Titel:
Abänderung eines stattgebenden Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO, Nachbarklage, Nachträgliche Festsetzung der natürlichen Geländeoberfläche, Digitales Geländemodell, Beweislast im Baunachbarprozess
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 7 S. 2
BayVwVfG Art. 37
BayBO Art. 6
Schlagworte:
Abänderung eines stattgebenden Beschlusses nach § 80 Abs. 5 VwGO, Nachbarklage, Nachträgliche Festsetzung der natürlichen Geländeoberfläche, Digitales Geländemodell, Beweislast im Baunachbarprozess
Fundstelle:
BeckRS 2025, 10992
Tenor
I. Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 31. Juli 2024 (M 1 SN 24.1457) in dessen Nr. 1 wird der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage M 1 K 24.1456 abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens nach § 80 Abs. 7 VwGO. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsgegner begehrt die Aufhebung des Beschlusses vom 31. Juli 2024 (M 1 SN 24.1457), durch den die aufschiebende Wirkung der Klage vom 20. März 2024 (M 1 K 24.1456) gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für ein Wohn- und Gewerbehaus angeordnet wurde.
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Mit Bauantrag vom … November 2023 beantragte die Beigeladene eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Wohn- und Gewerbehauses auf dem Grundstück FlNr. 158, Gem. B. (Baugrundstück). Unter dem … Februar 2024 erteilte der Antragsgegner diese Baugenehmigung. Die Antragstellerin, Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 159/2 südlich des Vorhabengrundstücks, erhob hiergegen am 20. März 2024 Klage, über die noch nicht entschieden ist (M 1 K 24.1456).
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Mit Beschluss vom 31. Juli 2024 (M 1 SN 24.1457) ordnete das Gericht die aufschiebende Wirkung der Klage vom 20. März 2024 an, da die Baugenehmigung nach summarischer Prüfung gegen das nachbarrechtliche Bestimmtheitsgebot verstoße, weil auf Grundlage der genehmigten Bauvorlagen ein Verstoß gegen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts nicht ausgeschlossen werden könne. Am 5. August 2024 erließ der Antragsgegner einen Änderungsbescheid. Mit weiterem Beschluss vom 10. September 2024 lehnte das Gericht einen Antrag des Antragsgegners auf Aufhebung des Beschlusses vom 31. Juli 2024 ab (M 1 S7 24.4810), da der Mangel an Bestimmtheit durch den Änderungsbescheid nicht behoben worden sei.
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Am 24. Oktober 2024 erließ der Antragsgegner einen weiteren Änderungsbescheid unter Rücknahme des Änderungsbescheids vom 5. August 2024. Hierdurch wurde die Baugenehmigung vom … Februar 2024 dahingehend geändert, dass die genehmigten Bauvorlagen „GP_02 Lageplan Abstandsflächen“ vom … Dezember 2023 und „GP_14 Ansicht S-W_Schnitt H1“ vom … November 2023 durch die neuen Bauvorlagen „GP_02 Lageplan Abstandsflächen“ und „GP_14 Ansicht S-W_Schnitt H1“ vom … September 2024 ersetzt und somit Bestandteil der Baugenehmigung wurden. Zudem wurde die Baugenehmigung vom … Februar 2024 um eine Ziffer VI. mit folgendem Wortlaut ergänzt:
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„Die festgestellten Höhen an der südlichen Gebäudefassade des Neubaus (Gebäudeaußenkante) werden – wie in den Eingabeplänen grafisch in gerissener roter Linie dargestellt und mit den Höhenkoten Nr. 1-10 bemaßt – bauaufsichtlich als Urgelände festgesetzt.“
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In der Begründung des Änderungsbescheids wird ausgeführt, dass die der Baugenehmigung zugrunde gelegten Bauvorlagen fehlerhaft und unvollständig und die Ersetzung mit den neuen Unterlagen somit geboten und erforderlich gewesen sei. Zudem sei es erforderlich gewesen, den Geländeverlauf als unteren Bezugspunkt der Wandhöhe neu festzusetzen, da der genaue Urgeländeverlauf nicht bekannt sei. Die natürliche Geländeoberfläche sei teilweise rechnerisch rekonstruiert worden, insbesondere in Bereichen, die bislang überbaut gewesen seien. Die Abstandsflächen auf der Südseite des Vorhabens kämen vollständig auf dem Baugrundstück selbst zu liegen.
