endvermögen zu geben.
7
Soweit der Antragsteller erneut geltend gemacht hat, er habe durch die Auskunft, welche mit Schriftsatz vom 10.8.2023 vorgelegt wurde, bereits den Auskunftsanspruch der Antragstellerin vollumfänglich erfüllt, verfängt dies nicht. Von der Auskunft ausgenommen sind Angaben über das Vermögen, welches durch den Ehevertrag vom 27.4.2017 unmittelbar dem Zugewinnausgleich entzogen wurde und dasjenige, welches in Form von Surrogaten aus der Veräußerung des Betriebsvermögens im Vermögen des Antragstellers enthalten ist. Vorliegend ist es jedoch nicht ersichtlich, wie der Antragsteller meint, dass sein Vermögen ausschließlich aus Surrogaten besteht. Vielmehr spricht sein Vortrag dafür, dass ausgleichspflichtiges mit ausgleichsfreiem Vermögen vermengt wurde. Der Antragsgegnerin muss daher durch Auskunftserteilung ermöglicht werden, festzustellen, in welchem Umfang ausgleichpflichtiges Vermögen vorhanden ist. Hinsichtlich des Trennungsvermögens kann sich der Antragsteller nicht darauf berufen, dass durch die Angabe von Positionen, die dem ausgleichsfreien Vermögen zuzurechnen sein sollen, bereits vollumfänglich Auskunft erteilt sei. Die Auskunft ist insoweit nicht nachvollziehbar. Es werden zu einem Datum für dasselbe Konto bei der Sparkasse zwei unterschiedliche Salden angegeben. Damit möchte der Antragsteller zwar offenbar, wie er auch im Termin zur mündlichen Verhandlung angegeben hat, darlegen, dass vor Eingang des Veräußerungserlöses der Kontostand bei der Sparkasse sich im Minus befand. Gleichwohl lässt sich der Auskunft nicht entnehmen, ob es sich bei dem zum Trennungszeitpunkt angegeben Guthaben sodann ausschließlich um ausgleichsfreies Vermögen handelt. Dies muss für die Antragsgegnerin nachvollziehbar dargestellt werden.
8
Nicht gefolgt werden kann dem Vortrag des Antragstellers, aus den vorgelegten Kontoauszügen ergebe sich schon, dass im Zeitpunkt der Veräußerung des Betriebsvermögens die Konten des Antragstellers im Minus waren und damit alles, was in der Folge angeschafft wurde, nur Surrogat sein könne. Die vorgelegten Kontoauszüge lassen diesen Schluss nicht zu. Aus diesen ergibt sich lediglich, dass der Antragsteller auf die mit einem Volumen von 1.709.872 Euro getätigten Immobilieninvestitionen von dem Konto, auf welches auch der Veräußerungserlös aus dem Betriebsvermögen i.H.v. 1.226.803,88 Euro geflossen ist, in etwa 467.000 Euro (unter Berücksichtigung von Nebenkosten) bezahlt hat. Hinsichtlich weiterer Zahlungen von ca. 169.000 Euro gab es im zeitlichen Zusammenhang entsprechende Gutschriften von einer anderen Bankverbindung. Letztlich ist damit offen, wie die Immobilien des Antragstellers finanziert wurde. Mit dem Erlös aus der Veräußerung des Betriebsvermögens wurden sie, soweit es den Kontoauszügen zu entnehmen ist, nicht vollständig finanziert. Damit steht im Raum, dass der Antragsteller ausgleichspflichtiges und ausgleichsfreies Vermögen im Rahmen der Immobilieninvestition vermengt hat. Nachdem das ausgleichspflichtige Vermögen auch nach Vermengung ausgleichspflichtig bleibt (entsprechend haben es die Eheleute auch im Ehevertrag vom 27.04.2017 vereinbart), hat die Antragsgegnerin einen Anspruch darauf, durch eine entsprechende Auskunft des Antragstellers in die Lage versetzt zu werden zu prüfen, in welchem Umfang ausgleichspflichtiges Vermögen beim Antragsteller vorhanden ist.
9
Auf die Frage, ob der Anspruch aus Ziffer II.3 des Ehevertrages auf Erstellung eines Verzeichnisses besteht, kommt es nicht an. Dieser Anspruch wurde von der Antragsgegnerin in der Beschwerde nicht verfolgt.
10
2. Soweit die Antragsgegnerin beantragt, die Auskunft durch Vorlage geeigneter Nachweise zu belegen, ist der Antrag derzeit weitgehend unzulässig, da unbestimmt. Das Amtsgericht hat damit i.E. zu Recht diese Anträge zurückgewiesen und die Beschwerde ist damit insoweit unbegründet.
11
Der unter II. im Schriftsatz vom 27. Juni 2024 geltend gemachte Anspruch auf Belegvorlage lässt nicht erkennen, welche konkreten Belege die Antragsgegnerin vom Antragsteller begehrt. Der Antrag auf Belegvorlage hat allerdings die verlangten Belege genau zu bezeichnen, damit eine vollstreckbare Titulierung möglich ist. Ist noch nicht bekannt, welche Belege im Einzelnen benötigt werden, z.B. weil Auskunft noch nicht erteilt worden ist, kann auch hinsichtlich des Beleganspruchs ein Stufenantrag gestellt werden (vgl. Johannsen/Henrich/Althammer/Kohlenberg, Familienrecht, 7. Aufl. 2020, § 1379 BGB Rn. 8). Dem steht die auf die noch nicht hinreichend bestimmte Bezeichnung der Belege gestützte Zurückweisung der Beschwerde nicht entgegen.
12
Der geltend gemachte Anspruch auf Vorlage von Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Steuerklärungen, Abschreibungslisten und Steuerbescheiden der letzten drei Jahre sowie von Gesellschaftsverträgen und Gewinnverteilungsbeschlüssen für alle Unternehmen, an denen der Antragsteller beteiligt ist (bzw. der vorläufigen Gewinnermittlung, wenn für das letzte Jahr die genannten Unterlagen noch nicht vorliegen) ist indes begründet. In der Regel kann ohne Vorlage aussagekräftiger Belege wie der Jahresabschlüsse die Auskunft über ein Unternehmen oder einen Gesellschaftsanteil nicht erteilt werden. Die Vorlage dieser Belege gehört daher zur Auskunft und nicht zur Verpflichtung, die Auskunft zu belegen (BeckOGK BGB / Preisner, 1.2.2025, § 1379 Rn. 59).
III.
13
Mit Blick auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung war die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Schlussbeschluss vorzubehalten.
14
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 40, 42 Abs. 1 FamGKG. Wurde der Antrag auf Auskunft abgewiesen, bestimmt sich die Beschwer nach einem Bruchteil des beabsichtigten Zahlungsantrags. Die Höhe des Bruchteils bestimmt sich danach, welche Kenntnisse bereits über die Vermögensverhältnisse vorliegen (vgl. Gerhadt, von Heintschel-Heinegg, Klein - Keske, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 11. Auflage, Kapitel 17 Rn. 112, Kapitel 6 Rn. 1013). Ausgehend von einem im Termin zur mündlichen Verhandlung erörterten Ausgleichsanspruch von 150.000 Euro ist aus Sicht des Senats ein Verfahrenswert von 37.500 Euro angemessen.
15
Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht. Die Entscheidung hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung. Ein Widerspruch zur Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, 8 UF 115/19, besteht, wie im Hinweisbeschluss ausgeführt, nicht.