Inhalt

OLG München, Hinweisbeschluss v. 28.04.2025 – 7 U 5475/23 e
Titel:

Klagepartei, Sittenwidrigkeit, Rechtshängigkeit, Abschalteinrichtung, Fehlende Passivlegitimation, Klageerwiderung, Berufungsanträge, Differenzschaden, Klageschrift, Übereinstimmungsbescheinigung, Nutzungsentschädigung, Betriebsuntersagung, Feststellung des Annahmeverzugs, Restwert, Manipulations-Software, Fahrzeuge, Basiszinssatz, Unzulässigkeit, mündlich Verhandlung, Rückabwicklung des Kaufvertrags

Schlagworte:
Dieselskandal, Thermofenster, Passivlegitimation, Sittenwidrigkeit, Schadensersatz, Vorteilsausgleich, Manipulationssoftware
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Endurteil vom 24.11.2023 – 42 O 504/23 Die
Fundstelle:
BeckRS 2025, 10695

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klagepartei gegen das Endurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 24.11.2023, Az. 42 O 504/23 Die, durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 21.05.2025

Entscheidungsgründe

1
Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 522 Abs. 2 ZPO. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten.
2
Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus dem Kauf eines Pkws im Rahmen des sogenannten Dieselskandals.
A.
3
Die vorsteuerabzugsberechtigte Klagepartei kaufte am 18.02.2021 von der Autohaus … GmbH in … den gebrauchten Pkw … (Vorführwagen) … DCI 150 4X4, EU 6, Fahrzeugidentifikationsnummer …, Erstzulassung 19.12.2019, mit einem Kilometerstand von 8.000 km zum Preis von 25.394,60 € brutto bzw. 21.340,00 € netto (vgl. die Rechnung laut Anl. DB 1a). Das Fahrzeug verfügt über einen SCR-Katalysator. In der Motorsteuerungssoftware ist ein Thermofenster implementiert. Die Typgenehmigung mit der Nummer … wurde am 04.04.2019 durch die … Typgenehmigungsbehörde (Kennziffer …) erteilt.
4
Die Klagepartei behauptete, die Beklagte sei Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs und auch Herstellerin und Entwicklerin des darin verbauten Motors. Sie habe auch die Übereinstimmungsbescheinigung erteilt (vgl. Schriftsatz der Klägervertreter vom 28.07.2023, S. 3 unten, Bl. 111 d.A.).
5
Das Thermofenster reduziere die Abgasreinigung, sobald eine Temperatur von 17° C unterschritten werde (vgl. Schriftsatz der Klägervertreter vom 28.07.2023, S. 4 Mitte, Bl. 112 d.A.).
6
Der AdBlue-Tank sei zu klein bemessen, sodass zur Vermeidung des Verbrauchs größerer Mengen AdBlue dessen Verbrauch durch den Einsatz einer Manipulationssoftware für den Straßenbetrieb gedrosselt worden sei. Dadurch hätten die Fahrzeuge die Abgasnormen nicht eingehalten (Klageschrift S. 14, Bl. 14 d.A.).
7
Das Fahrzeug verfüge über eine Lenkwinkelerkennung, eine Böschungswinkelerkennung sowie eine Umgebungserkennung. Das OBD-System sei manipuliert.
8
Hätte die Klagepartei vom Vorhandensein dieser unzulässigen Abschalteinrichtungen gewusst, hätte sie das streitgegenständliche Fahrzeug nicht gekauft.
9
Die Klagepartei beantragte,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 21.131,13 EUR – abzüglich einer vom Gericht (auf Basis einer Gesamtlaufleistung von zumindest 350000 km) zu schätzenden Nutzungsentschädigung unter Zugrundelegung des Kilometerstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs – nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des Fahrzeugs … (…) zu zahlen;
Hilfsweise zum Antrag zu 1) beantragte die Klagepartei,
Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Schadenersatzbetrag in Höhe von 6.348,65 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
Hilfsweise für den Fall, dass die Klage hinsichtlich des Antrags zu 1) sowie des hierzu gestellten Hilfsantrags abgewiesen wird, beantragte die Klagepartei:
Die Beklagte wird verurteilt,
an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3.809,19 EUR (15% des gezahlten Kaufpreises) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) genannten Fahrzeugs seit Rechtshängigkeit in Annahmeverzug befindet.