7
Im Eingabeplan „GP_02 Lageplan Abstandsflächen“ vom … September 2024 ist an der Außenkante des Gebäudevorsprungs an der südlichen Gebäudeseite die Höhenkote H10 angegeben (-1,36 = +541,18). Im Eingabeplan „GP_14 Ansicht S-W_Schnitt H1“ ist das bauaufsichtlich festgestellte Urgelände und zusätzlich die Maße der Höhenkote H10 eingezeichnet.
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Am 7. Februar 2024 beantragte die Antragstellerin die Anordnung einstweiliger Sicherungsmaßnahmen durch das Verwaltungsgericht München, da auf dem Vorhabengrundstück ungeachtet der vorangegangenen Entscheidungen M 1 SN 24.1457 und M 1 S7 24.4810 durchgehend Bauarbeiten stattfänden. Mit Beschluss vom 14. Februar 2025 (M 1 SN 25.734) lehnte das Gericht den Antrag ab, da das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Rohbau sei bereits fertiggestellt, sodass das Ziel des Antrags, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern, nicht mehr erreicht werden könne.
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Mit Schriftsatz vom 23. Januar 2025 hat der Antragsgegner beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 31. Juli 2024 aufzuheben.
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Mit dem Änderungsbescheid vom … Oktober 2024 sei dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG Rechnung getragen. Auf eine generelle Festsetzung des Urgeländes sei verzichtet worden, da der Neubau im Westen, Osten und Norden an das vor der Baumaßnahme vermessene Gelände anschließe. Nur in den unklaren Bereichen an der südlichen Gebäudefassade sei es erforderlich gewesen, das Urgelände bauaufsichtlich festzusetzen. Hierzu seien die aufgenommenen Geländepunkte (reales Urgelände) zu einem digitalen Geländemodell (DGM) generiert und durch Interpolation die Geländehöhen der bislang überbauten Flächen berechnet worden (simuliertes Urgelände). Diese „vernetzte“ Interpolation stelle eine lineare Interpolation dar. Denn die aufgenommenen Geländepunkte seien linear miteinander verbunden, sodass eine Oberfläche aus miteinander verbundenen Dreiecksflächen entstünde. Aus dieser sog. „Dreiecksvermaschung“ werde dann das DGM generiert. Das rekonstruierte Urgelände stelle nun die Schnittlinie zwischen der simulierten Geländeoberfläche mit der senkrechten Ebene der Außenfassade dar. Der Verlauf des Urgeländes an der Fassade – mit ggf. mehr oder weniger auffälligen Geländeknicken, weil die Dreiecksvermaschung keine weiteren Zwischenpunkte habe – richte sich hierbei nach der Geländebewegung des linear interpolierten DGM. Eine Geländeabgrabung sei nicht vorgesehen, das Bestandsgelände an der Fassade solle nach der Baumaßnahme entsprechend der Simulation wiederhergestellt werden. Dass die Höhe des bauaufsichtlich festgesetzten Urgeländes den in den Eingabeplänen dargestellten Höhen des geplanten Geländes entspreche, sei somit keine Gefälligkeit, sondern ein Ergebnis der technischen Vorgänge.
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Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 18. Februar 2024 sinngemäß beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Antragsgegner habe mit der Geländefestsetzung das bauherrenseits geplante Gelände übernommen, ohne dieser einseitigen Begünstigung der Bauherrin etwaig betroffene Einschränkungen des Nachbarn gegenüberzustellen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Bauaufsichtsbehörde die Ermittlung des Urgeländes in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens durchgeführt habe. Das Landratsamt habe die von der Bauherrin beabsichtigten bzw. geplanten Geländehöhen übernommen, ohne dass die Angaben mit den tatsächlichen oder aus den Altbestandsunterlagen feststellbaren Höhenlagen geprüft und abgeglichen worden seien. Für eine Neufestsetzung des Urgeländes brauche es für die Berechnung der für die Abstandsflächen maßgeblichen Geländelinie eine lineare Interpolation. Eine solche könne jedenfalls nicht zu einem solchen Geländeknick führen, wie er an der Gebäudefassade, die zum Grundstück der Antragsgegnerin zeigt, erkennbar sei. Der Knick lasse sich aus keinen der zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen über einen „Urgeländeverlauf“ ermitteln.
