Inhalt

OLG Bamberg, Beschluss v. 26.02.2025 – 3 Wx 15/24
Titel:

Aufgebotsverfahren, Sicherungsgrundschuld, Grundschuldbrief, Rückgabe, Kraftloserklärung, Abhandenkommen, Abtretung der Grundschuld, Glaubhaftmachung, Löschungsbewilligung.

Normenketten:
FamFG § 31
FamFG § 467 Abs. 2
FamFG § 468 Nr. 2
BGB § 875
BGB § 1143
BGB § 1162
BGB § 1192 Abs. 1
GNotKG § 22 Abs. 1
GNotKG § 25 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bestätigt ein Grundschuldgläubiger die Rückgabe des Briefs sowie die Erteilung einer Löschungsbewilligung und existieren keine objektiven Anhaltspunkte für eine Abtretung der Grundschuld an einen Dritten, so stellt dies eine tragfähige Grundlage für die Annahme dar, dass eine Abtretung der Grundschuld nicht erfolgt ist.
2. In einem solchen Fall kann der Antrag eines Grundstückserben auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung eines abhanden gekommenen Grundpfandrechtsbriefs nach §§ 1192, 1162 BGB nicht allein mit der Begründung zurückgewiesen werden, der Antragsteller könne generell mangels eigener Wahrnehmungen zum Geschehen vor dem Eintritt des Erbfalls das Abhandenkommen des Briefs nicht glaubhaft machen.
Schlagworte:
Aufgebotsverfahren, Sicherungsgrundschuld; Grundschuldbrie, Rückgabe, Kraftloserklärung, Abhandenkommen, Abtretung der Grundschuld, Glaubhaftmachung, Löschungsbewilligung, Grundschuld
Vorinstanz:
AG Schweinfurt, Beschluss vom 24.06.2024 – 82 II 15/23
Fundstellen:
LSK 2025, 10484
BeckRS 2025, 10484
NJOZ 2025, 707

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Schweinfurt vom 24.06.2024, Az. 82 II 15/23, aufgehoben.
2. Das Amtsgericht Schweinfurt wird angewiesen, das Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung des Grundschuldbriefs für die zugunsten der …, nunmehr firmierend als X., bestellte Grundschuld in Höhe von 9.180,00 DM, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Schweinfurt für …, Bl. … in Abteilung III, lfd. Nr. 1 durchzuführen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.
1
1. Die Antragstellerin ist Alleineigentümerin des Grundstücks der Gemarkung …, Fl.Nr. …/xx. Sie begehrt die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung des Grundschuldbriefs über eine Grundschuld in Höhe von 9.180,00 DM, die für vorgenanntes Grundstück im Grundbuch des Amtsgerichts Schweinfurt, Gemarkung …, Bl. … in Abteilung III Nr. 1 eingetragen ist. Berechtigte aus der Grundschuld ist die …, nunmehr firmierend als X. (im Folgenden: X.). Das Grundstück stand im Eigentum des Vaters der Antragstellerin, dem inzwischen verstorbenen D.. Dieser wurde von seiner nachverstorbenen Ehefrau E. allein beerbt, deren Alleinerbin wiederum die Antragstellerin ist. Diese konnte den Grundschuldbrief bislang nicht auffinden.
2
Die Antragstellerin beantragte daher mit notarieller Urkunde des Notars Dr. G. in …, UVZ-Nr. …, vom 07.09.2023 die Durchführung des Aufgebotsverfahrens mit dem Ziel der Kraftloserklärung des für die genannte Grundschuld ausgegeben Grundschuldbriefes, weil sie der Auffassung ist, dass dieser abhandengekommen sei. Ihrem Antrag legte sie ein Schreiben der X. vom 19.07.2023 bei, in dem diese bestätigte, Grundschuldbrief und Löschungsbewilligung am 21.09.1976 an D. versandt zu haben (Bl. 9 i. V. m. Bl. 20 d. A.).
