Titel:
Sicherungsverwahrter, Strafvollstreckungskammer, Rechtsbeschwerdegericht, Rechtsbeschwerdeverfahren, Vollzug der Sicherungsverwahrung, Beiordnung eines Rechtsanwalts, Aufhebung, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Beschlüsse, Unbestimmter Rechtsbegriff, Strafvollzug, Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Hausordnung, Anfechtungsklage, Verfahrensverzögerung, Beschwerdeführer, Justizvollzugsanstalt, Allgemeinverfügung, Festsetzung des Gegenstandswertes, Vollzugsbehörde
Normenketten:
GG Art. 19 Abs. 4
StVollzG § 109 Abs. 1
Leitsätze:
1. I. Die Änderung der Aufschlusszeiten in einer Einrichtung für Sicherungsverwahrung durch Allgemeinverfügung stellt eine Maßnahme im Sinne des § 109 Abs. 1 StVollzG dar.
2. II. Eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die ein wesentlicher Bestandteil des freiheitsorientierten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung ist, ist nach Art. 15 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BaySvVollzG nur zulässig, wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordert.
3. III. Bei dem Begriff der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung durch die Vollzugsbehörde von den Gerichten voll umfänglich nachprüfbar ist.
4. IV. Fehlende personelle Ressourcen stellen ein Kriterium dar, das nur eingeschränkt zu berücksichtigen ist. Es muss sichergestellt sein, dass ausreichende Personalkapazitäten zur Verfügung stehen, um die Anforderungen eines freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung praktisch zu erfüllen.
Schlagworte:
Sicherungsverwahrung, Bewegungsfreiheit, Personalmangel, Organisationspflicht, Rechtsbeschwerde, Anfechtungsklage, Grundrechtsschutz
Vorinstanz:
LG Regensburg, Beschluss vom 10.02.2025 – SR StVK 1550/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 10610
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde des Sicherungsverwahrten K.F.K.S. werden aufgehoben
a) die Verfügung der Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung, nach der an den Wochenenden, Feiertagen und arbeitsfreien Werktagen der Aufschluss der Zimmer der Sicherungsverwahrten erst um 8:00 Uhr erfolgt, und b) der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 10.02.2025.
2. Die Staatskasse hat die Kosten des Verfahrens sämtlicher Instanzen und die dem Sicherungsverwahrten darin entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
3. Der Gegenstandswert für das erstinstanzliche Verfahren und für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden auf 500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller befindet sich im Maßregelvollzug in der Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung.
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Mit Schreiben vom 16.09.2024 beantragte der Sicherungsverwahrte eine gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG. Er wendet sich gegen eine von der Leitung der Einrichtung für Sicherungsverwahrung für die Zeit ab 01.10.2024 verfügte Änderung der Aufschlusszeiten an Wochenenden und Feiertagen. Danach würde das Zimmer des Sicherungsverwahrten an diesen Tagen erst um 8:00 Uhr statt wie bisher um 6:00 Uhr geöffnet werden. Eine Begründung für die Änderung wäre nicht mitgeteilt worden.
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Die Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung nahm hierzu mit Schreiben vom 25.09.2024 Stellung. Sie verwies darauf, dass aufgrund Personalmangels die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt nur durch eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Sicherungsverwahrten außerhalb der in der Hausordnung der Einrichtung geregelten Nachtruhe vom 22:30 Uhr bis 6:00 Uhr am Folgetag in dem in der Verfügung bezeichneten Zeitraum (Wochenende und Feiertage von 6:00 Uhr bis 8:00 Uhr) aufrechterhalten werden könne.
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Mit Beschluss vom 30.09.2024 wies die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 16.09.2024 zurück.
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Auf Rechtsbeschwerde des Sicherungsverwahrten hob der Senat mit Beschluss vom 02.12.2024 den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 30.09.2024 wegen eines Verfahrensmangels auf und verwies die Sache zu neuer Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurück.
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Der Beschwerdeführer nahm sodann nochmals mit Schreiben vom 07.01.2025 Stellung, wobei er hierin seinen Antrag auf die aktualisierte Verfügung der Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung erweiterte, die eine Änderung der Aufschlusszeiten neben den Wochenenden und Feiertagen auch für die arbeitsfreien Werktage anordnete. Im Übrigen würde an den betroffenen Tagen auch kein Personalmangel bestehen.
