Titel:
versicherungsrechtliche Voraussetzungen, Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse, Beiordnung eines Rechtsanwalts, Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich, UN-Behindertenrechtskonvention, Kostenentscheidung, Sachverständigengutachten, Rechtsprechung des BSG, Wirtschaftliches Eigentum, Befähigung zum Richteramt, Rechtsmittelbelehrung, Prozeßbevollmächtigter, Elektronischer Rechtsverkehr, Versorgungsansprüche, Wirtschaftlichkeitsgebot, Verfahrensmangel, Bewilligung von Prozesskostenhilfe, Widerspruchsbescheid, Heil- und Hilfsmittel, Prozeßvertretung
Schlagworte:
Hilfsmittelversorgung, Behinderungsausgleich, Mehrfachausstattung, Selbstbestimmung, Mobilität, Teilhabe
Vorinstanz:
SG München, Urteil vom 25.10.2023 – S 7 KR 686/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 10421
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.10.2023, S 7 KR 686/23, aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.02.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2023 verurteilt, die Klägerin mit dem beantragten E-Fix Antrieb zu versorgen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Versorgung der Klägerin mit einem E-Fix Rollstuhlantrieb.
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Die 1991 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet an einer spinalen Muskelathrophie Typ II, Immobilität, respiratorischer Insuffizienz und Kyphoskoliose mit Teleskopstabimplantation. Sie ist in Pflegegrad 5 eingestuft. Es erfolgt eine 24-Stunden-Betreuung.
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Im Jahr 2014 erfolgte eine Versorgung mit einem E-Fix (Radnabenantrieb) für einen vorhandenen Adaptivrollstuhl im Rahmen einer Ersatzbeschaffung. Im März 2021 wurde der Klägerin ein Elektrorollstuhl mit Hubvorrichtung bewilligt. Es handelt sich um einen SKS Elektrorollstuhl mit elektrisch einstellbarer Rückenlehne, Hubfunktion, Kantelbarkeit der Sitzfläche, Beinlängen- und Beinwinkelverstellung zum Preis von 23.365,- Euro. Im Gegenzug sollte die Klägerin den vorhandene E-Fix Antrieb zurückgeben. Ferner verfügt die Klägerin über einen fahrbaren Toilettenstuhl.
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Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 30.01.2023 einen E-Fix-Rollstuhlantrieb. Es handle sich um eine Ersatzteilversorgung. Das Bedienteil des jetzigen E-Fix sei extrem verschlissen, die Gummiabdeckungen inzwischen undicht und die Akkuleistung sei schwach. Eine Ersatzteillieferung sei nicht mehr möglich. Beigelegt war ein Kostenvoranschlag vom 29.04.2021, nach dem Kosten in Höhe von insgesamt 7.507,71 Euro für einen E-Fix-Rollstuhlantrieb E35 veranschlagt werden. Beigelegt war weiter eine klinikärztliche Verordnung von Dr. S., Chefarzt der Neurologischen Abteilung, Klinik Hoher Meißner, vom 16.12.2022 über einen E-Fix Rollstuhlantrieb. In der Begründung ist u.a. ausgeführt, der vorhandene Antrieb sei notwendig, um alle Räume der Wohnung selbständig nutzen zu können. Bei Ausfall des Elektrorollstuhls sei kein Umstieg auf einen manuellen Rollstuhl möglich. Arzt- und Therapeutenbesuche könnten durch die Nutzung des Adaptivrollstuhls mit E-Fix Antrieb auch weiterhin durchgeführt werden und es sei eine Gewährleistung der Teilhabe am sozialen Leben sichergestellt.
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Mit Bescheid vom 14.02.2023 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für das beantragte Hilfsmittel ab. Aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots sei eine Kostenübernahme für einen E-Fix Rollstuhlantrieb zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Elektrorollstuhl nicht möglich. Der vorhandene Elektrorollstuhl könne auch im Innenbereich der Wohnung genutzt werden. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Der Elektrorollstuhl stelle keine ausreichende Versorgung dar, da sie nicht in der Lage sei, mit diesem in das Bad zu gelangen. Die beiden Rollstühle ergänzten sich.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 16.05.2023 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Leistungen könnten nur unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung gestellt werden, die Klägerin sei mit dem Elektrorollstuhl ausreichend versorgt. Im Übrigen lasse die Ankündigung, dass die Ersatzteillieferung eingestellt werde, grundsätzlich keine Ersatzversorgung zu.
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Die Klägerin hat am 24.05.2023 Klage zum Sozialgericht München (SG) erhoben. Der Elektrorollstuhl, mit dem sie versorgt sei, sei so groß, dass sie ihr enges Bad nicht mehr benutzen könne. Sie sei hierfür auf den normalen Rollstuhl mit dem begehrten E-Fix Rollstuhlantrieb angewiesen. Die Verschleißgrenze des bisherigen E-Fix Rollstuhlantrieb sei bereits deutlich überschritten, so dass ein tatsächlicher Versorgungsengpass der Klägerin zu befürchten sei. Zum Beleg der begrenzten Platzverhältnisse im Badezimmer hat sie eine Bilderdokumentation sowie ihren Mietvertrag vorgelegt.
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Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 07.10.2010, B 3 KR 13/09) bei der Hilfsmittelversorgung nicht auf die konkreten Wohnverhältnisse ankomme, sondern auf einen generellen, an durchschnittlichen Wohnverhältnissen orientierten Maßstab. Im Übrigen sei der Klägerin ein Zuschuss für eine wohnfeldverbessernde Maßnahme für einen Badumbau in Höhe von 4.000,- Euro im Jahr 2021 bewilligt worden. Auch der Ausfall des Elektrorollstuhls oder der Besuch bei Ärzten oder Therapeuten rechtfertige keine doppelte Versorgung mit Hilfsmitteln. Der Elektrorollstuhl entspreche – im Gegensatz zum Adaptivrollstuhl mit E-Fix Antrieb – den Anforderungen des behinderungsbedingten Bedarfs der Klägerin. Eine Mehrfachausstattung könne nur verordnet werden, wenn dies aus medizinischen, hygienischen oder sicherheitstechnischen Gründen notwendig oder aufgrund der besonderen Beanspruchung durch die der den Versicherten zweckmäßig und wirtschaftlich sei. Im Übrigen zeige die vorgelegte Fotodokumentation, dass eine Nutzung des Elektrorollstuhls im Bad nicht unmöglich wäre.
