Titel:
Bewährungswiderruf Erledigung, Maßregel Entziehungsanstalt, Verbrauch Sucht, Therapie Vertrauensschutz gröblich beharrlich
Normenkette:
StGB § 56f, § 67d Abs. 5
Schlagworte:
Bewährungswiderruf Erledigung, Maßregel Entziehungsanstalt, Verbrauch Sucht, Therapie Vertrauensschutz gröblich beharrlich
Vorinstanz:
LG München I, Beschluss vom 10.03.2025 – 3 StVK 1121/16, 3 StVK 396/17
Fundstelle:
BeckRS 2025, 10492
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten E. wird der Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts München I vom 10.03.2025 aufgehoben.
2. Die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers trägt die Staatskasse.
Gründe
1
Der Beschwerdeführer D. E., bei dem eine multiple Substanzabhängigkeit besteht, wurde durch Urteil des Amtsgerichts München vom 10.10.2012 unter dem Az. 1112 Ls 230 Js 164962/11 wegen Körperverletzungsdelikten u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr 10 Monaten verurteilt; zudem wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB angeordnet. Vom 23.10.2012 bis zum 25.02.2013 befand er sich im Maßregelvollzug. Mit Beschluss vom 31.07.2014 wurde die Vollstreckung von Unterbringung und Reststrafe zunächst bis zum 03.08.2017 zur Bewährung ausgesetzt.
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Mit Urteil vom 29.07.2016 hat das Amtsgericht München den Beschwerdeführer abermals wegen Diebstahls- und Körperverletzungsdelikten unter Einbeziehung einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren 2 Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB angeordnet (Az. 851 Ls 238 Js 176572/15). Damit geriet die Unterbringung aus dem vorangegangenen Urteil (s.o.) in Wegfall, § 67f StGB.
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Infolgedessen kam es zum Widerruf der Reststrafenbewährung aus dem erstgenannten Urteil.
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Der Beschwerdeführer befand sich sodann seit 03.05.2016 erneut im Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB im ... .
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Mit Beschluss vom 06.03.2018 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts München I die weitere Vollstreckung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt und die Vollstreckung der Strafreste beider genannten Gesamtfreiheitsstrafen von 1 Jahr 10 Monaten und 2 Jahren 2 Monaten zur Bewährung ausgesetzt (BI. 4 d.A.) und die Dauer der Bewährungszeit und der durch Gesetz eingetretenen Führungsaufsicht auf 5 Jahre festgesetzt. Der Beschwerdeführer wurde daraufhin am 20.03.2018 aus dem Maßregelvollzug entlassen.
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In den Jahren 2019 und 2021 befand sich der Beschwerdeführer aufgrund von rückfallbedingten Kriseninterventionen nach § 67h Abs. 1 S. 1 StGB jeweils wieder mehrere Monate in stationärer Therapie des Maßregelvollzugs.
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Mit Entlassung aus der Krisenintervention am 12.01.2022 wurden die Weisungen aus dem Bewährungsbeschluss vom 06.03.2018 aufgehoben und neu gefasst, Bl. 143/147 d.A..
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Der Beschwerdeführer wurde unter anderem der Bewährungshilfe unterstellt und angewiesen, sich mindestens monatlich beim Bewährungshelfer zu melden, keine alkoholischen Getränke, keine Betäubungsmittel und keine als Ersatzdrogen geeigneten Medikamente zu konsumieren mit Ausnahme ärztlich verordneter Medikation im Rahmen einer Substitutionsbehandlung.
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Zudem wurde er angewiesen, sich in ambulante suchttherapeutische Behandlung bei der forensischen Ambulanz des ... zu begeben sowie sich Urin- und Atemalkoholtests zu unterziehen Mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 23.03.2022, rechtskräftig seit 01.04.2022, wurde der Beschwerdeführer wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen in Höhe von 15 Euro verurteilt. Infolgedessen hat die Strafvollstreckungskammer des LG München I mit Beschluss vom 08.07.2022 (Bl. 200/201) die Bewährungszeit um ein Jahr verlängert (also bis zum 22.03.2024), da die Straftat nicht so schwerwiegend gewesen sei, dass ein Widerruf unumgänglich erscheine.