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Mit Beschluss vom 10.02.2025 wies die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 16.09.2024 in der aktualisierten Fassung vom 07.01.2025 erneut zurück. Zur Begründung verwies die Strafvollstreckungskammer darauf, dass der Antrag bereits unzulässig sei, weil gegen die Verfügung der Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung eine Anfechtungsklage mangels subjektiver Betroffenheit nicht zulässig wäre und für die anzunehmende Verpflichtungsklage eine Vorbefassung der Anstalt fehle. Im Übrigen wäre der Antrag aber auch unbegründet, weil die von der Anstalt beschriebene Personalknappheit die Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Sicherungsverwahrten rechtfertige.
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Gegen diesen ihm am 11.02.2025 zugestellten Beschluss legte der Sicherungsverwahrte am 06.03.2025 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Straubing erneut Rechtsbeschwerde ein und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Entscheidung gemäß seinem Antrag, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache zu neuer Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts und macht Ausführungen zur Begründung.
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Die Generalstaatsanwaltschaft M. beantragt mit Schreiben vom 18.03.2025 die Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unzulässig. Im Übrigen wäre diese auch unbegründet.
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Hierauf nahm der Sicherungsverwahrte nochmals mit Schreiben vom 31.03.2025 Stellung.
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Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist gemäß Art. 103 BaySvVollzG i. V. m. § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig. Die Rechtsbeschwerde bietet Anlass, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.
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Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet und hat mit der Sachrüge endgültigen Erfolg.
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Die Strafvollstreckungskammer hat die Zulässigkeit des vom Sicherungsverwahrten gestellten Antrags verneint und somit den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung rechtsfehlerhaft als unzulässig verworfen. Darin liegt eine unzulässige Verkürzung des Rechtsschutzes. Der Beschluss vom 10.02.2025 verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 GG. Da die Sache spruchreif ist, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (Art. 103 BaySvVollzG i. V. m. § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG). Im Ergebnis führt dies nicht nur zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, sondern auch zur Aufhebung der vom Beschwerdeführer angefochtenen Verfügung der Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung.
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1. Bei dem vom Sicherungsverwahrten gestellten Antrag handelt es sich um eine zulässige Anfechtungsklage gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 StVollzG, die sich gegen die Verfügung der Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung, nach der an den Wochenenden, Feiertagen und arbeitsfreien Werktagen der Aufschluss der Zimmer der Sicherungsverwahrten erst um 8:00 Uhr erfolgt, richtet.
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Bei der Verfügung der Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung, nach der an den Wochenenden, Feiertagen und arbeitsfreien Werktagen der Aufschluss der Zimmer der Sicherungsverwahrten erst um 8:00 Uhr erfolgt, handelt es sich um eine Maßnahme im Sinne des § 109 Abs. 1 StVollzG i. V. m. Art. 103 BaySvVollzG. Unter den Begriff der Maßnahme fällt jedes vollzugsbehördliche Handeln, das im Einzelfall auf die Gestaltung von Lebensverhältnissen mit zumindest auch rechtlicher Wirkung gerichtet ist. Maßnahmen im Sinne des § 109 Abs. 1 S. 1 StVollzG können sowohl Verwaltungsakte als auch Realakte (wie z. B. die Zellendurchsuchung) sein. Dabei ist unerheblich, in welcher Form die angefochtene Maßnahme ergeht, ob sie vom Anstaltsleiter oder einem nachgeordneten Bediensteten getroffen wird und ob dieser hierfür auch tatsächlich zuständig gewesen ist. Maßgeblich ist allein, ob die Maßnahme der Vollzugsbehörde zuzurechnen ist. Auch Allgemeinverfügungen (z. B. Regelungen bzgl. der Ein- und Aufschlusszeiten oder der Besuchszeiten in der Hausordnung; aber auch landeseinheitliche Vollzugskonzepte) können bei ihrer Umsetzung im Einzelfall eine Rechtswirkung nach außen entfalten, die für den Gefangenen – auch ohne Stellung oder Ablehnung eines entsprechenden Antrags – täglich zu spüren sein können (BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 27. Ed. 01.02.2025, StVollzG § 109 Rn. 7; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 109 Rn. 10, jeweils m. w. N.). Dies ist bei der verfahrensgegenständlichen Regelung, die zwar allgemein für alle Insassen der Einrichtung für Sicherungsverwahrung in S. Geltung hat, aber auch für den einzelnen Sicherungsverwahrten eine Verlängerung der Einschlusszeiten im Vergleich zur geltenden Hausordnung darstellt, der Fall. In der Verfügung liegt eine kraft Allgemeinverfügung umgesetzte unmittelbare (weil täglich auf Grund der Verfügung ohne das gesonderte Stellen bzw. Ablehnung eines Antrags zu spürende) Rechtswirkung auch für den Beschwerdeführer [vgl. OLG Celle, Beschluss vom 17.03.2006 – 1 Ws 42/06 (StrVollz) –, juris Rn. 7].