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden (wie etwa Folgeschäden, die durch ein mögliches Update hervorgerufen werden) zu ersetzen, die daraus resultieren, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen war;
Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den zuletzt genannten Antrag als unzulässig oder unbegründet erachten sollte, beantragte die Klagepartei:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin im Falle einer behördlichen Betriebsuntersagung oder nicht unwesentlichen Betriebsbeschränkung des streitgegenständlichen Fahrzeugs (ECLI:FIN:…), die daraus resultiert, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen war – eine Abhilfemaßnahme kostenfrei und unverzüglich anzubieten, mit welcher die behördliche Maßnahme beseitigt wird.
10
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
11
Die Beklagte erwiderte, dass sie weder Herstellerin des Fahrzeugs noch des Motors, sondern lediglich eine reine Vertriebsgesellschaft innerhalb des … -Konzerns sei. Die Fahrzeuge der Marke … und die darin verbauten Motoren würden von der … … s.a.s. hergestellt. Sie bestreite daher mit Nichtwissen, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut seien.
12
Das Fahrzeug verfüge insbesondere über keine Umschaltlogik.
13
Mit Endurteil vom 24.11.2023, Az. 42 O 504/23 Die, wies das Landgericht Ingolstadt die Klage ab.
14
Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Landgericht u.a. aus, dass die Klagepartei zu den tatsächlichen Voraussetzungen sowohl der Passivlegitimation der Beklagten als auch einer deliktischen Haftung der Beklagten nichts vorgetragen habe. Eine Haftung der Beklagten scheide jedenfalls auch schon deshalb aus, weil sich das Gericht nicht davon habe überzeugen können, dass die Klagepartei den Kaufvertrag über das streitgegenständliche Fahrzeug in Kenntnis des Vorhandenseins einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht geschlossen hätte. Zwar gehe das Gericht von dem Erfahrungssatz aus, dass ein Käufer, der ein Fahrzeug zur eigenen Nutzung erwerbe, bei der bestehenden Gefahr einer Betriebsbeschränkung oder -untersagung von dem Erwerb des Fahrzeugs abgesehen hätte. Jedoch sei der Geschäftsführer der Klagepartei trotz der Anordnung der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nicht zur mündlichen Verhandlung erschienen. Dem klägerischen Terminsvertreter sei es nicht möglich gewesen, konkrete Fragen des Gerichts zu beantworten. Das Nichterscheinen der Klagepartei verbunden mit der unzureichenden Information des klägerischen Terminvertreters über die Kaufmotivation sei als Verweigerung der Erklärung zu werten. Vor allem im Hinblick darauf, dass der Kaufvertrag am 18.12.2021 und damit zu einem Zeitpunkt geschlossen worden sei, als der Abgasskandal in den Medien omnipräsent gewesen sei, dränge sich die Frage auf, ob und wenn ja, auf welche Art und Weise die Klagepartei sich vor dem Kauf über das Fahrzeug informiert habe und weshalb sie sich gerade für dieses Fahrzeug entschieden habe. Es könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Klagepartei darauf vertraut habe, dass, falls das Fahrzeug vom Dieselskandal betroffen sein sollte, wie bei den Fahrzeugen des Volkswagenkonzerns mit dem Motor EA 189 ein Software-Update entwickelt werde, durch das eine Betriebsuntersagung verhindert worden wäre.
15
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
16
Die Klagepartei verfolgt unter teilweiser Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags ihr bisheriges Klageziel nahezu vollumfänglich weiter.