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Der Verlauf der ambulanten Therapie verlief im Jahr 2023 – bis auf mehrere Rückfälle, die der Beschwerdeführer jeweils selbst gegenüber den Therapeuten einräumte und in deren Folge er sich wieder stabilisieren konnte – unauffällig. Dies änderte sich im Januar 2024, als der Beschwerdeführer nach der Trennung von seiner langjährigen Freundin in eine massive Krise geriet, Betäubungsmittel konsumierte und die Suchtambulanz zu Terminen nicht mehr aufsuchte. Telefonisch war er für diese erreichbar, wobei er angab, dass es ihm sehr schlecht gehe. Die Klinik teilte mit Bericht vom 28.02.2024 (Bl. 250/252) mit, dass aus ihrer Sicht die ambulanten Maßnahmen nunmehr vollständig ausgeschöpft seien und regte die Erledigterklärung der Maßregel an.
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Mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 20.02.2024, rechtskräftig seit 13.03.2024, Az. 1115 Cs 373 Js 226255/23, wurde der Beschwerdeführer wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 20 Euro verurteilt.
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Mit Verfügung vom 05.03.2024 beantragte die Staatsanwaltschaft wegen gröblichen und beharrlichen Verstoßes gegen die Abstinenz- und Therapieweisung den Widerruf der Bewährung, Bl. 254 d.A. und mit Verfügung vom 18.03.2024 die Erklärung der Erledigung der Maßregel, Bl. 256 d.A.
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Am 17.05.2024 erfolgte die Anhörung des Beschwerdeführers zum Antrag der Staatsanwaltschaft (Bl. 271/272 d.A.). Im April 2024 nahm er erneut eine ambulante Therapie beim ... auf, mit dem Ziel im Anschluss eine stationäre Langzeittherapie zu beginnen.
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Mit Verfügung vom 16.07.2024 (Bl. 278 d.A.) beantragte die Staatsanwaltschaft wegen der Verurteilung vom 20.02.2024 die Bewährungszeit zu verlängern und erklärte ihr Einverständnis damit, hinsichtlich des Bewährungswiderrufs wegen des Weisungsverstoßes den weiteren Therapieverlauf abzuwarten.
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Mit Beschluss vom 09.09.2024 verlängerte die Strafvollstreckungskammer des LG München I wegen der neuerlichen Verurteilung vom 20.02.2024 die Bewährungszeit um 6 Monate (Bl. 286/288). Mit Beschluss vom 03.01.2025 „berichtigte“ die Strafvollstreckungskammer den vorgenannten Beschluss im Tenor dahingehend, dass die „Bewährungszeit von 5 Jahren ab Zustellung des Beschlusses um 6 Monate verlängert“ werde (Bl. 298/299 d.A.). Es handle sich um ein offensichtliches Schreibversehen.
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Mit Bericht vom 28.01.2025 teilte die Bewährungshilfe mit, dass der Beschwerdeführer sich in teilstationärer Therapie befinde, wo er täglich sieben Stunden am Therapieprogramm teilnehme. Er habe eine Entgiftung erfolgreich überstanden.
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Mit Verfügung vom 03.03.2025 erkundigte sich die Staatsanwaltschaft nach dem Stand des Verfahrens, da die Bewährungszeit alsbald ende. Gegen den Beschwerdeführer sei ein neues Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung, begangen am 28.08.2024, also nach Ablauf der ursprünglichen und vor Verlängerung der Bewährungszeit, anhängig. Die bisherigen Anträge würden aufrechterhalten, da der bisherige Therapieverlauf keine nachhaltige Wirkung zeige (Bl. 309/310 d.A.).
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Mit Telefax vom 04.03.2025 teilte die Strafvollstreckungskammer der Staatsanwaltschaft mit, dass nach wie vor beabsichtigt sei, den Verlauf der Therapie abzuwarten und fragte an, ob derzeit Anträge gestellt würden (Bl. 311 d.A.). Daraufhin wiederholte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 10.03.2025 ihre Anträge auf Widerruf der Strafrestaussetzung zur Bewährung und auf Erklärung der Erledigung der Maßregel (Bl. 312 d.A.).