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Bei der im Bescheid ergänzten Ziffer VI. sei unklar, wie der Wortlaut zu verstehen sei. Die Regelung sei rechtsfehlerhaft, weil nicht alle dort bezeichneten Höhenkoten an der südlichen Gebäudefassade des Neubaus gelegen seien, sondern nur die Höhenkoten H1, H9, H10 und H8. Aus dem Wortlaut ergebe sich auch nicht, dass die Höhenkoten H1-H10 als untere Bezugspunkte für die Berechnung der Wandhöhe gelten sollen. Es sei zudem fraglich, ob der Änderungsbescheid vom … August 2024 mit Wirkung für die Vergangenheit zugenommen werden könne oder ob nicht vielmehr der Änderungsbescheid seine Wirkung erst für die Zukunft bzw. ab seiner Wirksamkeit entfalten könne.
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Die Beigeladene führt aus, dass der Mangel an Bestimmtheit durch die Festlegung des Urgeländes beseitigt worden sei. Das Landratsamt habe zutreffend im unklaren Bereich an der südlichen Gebäudefassade auf Grundlage der aufgenommenen Geländepunkte und des digitalen Geländemodells durch Interpolation die Geländehöhen berechnet und als relevantes Urgelände festgelegt. Die mittels Interpolation durchgeführte Annäherung des Geländeverlaufs sei geeignet, den Beweis des ersten Anscheins für den Verlauf der natürlichen Geländeoberfläche zu führen. Diese Vorgehensweise stelle eine anerkannte Methode zur nachträglichen Berechnung der natürlichen Geländeoberfläche dar. Seien unter Zugrundelegung der bei der Interpolation gemessenen Werte die Abstandsflächen eingehalten, bedürfe es einer substantiierten Darlegung des Nachbarn, aus welchen Gründen der wahre Verlauf der natürlichen Geländeoberfläche zu seinen Gunsten vom angenäherten Verlauf abweiche, um eine Beweislastentscheidung zulasten des Bauherrn zu rechtfertigen. An einer solchen substantiierten Darlegung fehle es. Die Nachbarn könnten nicht aufzeigen, dass die rechnerische Ermittlung der Geländeoberfläche unzutreffend sei oder es eine andere Methode zur genaueren Ermittlung der Geländeoberfläche gebe, die zu einem anderen Ergebnis führen würde. Da infolge dieser Festlegung die Abstandsflächen vollständig auf dem Grundstück der Beigeladenen lägen, liege die Beweislast für einen Abstandsflächenverstoß bei den Nachbarn und eine Nichtaufklärbarkeit der ihre Abwehransprüche begründenden Tatsachen ginge zu ihren Lasten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird ergänzend auf die Gerichtsakte, auch in den Verfahren M 1 K 24.1456, M 1 SN 24.1457, M 1 S7 24.4810, M 1 SN 25.743, und die Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO ist zulässig und begründet.
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1. Der Antrag ist zulässig. Nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO können die Beteiligten die Aufhebung oder Änderung von Beschlüssen nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
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Ein Antrag auf Abänderung einer getroffenen Entscheidung im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist nur dann statthaft, wenn sich nach der gerichtlichen Entscheidung im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 VwGO eine Veränderung der für die Entscheidung maßgeblichen Sach- oder Rechtslage ergeben hat und sich aus den veränderten Umständen zumindest die Möglichkeit einer Abänderung der früheren Eilentscheidung ergibt (vgl. BVerwG, B.v. 21.1.1999 – 11 VR 13.98 – juris Rn. 2).