17
Die Klagepartei beantragt daher:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 21.131,13 EUR – abzüglich einer vom Gericht (auf Basis einer Gesamtlaufleistung von zumindest 350000 km) zu schätzenden Nutzungsentschädigung unter Zugrundelegung des Kilometerstandes zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung für die Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs – nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übergabe und Rückübereignung des Fahrzeugs … (…) zu zahlen;
Hilfsweise wird zum Antrag zu 1) beantragt,
Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Schadenersatzbetrag in Höhe von 6.348,65 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
Hilfsweise für den Fall, dass die Klage hinsichtlich des Antrags zu 1) sowie des hierzu gestellten Hilfsantrags abgewiesen wird,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3.809,19 EUR (15% des gezahlten Kaufpreises) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1) genannten Fahrzeugs seit Rechtshängigkeit in Annahmeverzug befindet.
3. Festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche Schäden (wie etwa Folgeschäden, die durch ein mögliches Update hervorgerufen werden) zu ersetzen, die daraus resultieren, dass das streitgegenständliche Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen war.
18
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klagepartei auf deren Kosten zurückzuweisen.
19
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil.
B.
20
Die Berufung der Klagepartei ist offensichtlich unbegründet, da die Klagepartei gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf den sogenannten großen oder den sogenannten kleinen Schadensersatz hat noch ein Differenzschadensersatzanspruch der Klagepartei gegen die Beklagte besteht. Infolgedessen ist auch für die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten und einer Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung weiteren Schadens kein Raum.
21
I. 1. Ein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte auf die mit dem Berufungsantrag zu 1) verlangte Rückabwicklung des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug (großer Schadensersatz) scheitert ebenso wie der mit dem Berufungsantrag zu 1) hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf den kleinen Schadensersatz schon an der insoweit fehlenden Passivlegitimation der Beklagten.
22
Eine Passivlegitimation der Beklagten hinsichtlich dieser Schadensersatzansprüche setzt nämlich voraus, dass die Beklagte entweder Fahrzeugherstellerin oder aber zumindest Herstellerin des in dem Fahrzeug verbauten Motors ist. Keine dieser beiden Eigenschaften konnte die Klagepartei jedoch nachweisen.
23
a. Denn wie sich aus der von der Klagepartei im Berufungsverfahren als Anlage 1 vorgelegten EG-Übereinstimmungsbescheinigung vom 05.07.2019 für das streitgegenständliche Fahrzeug ergibt, ist Hersteller des streitgegenständlichen Fahrzeugs nicht die Beklagte, sondern die … s.a.s mit Sitz in … Die Behauptung der Klagepartei, die Beklagte sei Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs, ist damit zur Überzeugung des Senats widerlegt.
24
b. Die Klagepartei konnte aber auch nicht nachweisen, dass die Beklagte Herstellerin des in dem Fahrzeug verbauten Motors ist. Zwar hat die Klagepartei dies behauptet (vgl. Klageschrift S. 6 oben, Bl. 6 d.A.), sie hat jedoch auch nach dem diesbezüglichen Bestreiten der Beklagten in der Klageerwiderung (dort S. 2 zweiter Absatz, Bl. 78 d.A.), keinen Beweis für die von ihr behauptete Motorherstellereigenschaft der Beklagten angeboten. Obwohl das Landgericht bereits in der mündlichen Verhandlung vom 03.11.2023 (vgl. S. 2 des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 03.11.2023, Bl. 153 d.A.) darauf hingewiesen hatte, dass der Vortrag der Klagepartei zur Passivlegitimation der Beklagten nicht schlüssig sei, und dies auch in seinem Urteil ausführte (vgl. LGU S. 4 vorletzter Absatz, Bl. 160 d.A.) und obwohl die Beklagte sowohl mehrfach in erster Instanz (vgl. Klageerwiderung vom 14.06.2023, S. 2 zweiter Absatz, Bl. 78 d.A. und Schriftsatz der Beklagtenvertreter vom 25.10.2023, S. 2 zweiter Absatz, Bl. 138 d.A.) als auch in der Berufung (vgl. Berufungserwiderung S. 2 f., Bl. 36 f. d.A.) vorgetragen hatte, dass sie eine reine Vertriebsgesellschaft im Konzern von … sei, ging die Klagepartei darauf nicht ein und bot auch in der Berufung kein Beweismittel für die ihr von behauptete Motorherstellereigenschaft an (sie hat sich zur Passivlegitimation der Beklagten überhaupt nicht geäußert). Die Klagepartei ist deshalb insoweit beweisfällig geblieben.