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Mit Bericht vom 06.03.2025 teilte die Bewährungshilfe mit, dass der Beschwerdeführer die teilstationäre Anbindung abgeschlossen habe und sich in Vorbereitung auf eine am 08.04.2025 beginnende stationäre Therapie in stationäre Entgiftung begeben habe, um vor dem Beginn der stationären Therapie kein Rückfallrisiko mehr einzugehen (Bl. 355 d.A.). Dem Bericht waren zahlreiche ärztliche Berichte und Bestätigungen beigefügt. Daraus ergibt sich, dass sich der Beschwerdeführer seit März 2024 wieder in engmaschiger ärztlicher und therapeutischer Behandlung befand, wobei auch mit der Behandlung einer nun gesichert diagnostizierten ADHS und einer Angststörung begonnen wurde. Dabei habe sich der Beschwerdeführer bezüglich der Suchtmittelproblematik krankheitseinsichtig und abstinenzmotiviert gezeigt. Insgesamt schätzte die Klinik die Behandlung als gelungen an, vgl. Bl. 344. Es sei am 09.02.2025 einmalig zu einem Rückfall gekommen, welcher therapeutisch bearbeitet worden sei, vgl. Bl. 343. Wann dieser Bericht bei der Strafvollstreckungskammer einging, lässt sich der Akte nicht entnehmen.
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Mit dem angefochtenen Beschluss vom 10.03.2025 hat die Strafvollstreckungskammer die Maßregel für erledigt erklärt und die Reststrafenaussetzungen zur Bewährung hinsichtlich der vorbezeichneten Gesamtfreiheitsstrafen von 1 Jahr 10 Monaten und 2 Jahren 2 Monaten widerrufen (BI. 313 ff. d.A.). Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer mit Rechtsmittelbelehrung am 18.03.2025 zugestellt (zu BI. 323 d.A.).
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Am 25.03.2025 ging bei der Strafvollstreckungskammer ein auf denselben Tag datierender Verteidigerschriftsatz ein, mit welchem sofortige Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluss eingelegt wurde (BI. 326 f. d.A.). Eine Beschwerdebegründung erfolgte mit ergänzendem Schreiben vom 22.04.2025 (BI. 348 ff. d.A.).
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Seit dem 08.04.2025 befindet sich der Beschwerdeführer in stationärer Langzeittherapie. Eine Entlassung ist am 10.09.2025 geplant (Bl. 365 d.A.). Die Bewährungshilfe teilte mit Schreiben vom 17.04.2025 mit, dass aus ihrer Sicht der mittlerweile erfolgte Widerruf nicht zwingend zielführend sei, vielmehr sollte die aktuelle Therapie abgewartet werden.
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Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts München I hat dem Rechtsmittel am 29.04.2025 nicht gem. § 311 Abs. 3 S. 2 StPO abgeholfen, sondern die Vorlage der Akten an das übergeordnete Beschwerdegericht durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft angeordnet (BI. 370 d.A.).
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Auf die gemäß § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten war der angefochtene Beschluss vom 10.03.2025 aufzuheben.
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1. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung lagen nicht vor. Gemäß § 56f Abs. 1 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung zur Bewährung, wenn die verurteilte Person in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat oder gegen Weisungen oder Auflagen gröblich oder beharrlich verstößt oder sich der Aufsicht und Leitung der Bewährungshelferin oder des Bewährungshelfers beharrlich entzieht und dadurch Anlass zu der Besorgnis gibt, dass sie erneut Straftaten begehen wird.
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Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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a) Die vom Beschwerdeführer während der Bewährungszeit begangenen Straftaten, die zu den beiden Strafbefehlen führten, können einen Widerruf nicht begründen. Denn diese waren bereits Grundlage von Verlängerungsbeschlüssen. Sie sind als Widerrufsgrund deswegen „verbraucht“. Dies folgt aus den Grundsätzen des verfassungsrechtlich geschützten Vertrauensschutzes.
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aa) Entscheidungen über den Widerruf der Aussetzung der Strafvollstreckung zur Bewährung sind an Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) zu messen. Die Verfassung schützt grundsätzlich das Vertrauen darauf, dass die mit abgeschlossenen Tatbeständen verknüpften gesetzlichen Rechtsfolgen anerkannt bleiben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Februar 1983 – 1 BvR 1019/82 –, BVerfGE 63, 215-229, Rn. 29; BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Februar 1995 – 2 BvR 168/95 –, Rn. 17, juris). Damit kann einem Widerruf entgegenstehen, dass durch ein Tun oder Unterlassen der zuständigen Justizstellen beim Verurteilten ein Vertrauen darauf geschaffen wurde, dass ein Widerruf der Strafaussetzung wegen einer bestimmten Tat nicht mehr erfolgen werde (BeckOK StGB/von Heintschel-Heinegg, 64. Ed. 1.2.2025, StGB § 56f Rn. 29, beck-online).
