Titel:
Streitwertfestsetzung, Verwaltungsgerichte, Streitwertbeschwerde, Streitwertkatalog, Streitwertbemessung, Beiladung, Verwaltungsgerichtsbarkeit, landwirtschaftliche Grundstücke, Rechtsschutzbedürfnis, Eigentumsbeeinträchtigung, Nebenerwerbslandwirt, Planfeststellungsbeschluss, Kostenentscheidung, Einzelrichter, Wertfestsetzung, Pauschalierung, Prozeßbevollmächtigter, Drittbetroffenheit, Rechtsanwaltskosten, Bevollmächtigter
Schlagworte:
Streitwertfestsetzung, Planfeststellungsbeschluss, Nebenerwerbslandwirt, Eigentumsbeeinträchtigung, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Beschwerdeverfahren, Pauschalierung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 23.12.2024 – M 28 K 20.3679
Fundstelle:
BeckRS 2025, 10219
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Bevollmächtigten der Beigeladenen hin wird die Streitwertfestsetzung in Ziff. III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 23. Dezember 2024 geändert. Der Streitwert wird auf 30.000 EUR festgesetzt.
II. Die Beschwerde der Beigeladenen wird verworfen.
Gründe
1
Die Klägerin, eine Nebenerwerbslandwirtin, wandte sich mit ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern vom 10. Juli 2020 zum Bau der Ortsumfahrungen W. und P. im Zuge der Kreisstraßen EBE 4 und 17, weil durch das Vorhaben landwirtschaftliche Flächen in einem Umfang von 7.937 m2 dauerhaft und von 864 m2 vorübergehend in Anspruch genommen werden. Nach Rücknahme der Klage mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2024 stellte das Verwaltungsgericht München mit Beschluss vom 23. Dezember 2024 das Verfahren ein und setzte den Streitwert auf 4.184,50 EUR fest.
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Gegen diese Streitwertfestsetzung wendet sich die Beigeladene und ihre Bevollmächtigte mit der Beschwerde. Sie sind der Auffassung, der Streitwert müsse auf 30.000 EUR festgesetzt werden, weil es sich bei der Klägerin um eine Nebenerwerbslandwirtin handle, die den Planfeststellungsbeschluss vollumfänglich angegriffen habe. In Parallelverfahren hätten sowohl eine andere Kammer des Verwaltungsgerichts München in ihrem Beschluss vom 2. März 2023 als auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Hinweisschreiben vom 27. Juni 2023 anerkannt, dass der Streitwert (ausschließlich) nach Ziff. 34.2.3 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit zu beurteilen sei und damit bei Nebenerwerbslandwirten auf 30.000 EUR festzusetzen sei.
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Das Verwaltungsgericht half der Beschwerde nicht ab. Die Streitwertfestsetzung beruhe auf § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 34.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und berücksichtige durch Differenzierung nach der unterschiedlichen Qualität und dem unterschiedlichen Umfang der Inanspruchnahme von Flächen die unterschiedliche Betroffenheit sämtlicher Kläger. Der Wert der zu entziehenden Flächen sei ausgehend von einem Verkehrswert von 50.000,- €/ha im Landkreis Ebersberg (vgl. Bayerisches Landesamt für Statistik: Kaufwerte landwirtschaftlicher Grundstücke in Bayern; S. 13) bemessen worden.
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Über die Streitwertbeschwerde entscheidet der Senat durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin, weil auch die angefochtene Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts durch eine Einzelrichterin erlassen wurde (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG).
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A. Die Streitwertbeschwerde der Bevollmächtigten der Beigeladenen ist zulässig und begründet.
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1. Die Streitwertbeschwerde ist nach § 68 Abs. 1 GKG zulässig. Die Bevollmächtigte der Beigeladenen verfügt über das notwendige Rechtsschutzbedürfnis auf Heraufsetzung des Streitwerts. Richten sich wie hier die Gerichtsgebühren gem. § 3 Abs. 1 GKG und der Rechtsanwaltskosten gemäß § 32 Abs. 1 RVG nach dem festgesetzten Streitwert, ist regelmäßig nur der Prozessbevollmächtigte des Verfahrensbeteiligten beschwert, der dann aus eigenem Recht gemäß § 32 Abs. 2 RVG Beschwerde führen kann (vgl. BayVGH, B.v. 28.5.2021 – 11 C 21. 1420 – juris Rn. 3 m.w.N.; Olbertz in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Aug. 2024, Vorb. § 154 Rn. 40). Vorliegend hat diese die Beschwerde, wie sie auf Nachfrage des Gerichts klargestellt hat, auch im eigenen Namen erhoben; die Beschwerdeschrift vom 13. Januar 2025 lässt eine solche Auslegung zu (vgl. § 88 VwGO).
