Inhalt

VGH München, Beschluss v. 08.05.2025 – 6 CE 25.689
Titel:

Erteilung einer Aussagegenehmigung für einen Beamten

Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2, § 123
BBG § 67 Abs. 1, § 68 Abs. 1
KWG § 9
Leitsatz:
Mit dem Untergang der zivilprozessualen Beklagtenstellung (hier durch Klagerücknahme) ist auch der verwaltungsgerichtlich geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aussagegenehmigung in diesem Zivilrechtstreit auf Erteilung einer Aussagegenehmigung untergegangen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bundesbeamtenrecht, Verschwiegenheitspflicht, Aussagegenehmigung, Zeugenaussage in Zivilprozess, Rechtsschutzbedürfnis, Antragsbefugnis, Zivilprozess, Klagerücknahme, Zeugenaussage
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 06.03.2025 – M 21a E 24.6496
Fundstelle:
BeckRS 2025, 10211

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 6. März 2025 – M 21a E 24.6496 – mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer beamtenrechtlichen Aussagegenehmigung für eine Zeugenaussage in einem zivilrechtlichen Schadensersatzprozess.
2
Der Antragsteller war Geschäftsführer von Anlagegesellschaften und wird zusammen mit einem weiteren ehemaligen Geschäftsführer von zahlreichen Anlegern, die verzinsliche Nachrangdarlehensverträge abgeschlossen hatten, vor den Zivilgerichten auf Schadensersatz verklagt, weil sie als Geschäftsführer insbesondere verbotene Einlagengeschäfte (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG) zu verantworten hätten.
3
Das Oberlandesgericht Dresden (im Folgenden: OLG) ersuchte in drei Berufungsverfahren die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: Bundesanstalt) um Auskunft im Zusammenhang mit der Frage, ob die Bundesanstalt die Erforderlichkeit einer Erlaubnis im Sinn von § 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 1 KWG verneint hätte, wenn die jeweilige Gesellschaft vor dem Zeichnungszeitpunkt eine Erlaubnisanfrage zu dem Nachrangdarlehensangebot gestellt hätte. Die Bundesanstalt nahm hierzu mit drei im Wesentlichen gleichlautenden Schreiben des Beamten R. vom 15. Januar 2024 Stellung. Weil die Parteien der Zivilrechtsstreite die Auskunftsschreiben unterschiedlich interpretierten, beschloss das OLG am 1. Juli 2024 im Verfahren 8 U 1843/232, die amtlichen Auskünfte der Bundesanstalt vom 15. Januar 2024 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen und den Beamten R. oder eine andere Auskunftsperson als Zeuge zur Erläuterung der Auskunft zu vernehmen. Die Bundesanstalt lehnte mit Schreiben vom 1. August 2024 die Bitte des OLG, eine entsprechende Aussagegenehmigung zu erteilen, ab und teilte unter dem 30. September 2024 mit, dass es auch keine weitere schriftliche Stellungnahme abgeben werde.
4
Im Verfahren 8 U 1843/23 nahm der dortige Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG am 5. August 2024 die Klage(erweiterung) gegen den Antragsteller zurück. Dieser stimmte der Klagerücknahme zu.
5
Der Antragsteller legte gegen die Versagung der Aussagegenehmigung Widerspruch ein, den die Bundesanstalt mit Widerspruchbescheid vom 27. November 2024 zurückwies. Über die daraufhin erhobene Klage ist bislang nicht entschieden.
6
Noch vor Klageerhebung hatte der Antragsteller am 9. Oktober 2024 den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Erzwingung einer Aussagegenehmigung beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main beantragt, das den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht München verwies. Dieses gab dem Antrag mit Beschluss vom 6. März 2025 teilweise statt. Es verpflichtete die Bundesanstalt im Wege der einstweiligen Anordnung, dem Zeugen R. oder einem anderen die amtlichen Auskünfte vom 15. Januar 2024 verantwortenden Beamten eine Aussagegenehmigung für eine Zeugenaussage in dem beim OLG Dresden anhängigen Leitverfahren 8 U 1843/23 insoweit zu erteilen, als es gemäß dem Beweisbeschluss des OLG Dresden vom 1. Juli 2024 um die Erläuterung (Klärung, Vertiefung und Ergänzung) der amtlichen Auskünfte vom 15. Januar 2024 geht. Den darüber hinausgehenden Antrag lehnte es ab.
7