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2. Mit dem angegriffenen Beschluss lehnte das Amtsgericht Schweinfurt die Durchführung eines Aufgebotsverfahrens ab. Es vertrat dabei die Auffassung, dass die Antragstellerin zwar antragsberechtigt sei. Die materiellen Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor, da sie weder den Verlust der Briefes glaubhaft gemacht noch die X. eine Auskunft über dessen Verbleib gegeben habe.
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a. Ein Abhandenkommen sei nicht glaubhaft gemacht, weil es der Antragstellerin an einer eigenen Wahrnehmung fehle, dass bereits vor ihrer Rechtsnachfolge nicht über das Briefgrundpfandrecht verfügt worden sei. Es liege gerade im Wesen eines Briefrechts, dass dessen Abtretung ohne Notar und außerhalb des Grundbuchs erfolge. Auch entspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Ehemänner nicht alle Informationen an ihre Ehefrauen (und umgekehrt) bzw. Eltern an ihre Kinder weitergäben.
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b. Eine Versicherung an Eides statt der X. als letzte gesichert bekannte Rechtsinhaberin, dass die Briefgrundschuld nicht doch an einen anderen Gläubiger abgetreten oder verpfändet worden sei oder dass sie nicht gepfändet bzw. mit sonstigen Rechten Dritter belastet worden sei, habe die Antragstellerin nicht vorgelegt.
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3. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 24.07.2024 eingelegten Beschwerde.
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Die Gläubigerin habe bestätigt, dass das von der Grundschuld besicherte Darlehen bereits seit längerer Zeit getilgt und der Grundschuldbrief mit einer Löschungsbewilligung an den Erblasser zurückgesandt worden sei. Zu weiteren Angaben sei die Gläubigerin außerstande, weil der Schriftverkehr vernichtet worden sei.
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Das Amtsgericht habe überspannte Anforderungen an die Glaubhaftmachung gestellt. Gefordert sei keine volle Überzeugung, sondern nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des an Eides statt versicherten Verlusts des Grundschuldbriefs.
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Daneben komme aus rechtlichen Gründen eine Abtretung durch die Grundstücksvoreigentümer nicht in Betracht. Die X. habe gerade keine Abtretung der Grundschuld im Jahre 1976 erwähnt, so dass die Erteilung der Löschungsbewilligung mit dem Erstbrief die Vereinbarung einer Rechtsaufhebung gem. § 875 BGB dokumentiere. Damit habe D. keine Eigentümergrundschuld erworben, die er hätte abtreten können.
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4. Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 30.08.2024 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
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1. Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
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a. Die Frist des § 63 Abs. 1, 3 FamFG ist gewahrt.
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b. Die Beschwerdeberichtigung ergibt sich aus der Ablehnung des Antrags durch das Amtsgericht (vgl. OLG Karlsruhe, ErbR 2022, 828, 829).
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c. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts folgt aus § 119 Abs. 1 Nr. 1 lit. b GVG.
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2. Die zulässige Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Anweisung an das Amtsgericht, das beantragte Aufgebotsverfahren durchzuführen.
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Ein Grundschuldbrief kann gem. §§ 1192 Abs. 1, 1162 BGB im Verfahren nach §§ 466 ff. FamFG für kraftlos erklärt werden. Antragsberechtigt ist nach § 467 Abs. 2 FamFG derjenige, der das Recht aus der Urkunde geltend machen kann, bei Grundpfandrechtsbriefen also der Inhaber des dinglichen Rechts. Eine Antragstellung ist auch in gewillkürter Verfahrensstandschaft möglich, wenn der Ermächtigte ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Verfahrensführung hat. Hierunter kann auch ein wirtschaftliches Interesse fallen, soweit es sich auf das geltend gemachte Recht bezieht (OLG München, Beschluss vom 25.07.2017 – 34 Wx 110/17, BeckRS 2017, 118274, Rn. 13, 19). Dieses Interesse wird durch die Stellung der Antragstellerin als Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstücks begründet (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 07.08.2019 – 2 Wx 213/19, 2 Wx 214/19, BeckRS 2019, 47865 Rn. 11; OLG München, NJW-RR 2011, 594, 595). Hiervon geht zutreffenderweise auch das Amtsgericht aus.