25
2. Unabhängig von der fehlenden Passivlegitimation der Beklagten besteht aber auch schon dem Grunde nach kein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte auf den großen oder den kleinen Schadensersatz.
26
a. Vertragliche Schadensersatzansprüche der Klagepartei gegen die Beklagte scheiden aus, weil es keine vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien gibt. Die Klagepartei hat das streitgegenständliche Fahrzeug aufgrund des mit der Autohaus … GmbH geschlossenen Kaufvertrags laut Anl. DB1a erworben.
27
b. Ein Anspruch aus § 826 BGB besteht nicht. Es fehlt vorliegend bereits an einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten unterstellt diese wäre – wie nicht – Herstellerin des Fahrzeugs oder zumindest des Motors.
28
aa. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, Rdnr. 15 m.w.N). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (BGH aaO).
29
Danach liegt ein sittenwidriges Verhalten eines Fahrzeugherstellers vor, wenn dieser sich im Rahmen einer von ihm bei der Motorenentwicklung getroffenen strategischen Entscheidung, die Typengenehmigungen durch arglistige Täuschung der Genehmigungsbehörde zu erschleichen und die derart bemakelten Fahrzeuge alsdann in Verkehr zu bringen, die Arglosigkeit und das Vertrauen der Fahrzeugkäufer gezielt zunutze macht (BGH, aaO, Rdnr. 25). Dies ist der Fall, wenn der Automobilhersteller der Typgenehmigungsbehörde zwecks Erlangung der Typengenehmigung mittels einer eigens zu diesem Zweck entwickelten Software, die bewusst und gewollt so programmiert ist, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand beachtet, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten werden (Umschaltlogik), wahrheitswidrig vorspiegelt, die Fahrzeuge würden die festgelegten Grenzwerte einhalten (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rdnr. 17).
30
bb. Gemessen an diesen Grundsätzen fehlt es im streitgegenständlichen Fall an einer Sittenwidrigkeit im Sinne des § 826 BGB.
31
(1) Das unstreitig in dem Fahrzeug implementierte vorhandene Thermofenster erfüllt den Tatbestand des § 826 BGB vorliegend nicht.
32
Denn der Einsatz einer derart temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems rechtfertigt die Bewertung als sittenwidriges Verhalten für sich genommen auch bei unterstellter Gesetzwidrigkeit der Applikation nicht (BGH, Beschluss vom 19.1.2021 – VI ZR 433/19, Rdnrn 26 f.; BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20, Rdnr. 16). Denn anders als eine Umschaltlogik differenziert das Thermofenster nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rdnr. 18). Bei dieser Sachlage wäre der Vorwurf der Sittenwidrigkeit gegenüber der Beklagten nur dann gerechtfertigt, wenn zu dem – unterstellten – Gesetzesverstoß weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der für sie handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen (BGH, Beschluss vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rdnr. 19). Dies setzt jedenfalls voraus, dass diese Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (BGH, Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 433/19, Rdnr. 19; Beschluss vom 09.03.2021 – VI ZR 889/20, Rdnr. 28).
33
Davon ist vorliegend nicht auszugehen.
34
Denn die Rechtsfrage, ob und inwieweit ein Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt oder nicht, war auch noch nach der Erstzulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs am 19.12.2019 hoch umstritten. So ging der Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen vom April 2016 noch von der grundsätzlichen Zulässigkeit des Thermofensters aus. Eine Klärung dieser Frage erfolgte erst durch die wesentlich spätere Rechtsprechung des EuGH. Daher liegt es keineswegs auf der Hand und kann nicht ohne Weiteres unterstellt werden, dass die Beklagte von der Unzulässigkeit des Thermofensters ausging oder die Augen hiervor bewusst verschlossen hätte, mithin sittenwidrig gehandelt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20, Rdnr. 30).