Die Antragsgegnerin hat gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 6. März 2025 in seinem stattgebenden Teil Beschwerde eingelegt. Der Antragsteller verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
II.
8
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig und begründet.
9
Die fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe, auf deren Prüfung der Senat grundsätzlich beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen zur Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung und vollständigen Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Dem Antragsteller fehlt – entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts – sowohl das Rechtsschutzbedürfnis als auch die Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog), weil er nicht mehr Beklagter in dem beim OLG anhängigen Berufungsverfahren 8 U 1843/23 ist.
10
Rechtsgrundlage für den vom Antragsteller in der Hauptsache verfolgten und im Wege der einstweiligen Anordnung zu sichernden materiell-rechtliche Anspruch auf Erteilung einer Aussagegenehmigung ist § 68 Abs. 1 BBG. Nachdem das OLG als Prozessgericht ohne Erfolg versucht hatte, nach § 376 Abs. 1, 3 ZPO bei der Bundesanstalt eine Genehmigung für die Vernehmung eines Beamten zu den im einzelnen bezeichneten Beweisthemen einzuholen, hatte der Antragsteller ursprünglich als beweisbelastete Partei das Recht, selbst die Erteilung der Aussagegenehmigung zu beantragen und nach deren Versagung gerichtlich prüfen zu lassen, ob die gesetzlichen Versagungsgründe des § 68 Abs. 1 BBG vorliegen und in diesem Rahmen die allgemeine (§ 67 Abs. 1 BBG) oder besondere (§ 9 KWG) beamtenrechtliche Verschwiegenheitspflicht eine Ausnahme von der grundsätzlichen Aussagepflicht vor deutschen Gerichten rechtfertigt.
11
Dieses Recht bezog sich allerdings allein auf eine Aussagegenehmigung im Berufungsverfahren 8 U 1843/23, auf welches das OLG seinen Beweisbeschluss und das Verwaltungsgericht folgerichtig auch seine einstweilige Anordnung bezogen hat. In diesem Verfahren ist der Antragsteller aber nicht mehr Partei, nachdem der dortige Kläger in der mündlichen Verhandlung am 5. August 2024 seine Klage(erweiterung) gegen den Antragsteller mit dessen Zustimmung zurückgenommen hat. Mit der zivilprozessualen Beklagtenstellung ist auch der verwaltungsgerichtlich geltend gemachte Anspruch auf Erteilung einer Aussagegenehmigung untergegangen. Denn ein Urteil zwischen den verbliebenen Prozessparteien könnte dem Kläger gegenüber keine Rechtskraftwirkung entfalten (vgl. § 325 Abs. 1 ZPO). Zwar hat das OLG mit Schreiben vom 22. Januar 2025 dem Verwaltungsgericht mitgeteilt, dass es das Verfahren 8 U 1843/23 als Leitverfahren für eine Reihe gleich oder ähnlich gelagerter Schadensersatzklagen betrachtet, bei denen der Antragsteller (weiterhin) als Beklagter geführt werde, und dass die Beweisergebnisse aus dem Leitverfahren 8 U 1843/23 gemäß § 284 Abs. 1 Satz 2 ZPO mit Einverständnis der jeweiligen Parteien auch in parallelen Rechtsstreitigkeiten verwertet werden können. Das ändert aber nichts daran, dass die unmittelbare rechtliche Betroffenheit durch die in Streit stehende Aussagegenehmigung entfallen ist. Ob der Antragsteller mittelbare Vorteile aus der angestrebten Zeugenvernehmung eines Beamten der Bundesanstalt in einem nunmehr fremden Rechtsstreit durch Verwertung der protokollierten Aussage in eigenen Rechtsstreitigkeiten ziehen könnte, hängt von Umständen ab, die er nicht beeinflussen kann, nämlich von der Verfahrensweise des Gerichts und dem Prozessverhalten der jeweiligen Klagepartei. Bloße Hoffnungen auf einen mittelbaren Vorteil aus einer günstigen Zeugenaussage oder prozessökonomische Erwägungen begründen jedoch weder ein Rechtsschutzbedürfnis noch die entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Antragsbefugnis. Ein subjektives Recht auf Erteilung einer Aussagegenehmigung für einen fremden Rechtsstreit kommt auch in der vorliegenden Fallkonstellation von vornherein nicht in Betracht.
12
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
13
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).