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2. Die verfahrensgegenständliche Verfügung der Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung, nach der an den Wochenenden, Feiertagen und arbeitsfreien Werktagen der Aufschluss der Zimmer der Sicherungsverwahrten erst um 8:00 Uhr erfolgt, ist rechtswidrig, verletzt den Sicherungsverwahrten in seinen Rechten und ist aufzuheben.
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Die Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung hat den Erlass ihrer Verfügung damit begründet, dass aufgrund von Personalmangel im allgemeinen Vollzugsdienst eine Einschränkung der Zeiten, in denen sich die Sicherungsverwahrten frei in der Anstalt bewegen können, als organisatorische Maßnahme notwendig wurde, um die Ordnung der Anstalt aufrechtzuerhalten, Art. 15 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Alt. 2 BaySvVollzG. Insoweit geht es nicht um eine Verlängerung der Nachtruhe gemäß Art. 14 BaySvVollzG, die in der Hausordnung geregelt ist und von 22:30 Uhr bis 6:00 Uhr am Folgetag einzuhalten ist, sondern um eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit der Sicherungsverwahrten in der Einrichtung für Sicherungsverwahrung.
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a) Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 BaySvVollzG dürfen sich die Sicherungsverwahrten außerhalb der Nachtruhe in der Einrichtung für Sicherungsverwahrung einschließlich eines Bereichs im Freien frei bewegen. Diese Bewegungsfreiheit ist ein wesentlicher Bestandteil des freiheitsorientierten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung. Erweiterte Möglichkeiten der Bewegungsfreiheit im Gebäude und Außenbereich der Einrichtung für Sicherungsverwahrung grenzen den Vollzug der Sicherungsverwahrung deutlich vom Vollzug der Freiheitsstrafe ab und betonen damit das verfassungsrechtliche Abstandsgebot (vgl. BayLT-Drs. 16/13834, 35; BeckOK Strafvollzug Bayern/Krä/Nitsche, 21. Ed. 01.10.2024, BaySvVollzG Art. 15 Rn. 1). Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 3 BaySvVollzG kann die Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sind gemäß Art. 15 Abs. 1 Satz 3 BaySvVollzG zulässig, wenn es die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt erfordern (Nr. 1) oder ein schädlicher Einfluss auf andere Sicherungsverwahrte zu befürchten ist (Nr. 2). Hierdurch wird dem spezialpräventiven Charakter der Sicherungsverwahrung Rechnung getragen (BayLT-Drs. 16/13834, 35). Zudem wird sichergestellt, dass den Sicherungsverwahrten über den unabdingbaren Entzug der „äußeren“ Freiheit hinaus innerhalb der Einrichtung für Sicherungsverwahrung weitgehende Bewegungsfreiheit gewährt wird (BayLT-Drs. 16/13834, 35; BeckOK Strafvollzug Bayern/Krä/Nitsche, 21. Ed. 01.10.2024, BaySvVollzG Art. 15 Rn. 3). Eine Einschränkung aus Gründen der Sicherheit der Anstalt (Nr. 1 Alt. 1) kann beispielsweise zur Vermeidung von Übergriffen gerechtfertigt sein (vgl. BayLT-Drs. 16/13834, 35). Weniger belastende Maßnahmen zur Wahrung der Sicherheit gehen jedoch vor. Die getroffenen Anordnungen sind in geeigneten Abständen regelmäßig daraufhin zu überprüfen, ob eine Fortdauer weiterhin geboten ist (vgl. BayLT-Drs. 16/13834, 35; BeckOK Strafvollzug Bayern/Krä/Nitsche, 21. Ed. 01.10.2024, BaySvVollzG Art. 15 Rn. 4). Eine Einschränkung aus Gründen der Ordnung der Anstalt (Nr. 1 Alt. 2) kann gerechtfertigt sein, wenn andernfalls z. B. kein ordnungsgemäßer Tagesablauf in der Einrichtung für Sicherungsverwahrung mehr gewährleistet wäre oder die Wohngruppenstruktur durch einen unkontrollierten Zugang gestört würde (vgl. BayLT-Drs. 16/13834, 35). Eine Einschränkung aus Ordnungsgründen kann auch dann erforderlich werden, wenn auf andere Weise die Abwicklung notwendiger Aufgaben (wie etwa die Verpflegung bzw. ein regelmäßiger Wäschetausch) oder die Durchführung von Freizeit- und Beschäftigungsmaßnahmen nicht sicherzustellen ist (vgl. BayLT-Drs. 16/13834, 35; BeckOK Strafvollzug Bayern/Krä/Nitsche, 21. Ed. 01.10.2024, BaySvVollzG Art. 15 Rn. 5).