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2. Die Streitwertbeschwerde ist auch begründet. Der vom Verwaltungsgericht festgesetzte Streitwert in Höhe von 4.184,50 EUR ist zu niedrig. Angemessen erscheint ein Betrag vom 60.000 EUR.
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Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bei der Ausübung des Ermessens nach § 52 Abs. 1 GKG kommt es auf das objektiv zu beurteilende Interesse des Klägers an. Darüber hinaus ist im Interesse der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung eine weitgehende Schematisierung der Wertbemessung für gleichartige Streitigkeiten geboten (vgl. BVerwG, B.v. 15.9.2015 – 9 KSt 2.15 u.a. – UPR 2016, 116 = juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 8.1.2019 – 8 C 18.456 – NVwZ-RR 2019, 624 = juris Rn. 6). Als Handreichung für eine möglichst einheitliche Wertfestsetzung in der gerichtlichen Praxis enthält der Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai/1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen (Beilage 2/2013 zu NVwZ Heft 23/2013) zwar lediglich Empfehlungen; die Aufgabe des Gerichts, bei der Streitwertfestsetzung im jeweiligen Einzelfall das ihm eingeräumte Ermessen auszuüben, bleibt daher unberührt (vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2003 – 25 C 03.1464 – BayVBl 2004, 28 = juris Rn. 2). Angesichts der Tatsache, dass den Empfehlungen des Streitwertkatalogs eine Gesamtschau der bundesweiten Verwaltungsrechtsprechung zugrunde liegt, kommt ihnen jedoch zur Gewährleistung einer weitest möglichen Gleichbehandlung besonderes Gewicht zu (vgl. BVerwG, B.v. 15.9.2015 – 9 KSt 2.15 u.a. – UPR 2016, 116 = juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 8.1.2019 – 8 C 18.456 – juris Rn. 6 f., B.v. 9.1.2023 – 22 C 22.2244 – juris Rn. 12).
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Danach kommt eine Streitwertbemessung nach der vorliegend vom Verwaltungsgericht angewandten Nr. 34.2.1 des Streitwertkatalogs für eine Klage eines drittbetroffenen Privaten wegen einer planbedingten Eigentumsbeeinträchtigung nur in Betracht, soweit die Pauschalierungsvorschläge in Nr. 34.2.1.1 bis 34.2.3 nicht greifen. Für die Beeinträchtigung eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbslandwirts schlägt Nr. 34.2.3 des Streitwertkatalogs einen Streitwert von 30.000 EUR vor. In Übereinstimmung hiermit bemisst der Senat für Klagen eines Nebenerwerbslandwirts, dessen Flächen vorhabenbedingt in Anspruch genommen werden, regelmäßig den Streitwert mit 30.000 EUR (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2019 – 8 A 16.40026 – juris Rn. 117; U.v. 1.12.2022 – 8 A 21.40033 – juris Rn. 59; B.v. 12.12.2022 – 8 ZB 22.1707 – AUR 2023, 113 = juris Rn. 4). Mit diesem Streitwert wird in pauschalierender Weise dem Interesse der jeweiligen Kläger an der Abwendung einer Beeinträchtigung ihres landwirtschaftlichen Betriebs Rechnung getragen (vgl. BVerwG, B.v. 15.9.2016 – 9 B 13.16 – NVwZ 2017, 409 = juris Rn. 13; B.v. 1.6.2021 – 9 B 27.20 – juris Rn. 18). Werte für den endgültigen oder vorübergehenden Flächenverlust (Nr. 34.2.4 des Streitwertkatalogs 2013) sind weder zusätzlich noch stattdessen in Ansatz zu bringen (vgl. BVerwG, B.v. 15.9.2016 – 9 B 13.16 – NVwZ 2017, 409 = juris Rn. 13). Im konkreten Fall besteht auch kein Anlass, von der Pauschalierung abzuweichen.
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B. Die Beschwerde der Beigeladenen ist unzulässig. Die Beigeladene verfügt nicht über das notwendige Rechtsschutzbedürfnis (vgl. oben Rn. 6).
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C. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren über die Streitwertbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG). Kosten der Beteiligten werden gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht erstattet. Demnach erübrigt sich auch die Festsetzung eines Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren.
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Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, § 152 Abs. 1 VwGO).