35
Aus den von der Klagepartei vorgelegten Unterlagen der Firma B. laut Anl. DB 32, DB 33 und DB 34 lässt sich eine solche Kenntnis nicht ableiten, da es – soweit ersichtlich – in diesen Unterlagen gar nicht um die Thermofensterproblematik ging. Hinsichtlich des Protokolls vom 20.09.2006 über eine Besprechung vom 14.09.2006 laut Anl. DB 32 ist schon nicht ersichtlich, dass – was die Beklagte bestreitet (vgl. Klageerwiderung S. 16 Mitte, Bl. 92 d.A.) – sie überhaupt an der Besprechung teilgenommen hat, da neben den Vertretern der R B GmbH (RB) als teilnehmende Firmen nur Audi, BMW, Daimler (DC) und VW aufgeführt sind. In den Unterlagen laut Anl. DB 33 wird darüber hinaus ausdrücklich ausgeführt, dass es sich bei dem Treffen vom 14.09.2006 um einen Arbeitskreis von Audi, VW, BMW, Daimler und Bosch gehandelt habe. … wird nicht erwähnt.
36
Ebenso fehlt es an dem für § 826 BGB erforderlichen Schädigungsvorsatz. Allein aus einer etwaigen objektiven Unzulässigkeit des Thermofensters folgt kein Vorsatz hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer. Im Hinblick auf die unsichere Rechtslage ist nicht dargetan, dass sich den für die Beklagte (unterstellt) tätigen Personen die Gefahr einer Schädigung der Klagepartei hätte aufdrängen müssen (BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20, Rdnr. 32, Beschluss vom 15.09.2021 – VII ZR 2/21, Rdnr. 23).
37
(2) Die Behauptungen der Klagepartei zu weiteren unzulässigen Abschalteinrichtungen im Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs sind nicht substantiiert genug, um die Annahme eines Anspruchs aus § 826 BGB oder auch nur eine weitere Beweisaufnahme hierzu zu rechtfertigen.
38
(a) Zwar ist es einer Partei grundsätzlich nicht verwehrt, eine tatsächliche Aufklärung auch hinsichtlich solcher Umstände zu verlangen, über die sie selbst kein zuverlässiges Wissen besitzt und auch nicht erlangen kann, die sie aber nach Lage der Verhältnisse für wahrscheinlich oder möglich hält. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie sich nur auf vermutete Tatsachen stützen kann, weil sie mangels Sachkunde und Einblicks in die Produktion des von der Gegenseite hergestellten und verwendeten Fahrzeugmotors einschließlich des Systems der Abgasrückführung oder -verminderung keine sichere Kenntnis von Einzeltatsachen haben kann (BGH, Beschluss vom 15.09.2021 – VII ZR 2/21, Rdnrn 26 f.). Eine Behauptung ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur beim Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können (BGH, aaO, Rdnr. 28; BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20, Rdnr. 23).
39
(b) Auch bei Zugrundelegung dieser strengen Grundsätze verfehlen die Behauptungen der Klagepartei zu weiteren Abschalteinrichtungen die Anforderungen an einen substanziierten Vortrag hinsichtlich sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten.
40
(aa) Zwar behauptet die Klagepartei, das streitgegenständliche Fahrzeug gehöre zu den denjenigen, die im Rahmen des sogenannten Diesel-Abgasskandals bei Messungen des ICCT, der DUH, des ADAC und/oder des KBA durch auffällig hohe NOx-/CO₂-Verbrauchswerte aufgefallen seien (vgl. Klageschrift S. 10, Bl. 10 d.A.). Auch nach Bestreiten dieses Vortrags durch die Beklagte, erfolgte jedoch keine Konkretisierung, um welche Messungen es sich dabei gehandelt habe und ob diese Messungen auf den streitgegenständlichen Fahrzeug- bzw. Motortyp bezogen waren, sodass die klägerischen Behauptungen nicht einlassungsfähig sind.