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Das SG hat Dr. H1. mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens auf sozialmedizinischem Fachgebiet beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 07.08.2023 nach ambulanter Untersuchung der Klägerin in deren Wohnung zunächst die Wohnsituation und die zur Verfügung stehenden Hilfsmittel beschrieben. Er hat ausgeführt, die jetzige Wohnung habe einen rollstuhlgerechten Zugang, die Türbreite betrage in allen Räumen 80-81 cm, nur im Badezimmer betrage sie 69 cm. Der zur Verfügung stehende SKS Rollstuhl sei 63 cm breit, 105 cm lang; der Adaptivrollstuhl sei mit Greifreifenantrieb 53 cm breit und 90 cm lang. Die Klägerin benötige seit 2010 eine nächtliche Überdruckbeatmung, seit 2016/2017 leide sie unter Schluckstörungen und könne nur noch breiige Nahrung zu sich nehmen. Weiter hat der Sachverständige die regelmäßig durchgeführten Therapien dargestellt und hier ausgeführt, dass eine Vielzahl der Arzt- und Therapiebesuche mit dem SKS Elektrorollstuhl erfolgten (Physiotherapie und Ergotherapie je 2x wöchentlich, Logopädie 1x wöchentlich). Dieser werde auch für die Fahrt zur Arbeit benutzt. Es werde einmal wöchentlich eine Psychotherapie durchgeführt, hier werde der E-Fix Adaptivrollstuhl eingesetzt, weil die Therapeutin ihre Praxis im Obergeschoss habe und der Lift nicht mit dem SKS Rollstuhl befahren werden könne. Dies gelte auch für ihre Gynäkologin, die über einen schmalen Lift in der Praxis aufgesucht werden müsse. Im Rahmen der Schilderung des Tagesablaufs ist ausgeführt, dass Toilettengang und die Wäsche und Duschen mit dem Toilettenstuhl erfolgten. Das Zähneputzen etwa nach dem Frühstück erfolge mit dem E-Fix Adaptivrollstuhl. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Versorgung mit dem E-Fix Rollstuhlantrieb nicht befürwortet werden könne, da die Versorgung nicht unbedingt erforderlich sei und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit zuwiderlaufe. Es sei zumutbar, Ärzte und Therapeuten aufzusuchen, die behindertengerechte Praxen betrieben bzw. den Adaptivrollstuhl als Schieberollstuhl zu verwenden. Das Badezimmer könne ohne den E-Fix Rollstuhlantrieb genutzt werden. Zum Zwecke des Waschens, zum Transfer in die Badeliege und zum Zähneputzen könne der Toilettenrollstuhl eingesetzt werden. Zwar könne die Klägerin mit dem E-Fix Antrieb aktiv in das Bad einfahren, eine Selbständigkeit beim Zähneputzen könne hiermit aber nicht erreicht werden. Eine Indikation für eine Doppelversorgung sei nicht gegeben.
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Die Klägerin hat zum Gutachten ausgeführt, dass sie selbstverständlich in der Lage sei, sich selbst die Zähne zu putzen oder die Hände zu waschen. Ohne den beantragten E-Fix Rollstuhlantrieb sei sie nicht mehr in der Lage, dies selbständig zu erledigen. Auch im Hinblick auf soziale Kontakte sei sie ohne den beantragten E-Fix Rollstuhlantrieb sehr eingeschränkt. Der Elektrorollstuhl sei für viele Aufzüge ungeeignet, so dass die Klägerin nicht mehr in der Lage wäre, Freunde zu besuchen. Die überwiegende Mehrzahl der Wohnungen ihrer Freunde wäre dann für sie nicht mehr erreichbar. Auch wäre die Mobilität in der Stadt ohne den Rollstuhlantrieb stark eingeschränkt, da viele Geschäfte und Gaststätten mit dem Elektrorollstuhl nicht erreichbar wären. Zudem befinde sich die Klägerin seit drei Jahren in Psychotherapie und habe zu der Therapeutin Dr. W. ein starkes Vertrauensverhältnis aufgebaut. Die Praxis der Therapeutin sei jedoch mit dem Elektrorollstuhl nicht zu erreichen. Das gleiche gelte für die Frauenärztin der Klägerin.
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Die Klägerin hat eine Stellungnahme der behandelnden Psychotherapeutin vom 16.09.2023 vorgelegt. Danach befinde sich die Klägerin seit Februar 2023 in psychotherapeutischer Behandlung in ihrer Praxis, zuvor habe sie sie am Institut für Therapieforschung schon in den Jahren 2020 bis 2021 behandelt. Die ambulante Psychotherapie sei wegen ihrer spezifischen Phobien im Hinblick auf die somatische Grunderkrankung (Ängste vor dem Verschlucken und vor der Verschlechterung der Erkrankung) dringend indiziert. Hausbesuche führe Dr. W. nicht durch, daher sei es für die Fortführung der Therapie dringend notwendig, dass die Klägerin in die Praxis komme. Die Praxis verfüge lediglich über einen kleinen Fahrstuhl, welcher der Klägerin nur mit dem E-Fix Rollstuhlantrieb einen Zugang ermögliche. Ein Therapeutenwechsel könne eine Verschlechterung des psychischen Zustandes zur Folge haben. Eine ausreichende Mobilität sei zudem für das Autonomiebedürfnis und die soziale Teilhabe dringend notwendig.
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Das SG hat mit Urteil vom 25.10.2023 die Klage abgewiesen. Es bestehe kein Leistungsanspruch auf Versorgung mit dem Hilfsmittel E-Fix Rollstuhlantrieb E35 gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Der begehrte Rollstuhlantrieb sei zwar zum mittelbaren Behinderungsausgleich individuell geeignet. Zur Überzeugung der Kammer sei nachgewiesen, dass der Rollstuhlantrieb dem Ausgleich von Einschränkungen der Mobilität diene. Innerhalb der Wohnung werde auf diese Weise die selbständige Mobilität im engen Badezimmer ermöglicht. Außerhalb der Wohnung würden mit dem Rollstuhlantrieb selbständige Besuche bei Freunden und Treffen in Geschäften und Gastwirtschaften ermöglicht.
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Die Versorgung der Klägerin mit dem E-Fix Rollstuhlantrieb E35 sei aber mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit unvereinbar, das auch in § 6 Abs. 8 Hilfsmittel-Richtlinie Eingang gefunden habe. Gemäß § 6 Abs. 8 Satz 2 Hilfsmittel-Richtlinie seien funktionsgleiche Mittel als Mehrfachausstattung anzusehen. Weil der Rollstuhlantrieb ebenso wie der. Elektrorollstuhl dem Behinderungsausgleich bezüglich der Mobilität diene, handele es sich um eine Mehrfachausstattung, die gemäß § 6 Abs. 8 Satz 1 Hilfsmittel-Richtlinie die Notwendigkeit aus medizinischen Gründen oder die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit aufgrund der besonderen Beanspruchung voraussetze. Entsprechende Gründe seien vorliegend nicht nachgewiesen.
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Nach Auffassung der Kammer verstoße die beantragte Versorgung gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit. Denn zum Behinderungsausgleich sei die Klägerin mit einem Elektrorollstuhl versorgt worden, der mittels der vielfältigen Einstellungsmöglichkeiten nicht nur dazu diene, die Mobilität der Klägerin sicherzustellen, sondern auch präventiv einseitigen Belastungen und Fehlhaltungen entgegenwirken solle. Eine länger andauernde Nutzung des begehrten Rollstuhlantriebs sei bereits aus gesundheitlichen Gründen nicht sinnvoll. Weiterhin stütze sich die Kammer auf die überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen, der dargelegt habe, dass der Rollstuhlantrieb E-Fix einer zusätzlichen Versorgung mit einem Elektrorollstuhl für den Innenbereich entsprechen würde, obwohl bereits ein Elektrorollstuhl zur Verfügung stehe. Der Adaptivrollstuhl wäre lediglich zum Sitzen für wenige Stunden geeignet und ermögliche damit keinen wirksamen Behinderungsausgleich im Außenbereich. Schließlich würden die Einstellmöglichkeiten des Elektrorollstuhls zum längeren Sitzen benötigt.