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3. Das Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung eines abhanden gekommenen Grundpfandrechtsbriefs nach §§ 1192, 1162 BGB dient der Wiederherstellung der Verkehrsfähigkeit des Grundpfandrechts (OLG Karlsruhe, ErbR 2022, 828, 829).
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a. Zur Begründung des Antrags auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens muss der Antragsteller gem. § 468 Nr. 2 FamFG darlegen und gem. § 31 FamFG glaubhaft machen, den Besitz an der Urkunde derart verloren zu haben, dass er nicht mehr auf sie zugreifen und sie auch im Wege der Zwangsvollstreckung nicht wieder erlangen kann. Er kann sich hierbei aller Beweismittel bedienen, auch der Versicherung an Eides statt. Die Anforderungen an eine ausreichende Glaubhaftmachung sind erfüllt, sofern aufgrund der vorgelegten Beweismittel eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für ein Abhandenkommen besteht (BGH, NJW 2007, 2493; NJW 2003, 3558; Haußleiter/Gomille, FamFG, 2. Aufl. 2017, § 31 Rn. 2). Das ist dann der Fall, wenn ein Abhandenkommen wahrscheinlicher ist als das Gegenteil. Ob dieses Beweismaß erreicht ist, beurteilt das Gericht anhand des Einzelfalls in freier Beweiswürdigung, die jede schematische Betrachtungsweise verbietet (Musielak/Borth/Frank/Borth, FamFG, 7. Aufl. 2022, § 31 Rn. 2 i. V. m. Musielak/Voit/Huber/Röß, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 294 Rn. 3).
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b. Die hier von der Antragstellerin vorgelegten Beweismittel belegen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von einem Abhandenkommen des Grundschuldbriefes auszugehen ist.
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aa. Zunächst existieren keine objektiven Anhaltspunkte dafür, dass die X. die theoretisch bestehende Möglichkeit wahrgenommen, die Grundschuld an einen Dritten abgetreten und den Brief weitergegeben hat. Tatsächlich hat sie dem Erblasser eine Löschungsbewilligung erteilt und die Angelegenheit damit als abgeschlossen betrachtet. Zwar könnte die X. im Nachgang zum Erstschreiben an D. aus dem Jahr 1976 eine Abtretung oder Verpfändung der Grundschuld an einen Dritten vorgenommen haben. Angesichts der Mitteilung an die Antragstellerin im Jahr 2023, die einen derartigen Vorgang nicht erwähnt und mit der ausdrücklich eine erneute Löschungsbewilligung erteilt wird, handelt es sich dabei aber um eine ausgesprochen unwahrscheinliche Möglichkeit, für die es an greifbaren Anhaltspunkten fehlt und die eher theoretischer Natur ist.
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bb. Im Ergebnis auch nicht durchgreifend ist die zwar grundsätzlich zutreffende Einschätzung des Amtsgerichts, dass die Antragstellerin selbst zu keiner Zeit Besitzerin des Grundschuldbriefs war und daher aus eigener Anschauung zu dessen Verlust bzw. Vernichtung nichts sagen kann. Die Antragstellerin konnte in der Tat mangels eigener Wahrnehmung nicht an Eides statt versichern, dass seitens des Erblassers als Voreigentümer nicht über die Grundschuld verfügt worden war (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.02.2019, 25 Wx 73/18, Rn. 10, juris; Bumiller/Harders/Harders, FamFG, 13. Aufl. 2022, § 468 Rn. 2). Dieser Umstand führt jedoch nicht zwingend dazu, dass die Voraussetzungen für eine Kraftloserklärung nicht vorliegen.
