Inhalt

VGH München, Urteil v. 12.05.2025 – 1 N 22.1934
Titel:

Bebauungsplan, Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets, Durchführung eines ergänzenden Verfahrens, Vorprüfung des Einzelfalls, Bekanntmachungsfehler

Normenketten:
VwGO § 47
BauGB § 13a, § 13b, § 215a Abs. 3 S. 3
Schlagworte:
Bebauungsplan, Festsetzung eines allgemeinen Wohngebiets, Durchführung eines ergänzenden Verfahrens, Vorprüfung des Einzelfalls, Bekanntmachungsfehler
Fundstelle:
BeckRS 2025, 10183

Tenor

I. Der Bebauungsplan Einsbach „Am S. Wege, Nr. 2“, der zuletzt am 10. September 2024 mit Rückwirkung zum 9. August 2022 bekannt gemacht wurde, ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Antragsteller wendet sich gegen den im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB erlassenen Bebauungsplan „Am S. Weg, Nr. 2“, den die Antragsgegnerin am 24. Januar 2022 als Satzung beschlossen und zunächst am 9. August 2022 bekanntgemacht hat. Im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens wurde eine Vorprüfung des Einzelfalls durchgeführt, der Bebauungsplan erneut am 22. Juli 2024 als Satzung beschlossen und mit Bekanntmachung vom 10. September 2024 mit Rückwirkung zum 9. August 2022 erneut bekannt gemacht.
2
Das in Ortsrandlage liegende rd. 0,4 ha große Planungsgebiet grenzt im Norden an den S. Weg an und im Süden und Westen an landwirtschaftliche Flächen. Im Osten und Norden ist es durch Wohnbebauung geprägt. In der näheren Umgebung befinden sich drei aktive Hofstellen mit Schweinemast und Schweinezucht, Pferdehaltung und Rinderhaltung sowie zwei weitere Hofstellen mit genehmigter Milchviehhaltung, auf denen derzeit keine Tierhaltung besteht. Der Bebauungsplan ersetzt im Osten teilweise die Ortsabrundungssatzung „Einsbach westlich der B. Straße“ (Ortsabrundungssatzung). Soweit der Bereich der Ortsabrundungssatzung betroffen ist, in dem bereits ein Gebäude errichtet ist, richtet sich die planungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben nach der Ortsabrundungssatzung bzw. nach § 34 BauGB. Der Bebauungsplan weist ein allgemeines Wohngebiet mit insgesamt 3 Bauplätzen für 6 Wohneinheiten aus, setzt das Maß der baulichen Nutzung sowie die zur Erschließung erforderlichen öffentlichen Verkehrsflächen fest und enthält einen Hinweis auf mögliche Lärm-, Staub- und Geruchsbelästigungen durch naheliegende landwirtschaftlich genutzte Flächen. Ziel des Bebauungsplans ist es, aufgrund der hohen Nachfrage nach Eigenheimbebauung die bestehenden Wohnbauflächen am westlichen Siedlungsrand im Ortsteil Einsbach zu erweitern und die Schaffung von Wohnflächen, insbesondere für Ortsansässige und Familien, städtebaulich zu ordnen und zu steuern.
3
Der Antragsteller ist Eigentümer der im Außenbereich nach § 35 BauGB gelegenen Grundstücke FlNrn. …, … und …, jeweils Gemarkung Einsbach. Er betreibt einen einheitlichen landwirtschaftlichen Betrieb mit zwei Hofstellen auf den Grundstücken FlNr. … (Schweinemast und Schweinezucht) und FlNr. … (Pferdehaltung). Auf der Hofstelle FlNr. … wurden in das landwirtschaftliche Gebäude, in dem sich in einem Teilbereich im Erdgeschoss ein Pferdestall mit Pferdeboxen befindet, drei Wohneinheiten eingebaut. Im Zusammenhang mit der geplanten Entwicklung seines Betriebs stellte der Antragsteller beim Landratsamt verschiedene baurechtliche Anträge, insbesondere zur Bestandserweiterung, zu Nutzungsänderungen und zum Neubau eines Zuchtschweinestalls auf dem Grundstück FlNr. … Auch soll die Zahl der Pensionspferde erhöht werden. Dazu legte er eine immissionsschutzfachliche Gesamtbetrachtung seiner Vorhaben vor. Der Antragsteller erhob hinsichtlich aller beantragter Bauvorhaben Untätigkeitsklagen zum Verwaltungsgericht München (M 11 K 22.354, M 11 K 22.356, M 11 K 22.357 und M 11 K 22.358), über die noch nicht entschieden worden ist.
4
Die Antragsgegnerin gab im Bebauungsplanverfahren zur Ermittlung der Geruchsbelastung für die Bauleitplanung eine Immissionsprognose bei der M.T.S. in Auftrag. Das Gutachten kam in der Fassung vom 29. Oktober 2021 zu dem Ergebnis, dass im Planungsbereich die Immissionswerte für den IST-Zustand auf den Hofstellen des Antragstellers zwischen 10,7 und 13,4% und für verschiedene Erweiterungsmöglichkeiten bei maximal 15,1% liegen. Für die Erhöhung des Tierbestands blieb die beabsichtigte Errichtung eines Zuchtschweinestalls unberücksichtigt, da der Standort neben der ungeklärten Größe und Lage des geplanten Stalls aufgrund des mit der Schweinehaltung verbundenen Ammoniakeintrags für die in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen Baumschulflächen nicht in Frage komme. Daneben wurde auf verfügbare Alternativgrundstücke, insbesondere die westlich an die Hofstelle auf dem Grundstück FlNr. … angrenzende FlNr. …, verwiesen und darauf, dass ein An- und Ausbau des bestehenden Schaf-/Schweinehaltungsbetriebs auf der FlNr. … eine sinnvollere und effizientere Bewirtschaftung ermögliche als ein zusätzlicher, weiter entfernt liegender Standort, der ein Ansatz für eine Splittersiedlung im Außenbereich werden könne.
5
Am 30. August 2022 stellte der Antragsteller beim Verwaltungsgerichtshof einen Normenkontrollantrag zuletzt mit dem Antrag:
6
Der Bebauungsplan „Am S. Weg, Nr. 2“ in der Fassung vom 22. Juli 2024, rückwirkend in Kraft getreten zum 9. August 2022, ist unwirksam.
7