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Die Kammer verkenne nicht, dass die Nutzung des Adaptivrollstuhls mit Elektroantrieb der Klägerin einen Zugewinn an Selbständigkeit biete, da sie insofern nicht auf die Hilfe durch eine Begleitperson angewiesen sei. Es gälten für ein funktionsgleiches Hilfsmittel jedoch strenge Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit. Im Rahmen der vorzunehmenden Kosten-Nutzen-Abwägung erachte es die Kammer angesichts der hohen Kosten des Elektroantriebs für zumutbar, dass die Klägerin den Adaptivrollstuhl dort nutze, wo ein Zugang mit dem vorhandenen Elektrorollstuhl nicht möglich sei. Dabei sei zu berücksichtigen, dass ihr zu diesem Zweck eine Alltagsbegleitung zur Verfügung stehe, welche den Adaptivrollstuhl schieben könne. Auf diese Weise würden sowohl die soziale Teilhabe, die gemäß § 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) und Art. 20 UN-Behindertenrechtskonvention zu verwirklichen sei, als auch das Aufsuchen von Ärzten und Therapeuten ermöglicht. Auch die Nutzung des Badezimmers könne mit Hilfe des Adaptivrollstuhls und der Alltagsbegleitung ermöglicht werden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin bei vielerlei Verrichtungen (z.B. Toilette, Waschen) auf die Unterstützung durch eine Pflegeperson angewiesen sei. Daher bestehe kein Anspruch auf Hilfsmittelversorgung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Ein weitergehender Anspruch auf Hilfsmittelversorgung ergebe sich auch nicht aus § 47 SGB IX.
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Die Klägerin hat am 25.10.2023 Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das SG habe verkannt, dass es sich bei der ärztlichen Verordnung des E-Fix Antriebes um eine Anschlussversorgung handle. Die Klägerin sei bereits mit einem solchen Antrieb versorgt, der aber bereits sein Haltbarkeitsdatum deutlich überschritten habe und für den es unstreitig keine Ersatzteile mehr zu kaufen gebe. Daher sei eine Anschlussversorgung beantragt worden. Auch sei der vom SG verwendete Begriff „Toilettenrollstuhl“ sehr missverständlich. Die Klägerin sei mit einem handelsüblichen Dusch- und Toilettenstuhl versorgt, der ohne fremde Hilfe nicht bewegt werden könne.
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Das SG habe den Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, die Folgen für ihre sozialen Kontakte ohne den E-Fix Antrieb wären katastrophal, nicht berücksichtigt. Beispielsweise fänden Geburtstagsfeiern von Privatpersonen üblicherweise aus Kostengründen in deren jeweiliger Wohnung statt. Die Klägerin könne mit dem Elektrorollstuhl jedoch den allergrößten Teil der Wohnungen ihrer Freunde nicht besuchen, sie wäre faktisch von den Geburtstagsfeiern von mindestens 70-80 % ihrer engsten Freunde ausgeschlossen. Körperlich schwer eingeschränkten Personen falle es ohnehin extrem schwer, soziale Kontakte aufrechtzuerhalten, es bestehe eine wesentlich höhere Hemmschwelle. Ohne den E-Fix-Antrieb bestehe die gravierende Gefahr einer Vereinsamung der Klägerin, die ohne fremde Hilfe nicht einmal in der Lage sei, den Adaptivrollstuhl auch nur um einen einzigen Zentimeter zu versetzen oder etwas zu drehen, wenn sie beispielsweise etwas trinken wolle, sich das Glas jedoch auch nur minimal außerhalb ihres unmittelbaren Griffbereichs befinde. Selbst für eine minimale Selbstständigkeit müsste die Klägerin um Hilfe betteln. Dies sei nicht menschenwürdig. Die Klägerin habe auch darauf hingewiesen, dass es viele öffentliche Einrichtungen wie Bars, Kinos, Theater und ähnliches gebe, die nicht vollständig barrierefrei besucht werden könnten. Der Elektrorollstuhl habe bereits ohne die Klägerin ein Gewicht von mehr als 100 kg. Mit dem zusätzlichen Gewicht der Klägerin sei es ausgeschlossen, diesen auch nur über eine kleine Schwelle, geschweige denn einen nicht abgeschrägten Bordstein zu bewegen. Keineswegs sei grundsätzlich von einer Barrierefreiheit sämtlicher Gebäude und Transportmittel auszugehen. Hinzu kämen vor Fahrtantritt nicht einkalkulierte Baustellen mit Unebenheiten. Die Klägerin müsse sich beim Verlassen des Hauses entscheiden, ob sie das Risiko eines Scheiterns vor Ort bei fehlender vollständiger Barrierefreiheit riskiere oder aber ihre Möglichkeit zur selbständigen Fortbewegung ab dem Verlassen der Haustür für den gesamten Zeitraum bis zur Rückkehr zur Wohnung vollständig und ununterbrochen aufgebe. Auch sei auf die Probleme der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel hingewiesen worden, so seien regelmäßig vorhandene Lifte zur U- oder S-Bahn defekt oder gar nicht vorhanden und daher mit dem Elektrorollstuhl nicht nutzbar. Da nicht sämtliche von der MVG im Münchner Großraum eingesetzten Busse und Trambahnen zuverlässig über eine Rampe verfügten, sei eine Nutzung mit dem Elektrorollstuhl nicht immer möglich und die Klägerin im Zweifelsfall darauf angewiesen, einen speziellen Behindertenfahrdienst mit dem Transport zu beauftragen, der bereits bei einer einzigen Fahrt pro Monat mutmaßlich die vorstehend ausgeführten monatlichen Kosten für den Elektroantrieb weit übersteige. Falsch sei die Behauptung der Beklagten, die Situation der Klägerin ohne den Elektroantrieb wäre mit der von älteren Menschen mit Rollatoren oder Müttern mit Kinderwagen vergleichbar. Tatsächlich sei diesen möglich, eine Rolltreppe zu nutzen oder zumindest einen Randstein am Straßenrand zu überwinden. Dies gelte für den schweren Elektrorollstuhl nicht. Es sei auch unzumutbar, vor jeder einzelnen beabsichtigten Fahrt mit einem öffentlichen Nahverkehrsmittel beim MW anzurufen, um sich über die Funktionstätigkeit der dortigen Liftanlagen eines bestimmten Bahnhofes zu erkundigen. Der Verweis auf die Notrufmöglichkeit sei nicht zielführend.
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Der mögliche Freiraum und die massiven Vorteile für die Klägerin bei der Gestaltung des Alltags stünden auch nicht in einem unverhältnismäßigen Verhältnis zum beantragten Hilfsmittel. Ausgehend von einer Nutzungsdauer von ca. zehn Jahren lägen die monatlichen Kosten des Rollstuhlantriebs bei umgerechnet nur ca. 62,50 Euro pro Monat. In dem vom SG zitierten Urteil des BSG vom 02.08.1979, 11 RK 7/78, sei ausgeführt, die Krankenversicherung müsse dem Versicherten ein zum unmittelbaren Behinderungsausgleich benötigtes Hilfsmittel so gewähren, dass es den Funktionsausfall möglichst weitgehend im Rahmen einer normalen Lebensführung ausgleiche. Der Elektrorollstuhl biete zwar größere Einstellmöglichkeiten und habe seine Daseinsberechtigung sowohl innerhalb der meisten Bereiche der Wohnung als auch an der Arbeitsstelle der Klägerin. Da es aber leider auf dem Markt keine technische Lösung gebe, die das hohe Maß an Einstellbarkeit in Kombination mit einer Funktionsweise zur Überwindung von Randsteinen oder eine Nutzbarkeit von Treppen und Rolltreppen gebe, bleibe der Klägerin keine andere Möglichkeit, als bei einem Verlassen der Wohnung zu einem nicht täglich besuchten Ziel auf den mit einem Elektroantrieb ausgestatteten Adaptivrollstuhl auszuweichen.
