Titel:
Berufsbetreuer - Verpflichtung zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr
Normenketten:
BGB § 1862 Abs. 3
FamFG § 14b
ZPO § 173 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein Berufsbetreuer hat eine Verpflichtung zur Eröffnung eines sicheren Übermittlungsweges für die Zustellung von elektronischen Dokumenten. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Betreuungsgericht hat gegen Pflichtwidrigkeiten des Betreuers durch geeignete Gebote und Verbote einzuschreiten und kann den Betreuer zur Befolgung seiner Anordnungen durch die Festsetzung von Zwangsgeld anhalten. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsbetreuer, elektronischer Rechtsverkehr, Verpflichtung, Teilnahme
Vorinstanz:
AG Dillingen, Beschluss vom 21.10.2024 – XVII 561/09 (2)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 10694
Tenor
1. Die Beschwerde der Betreuerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dillingen a.d. Donau vom 21.10.2024, Az. XVII 561/09 (2), wird zurückgewiesen.
2. Die Betreuerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Mit Beschluss vom 21.10.2024 hat das Amtsgericht Dillingen a.d. Donau die Beschwerdeführerin, welche Betreuerin des Betreuten ist, angewiesen, einen sicheren Übermittlungsweg zur Zustellung elektronischer Dokumente zu eröffnen und dies dem Gericht durch Mitteilung der Postfachadresse zu bestätigen. Frist zur Erledigung wurde bestimmt auf einen Monat ab Erhalt des Beschlusses. Ferner wurde festgesetzt, dass bei nicht fristgerechter Erledigung, im Bedarfsfall auch wiederholt, Zwangsgeld von bis zu 25.000 € festgesetzt werden kann.
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Der Beschluss wurde der Betreuerin am 26.10.2024 zugestellt.
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Mit Fax vom 20.11.2024, eingegangen beim Amtsgericht Dillingen a.d. Donau am 20.11.2024, legte die Betreuerin Beschwerde gegen den Beschluss vom 21.10.2024 ein. Angeführt wurde, dass keine Gesetzesgrundlage existiere, die einen Betreuer verpflichte ein elektronisches Postfach einzurichten.
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Mit Beschluss vom 20.11.2024 half das Amtsgericht Dillingen a.d. Donau der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vor.
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Mit Hinweisbeschluss vom 29.11.2024 teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Rechtsauffassung mit, übersandte der Beschwerdeführerin die Stellungnahme des Bundesjustizministeriums der Justiz vom 11.03.2024 zur Kenntnisnahme und fragte nach, ob eine Rücknahme der Beschwerde in Betracht kommt.
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Mit Schreiben vom 20.12.2024 nahm die Betreuerin nochmalig Stellung und hielt an ihrer Rechtsansicht fest.
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Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft.
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Rechtsmittel gegen eine Entscheidung des Betreuungsgerichts nach § 1862 BGB ist, unabhängig von der Frage, ob der Rechtspfleger oder der Richter entschieden hat, die Beschwerde (BeckOGK Kommentar zum BGB, § 1862 Rn. 79).
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Gegen die Entscheidung über Zwangsmaßnahmen nach § 1862 Abs. 3 BGB ist grundsätzlich die Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG, gegen die Anordnung von Zwangsgeld gemäß § 35 Abs. 5 FamFG die sofortige Beschwerde entsprechend §§ 567 – 572 ZPO (§ 35 Abs. 5 FamFG) statthaft (Münchner Kommentar zum BGB, § 1862 Rn. 20). Insoweit ist daher zu unterscheiden: Während gegen die gerichtliche Anordnung der Handlung die Beschwerde nach § 58 ff. FamFG eröffnet ist, findet im Zwangsgeldverfahren (§ 35 Abs. 5 FamFG) die Beschwerde analog der §§ 567 bis 572 ZPO statt (Jürgens, Betreuungsrecht, § 1862 Rn. 19). Vorliegend liegt eine gerichtliche Anordnung einer Handlung und (erst) eine Androhung von Zwangsgeld vor.
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Beschwerdeberechtigt gegen die Anordnung einer Handlung und Zwangsmaßnahmen nach § 1862 Abs. 3 BGB ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG der Betreuer (Münchner Kommentar zum BGB, § 1862 Rn. 21; BeckOGK Kommentar zum BGB, § 1862 Rn. 79).
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Die Beschwerde wurde auch form- und fristgerecht eingelegt, § 63 Abs. 1, 3 FamFG.
12
Die Beschwerde ist aber nicht begründet.