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Wird bei einem Bauvorhaben die ursprüngliche Baugenehmigung geändert, kommt es darauf an, ob mit dem Änderungsbescheid ein neues, selbstständiges Bauvorhaben (aliud) genehmigt wurde und damit auch prozessual ein neuer Streitgegenstand zur Beurteilung steht oder ob die Identität des ursprünglichen Vorhabens gewahrt bleibt (BayVGH, B.v. 9.5.2016 – 2 AS 16.420 – juris Rn. 3; BayVGH B.v. 21.2.2007 – 15 CS 07.162 – juris Rn. 17). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs handelt es sich bei dem Bescheid vom … Oktober 2024 nicht um ein aliud, sondern lediglich um einen die Identität des Vorhabens gemäß der Baugenehmigung vom … Februar 2024 wahrenden Änderungsbescheid. Das Vorhaben samt der wesentlichen Merkmale und Eigenschaften bleibt vom Änderungsbescheid unberührt. Es wurden zwar zwei Eingabepläne ausgetauscht und der Bescheid vom … Februar 2024 um eine Ziffer VI. ergänzt. Diese Änderungen konkretisieren den Bescheid vom … Februar 2024 jedoch nur in Bezug auf die Höhenkote H10 sowie in Bezug auf den Geländeverlauf an der Südfassade. Der Änderungsbescheid vom … Oktober 2024 modifiziert die Baugenehmigung vom … Februar 2024 somit nur in wenigen Punkten und kann auch nicht selbstständig ausgenutzt werden.
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2. Der Antrag ist begründet. Der Änderungsbescheid vom … Oktober 2024 ändert das Bauvorhaben in einer die Identität des Vorhabens nicht berührenden Weise ab. Es liegen somit veränderte Umstände im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO vor. Der für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung durch Beschluss vom 31. Juli 2024 maßgebliche Mangel an Bestimmtheit wurde hierdurch behoben. Die in der Hauptsache erhobene Klage gegen die Baugenehmigung hat nun, unter Einbeziehung des Änderungsbescheids vom … Oktober 2024, nach summarischer Prüfung voraussichtlich keinen Erfolg, sodass die im Beschluss vom 31. Juli 2024 getroffene Interessenabwägung nunmehr zugunsten des Antragsgegners ausfällt. Dies rechtfertigt eine Aufhebung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Beschluss nach § 80 Abs. 5 VwGO.
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a. Die Baugenehmigung vom … Februar 2024 in Gestalt des Änderungsbescheids vom … Oktober 2024 genügt dem Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Die von der Kammer in den Verfahren M 1 SN 24.1457 und M 1 S7 24.4810 als fehlend bemängelte Höhenkote für die Außenkante des Gebäudevorsprungs an der südlichen Außenfassade wurde mit dem mit Genehmigungsstempel vom 24. Oktober 2024 versehenen Eingabeplan „GP_02 Lageplan Abstandsflächen“ nunmehr mit H10 und den Angaben „-1,36 = +541,14“ bezeichnet. Auch bestimmt der Änderungsbescheid in Ziffer VI. die notwendige Neufestsetzung des Geländeverlaufs, wie in dem mit Genehmigungsstempel vom … Oktober 2024 versehenen Eingabeplan „GP_14 Ansicht S-W_Schnitt H1“ in gerissener roter Linie grafisch dargestellt.