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Insoweit sei Art. 20 der Behindertenrechtskonvention zu berücksichtigen. Danach hätten die Vertragsstaaten Maßnahmen zur Sicherstellung der persönlichen Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit zu treffen. Dieses Ziel könne nur dann umgesetzt werden, wenn die Klägerin tatsächlich in die Lage versetzt werde, sich nicht entscheiden zu müssen, ob sie eine Aktivität im Zweifel tatsächlich wahrnehmen und sich dorthin und auch vor Ort selbst bewegen könne. Zudem beschränke sich die Möglichkeit der selbständigen Bewegung der Klägerin im Badezimmer mit dem Elektrorollstuhl darauf, in das Badezimmer einzufahren. Sie könne sich dort nicht fortbewegen und rückwärts wieder herausfahren. Wie auch vom gerichtlichen Sachverständigen festgestellt, sei ein Drehen des großen Elektrorollstuhls im Bad trotz des behindertengerechten Umbaus unmöglich. Der beantragte Antrieb würde auch keine ausschließliche Zusatzversorgung im Innenbereich darstellen. Selbstverständlich gebe es hier Überschneidungen. Sobald die Klägerin allerdings die eigene Wohnung verlasse, sei der Zusatznutzen des beantragten Antriebs so groß, dass diese keine Zweitversorgung mehr darstelle, sondern die Möglichkeiten der Klägerin in jeglicher Hinsicht um ein Vielfaches erweitere.
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Die Beklagte hat ausgeführt, die Ausführungen der Klägerseite seien nicht geeignet, an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des SG, welches sich auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. H1. stütze, zu zweifeln. Bei der ärztlichen Verordnung des streitigen Rollstuhlantriebs handele es sich nicht um eine Anschlussversorgung. Die Klägerin sei zwar derzeit mit einem E-Fix-Antrieb versorgt, dessen Austausch sie begehre. Mit der Genehmigung des Elektrorollstuhls sei jedoch der Elektroantrieb zurückzugeben, da eine Umversorgung stattgefunden habe. Auch sei die Darstellung richtig, dass die Klägerin mit einem Toilettenrollstuhl versorgt sei. Dieser sei mit Lenkrollen ausgestattet, durch welche er bewegt werden könne. Eine Selbstfahrmöglichkeit werde nicht impliziert.
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Das SG habe im Übrigen den klägerischen Vortrag in der mündlichen Verhandlung gewürdigt. Dass die Klägerin einen Mangel an sozialen Kontakt beklage, sei den vorliegenden Unterlagen nicht zu entnehmen. Hinsichtlich der Probleme im öffentlichen Verkehrsraum beträfen diese nicht nur körperlich eingeschränkte Personen, sondern auch ältere Menschen mit Rollatoren oder Mütter mit Kinderwägen.
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Das SG habe zu Recht eine Kostenübernahme eines E-Fix Rollstuhlantriebs abgelehnt, weil die beantragte Versorgung gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit verstoße. Zur Begründung verweise die Kammer u.a. auf das Sachverständigengutachten, in welchem der Gutachter ausführe, dass der Rollstuhlantrieb E-Fix einer zusätzlichen Versorgung mit einem Elektrorollstuhl für den Innenbereich entsprechen würde. Zwar habe die Klägerin unstreitig gemäß § 33 SGB V einen Rechtsanspruch auf Versorgung mit einem zum Ausgleich ihrer Behinderungen im Bereich der Mobilität geeigneten Rollstuhl. Dies beinhalte aber nicht automatisch einen Anspruch auf eine sog. Zweit- oder Doppelversorgung mit diesem Hilfsmittel. Es sei unbestritten, dass der Adaptivrollstuhl mit E-fix Antrieb geeignet sei, die Behinderung der Klägerin im Bereich des Sitzens und der Fortbewegung auszugleichen und dass ein solcher kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens sei. Eine weitere Konkretisierung des Versorgungsanspruchs nehme jedoch die Hilfsmittelrichtlinie vor. Nach § 6 Abs. 8 der Hilfsmittelrichtlinie könne eine Mehrfachausstattung mit Hilfsmitteln nur dann verordnet werden, wenn dies aus medizinischen, hygienischen oder sicherheitstechnischen Gründen notwendig oder aufgrund der besonderen Beanspruchung durch den Versicherten zweckmäßig und wirtschaftlich sei. Als Mehrfachausstattung seien funktionsgleiche Mittel anzusehen. Sowohl der Adaptivrollstuhl mit E-fix Antrieb als auch der SKS Elektrorollstuhl würden im Innen- und Außenbereich eingesetzt. Ohne E-fix Antrieb könne der Adaptivrollstuhl von der Klägerin nicht selbstständig bewegt werden. Mithin sei ein funktionsgleiches Hilfsmittel zu bejahen.
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Der SKS Elektrorollstuhl sei aufgrund seiner Zusatzfunktionen (z.B. Hubfunktion, angepasste Rückenlehne) zum längeren Sitzen bis zu 12 Stunden geeignet, wohingegen die maximale Sitzzeit im Adaptivrollstuhl 4 bis 5 Stunden betrage. Sofern schwer zugängliche Räumlichkeiten (z.B. Arztpraxen) aufgesucht werden müssten, könne der Adaptivrollstuhl als Schieberollstuhl verwendet werden. Der Einwand der Klägerin, dass die Hilfe durch Begleitpersonen der Selbstbestimmung behinderter Menschen widerspreche, verfange bereits deshalb nicht, da nach ihren Angaben eine Begleitperson notwendig sei, um den Adaptivrollstuhl über Stufen und Bordsteine zu heben. Entgegen der Darstellung der Klägerin könnten Bordsteine und Schwellen aber auch mit einem Elektrorollstuhl überwunden werden. Ebenso wenig verfange der Einwand, dass die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs eingeschränkt sei. Nach Auskunft der Münchner Verkehrsgesellschaft seien die Fahrzeuge von U-Bahn, Bus, Tram und Regionalzug so ausgestattet, dass der Zustieg selbst mit einem größeren Rollstuhl ggf. mit zusätzlichen Rampen und anderer technischer Einrichtungen problemlos möglich sei. Zudem seien fast alle Haltestellen im MVV-Raum barrierefrei erreichbar. Dass ein Fahrstuhl ggf. nicht funktionstüchtig sei, sei nicht vermeidbar. Allerdings könne der Betriebszustand der Aufzüge nach Angaben der MVV zuvor erfragt werden, zudem verfügten die Haltestellen über eine Notrufmöglichkeit. Dem Sachverständigengutachten könne darüber hinaus entnommen werden, dass die Klägerin die überwiegende Zeit im Elektrorollstuhl verbringe und lediglich zum Zähneputzen den Adaptivrolistuhl mit E-fix Antrieb benutzt. Für den Toiletten- oder Badevorgang sei hingegen zwingend ein Transfer auf den Toilettenstuhl bzw. Badeliege durch das Pflegepersonal notwendig. Der Sachverständige führe aus, dass das Badezimmer auch ohne das beantragte Hilfsmittel genutzt werden könne, da die Klägerin mit dem Toilettenrollstuhl ins Bad gefahren werden könne. Der Einsatz des Toilettenstuhles sei obligatorisch, wenn das Badezimmer zum Stuhl- und Harnabsetzen aufgesucht werden solle. Zum Zwecke des Waschens und zum Zähneputzen könne der Toilettenrollstuhl ebenso benutzt werden wie der Adaptivrolistuhl als Schieberollstuhl ohne E-fix Antrieb. Der Elektroantrieb ermögliche der Klägerin lediglich ein selbständiges Einfahren ins Badezimmer. Eine Selbständigkeit beim Zähneputzen, beim Stuhlabsetzen oder beim Baden könne nach Einschätzung des Sachverständigen dadurch nicht erreicht werden. Im Übrigen sei mit dem vorhandenen Elektrorollstuhl ein selbständiges Bewegen in der Wohnung möglich.