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Im Übrigen beinhaltet jede Entscheidung nach § 56f Abs. 2 S. 1 StGB inzident die Ablehnung eines Widerrufs nach Abs. 1 der Vorschrift und erwächst als solche in Rechtskraft.
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bb) Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze kann ein Bewährungswiderruf nicht auf die Verurteilungen gestützt werden, die bereits Anlass der Bewährungszeitverlängerungen waren. Diese sind als Widerrufsgründe „verbraucht“, vgl. OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 02.07.1996 – 3 Ws 552/96 = NStZ-RR 1997, 2; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 9. März 2020 – 3 Ws 34/20 –, Rn. 18.
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cc) Liegen andere Widerrufsgründe vor, können vorhergehende Weisungsverstöße natürlich in der Legalprognose berücksichtigt werden.
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b) Hier liegt allerdings auch kein anderer Widerrufsgrund vor:
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Die Rückfallepisode des Anfangs des Jahres 2024 und weitere Rückfälle in den Jahren 2024 sowie der Rückfall am 09.02.2025 können einen Widerruf nicht begründen. Denn es liegen keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Verstöße gegen die Abstinenzweisung gröblich und beharrlich erfolgten.
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aa) Ein gröblicher Verstoß ist eine schuldhafte, nach objektivem Gewicht und Vorwerfbarkeit schwerwiegende Zuwiderhandlung gegen eine zulässige, dem Täter bekanntgemachte, hinreichend bestimmte Weisung. Für die Beharrlichkeit ist eine wiederholte Zuwiderhandlung in ablehnender Haltung gegenüber dem Zweck der Weisung erforderlich (BVerfG, Beschluss vom 16.1.2020 – 2 BvR 252/19). Diese Definitionen schließen regelmäßig durch eine Suchterkrankung bedingte Weisungsverstöße aus (MüKoStGB/Groß/Kett-Straub, 4. Aufl. 2020, StGB § 56f Rn. 14, m.w.N.). Rückfälle sind Symptome der Sucht und innerhalb einer Therapie oftmals unvermeidbar (vgl. Patzak/Fabricius/Fabricius, 11. Aufl. 2024, BtMG § 35 Rn. 449 f. m.w.N.). Vor diesem Hintergrund spricht hier schon alles dafür, dass der suchtkranke Beschwerdeführer die Verstöße gegen die Abstinenzweisung jeweils nicht schuldhaft beging.
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bb) Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer der Abstinenzweisung grundsätzlich ablehnend gegenüberstand oder -steht, liegen nicht vor. Vielmehr begibt er sich seit Jahren trotz Rückfällen und anderen Rückschlägen immer wieder freiwillig und motiviert in verschiedene Therapien, die massiv in seine Lebensführung eingreifen. Den ärztlichen Berichten (s. o.) ist zu entnehmen, dass er die Rückfälle jeweils auch zum Gegenstand der Therapie machte. Dies entspricht dem Ziel, Rückfälle therapeutisch aufzuarbeiten, drogenfreie Intervalle zu vergrößern und Erfolge in kleinen Schritten anzustreben. Denn jeder Rückfall beinhaltet auch die Chance auf eine aufrichtige Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und einer Erfahrungsmöglichkeit, was dem angestrebten Therapieerfolg förderlich sein kann (vgl. Patzak/Fabricius/Fabricius, a. a. O.). Anzeichen dafür, dass es einer ablehnenden Haltung des Beschwerdeführers geschuldet wäre, dass ein vollständiger Erfolg bisher noch nicht eingetreten ist, lassen sich der Akte nicht entnehmen.
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2. Eine weitere Entscheidung des Senats nach § 56f Abs. 2 StGB scheidet vorliegend aus. Mangels eines Widerrufsgrundes nach § 56f Abs. 1 StGB ist kein Raum für die Anwendung von Abs. 2 der Vorschrift. Damit endete die Bewährungszeit sowie die nach der Aussetzung zur Bewährung am 06.03.2018 eingetretene Führungsaufsicht zunächst am 11.03.2025.
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3. Eine Erledigung der Maßregel nach § 67d Abs. 5 S. 1 StGB ist nicht eingetreten.