41
(bb) Soweit die Klagepartei vortrug, dass aufgrund der zu geringen Größe des AdBlue-Tanks mittels einer Manipulationssoftware in Form einer Lenkwinkel-, Böschungswinkel- und Umgebungserkennung der AdBlue-Verbrauch im Straßenbetrieb gedrosselt werde, sodass die volle Wirkung des SCR-Katalysators nicht abgerufen werden könne (Klageschrift S. 14 vorletzter und letzter Absatz und S. 15 erster Absatz, Bl. 14 f. d.A.), so fehlt es an jeglichen tatsächlichen Anhaltspunkten für das von der Beklagten bestrittene (Klageerwiderung S. 9 und 10, Bl. 85 und 86 d.A.) Vorhandensein einer derartigen Manipulationssoftware im streitgegenständlichen Fahrzeug. Als einzigen tatsächlichen Anhaltspunkt für die behauptete Manipulationssoftware benennt die Klagepartei eine Abweichung der Abgaswerte im Straßenverkehr von den auf dem Prüfstand gemessenen Werten (Klageschrift S. 15 erster Absatz, Bl. 15 d.A.). Die Darlegung, die Messwerte im Realbetrieb überträfen die Grenzwerte deutlich, ist angesichts der gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messungen im NEFZ einerseits und im Realbetrieb andererseits erfolgen, jedoch kein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021 – VII ZR 190/20, Rdnr. 25 und Beschluss vom 15.09.2021 – VII ZR 2/21, Rdnr. 30). In den vorgelegten Bosch-Unterlagen laut Anl. DB 32 – 34 ist – unabhängig davon, dass der Name … dort nicht auftaucht – von einer Lenkwinkel-, Böschungswinkel- und Umgebungserkennung nicht die Rede.
42
(cc) Der bestrittene (vgl. Klageerwiderung S. 10 unten, Bl. 86 d.A.) Vorwurf der Klagepartei, die Beklagte habe ferner mittels eines manipulierten OBD-Systems getäuscht (Klageschrift, S. 20 ff., Bl. 20 ff. d.A.), rechtfertigt gleichfalls nicht die Annahme eines Anspruchs aus § 826 BGB. Nach dem Klägervortrag müsste ein ordnungsgemäß funktionierendes OBD-System einen nicht ordnungsgemäßen Betrieb der Abgassysteme melden. Dies entspricht Absatz 3.3.2 des Anhangs 11 der UN/ECE-Regelung Nr. 83, wonach das OBD-System die Fehlfunktion eines emissionsrelevanten Bauteils oder Systems anzeigen muss, wenn diese Fehlfunktion dazu führt, dass die Abgasemissionen bestimmte Schwellenwerte übersteigen. Danach ist es plausibel und deutet nicht auf eine Manipulation hin, wenn eine Fehlermeldung nicht erscheint, wenn und weil die Fahrzeugkomponenten programmgemäß – und also aus der Perspektive der Fahrzeugtechnik ordnungsgemäß und nicht fehlerhaft – arbeiten (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 26.01.2022, 6 U 128/20, Rdnr. 65). Hinzu kommt, dass nicht ersichtlich ist, inwieweit ein manipuliertes Diagnosesystem eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen sollte, da es nicht auf das Abgasreinigungssystem einwirkt, sondern lediglich Fehlfunktionen anzeigen soll. Im Ergebnis kann sogar offenbleiben, ob das OBD-System tatsächlich falsch programmiert ist. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, würde es sich um einen „schlichten“ Mangel des Fahrzeuges handeln, den ggf. der Verkäufer zu beseitigen hätte. Indes liegt weder eine unzulässige Abschalteinrichtung vor, noch sind die Voraussetzungen eines deliktischen Anspruchs gegen die Beklagte gegeben (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 11.01.2022 – 7 U 84/21, Rdnr. 55).
43
Nach alledem ergibt sich auch in der Gesamtschau der genannten Aspekte kein greifbarer Anhaltspunkt für eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung der Klagepartei durch die Beklagte.
44
c. Ein Schadensersatzanspruch der Klagepartei gegen die Beklagte nach § 823 Abs. 2 BGB i. V.m. § 263 Abs. 1 StGB scheitert an der fehlenden Stoffgleichheit.
45
d. Andere Anspruchsgrundlagen sind fernliegend.
46
3. Da wie oben unter 1 und 2 dargelegt die Klagepartei gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückabwicklung des betreffend des streitgegenständlichen Fahrzeugs geschlossenen Kaufvertrags hat, konnte die Beklagte auch nicht mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug kommen, und bleibt die Berufung daher auch hinsichtlich des Berufungsantrags zu 2) ohne Erfolg.