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Soweit die Klägerseite auf die Notwendigkeit des Adaptivrollstuhls mit Elektroantrieb im Außenbereich hinweise, werde nochmals klargestellt, dass der Adaptivrolistuhl als Schieberollstuhl verwendet werden könne und auch müsse, um z.B. Bordsteine, Schwellen, Rolltreppen etc. zu überwinden. Ein Zusatznutzen des Elektroantriebs sei gerade nicht feststellbar. Allein der Umstand, dass mit einem Elektrorollstuhl eine Bordsteinkante – mit oder ohne Hilfe – nicht überwunden werden könne, begründe noch keinen Anspruch auf eine Versorgung mit einem E-fix Antrieb. Zum einen fänden sich an Ampeln und Fußgängerüberwegen abgesenkte Bordsteinkanten, welche auch mit einem Elektrorollstuhl überwunden werden könnten; zum anderen bedürfe es auch bei der begehrten Versorgung stets einer Begleitperson. Soweit die Klägerin Glauben machen wolle, sie würde mit ihrem E-fix Rollstuhl zunächst ohne Begleitperson das Haus verlassen und bei Hindernissen etwaige Passanten um Hilfe bitten, sei dies völlig lebensfremd. Selbst wenn die Klägerin den Rollstuhl zunächst selbstbestimmend fortbewege, sei sie doch ständig auf eine Begleitperson zur Überwindung von Hindernissen angewiesen. Der Adaptivrolistuhl könne somit von vornherein als Schieberollstuhl benutzt werden.
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Der Senat hat mit Beschluss vom 02.05.2024 den Bezirk Oberbayern, Sozialhilfeverwaltung, zum Verfahren beigeladen. Im Erörterungstermin am 31.07.2024 hat die Klägerin erklärt, der derzeitig genutzte E-Fix Antrieb sei ihr übereignet worden. Die Vertreterin der Beigeladenen hat vorgetragen, die Klägerin erhalte täglich 22,5 Stunden ambulante Hilfe zur Pflege sowie 1,5 Stunden täglich Freizeitassistenz. Aus Sicht der Beigeladenen sei damit eine Teilhabe am Leben gewährleistet. Eine bestmögliche Teilhabe müsse nicht sichergestellt werden.
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In der mündlichen Verhandlung am 20.11.2024 hat der Vorsitzende darauf hingewiesen, dass der Senat dazu neige, die Wirtschaftlichkeit einer Mehrfachausstattung mit dem E-fix in diesem Einzelfall klar zu bejahen. Problematisch erscheine nur das Vorhandensein eines mehr oder weniger funktionsfähigen alten E-fix-Antriebs. Auf Nachfrage hat die Klägerin erklärt, dass der E-fix mehrmals defekt gewesen sei. Es hätten bislang einige Teile durch gebrauchte andere Teile ausgetauscht werden können. Nach Händlerangaben sei jetzt aber nichts mehr an Ersatzteilen vorhanden und dies sei seit 2022 der Fall. Der Senat hat den E-fix der Klägerin in Augenschein genommen und festgestellt, dass die Knöpfe am Bedienfeld schadhaft sind, so dass ein Eindringen von Feuchtigkeit zu befürchten steht, was erneut zu einem Kurzschluss führen würde. Auf Anregen des Senates haben die Beteiligten einen Vergleich dahingehend geschlossen, dass die Beklagte sich verpflichte, einen funktionsfähigen gebrauchten E-fix (Radnabenantrieb) für den vorhandenen Adaptivrollstuhl der Klägerin zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte hat den Vergleich widerrufen, da aktuell kein wiedereinsatzbarer Rollstuhl-Aufsteckantrieb des Typs E-fix-E35 vorhanden sei. Sie hat nochmals darauf hingewiesen, dass der E-fix-Antrieb derzeit noch im Einsatz der Klägerin sei und ein Anspruch auf eine Mehrfachausstattung auch unter Beachtung der neuen Rechtsprechung des BSG vom 18.04.2024 nicht bestehe. Die Zurverfügungstellung eines gebrauchten Hilfsmittels sei im Übrigen für die Beklagte aufgrund der zuvor erfolgten Aufbereitung und den ggf. anfallenden Reparaturen nicht wirtschaftlicher und habe vorliegend eine dauerhafte Zweitausstattung zur Folge.
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Die Beigeladene hat ausgeführt, eine Ersetzung des funktionstüchtigen E-fix-Antriebs durch einen anderen E-fix-Zusatzantrieb sei eine Mehrfachausstattung bei Vorhandensein eines funktionsgleichen Hilfsmittels. Der langjährig genutzte funktionstüchtige E-fix-Zusatzantrieb sei durch den elektrischen SKS-Rollstuhl ersetzt worden, die Beklagte habe vergessen die Leihgabe wieder zu vereinnahmen. Die unterlassene Inbesitznahme sei kausal für den Wunsch den E-fix-Zusatzantrieb zu ersetzten. Laut erstinstanzlichem Urteil verfüge die Klägerin über einen SKS-Elektrorollstuhl mit elektrisch einstellbarer Rückenlehne, Hubfunktion, Kantelbarkeit der Sitzflache, Beinlängen- und Beinwinkelverstellung. Der Psychotherapeut habe im Bericht vom 16.09.2023 die fehlende Erreichbarkeit der Praxis mit dem SKS-Elektrorollstuhl ausgeführt; die Ausführungen des Herstellers widersprächen dem Bericht. Laut dem Internetauftritt des Herstellers zeichneten sich die E-Rollstühle über kompakte Außenmaße aus, um enge Küchen, Bäder oder Aufzüge zu meistern. Laut den Feststellungen des Sachverständigen Dr. H2. im Gutachten vom 07.08.2023 sei dargelegt, dass der Rollstuhlantrieb E-fix einer zusätzlichen Versorgung mit einem Elektrorollstuhl für den Innenbereich entsprechen würde. Der Adaptivrollstuhl mit E-Fix wäre lediglich zum Sitzen für wenige Stunden geeignet, und würde damit keinen wirksamen Behinderungsausgleich im Außenbereich ermöglichen. Die Notwendigkeit der Leistung müsse der Erfüllung eines elementaren Grundbedürfnisses des täglichen Lebens dienen. Der Begriff – Maß des Notwendigen – sei in § 12 Abs. 1 S. 1, HS 2 und 2 SGB V als negative Voraussetzung der Wirtschaftlichkeit formuliert und erhalte dadurch die Kennzeichnung als Übermaßverbot. Der SKS-Elektrorollstuhl habe den langjährigen funktionsfähigen E-fix-Zusatzantrieb ersetzt. Seit 2021 entspreche die fortbestehende Nutzung des E-fix-Zusatzantrieb einer Doppelversorgung. Das Übermaßgebot bzw. der Doppelversorgung würde durch die Ersetzung des neues E-fix-Zusatzantriebes zu einer Dreifachversorgung führen und könne gem. § 33 i.V.m. § 12 SGB V kein erforderliches Hilfsmittel sein, da die Befriedigung von allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens (BSG im Urteil vom 19.05.2009, B 8 SO 32/07 R) durch den genutzten Elektrorollstuhl bereits gedeckt sei. Zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehörten danach das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständig Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSG, Urteil vom 10.09.2020, B 3 KR 15/19 R). Zum körperlichen Freiraum gehöre – zum Ausgleich bei eingeschränkter Bewegungsfreiheit – die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang „an die frische Luft zu kommen“ oder um die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zum Beispiel Supermarkt, Arzt, Apotheke, Bank, Post). Nicht dazu gehöre die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs (BSG, a.a.O.). Im Übrigen sei die fehlende Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht vorgetragen worden und nicht strittig. Soweit beispielsweise auf Geburtstagsfeiern in den Wohnungen von Privatpersonen Bezug genommen worden und mitgeteilt worden sei, dass der allergrößte Teil der Wohnungen nicht besucht werden könne, werde auf die Standardbreite für Wohnungseingangstüren von 860 mm und im Übrigen auf die DIN verwiesen, die der Argumentation entgegenstehe.