Er sei antragsbefugt, weil er durch eine heranrückende Wohnbebauung in seinem landwirtschaftlichen Betrieb eingeschränkt werde. Der Bebauungsplan leide auch nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens an formellen und materiellen Fehlern. U.a. setze § 215a Abs. 1 und 2 BauGB voraus, dass bei Einleitung des Bebauungsplanverfahrens die Voraussetzungen des § 13b BauGB a.F. vorgelegen hätten. Dies sei nicht der Fall, weil für die Flächen des Plangebiets, die sich im Geltungsbereich der Ortsabrundungssatzung befänden, der Außenbereichscharakter entfallen sei. Eine alternative oder kombinierte Anwendung von § 13a BauGB und § 13b BauGB a.F. komme nur dann in Betracht, wenn die jeweilige Anwendungsgrenze trennscharf und dies deutlich gemacht worden sei. Die mit § 215a BauGB eingeführte Heilungsmöglichkeit habe nur ungerechte Härten im Hinblick auf geplante Wohnnutzung abmildern sollen; dies treffe auf die im Bereich der Ortsabrundungssatzung zulässigen Nutzungen nicht zu. Die Antragsgegnerin habe sich bei der Beschlussfassung am 22. Juli 2024 das Ergebnis der Vorprüfung des Einzelfalls noch nicht zu Eigen machen können, weil diese (erst) am 23. Juli 2024 abgeschlossen worden sei. Es fehle auch an der Bekanntgabe der wesentlichen Gründe, warum das Verfahren ohne Durchführung einer Umweltprüfung fortgesetzt werde. Im Hinblick auf die zunächst negative Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde vom 19. Juni 2024 fehle es an der erneuten Durchführung einer Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 4a Abs. 3 BauGB. Diese Fehler seien beachtlich. Hinsichtlich der weiteren im Normenkontrollverfahren erhobenen Einwendungen in Bezug auf die städtebauliche Erforderlichkeit der Bauleitplanung und auf die Mängel der Abwägung hinsichtlich der eingeholten Geruchsprognose, insbesondere im Hinblick auf den Umfang der konkreten Erweiterungsabsichten auf den Grundstücken FlNrn. …, … und …, die Bauanträge bzw. die Vorbescheidsanträge sowie die Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die Ergebnisse des vorgelegten Geruchsgutachtens und zuletzt die Auswirkungen der zum 18. August 2021 neu gefassten TA Luft auf diese sowie die geltend gemachte Unwirksamkeit der Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und das Fehlen eines ausreichenden Erschließungskonzepts wird auf die vorliegenden Antragsbegründungsschriftsätze der Bevollmächtigten des Antragstellers verwiesen.
8
Die Antragsgegnerin beantragt,
9
den Antrag abzulehnen.
10
Der Bebauungsplan habe im ergänzenden Verfahren nach Maßgabe des § 215a Abs. 3 BauGB (rückwirkend) in Kraft gesetzt werden können. Im Rahmen der Gemeinderatssitzung am 22. Juli 2024 sei festgestellt worden, dass das Vorhaben voraussichtlich keine erheblichen negativen Umweltauswirkungen auslösen werde. Die ortsübliche Bekanntmachung werde den Anforderungen des § 215a Abs. 3 BauGB gerecht, insbesondere seien die wesentlichen Gründe, warum das Verfahren ohne Durchführung einer Umweltprüfung fortgeführt werde, bekannt gemacht worden. Der Bebauungsplan habe im vereinfachten Verfahren erlassen werden können, weil er nur Flächen umfasse, die dem Außenbereich zuzuordnen seien, städtebaulich erforderlich sei und nicht an Abwägungsfehlern leide. Weder seien unklare oder unverbindliche Erweiterungsabsichten für die Abwägung erheblich noch die Erweiterungsabsichten auf dem Grundstück FlNr. … Auch die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung und das Erschließungskonzept seien nicht zu beanstanden.
11
Über den gleichzeitig am 30. August 2022 gestellten Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO hat der Senat mit Beschluss vom 20. Dezember 2022 entschieden (1 NE 22.1938); auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.
12
Die Antragsgegnerin hat neben dem streitgegenständlichen Bebauungsplan die Bebauungspläne „Am Badfeld“ und „Am W.weg“ beschlossen, die Gegenstand der beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Normenkontrollverfahren 1 N 22.1308 und 1 N 22.1209 sind. Über die Normenkontrolleilverfahren 1 NE 22.1604 und 1 NE 22.1605 hat der Senat jeweils mit Beschluss vom 20. Dezember 2022 entschieden, auf den Inhalt der Beschlüsse wird Bezug genommen.
13
In der mündlichen Verhandlung am 18. Februar 2025 wurde dem Bevollmächtigten der Antragsgegnerin u.a. eine Schriftsatzfrist gewährt, um einen Nachweis für eine ordnungsgemäße Bekanntmachung nach § 215a Abs. 3 Satz 3 BauGB zu erbringen. Die Beteiligten haben sich für den Fall, dass ein positiver Bekanntmachungsnachweis nicht erfolge, mit einem Übergang ins schriftliche Verfahren einverstanden erklärt.
14
Die Antragsgegnerin führte mit Schreiben vom 11. März 2025 und 7. April 2025 aus, dass die nachträglich vorgelegten Originale der Bekanntmachung, die im Altpapier gefunden worden seien, von der Amtstafel am Rathaus der Gemeinde stammten und erkennen ließen, dass neben der Bekanntmachung auch das Dokument „Vorprüfung des Einzelfalls“ in den Schaukästen ausgehängt worden sei.
15
Mit Schreiben vom 24. März 2025 und 2. Mai 2025 bestritt der Antragsteller unter Bezugnahme auf die Aussage der Lebensgefährtin des Antragstellers, dass das Dokument „Vorprüfung des Einzelfalls“ in dieser oder in einer anderen Form an der Amtstafel in Einsbach ausgehängt worden sei und verwies auf die Geschäftsordnung der Gemeinde.
16
Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. Februar 2025 wird Bezug genommen. Weiter wird ergänzend auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren 1 NE 22.1938 und die vorgelegten Normaufstellungsakten sowie die beigezogenen Bauakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