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b. Dabei ist sowohl die Festsetzung des Geländeverlaufs als auch die Festsetzung der Höhenkote H10 nachvollziehbar und hinreichend bestimmt. Die Bauaufsichtsbehörde kann in problematischen Fällen nach Ermessen eine Entscheidung über die Festlegung des Geländeverlaufs treffen, wenn die Oberfläche des Baugrundstücks in ihrem ursprünglichen Verlauf nicht mehr eindeutig feststellbar ist (BayVGH, B.v. 31.10.2008 – 14 CS 08.1970 – juris Rn. 23). Bis zuletzt war der ursprüngliche Geländeverlauf im südlichen Grundstücksteil in Folge der vorherigen Bebauung nicht – auch nicht aus sonstigen vorhandenen Unterlagen – zweifelsfrei festzustellen. Der Antragsgegner hat nunmehr auf Grundlage des geodätischen Bestandsplans vom *. November 2023 ein digitales Geländemodell generieren lassen, anhand dessen die relevanten Höhenkoten H9 und H10 berechnet, sowie eine Annäherung an den ursprünglichen Geländeverlauf erstellt werden konnten. Der Umstand, dass die Fassadenplanung dem festgesetzten Geländeverlauf an der entscheidenden Stelle entspricht, ist kein Anzeichen dafür, dass die von der Bauherrin geplante Geländehöhe einfach übernommen wurde, ohne nachbarliche Belange oder Altbestandsunterlagen heranzuziehen; es ist vielmehr die Anpassung der Planung an eine nachvollziehbare Berechnungsmethode, deren Ziel in erster Linie die Annäherung an den ursprünglichen Geländeverlauf ist. Es ist insofern nicht ersichtlich und auch nicht weiter vorgetragen, inwieweit der Antragsgegner bei der Festsetzung des Geländeverlaufs ermessensfehlerhaft nachbarliche Belange unberücksichtigt gelassen hätte. Aus der aus dem Geometeraufmaß generierten Punktemasse, die durch Dreieckslinien miteinander verbunden werden (sog. Dreiecksvermaschung/Triangulation), ergibt sich der vorliegende Anstieg des Geländes von Südwesten nach Südosten. Der von Seiten der Antragstellerin bemängelte „Knick“ im Geländeverlauf folgt nachvollziehbar aus diesem technischen Verfahren, wonach einzelne – wenige – Punkte miteinander verbunden werden.
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Auch ist der Wortlaut der Ziffer VI. nicht unbestimmt. Zwar wird dort beschrieben, dass die festgestellten Höhen an der südlichen Gebäudefassade mit den Höhenkoten H1-H10 bemaßt sind. An der südlichen Gebäudefassade befinden sich indes nur die Höhenkoten H1, H9, H10 und H8. Aus der Zusammenschau der in den Eingabeplänen grafisch in gerissener roter Linie dargestellten Festsetzung des Urgeländes ausschließlich an der Südfassade und dem Wortlaut in der Ziffer VI., wonach es gerade auf die festgestellten Höhen an der südlichen Gebäudefassade ankommt, ergibt sich jedoch, dass nur die sich auf dieser Gebäudeseite befindlichen Höhenkoten (H1, H9, H10, H8) für die Geländefestsetzung relevant sein konnten und auch nur für diesen Abschnitt eine Geländefestsetzung gewollt war.
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c. Mit der Festlegung des Geländeverlaufs ist der untere Bezugspunkt für die abstandsflächenrechtlich relevante Wandhöhe bestimmbar. Denn gemäß Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBO handelt es sich bei der Wandhöhe um das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Eine im Änderungsbescheid gesonderte, ausdrückliche Festlegung der Höhenkoten H1-H10 als untere Bezugspunkte für die Berechnung der Wandhöhe war somit entgegen des Vortrags der Antragstellerin nicht erforderlich.
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Unter Zugrundelegung des festgesetzten Geländeverlaufs ergibt sich an der Höhenkote H10 eine Geländehöhe von 541,14 m ü. NN. Der untere Bezugspunkt der Wandhöhe – also der Schnittpunkt der festgesetzten Geländeoberfläche mit der Außenfassade – liegt bei -1,36 m; sodass sich an dieser Stelle bei einer Wandhöhe von 1,36 m + 13,19 m = 14,55 m zuzüglich der zu einem Drittel zu berücksichtigenden Dachhöhe von 2,53 m ein Maß H von 15,39 m und damit gem. Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO eine Abstandsflächentiefe von 0,4 H=6,156 m ergibt. Der senkrechte Abstand der Südfassade, ausgehend von H10, zum Nachbargrundstück beträgt 6,3 m. Die Abstandsfläche liegt somit entsprechend Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO vollständig auf dem Grundstück der Beigeladenen. Die Abstandsflächenvorschriften des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 BayBO sind somit nach den Höhenangaben im genehmigten Eingabeplan nicht verletzt.