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Vorliegend ist eine Verfügung der Voreigentümer über die Grundschuld unwahrscheinlich. Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen: Die Sicherungsgrundschuld geht entsprechend § 1143 BGB nur dann auf den Grundstückseigentümer über und wird dort zur Eigentümergrundschuld, wenn der Eigentümer auf das dingliche Recht leistet und die Grundschuld damit ablöst (BGH, NJW-RR 2003, 11, 12; OLG Celle, MDR 2021, 809). Bei der Leistung des persönlichen Schuldners auf die Forderung erlischt diese zwar nach § 362 BGB, die zu sichernde Grundschuld bleibt jedoch aufgrund der fehlenden Akzessorietät zur Forderung unberührt (BGH a. a. O.). Wegen Fortfalls des Sicherungszwecks hat der Grundstückseigentümer in diesem Fall gegen den Grundschuldgläubiger regelmäßig einen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld aus dem der Grundschuldbestellung zugrundeliegenden Sicherungsvertrag (BGH a. a. O). Der Rückgewähranspruch kann nach Wahl des Sicherungsgebers durch Abtretung der Grundschuld, deren Aufhebung oder den Verzicht auf das dingliche Recht erfüllt werden (BGH, NJW 2013, 1676, 1677 Rn. 16). Das in der Praxis übliche Vorgehen ist dabei, dass der Schuldner auf die Darlehensforderung leistet und im Sicherungsvertrag mit der Bank oder später eine Rückgewähr gemäß § 875 BGB durch Aufhebung vereinbart (OLG Karlsruhe, ErbR 2022, 828, 830). Kommt es nach einem entsprechenden Angebot des Gläubigers dann nicht zur Löschung des Rechts im Grundbuch, besteht das Recht des bisherigen Grundpfandrechtsgläubigers fort (BGH NJW-RR 2015, 915, 916 Rn. 11).
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Vorliegend spricht alles dafür, dass D. und die Rechtsvorgängerin der X. nach der üblichen Praxis verfuhren, denn die X. hat der Antragstellerin mit Schreiben vom 19.07.2023 mitgeteilt, bereits am 21.09.1976 eine Löschungsbewilligung erteilt und den Grundschuldbrief zurückgegeben zu haben. Von einer Abtretungserklärung an den Erblasser ist nicht die Rede. Hat die Rechtsvorgängerin der X. D. eine Löschungsbewilligung und den Grundschuldbrief übersandt, wurden damit die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 875 BGB geschaffen. Mangels Eintragung im Grundbuch blieben die X. bzw. ihre Rechtsvorgängerin aber Grundpfandrechtsgläubigerin. Die Erblasser waren zu einer Verfügung über die Grundschuld deshalb nicht berechtigt.
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Dass sie eine solche Verfügung gleichwohl vorgenommen hätten, ist bereits eine nur theoretische Möglichkeit, für die es keine Anhaltspunkte gibt. Selbst wenn dies der Fall gewesen und D. oder E. die Grundschuld unberechtigterweise abgetreten hätten, stünde einer Rechtswirksamkeit des Vorgangs entgegen, dass die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs gemäß § 892 BGB i.V.m. §§ 1192 Abs. 1, 1155 BGB nicht vorliegen. Hierzu hätte es einer auf den eingetragenen Grundschuldgläubiger zurückführenden Reihe öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen bedurft (vgl. OLG Karlsruhe a. a. O.; OLG München, Beschluss vom 25.07.2017 – 34 Wx 110/17, Rn. 22, juris), die vorliegend nicht ersichtlich ist. Unabhängig davon wäre nach der Lebenserfahrung spätestens mit dem zweiten Erbfall ein aus der Grundschuld resultierender Anspruch an die Antragstellerin als Erbin gestellt worden.
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c. Da hinsichtlich des Antrags der Beschwerdeführerin keine weiteren Prüfungsschritte erforderlich sind, hat das Beschwerdegericht gem. § 69 Abs. 1 S. 1, S. 2 FamFG in der Sache selbst zu entscheiden. Daher war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Amtsgericht anzuweisen, das Aufgebotsverfahren durchzuführen.
III.
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Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens kann aufgrund des Erlöschens der diesbezüglichen Haftung aus § 22 Abs. 1 GNotKG wegen des Erfolgs des Rechtsmittels gemäß § 25 Abs. 1 GNotKG unterbleiben. Deshalb bedurfte es auch keiner Geschäftswertfestsetzung.
IV.
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Wegen der abweichenden Entscheidung des 5. Senats des OLG Bamberg durch Beschluss vom 15.07.2024 (5 Wx 18/24) zu vergleichbarer Konstellation wird gem. § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 FamFG die Rechtsbeschwerde zugelassen.