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Ein Berufsbetreuer hat eine Verpflichtung zur Eröffnung eines sicheren Übermittlungsweges zur Zustellung von elektronischen Dokumenten. Eine gesetzliche Regelung dazu gibt es nicht. Die passive Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs für Berufsbetreuer gemäß § 14b FamFG i.V.m. § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bleibt mangels gesetzlicher Regelung einer Ausgestaltung durch die Rechtsprechung vorbehalten. Jedenfalls eine passive Nutzungspflicht ist bei einem Berufsbetreuer, welcher regelmäßig mit Gerichten und Behörden kommuniziert, ist nach Rechtsansicht der Kammer zu bejahen. Abweichende Entscheidungen anderer Gerichte in Bezug auf die konkrete Rechtsfrage sind nicht bekannt.
14
Mit dem 01.01.2024 ist die stufenweise Erweiterung des verpflichteten Empfängerkreises am elektronischen Rechtsverkehr abgeschlossen worden. Neben den ausdrücklich in § 173 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2. ZPO genannten Berufsgruppen haben nunmehr auch in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen, Vereine und Organisationen, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, einen sicheren Übermittlungsweg zu eröffnen. Mit dieser Regelung wird die Bestimmung der verpflichteten Teilnehmer am elektronischen Rechtsverkehr weiterhin der gerichtlichen Praxis überlassen. Hierbei ist eine typisierende Betrachtung nach Berufsgruppen vorzunehmen. Wesentliche Kriterien sind, ob die Empfänger regelmäßig mit dem Gericht kommunizieren und ob sie in ähnlicher Weise wie ein Anwalt, Notar usw. standesrechtlich gebunden sind, so dass sie eine ungestörte Durchführung der Zustellung gewährleisten (Zöller, Kommentar zur ZPO § 173 Rn. 8). Eine regelmäßige Kommunikation mit dem Gericht liegt bei einem Berufsbetreuer vor. Eine standesrechtlich Bindung liegt zwar im eigentlichen Sinne nicht vor, ist in der konkreten Ausgestaltung aber auch nicht erforderlich. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus den sonstig anerkannten Berufsgruppen, bei denen ebenso ein vergleichbares Standesrecht nicht vorliegt. Verpflichtet sind beispielsweise auch (vgl. Zöller, Kommentar zur ZPO, § 173 Rn. 10; BeckOK, Kommentar zur ZPO, § 173 Rn. 3; Stein, Kommentar zur ZPO, § 173 Rn. 8) Arbeitnehmervereinigungen, Gewerkschaften, Arbeitgebervereinigungen, berufsständische Vereinigungen, Verbraucherzentralen, Behörden, Körperschaften, Anstalten des öffentlichen Rechts, Gerichtsvollzieher, Inkassodienstleister, Rentenberater, Sachverständige (jedenfalls soweit regelmäßig mit Gerichten kommunizieren und öffentlich bestellt und vereidigt sind). Abgestellt wird in der Betrachtung darauf, dass der jeweilige Empfänger regelmäßig (im Rahmen beruflicher Tätigkeit) mit Gerichten kommuniziert und er – einem Rechtsanwalt oder Steuerberater vergleichbar – einer standesrechtlichen Bindung unterliegt, so dass eine problemlose Durchführung der Zustellung gewährleistet ist (Stein, Kommentar zur ZPO, § 173 Rn. 6). Dementsprechend setzt die professionelle Kommunikation einen Austausch von gewissem Umfang und über eine gewisse Dauer hinweg voraus, was bei gelegentlicher und beiläufiger (in Abgrenzung zu regelmäßiger und schwerpunktmäßiger) Tätigkeit abzulehnen ist. Die Voraussetzung der »erhöhten Zuverlässigkeit« ist eng mit der Prozessbeteiligung im Rahmen beruflicher Tätigkeit verknüpft, so dass nicht auf eine individuelle Zuverlässigkeit abzustellen ist. Die Zuverlässigkeit muss sich vielmehr aus der beruflichen Stellung ergeben (Stein, a.a.O.). Diese Zuverlässigkeit ist von einem Berufsbetreuer zu erwarten. Ergänzend wird auf die Ausführungen im angegriffenen Beschluss vom 21.10.2024 Bezug genommen. Im Übrigen wird auch auf die Ausführungen des Bundesjustizministeriums der Justiz im Schreiben vom 11.03.2024 verwiesen.
15
Die Anordnung des Betreuungsgerichts ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Nach § 1862 Abs. 3 S. 1 BGB hat das Betreuungsgericht gegen Pflichtwidrigkeiten des Betreuers durch geeignete Gebote und Verbote einzuschreiten. Gemäß § 1862 Abs. 3 S. 2 BGB kann das Gericht den Betreuer zur Befolgung seiner Anordnungen durch die Festsetzung von Zwangsgeld anhalten.
16
Die Betreuerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, §§ 1 Abs. 1, 22 Abs. 1, 25 GNotKG.
17
Die Entscheidung zum Geschäftswert beruht auf §§ 79 Abs. 1 S. 1, 61, 36 Abs. 2, Abs. 3 GNotKG.
18
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss wird zugelassen, § 70 Abs. 1, 2 FamFG.