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Mit Schreiben vom 08.04.2025 hat der Bevollmächtigte der Klägerin mitgeteilt, dass der E-Fix-Rollstuhlantrieb nunmehr endgültig ausgefallen und nicht mehr reparierbar sei. Das Gerät zeige eine Fehlermeldung und mache ein sehr unangenehmes Pfeifgeräusch. Die Beigeladene hat mit Schreiben vom 08.04.2025 mitgeteilt, sie habe weiterhin keine Akteneinsicht erhalten.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.10.2023, S 7 KR 686/23, sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.02.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2023 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit dem beantragten Radnabenantrieb E-Fix zu versorgen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
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Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG). Die Berufung ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 14.02.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2023 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Sie hat einen Anspruch auf die begehrte Versorgung mit einem E-Fix Antrieb.
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1.) Die Beklagte war für die Entscheidung über den Antrag der Klägerin zuständig. Die Beklagte hat den Antrag nicht gemäß § 14 SGB IX an die Beigeladene (teil-)weitergeleitet. Sie hat daher nach ständiger Rechtsprechung des BSG als erstangegangener Rehabilitationsträger den Antrag auf Teilhabeleistungen nach allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen für Teilhabeleistungen unter Beachtung der besonderen persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der jeweiligen Leistungsgesetze zu prüfen.
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2.) Die Beklagte hat zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin auf Versorgung mit einem E-Fix Antrieb abgelehnt.
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a) Ein Anspruch nach dem SGB V ist gegeben. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Dabei umfasst die Krankenbehandlung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln. Der Anspruch auf Hilfsmittelversorgung richtet sich nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die „Erforderlichkeit im Einzelfall“ grundsätzlich nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs. 1 SGB V nicht bewilligen (vgl. BSG 10.03.2011, B 3 KR 9/10 R).
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Bei dem E-Fix Antrieb, der eine selbständige Nutzung des bei der Klägerin vorhandenen Adaptivrollstuhls ermöglicht, handelt es sich um ein Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich. Der Behinderungsausgleich nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V hat zweierlei Zielrichtung. Gegenstand des Behinderungsausgleichs sind zunächst solche Hilfsmittel, die auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet sind, also zum unmittelbaren Ersatz der ausgefallenen Funktionen dienen. Der Zweck des Behinderungsausgleichs umfasst jedoch auch solche Hilfsmittel, die die direkten und indirekten Folgen der Behinderung ausgleichen (mittelbarer Behinderungsausgleich). Darum geht es bei dem streitigen E-Fix Antrieb der Klägerin. Ein Hilfsmittel ist von der gesetzlichen Krankenversicherung in diesem Fall immer dann zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis betrifft. In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig. Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl. § 1 SGB V sowie § 6 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 5 Nr. 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüberhinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu diesen allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnehmen, Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (vgl. BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 7, RdNr. 13; BSGE 91, 60, 63 = SozR 4-2500 § 33 Nr. 3; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 14; st. Rspr.). Zum körperlichen Freiraum gehört – im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit – die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang „an die frische Luft zu kommen“ oder um die – üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden – Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind. Hierzu werden nach der Rechtsprechung des BSG zum einen die allgemeinen Versorgungswege (Einkauf, Post, Bank), zum anderen die gesundheitserhaltenden Wege beim Aufsuchen von Ärzte, Therapeuten, Apotheken und schließlich die Wege, die von besonderer Bedeutung für die physische und psychische Gesundheit sind, die das BSG als Freizeitwege umschrieben hat, gerechnet (vgl. BSG, Urteil vom 18.04.2024, B 3 KR 13/22 R).
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Bei der Klägerin kann durch den begehrten E-Fix Antrieb als Zusatz zu ihrem Adaptivrollstuhl die Gehunfähigkeit ausgeglichen werden, mit ihrem Adaptivrollstuhl mit E-Fix Antrieb kann sie sich eigenständig bewegen. Er dient grundsätzlich zur Befriedigung eines Grundbedürfnisses.
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aa.) Ein Anspruch ergibt sich zwar nicht aus § 33 Abs. 1 S. 5 SGB V. Danach umfasst der Hilfsmittelanspruch auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Die bereits dargestellten Anforderungen sind auch bei Defekten eines von der Krankenkasse zur Verfügung gestellten Hilfsmittels zu beachten. Maßstab der Versorgung ist auch bei einem Hilfsmitteldefekt allein der Anspruch aus § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V. Das ist die Kehrseite dessen, dass § 33 Abs. 1 SGB V keinen gesonderten Anspruch auf die Instandsetzung eines Hilfsmittels vorsieht, sondern nur den Grundanspruch nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V kennt (vgl. BSG, Urteil vom 12.09.2012, B 3 KR 20/11 R).
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Die Beklagte hatte die Klägerin zwar im Jahr 2014 mit einem E-Fix Antrieb zu dem bereits bei ihr vorhandenen Adaptivrollstuhl versorgt. Im weiteren Verlauf hat sie die Klägerin dann im März 2021 mit einem Elektrorollstuhl versorgt, dessen Funktionstüchtigkeit nicht bestritten wird. Es handelt sich hierbei um eine verbesserte Versorgung der Klägerin. Der Elektrorollstuhl hat eine elektrisch einstellbare Rückenlehne, Hubfunktion, Kantelbarkeit der Sitzfläche, Beinlängen- und Beinwinkelverstellung. Aufgrund seiner Zusatzfunktionen ist der Elektrorollstuhl im Gegensatz zum Adaptivrollstuhl (maximale Sitzzeit: 4 bis 5 Stunden) zum längeren Sitzen bis zu 12 Stunden geeignet. Im Gegenzug sollte die Klägerin den ihr leihweise überlassenen E-Fix Antrieb zurückgeben, was offensichtlich nicht erfolgt ist. Der diesbezügliche Rechtsstreit wurde nach den Ausführungen der Beteiligten im Rahmen des Erörterungstermins dadurch erledigt, dass die Beklagte der Klägerin den E-Fix Antrieb überlassen hat.
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Die Beklagte hat damit eine grundsätzlich ausreichende Versorgung gewährleistet, die eine umfassende Befriedigung der Grundbedürfnisse gewährleistet.