47
4. Nachdem – wie oben unter 1 und 2 ausgeführt – Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte nicht bestehen, war auch nicht festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin weitere etwaige Schäden zu ersetzen (Berufungsantrag zu 3)).
48
II. Keinen Erfolg hat die Berufung auch hinsichtlich des mit dem Berufungsantrag zu 1 höchsthilfsweise geltend gemachten Differenzschadensersatzanspruchs gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 6 Abs. 1 und 27 Abs. 1 EG-FGV.
49
1. Zunächst hat die Klagepartei auch insoweit die Passivlegitimation der Beklagten nicht nachgewiesen ist. Nach der Rechtsprechung des BGH ist nämlich bezüglich des Differenzschadenersatzanspruchs grundsätzlich nur der Fahrzeughersteller als Aussteller einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung passivlegitimiert (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, Rdnrn 29 ff.). Wie bereits oben unter I 1 a dargelegt, steht allerdings durch die von der Klagepartei im Berufungsverfahren als Anlage 1 vorgelegte EG-Übereinstimmungsbescheinigung vom 05.07.2019 für das streitgegenständliche Fahrzeug fest, dass Fahrzeugherstellerin nicht die Beklagte, sondern die … s.a.s mit Sitz in … ist. Ein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagte auf Ersatz des Differenzschadens besteht damit schon mangels Passivlegitimation nicht.
50
2. Unabhängig von der insoweit fehlenden Passivlegitimation wäre ein etwaiger Differenzschaden der Klagepartei aber im Hinblick auf die von der Klagepartei bislang gezogenen Vorteile aus der Nutzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs und dessen Restwert vollständig aufgezehrt, sodass auch bei unterstellter Passivlegitimation der Beklagten ein Differenzschadensersatzanspruch der Klagepartei jedenfalls schon deshalb nicht mehr bestünde.
Dazu im Einzelnen:
51
a. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Differenzschaden vorbehaltlich der im Einzelfall vorzunehmenden Vorteilsausgleichung auf eine Bandbreite zwischen 5 und 15% des gezahlten Kaufpreises rechtlich begrenzt (BGH, Urteile vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, Rdnr. 73 und vom 20.07.2023 – III ZR 267/20, Rdnr. 34). Für die gemäß § 287 ZPO vorzunehmende Festlegung des Schadens innerhalb dieser Bandbreite sind die Umstände des Einzelfalls im Rahmen einer auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogenen Betrachtung zu gewichten. Dabei ist insbesondere in den Blick zu nehmen, welches Ausmaß an behördlichen Anordnungen auf Grund der festgestellten unzulässigen Abschalteinrichtung drohte und wie groß die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Anordnungen war, welches Gewicht dem festgestellten Verstoß des Herstellers bezogen auf das unionsrechtliche Ziel der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzwerte zukommt und schließlich mit welchem Verschuldensgrad der Hersteller den Verstoß verwirklicht hat.
52
Hiervon ausgehend erscheint dem Senat die Bemessung des Schadens im vorliegenden Fall mit 10% des Kaufpreises als sachgerecht, da es sich um einen mit Blick auf die genannten Kriterien durchschnittlichen Fall handelt. Besondere Umstände, welche diesen Fall in die eine oder andere Richtung gegenüber anderen Fällen hervorheben würden, sind nicht ersichtlich (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 09.11.2023 – 24 U 14/21, Rdnrn 125 f.). Nach der von der Klagepartei nicht in Abrede gestellten Behauptung der Beklagten, die Klagepartei sei zum Vorsteuerabzug berechtigt (Klageerwiderung S. 24 Mitte, Bl. 100 d.A.), zieht der Senat als Berechnungsgrundlage nicht den Bruttokaufpreis – unabhängig davon, ob dieser von der Klagepartei an die Verkäuferin bezahlt wurde –, sondern den Nettokaufpreis in Höhe von 21.340,00 € heran (vgl. die Rechnung laut Anl. DB 1a). Daraus folgt, dass der Differenzschaden im Streitfall im Ausgangspunkt mit 2.134,00 € zu bemessen ist (§ 287 ZPO) und der wahre Wert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Kaufs (= Kaufpreis abzüglich Differenzschaden) damit 19.206,00 € € betrug.