19
b) Bei dem Begriff der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung durch die Vollzugsbehörde von den Gerichten voll umfänglich nachprüfbar ist (Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 115 Rn. 16; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 27. Ed. 01.02.2025, StVollzG § 115 Rn. 20).
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c) Gemessen an diesen Vorgaben begegnet die angegriffene verfahrensgegenständliche Verfügung in ihrer letzten Fassung (betreffend Wochenenden, Feiertage und arbeitsfreie Werktage) rechtlichen Bedenken. Soweit die Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung geltend macht, dass die Verfügung aufgrund Art. 15 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Alt. 2 BaySvVollzG zu Recht ergangen sei, übersieht sie, dass die von ihr zur Begründung genannten fehlenden personellen Ressourcen ein Kriterium darstellen, das nur eingeschränkt zu berücksichtigen ist (KG Berlin, Beschluss vom 23.01.2024 – 2 Ws 148/24 Vollz –, juris Rn. 40; OLG Koblenz, Beschluss vom 15.07.2021 – 2 Ws 364/21 Vollz –, juris Rn. 54).
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So können zwar unvorhergesehene Personalengpässe, die nicht auf einer unzureichenden Personalplanung beruhen, bei der Entscheidung über eine abweichende Regelung nach Art. 15 Abs. 1 Satz 3 BaySvVollzG Berücksichtigung finden (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 23.01.2024 – 2 Ws 148/24 Vollz –, juris Rn. 40; OLG Koblenz, Beschluss vom 15.07.2021 – 2 Ws 364/21 Vollz –, juris Rn. 54). Es ist aber zu berücksichtigen, dass die Gestaltung des äußeren Vollzugsrahmens dem spezialpräventiven Charakter der Sicherungsverwahrung Rechnung zu tragen hat. Hierzu sind auch die notwendigen organisatorischen Maßnahmen zu treffen, damit dies gewährleistet werden kann. Insbesondere muss sichergestellt sein, dass ausreichende Personalkapazitäten zur Verfügung stehen, um die Anforderungen eines freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung praktisch zu erfüllen (BVerfG, Urteil vom 04.05.2011 – 2 BvR 2333/08 –, BVerfGE 128, 326 – 409, juris Rn. 115). Treten im Einzelfall besondere, nicht vorhersehbare Umstände ein, weshalb die Sicherheit oder schwerwiegende Gründe der Ordnung der Anstalt oder ein ansonsten schädlicher Einfluss auf andere Untergebrachte es erforderlich machen, die Bewegungsfreiheit von Untergebrachten einzuschränken, können einschränkende Maßnahmen auf Art. 15 Abs. 1 Satz 3 BaySvVollzG gestützt werden (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 15.07.2021 – 2 Ws 364/21 Vollz –, juris Rn. 54 zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 3 LSvVollzG). Diese Besonderheiten erfahren aber eine Einschränkung, wenn es sich um vorhersehbare personelle Engpässe handelt, die eingetreten sind, weil sie nicht in die gebotene Organisationsplanung eingestellt worden sind. So hat eine Organisationsplanung gelegentliche personelle Engpässe, beispielsweise aufgrund von Urlaub, Fortbildungsmaßnahmen, aber auch wegen einer üblichen Krankheitsquote bei Bediensteten und Sicherungsverwahrten und damit einhergehenden Belastungen, wie dem zusätzlichen Personalaufwand bei Überwachungen im Krankenhaus, zu berücksichtigen, ohne dass zur Kompensation die Einschränkung der Rechte der Untergebrachten erforderlich wird, um die in Art. 15 Abs. 1 Satz 3 BaySvVollzG genannten Belange zu schützen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 15.07.2021 – 2 Ws 364/21 Vollz –, juris Rn. 54).