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bb.) In dem vorliegenden besonderen Einzelfall sieht der Senat aber die Voraussetzungen einer Mehrfachausstattung als gegeben. Eine Mehrfachausstattung mit Hilfsmitteln kann nach § 6 Abs. 8 der Hilfsmittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nur dann verordnet werden, wenn dies aus medizinischen, hygienischen oder sicherheitstechnischen Gründen notwendig oder aufgrund der besonderen Beanspruchung durch die oder den Versicherten zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Als Mehrfachausstattung sind funktionsgleiche Mittel anzusehen.
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Vorliegend ist die Klägerin zwar mit einem Elektrorollstuhl versorgt, der für ihre aktuelle gesundheitliche Situation optimal angepasst ist und ihr aufgrund seiner Einstellbarkeit insbesondere eine lange Sitzzeit ermöglicht. Dieser vorhandene Elektrorollstuhl ist auch in der Wohnung der Klägerin – mit Ausnahme des Badezimmers – und am Arbeitsplatz uneingeschränkt nutzbar und ist mit dem bereitstehenden PKW auch von der Wohnung zum Arbeitsplatz transportierbar. Auch kann die Klägerin den Rollstuhl, wie sich aus dem Sachverständigengutachten ergibt, für abendliche Spazierfahrten und Treffen mit Freunden und der Familie nutzen.
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Allerdings ist die Klägerin bei Nutzung dieses Elektrorollstuhles, der ihr ansonsten eine selbständige und selbstbestimmte Bewegung erlaubt, zum einen an der Nutzung ihres Badezimmers gehindert. Der Senat konnte sich aufgrund der vom gerichtlichen Sachverständigen durchgeführten Messungen (Türbreite Bad: 69 cm, Breite des SKS-Rollstuhls: 63 cm) sowie der vom Sachverständigen angefertigten Foto- und Videodokumentation davon überzeugen, dass die Klägerin in das Badezimmer zwar einfahren, sich aber dort wegen der Enge des Raumes nicht drehen oder zum Waschbecken fahren und wieder ausfahren kann. Es ist ihr somit objektiv unmöglich, selbständig und selbstbestimmt im Bad die Zähne zu putzen oder die Hände zu waschen.
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Insbesondere ist aber festzustellen, dass der Klägerin der wöchentliche Besuch ihrer Psychotherapeutin unter Nutzung des Elektrorollstuhls nicht möglich ist. Aus dem von der Klägerin vorgelegten Attest der psychologischen Psychotherapeutin vom 16.09.2023 ergibt sich zur Überzeugung des Senats zum einen, dass die ambulante Psychotherapie bei der Klägerin, die aufgrund ihrer schweren Grunderkrankung, die bereits zu einer Dysphagie (Schluckstörung) in Folge der Muskelatrophie geführt hat, Ängste im Sinne einer spezifischen Phobie entwickelt hat (Ängste vor dem Verschlucken, Ängste vor einer Verschlechterung der Krankheit), medizinisch dringend indiziert ist. Auch ist zur Überzeugung des Senats mit der Psychotherapeutin, bei der die Klägerin seit Februar 2023 in ihrer psychotherapeutischen Praxis behandelt wird, die sie aber bereits von 2020 bis 2021 am Institut für Therapieforschung behandelt hat, eine vertrauensvolle und verlässliche therapeutische Beziehung entstanden, so dass nach Angaben der Psychotherapeutin auch herausfordernde Themen bearbeitet werden können. Die Psychotherapeutin führt in ihrem Attest weiter aus, dass sie keine Hausbesuche durchführt und dass der Zugang zu ihrer Praxis nur mit einem kleinen Fahrstuhl möglich ist, der der Klägerin einen barrierefreien Zugang zu den Therapieräumen ausschließlich mit dem E-Fix Rollstuhl ermöglicht. Das gleich gilt für den – selbstverständlich nicht so häufigen – Besuch bei der Gynäkologin, die ebenfalls nur über einen kleinen Fahrstuhl verfügt.
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In diesem ganz besonderen Einzelfall sieht der Senat die Voraussetzungen einer Mehrfachversorgung als gegeben an. Wesentliches Ziel der Hilfsmittelversorgung ist es, dass Menschen mit Behinderung nach Möglichkeit von der Hilfe anderer Menschen unabhängig, zumindest aber deutlich weniger abhängig werden (BSG, Urteil vom 12.08.2009, B 3 KR 8/08 R). Auch wenn die Klägerin aufgrund ihrer schweren Beeinträchtigungen 24 Stunden am Tag über eine Assistenzperson verfügt, die grundsätzlich auch zu jeder Zeit zur Verfügung stehen würde, Schiebehilfe zu leisten, wenn die Nutzung des Adaptivrollstuhles ohne E-Fix Antrieb erforderlich wäre (also z.B. im Bad oder für den gesamten Weg von der Wohnung in die Praxis der Psychotherapeutin und zurück), muss ihr dennoch – bei Nutzbarkeit – ihr Elektrorollstuhl und bei Nichtnutzbarkeit des Elektrorollstuhles der Adaptivrollstuhl mit E-Fix Antrieb die Möglichkeit geben, selbstbestimmt und selbständig sich ohne weitere Hilfe frei bewegen zu können. Gerade weil ihr das insbesondere auch im Rahmen der wöchentlichen, medizinisch erforderlichen Besuche der Psychotherapeutin unmöglich wäre, ist hier eine Mehrfachausstattung als erforderlich und wirtschaftlich anzusehen. Insbesondere kann die Klägerin, gerade was die Person der Psychotherapeutin aber auch der Gynäkologin betrifft, nach dem oben Ausgeführten keinesfalls da rauf verwiesen werden, in eine andere Praxis zu wechseln, die auch mit dem großen SKS-Elektrorollstuhl erreichbar wäre. In dem vorliegenden besonderen Einzelfall ist nach allem die Klägerin mit dem E-fix auszustatten, um insbesondere auch ihrem Wunsch- und Wahlrecht gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGB IX ausreichend Rechnung zu tragen.
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Für die Aufrechterhaltung der Mobilität hat die GKV im Rahmen ihrer Verantwortung für den mittelbaren Behinderungsausgleich nicht nur dafür einzustehen, dass die für die Alltagsgeschäfte maßgeblichen Orte trotz gesundheitsbedingt eingeschränkter Bewegungsfähigkeit überhaupt erreicht werden können. Das BSG rechnet zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens auch das Bedürfnis, die Alltagsverrichtungen in diesem Bereich nach Möglichkeit unter Einsatz eigener (Rest-)Kräfte bewältigen zu können. Dies sei Ausdruck der von § 33 Abs. 1 S. 1 3. Alt. SGB V geschützten personalen Autonomie, die der Senat stets anerkannt habe und die in der Teilhabeorientierung des SGB IX sowie dem verfassungsrechtlichen Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 2 Grundgesetz als Grundrecht und objektive Wertentscheidung i.V.m. dem Recht auf persönliche Mobilität nach Art. 20 UN-Behindertenrechtskonvention zusätzliche Bekräftigung erhalten habe (vgl. BSG, Urteil vom 18.04.2024, B 3 KR 13/22 R).