53
b. Im Wege des Vorteilsausgleichs muss sich der Geschädigte auf seinen Schadenersatzanspruch diejenigen Vorteile anrechnen lassen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind. Er darf einerseits im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet (st. Rspr; vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, Rdnr. 65). Diese Grundsätze können dazu führen, dass der Klagepartei zum Schluss der mündlichen Verhandlung – dem grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt für die Bewertung der anzurechnenden Vorteile (etwa: BGH, Urteil vom 24.01.2022 – VIa ZR 100/21, Rdnr. 23 mwN) – ein Schaden nicht verbleibt.
54
aa. Beim Differenzschadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV sind die Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeuges bzw. der Verkaufserlös nur insoweit und erst dann schadensmindernd anzurechnen, wenn sie den Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrages (gezahlter Kaufpreis abzüglich Differenzschaden) übersteigen (vgl. zu § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, Rdnrn. 44 und 80; zu § 826 BGB BGH, Urteil vom 24.01.2022 – VIa ZR 100/21, Rdnr. 22).
55
Demnach ist nach der vom BGH vorgegebenen Rechnung zunächst die Summe von Restwert und Nutzungsvorteilen zu bilden. Übersteigt diese Summe den Wert des Fahrzeugs bei Vertragsschluss, der nach der Formel Kaufpreis abzüglich Differenzschaden zu ermitteln ist, so erfolgt eine Anrechnung des überschießenden Betrages auf den Differenzschaden. Erreicht der überschießende Betrag die Höhe des Differenzschadens, besteht kein auszugleichender Schaden mehr (vgl. Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 335/21, Rdnr. 80; vgl. auch OLG Stuttgart, Urteil vom 09.11.2023 – 24 U 14/21, Rdnr 128).
56
bb. (1) Die Bewertung der gezogenen Nutzungen schätzt der Senat auf Basis der vom Bundesgerichtshof für zulässig erachteten Methode der linearen Wertminderung (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 354/19, Rdnrn 12 f. und Beschluss vom 12.10.2021 – VIII ZR 255/20, Rdnrn 22 f.) gemäß § 287 ZPO unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 300.000 km. Dies ergibt eine Restlaufleistung von 292.000 km (= 300.000 km – 8.000 km Stand bei Kauf). Die von der Klagepartei mit dem Fahrzeug zurückgelegte Wegstrecke schätzt der Senat unter Zugrundelegung des mit Schriftsatz der Klägervertreter vom 10.02.2025 mitgeteilten Kilometerstands von 95.094 km zum 10.02.2025 zuzüglich der bis jetzt zurückgelegten weiteren Wegstrecke, die der Senat aus dem täglichen Durchschnitt der klägerischen Fahrleistung im Zeitraum vom Erwerb des Fahrzeugs durch die Klagepartei am 18.02.2021 bis zum 10.02.2025 errechnet.
57
(2) Hinsichtlich des für das Fahrzeug anzusetzenden Restwerts legt der Senat den Händlereinkaufspreis des Fahrzeuges zu Grunde (§ 287 ZPO), welchen er über die allgemein bekannte Datenbank der DAT unter Angabe der FIN des Fahrzeuges, des Datums der Erstzulassung (19.12.2019) und der aktuellen, teils hochgerechneten Laufleistung ermittelt hat.
58
Demnach liegt die Summe von Nutzungsvorteilen und Restwert über dem Nettokaufpreis, sodass kein Schaden mehr verbleibt.
59
Infolge der offensichtlichen Aussichtslosigkeit der Berufung schon allein im Hinblick auf die fehlende Passivlegitimation der Beklagten regt der Senat an, die Berufung zur Meidung weiterer Kosten zurückzunehmen. Im Falle der Rechtsmittelrücknahme ermäßigen sich die zweitinstanzlichen Gerichtsgebühren um die Hälfte.