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d. Der Antragsgegner hat sich mit der Interpolation einer anerkannten Methode zur nachträglichen Ermittlung der Geländeoberfläche bedient (vgl. VG München, B.v. 3.7.2020 – M 1 SN 19.5089 – juris Rn. 44 m.w.N.) und in der Folge ermessensfehlerfrei die Geländeoberfläche festgesetzt. Zwar können solche Berechnungsmethoden nie den exakten, nicht mehr vorhandenen Geländeverlauf wiedergeben, sondern sich ihm nur bestmöglich annähern (BayVGH, B.v. 12.11.2020 – 1 CS 20.1796 – juris Rn. 11). Allerdings reicht diese Annäherung aus, um zumindest den Beweis des ersten Anscheins für den Verlauf der natürlichen Geländeoberfläche zu führen (VG München, B.v. 3.7.2020 – M 1 SN 19.5089 – juris Rn. 44). Die Abstandsflächen sind unter Zugrundelegung der hierdurch gemessenen Werte eingehalten. Die Beweislast für einen Abstandsflächenverstoß – also die Beweislast für das Vorhandensein der Voraussetzungen der für den Beteiligten günstigen Rechtsnormen – liegt somit bei der Antragstellerin (BayVGH, B.v. 12.11.2020 – 1 CS 20.1796 – juris Rn. 12). So muss diese substantiiert darlegen, aus welchen Gründen der wahre Verlauf der natürlichen Geländeoberfläche zu ihren Gunsten vom festgelegten, angenäherten Verlauf abweicht (VG München, B.v. 3.7.2020 – M1 SN 19.5089 – juris Rn. 45) bzw. dass auch bei Berücksichtigung von den zugrunde gelegten Daten ein Abstandsflächenverstoß vorliegt (BayVGH, B.v. 12.11.2020 – 1 CS 20.1796 – juris Rn. 12). Es ist vorliegend nicht ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht substantiiert vorgetragen, inwieweit der Geländeverlauf anhand anderer Daten oder Berechnungsmethoden zu ihren Gunsten hätte festgesetzt werden können. Der Vorteil der von der Antragstellerin geforderten (reinen) linearen Interpolation gegenüber der vom Antragsgegner gewählten Methode des digitalen Geländemodells erschließt sich nicht und wird auch nicht weiter ausgeführt.
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3. Ohne dass es noch darauf ankäme, wäre zudem die Fertigstellung des Rohbaus als veränderter entscheidungserheblicher Umstand im Sinne des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO dahingehend zu berücksichtigen, dass das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin – parallel zur Wertung in VG München, B.v. 15.2.2025 – M 1 S 25.734 – zwischenzeitlich entfallen ist. Denn das Ziel eines Eilrechtsbehelfs, der sich gegen Beeinträchtigungen zur Wehr setzt, die von der Anlage als solcher und nicht von dessen Nutzung ausgehen – wie vorliegend die Abstandsflächen – ist es, die Schaffung vollendeter Tatsachen zu verhindern. Dies kann nach Fertigstellung des Rohbaus nicht mehr erreicht werden. Die aufschiebende Wirkung kann nun keinen rechtlichen Vorteil mehr verschaffen, da die behauptete Rechtsverletzung mit der Fertigstellung bereits eingetreten ist und durch die aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr verhindert werden kann (BayVGH, B.v. 11.1.2022 – 15 CS 21.2913 – juris Rn. 28 m.w.N.; gilt insofern auch für einen Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO, vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2013 – 15 CS 12.2425 – juris Rn. 19).
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene, da sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
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Zur Klarstellung wird darauf hingewiesen, dass die Kostenentscheidung des Beschlusses vom 31. Juli 2024 durch den vorliegenden Beschluss nicht geändert oder aufgehoben wurde.
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5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 und Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs. Der Streitwert beträgt die Hälfte des im Hauptsacheverfahren voraussichtlich anzusetzenden Streitwerts.