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cc.) Dem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass der Klägerin ein funktionsfähiger E-Fix-Antrieb zur Verfügung stehen würde. Vielmehr stand nach den Feststellungen des Senats zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 09.04.2025 ein funktionsfähiger E-Fix-Antrieb gerade nicht mehr zur Verfügung. Bereits in der mündlichen Verhandlung am 20.11.2024 hatte die Klägerin auf Nachfrage erklärt, dass der E-fix mehrmals defekt gewesen sei. Es hätten bislang einige Teile durch gebrauchte andere Teile ausgetauscht werden können. Nach Händlerangaben sei jetzt aber nichts mehr an Ersatzteilen vorhanden und dies sei seit 2022 der Fall. So sei laut Angabe auch ein Akku nicht mehr lieferbar. Der Senat hatte den E-fix der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 20.11.2024 in Augenschein genommen und festgestellt, dass die Knöpfe am Bedienfeld schadhaft sind, so dass ein Eindringen von Feuchtigkeit zu befürchten steht, was im Freien erneut zu einem Kurzschluss führen würde. Zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 09.04.2025 war dann eine Funktionsfähigkeit des E-Fix-Antriebs nicht mehr festzustellen. Das Gerät zeigte vielmehr eine Fehlermeldung an, die nach den Ausführungen der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bedeutet, dass es sich um eine Tiefentladung der Batterie des Geräts handelt und diese damit kaputt ist. Da bereits seit 2022 Ersatzteile nicht mehr zu Verfügung stehen, ist der derzeit vorhandene E-Fix damit zur Überzeugung des Senats nicht mehr funktionstüchtig und nicht mehr nutzbar.
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b) Ein Anspruch auf eine Versorgung nach §§ 102 Abs. 1 Nr. 4, 113 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 8, 84 Abs. 1 SGB IX in der seit dem 1. Januar 2020 geltenden Fassung im Rahmen der Leistungen zur sozialen Teilhabe kommt hingegen nicht in Betracht. Leistungen zur sozialen Teilhabe werden danach erbracht, um dem behinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, soweit sie nicht nach den Kapiteln 3-5 des 2. Teils des SGB IX erbracht werden (§ 113 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Hier besteht bereits ein Vorrangverhältnis im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB IX zugunsten von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, kann die Klägerin den streitgegenständlichen E-Fix Antrieb als krankenversicherungsrechtliche Leistung beanspruchen.
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Zu dem in § 113 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Ziel von Leistungen zur sozialen Rehabilitation – dem behinderten Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern – gehört nach § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB IX, Leistungsberechtigte zu einer möglichst selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lebensführung im eigenen Wohnraum sowie in ihrem Sozialraum zu befähigen oder sie hierbei zu unterstützen. Maßgeblich sind insoweit die Ermittlungen und Feststellungen nach dem 7. Kapitel des SGB IX (§ 113 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Leistungen zur sozialen Teilhabe sind gemäß § 113 Abs. 2 Nr. 8 SGB IX explizit auch Hilfsmittel, wobei die Hilfsmittel gemäß §§ 113 Abs. 3 SGB IX, 84 Abs. 1 Satz 1 SGB IX erforderlich sein müssen, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Die Leistungen zur sozialen Teilhabe haben zum Ziel, dem Leistungsberechtigten eine individuelle Lebensführung zu ermöglichen, die der Würde des Menschen entspricht, und die volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Die Leistung soll sie befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können (vgl. § 90 Abs. 1 und 5 SGB IX).
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Dem Anspruch auf Hilfsmittelversorgung zum Zwecke der sozialen Rehabilitation kommt im Verhältnis zum Hilfsmittelanspruch zum Zwecke des Behinderungsausgleichs nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Komplementärfunktion zu. Denn während das Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation dem behinderten Menschen bei der Erschließung des Nahbereichs seiner Wohnung dienlich bzw. dazu geeignet sein muss, darf bzw. muss zum Zwecke der Abgrenzung der Leistungsansprüche voneinander ein der sozialen Teilhabe dienendes Hilfsmittel gerade zur Überwindung weiterer Distanzen und zur Verfolgung anderer Ziele als bloß der Wahrnehmung der nötigsten Geschäfte des Alltags geeignet sein. Dies entspricht dem Umstand, dass in § 113 Abs. 1 Satz 2 SGB IX ausdrücklich von dem „Sozialraum“ die Rede ist – und eben nicht nur vom Wohnungsnahbereich, wie es der Rechtsprechung des BSG zur Sicherstellung des Grundbedürfnisses der Mobilität im Rahmen des mittelbaren Behinderungsausgleichs entspricht.
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Zur Überzeugung des Senats ermöglicht der E-Fix Antrieb der Klägerin zwar auch eine bessere Teilhabe am sozialen Leben. Sie hat insofern vorgetragen, eine Vielzahl ihrer Freunde habe Wohnungen, die mit dem Elektrorollstuhl nicht befahren werden könnten. Da die Geburtstagsfeiern der Freunde in deren Wohnungen stattfinden würden, wäre sie ohne den E-Fix Antrieb an einer selbständigen Teilnahme an den Geburtstagsfeiern gehindert. Mit Adaptivrollstuhl und E-Fix könnte sie nicht nur an Geburtstagsfeiern teilnehmen, sondern sei auch in der Lage, sich im Raum selbständig zu bewegen und zu drehen, um z.B. zu ihrem Getränk zu gelangen. Weiter hat die Klägerin allgemein die Schwierigkeiten beim Besuch von Gaststätten, Kinos, Theater usw. sowie bei der Nutzung des öffentlichen Nachverkehrs geschildert. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei den von der Klägerin dargelegten Situationen aber jeweils um Einzelsituationen handelt (Geburtstagsfeier findet 1x jährlich statt, von regelmäßigen Besuchen z.B. von Familienmitgliedern mit der Unmöglichkeit der Nutzung des Elektrorollstuhles oder von regelmäßigen Theater- oder sonstigen Besuchen wird nicht berichtet) liegt jedenfalls der Schwerpunkt der hier zu gewährenden Eingliederungshilfe gerade nicht im Bereich der sozialen Teilhabe.
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c) Die Beklagte, die den Antrag auf Teilhabeleistungen nach allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen zu prüfen hatte, hätte nicht nur den Schwerpunkt im Bereich des SGB V feststellen müssen. Sie hätte auch dem Anliegen der Klägerin nach der gesetzlichen Neuausrichtung des Bundesteilhaberechts insbesondere mit dem Wunsch- und Wahlrecht des behinderten Menschen (§ 8 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGB IX) Rechnung tragen müssen. Sie hätte individuell prüfen müssen, wie die Behinderung der Klägerin ihrem Wunsch entsprechend und in einer dem Teilhaberecht des SGB IX angemessenen Weise ausgeglichen wird. Dabei hätte sie die individuellen Bedürfnisse der Klägerin im Kontakt mit ihrer Umwelt sowie die Teilnahme am öffentlichen und kulturellen Leben und das Ziel der Teilhabe an den verschiedenen Lebensbereichen berücksichtigen müssen. Dies hat sie nicht getan, sie hat die Klägerin unter Hinweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot ausschließlich auf die Hilfe durch die Assistenzpersonen verwiesen.
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d) Eine Beiladung anderer Rehabilitationsträger im Hinblick auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben war nicht erforderlich. Der Antrag zielt nicht auf eine Rollstuhlversorgung am Arbeitsplatz.
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e.) Eine Verurteilung der Beigeladenen ist nicht erfolgt. Die Mitteilung mit Schreiben vom 08.04.2025, die Beigeladene habe „weiterhin“ keine Akteneinsicht erhalten, ist daher auch vor dem Hintergrund, dass zu keinem Zeitpunkt ein förmlicher Antrag auf Akteneinsicht zu Protokoll in einem Termin bzw. im schriftlichen Verfahren gestellt worden ist, ohne Belang.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.