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Nach § 67d Abs. 5 S. 1 StGB erklärt das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt, wenn die Voraussetzungen des § 64 Satz 2 StGB nicht mehr vorliegen, also wenn aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte nicht mehr zu erwarten ist, den Betroffenen durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor einem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen. Voraussetzung für die Feststellung des Fehlens der hinreichend konkreten Erfolgsaussichten gemäß § 64 StGB ist eine Prognose hinsichtlich einer konkreten Aussicht auf einen Behandlungserfolg. Dabei ist entscheidend, ob bei der gebotenen Gesamtschau des bisherigen Behandlungsverlaufs eine mit den therapeutischen Mitteln des Maßregelvollzugs nicht mehr aufzubrechende Behandlungsunwilligkeit oder Therapieunfähigkeit des Verurteilten vorliegt, namentlich eine realistische Chance auf ein Erreichen des Maßregelzwecks weder durch einen Wechsel der Therapeuten und/oder der Behandlungsmethode noch durch ein Überwechseln des Verurteilten in den Vollzug einer anderen Maßregel oder einen teilweisen Vollzug der Strafe begründet werden kann. Diese Feststellung darf nur auf einer zuverlässigen Tatsachengrundlage erfolgen (OLG Bamberg, Beschluss vom 28. April 2021 – 1 Ws 252/21 –, Rn. 5, juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 21. Februar 2024 – Ws 54/24 –, Rn. 14, juris).
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Für eine derartige Prognose genügt weder das Schreiben des IAK vom 28.02.2024 (Bl. 280/252 d.A.) noch der Bericht der Bewährungshilfe vom 28.01.2025 (Bl. 306/307d.A.).
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Das ergibt sich bereits daraus, dass die ärztliche Stellungnahme vom 28.02.2024 erkennbar nur darauf abstellt, dass der erstrebte Therapieerfolg mit ambulanten Maßnahmen nicht mehr erreicht werden könne. Inwiefern eine weitere stationäre Maßnahme, welche den Regelfall der Maßregel des § 64 StGB darstellt, erfolgversprechend wäre, wird durch das Schreiben vom 28.02.2024 nicht thematisiert. Zudem stellt sich auch die Prognose hinsichtlich der ambulanten Maßnahmen als zweifelhaft dar. Grundlage des Schreibens ist, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 11.01.2024 bis zum 28.02.2024 nicht bei der Klinik vorstellig wurde. Dennoch bestand auch in diesem Zeitpunkt (wenn auch unregelmäßiger) telefonischer Kontakt und Kontakt per SMS. Dabei teilte der Beschwerdeführer der Klinik mit, dass er aufgrund einer Trennung rückfällig geworden sei und es ihm schlecht gehe. Er erbitte sich Zeit. Damit wird kein endgültiger von Unwillen getragener Behandlungsabbruch beschrieben, sondern lediglich ein Verstoß gegen vereinbarte Therapieregeln. Ein Schluss darauf, dass das Ziel der Maßregel überhaupt nicht mehr erreicht werden könne, erscheint wenig zwingend.
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Auch der weitere Verlauf widerspricht einer derartigen Prognose. Der Beschwerdeführer hat sich bereits im März 2024 wieder in ambulante Behandlung begeben, Bl. 338 d. A., und die Behandlung bis zum jetzigen Zeitpunkt fortgesetzt.
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Die Aussage des Bewährungshelfers, dass er den Behandlungsverlauf als „ambivalent“ wahrnehme, kann eine negative Prognose ebenfalls nicht tragen. Zwar berichtet der Bewährungshelfer weiter, dass der Glaube des Beschwerdeführers an seine Abstinenzfähigkeit und die Wirksamkeit der Therapie eher gering sei und er deswegen Motivationsarbeit leiste. Das lässt keinen Schluss darauf zu, dass Therapieunwilligkeit vorliegt, die nicht mehr aufgebrochen werden kann. Im Gegenteil ist – womöglich auch durch die Arbeit des Bewährungshelfers – die Motivation des Beschwerdeführers ausreichend hoch gewesen, die ambulante Therapie sowie die Entgiftung anzutreten und durchzustehen.
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Zusammenfassend fehlt es an einer ausreichenden Tatsachengrundlage dafür, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 64 S. 2 StGB nicht mehr anzunehmen.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 StPO entsprechend.