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e) Vorliegend hat die Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung die angegriffene Verfügung mit Personalmangel bei an sich grundsätzlich ausreichender Personalzuweisung im allgemeinen Vollzugsdienst wegen Pensionierungen, Langzeiterkrankungen und einer Elternzeit begründet. Unabhängig, ob der vom Beschwerdeführer bestrittene Umstand der Elternzeit überhaupt zutrifft, handelt es sich bei allen Umständen, die von der Anstalt vorgebracht wurden, nicht um unvorhersehbare. Sowohl Pensionierungen als auch eine Elternzeit sind keine Umstände, die plötzlich auftreten, sondern mit zeitlichem Vorlauf bekannt sind. Auch eine Langzeiterkrankung ist nicht geeignet, einen unvorhersehbaren kurzfristigen Personalengpass zu begründen. Spätestens mit der Erkenntnis, dass es sich bei einem Erkrankten um einen Langzeiterkrankten handelt, ist eine Reaktion möglich. Unvorhersehbare Personalengpässe liegen somit nicht vor. Bei dieser Sachlage waren die aufgezeigten Personalengpässe nicht geeignet, den durch die Verfügung der Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung (Aufschluss der Zimmer der Sicherungsverwahrten an den Wochenenden, Feiertagen und arbeitsfreien Werktagen erst um 8:00 Uhr) erfolgten Eingriff in das Recht auf Bewegungsfreiheit der Sicherungsverwahrten in der Einrichtung für Sicherungsverwahrung zu rechtfertigen. Diese Verfügung und der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 10.02.2025 waren deshalb aufzuheben. Im Übrigen enthält die Begründung der Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung auch keine Ausführungen dazu, welche konkreten Aufgaben nicht mehr geleistet werden können. Der Hinweis auf in der Gesetzesbegründung genannte Umstände ohne Bezugnahme auf die tatsächlichen Auswirkungen vor Ort ist nicht ausreichend.
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3. Mit dieser Entscheidung gilt hinsichtlich der Aufschlusszeiten der Zimmer der Sicherungsverwahrten wieder ausschließlich die Hausordnung der Einrichtung mit den dortigen Regelungen zur Nachtruhe (Einschluss bis 6:00 Uhr). Eine vom Sicherungsverwahrten zugleich beantragte Folgenbeseitigung ist angesichts des Gegenstands der Maßnahme (Einschluss in der Vergangenheit) nicht möglich, da diese nicht rückgängig gemacht werden kann (Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 115 Rn. 7; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 27. Ed. 01.02.2025, StVollzG § 115 Rn. 11).
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4. Soweit der Sicherungsverwahrte rügt, dass die Strafvollstreckungskammer die Beiordnung eines Rechtsanwalts gemäß § 109 Abs. 3 StVollzG abgelehnt hat, hätte er eine Verfahrensrüge nach § 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 338 Nr. 5 StPO erheben können, ohne dass es einer Beschwerde gegen die Ablehnung der Beiordnung bedarf (BayObLG, Beschluss vom 17.01.2022 – 204 StObWs 15/22 –, juris Rn. 2; Beschluss vom 13.10.2022 – 204 StObWs 402/22 –, nicht veröffentlicht; Beschluss vom 05.12.2023 – 203 StObWs 514/23 –, juris Rn. 26). Eine solche hat er jedoch nicht erhoben.
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Ob bei einer unterbliebenen Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 109 Abs. 3 StVollzG durch die Strafvollstreckungskammer der Vorsitzende des Rechtsbeschwerdegerichts eine solche Beiordnung für das Rechtsbeschwerdeverfahren anordnen kann, ist streitig (BayObLG, Beschluss vom 17.01.2022 – 204 StObWs 15/22 –, juris Rn. 15; Beschluss vom 13.10.2022 – 204 StObWs 402/22 –, nicht veröffentlicht). Der Vorsitzende des Senats hat jedenfalls zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen davon abgesehen, dem Beschwerdeführer in entsprechender Anwendung von § 109 Abs. 3 StVollzG für das Rechtsbeschwerdeverfahren einen Bevollmächtigten beizuordnen, zumal sein Rechtsmittel in vollem Umfang Erfolg hat (BayObLG, Beschluss vom 17.01.2022 – 204 StObWs 15/22 –, juris Rn. 15; Beschluss vom 13.10.2022 – 204 StObWs 402/22 –, nicht veröffentlicht; Beschluss vom 05.12.2023 – 203 StObWs 514/23 –, juris Rn. 33).
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1. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf Art. 103 BaySvVollzG i.V.m. § 121 Abs. 1 und 3 StVollzG, § 467 Abs. 1 StPO.
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2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 65, 60, 52 Abs. 1 GKG.