17
Mit Einverständnis der Parteien konnte der Senat ohne weitere mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
18
Der zulässige Normenkontrollantrag hat Erfolg. Der nach Durchführung eines ergänzenden Verfahrens am 22. Juli 2024 als Satzung beschlossene und am 10. September 2024 mit Rückwirkung zum 9. August 2022 bekannt gemachte Bebauungsplan ist unwirksam.
19
1. Der Normenkontrollantrag ist zulässig, insbesondere ist der Antragsteller antragsbefugt. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Der Antragsteller muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem Recht verletzt wird. Der Eigentümer eines außerhalb des Plangebiets gelegenen Grundstücks ist antragsbefugt, wenn er eine mögliche Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen kann. Das in § 1 Abs. 7 BauGB normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot hat drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher privaten Belange, die für die Abwägung erheblich sind (vgl. BVerwG, B.v. 13.11.2020 – 4 BN 23.12 – juris Rn. 4; B.v. 17.7.2019 – 3 BN 2.18 – NVwZ-RR 2019, 1027; B.v. 22.8.2000 – 4 BN 38.00 – NVwZ 2000, 1413). Zu den abwägungserheblichen Belangen zählt auch das Interesse eines Landwirts, mögliche Einschränkungen seines landwirtschaftlichen Betriebs durch eine heranrückende Wohnbebauung zu verhindern (vgl. BVerwG, B.v. 2.12.2013 – 4 BN 44.13 – ZfBR 2014, 37; BayVGH, B.v. 4.5.2018 – 15 NE 18.382 – juris Rn. 23), wobei auch ein hinreichend konkretisiertes Interesse an einer Betriebsentwicklung in die Abwägung einzustellen ist (vgl. BVerwG, B.v. 10.11.1998 – 4 BN 44.98 – NVwZ-RR 1999, 423; BayVGH, U.v. 10.5.2016 – 9 N 14.2674 – BayVBl 2017, 413). Aufgrund der Nähe seiner Betriebsstellen zur künftigen Wohnbebauung, der mit den gestellten Vorbescheids- bzw. Bauanträgen konkretisierten und in Richtung des Plangebiets orientierten Erweiterungsabsichten sowie des eingeholten Geruchsgutachtens ist der Antragssteller unabhängig von den Meinungsverschiedenheiten über dessen Aussagekraft in abwägungsrelevanten Belangen betroffen. Er hat hinreichend substantiiert dargelegt, dass diese Belange von der Antragsgegnerin möglicherweise falsch behandelt worden sind.
20
2. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Der Bebauungsplan ist verfahrensfehlerhaft zustande gekommen, weil das zur Heilung des im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB aufgestellten Bebauungsplans durchgeführte ergänzende Verfahren nach § 215a Abs. 2 BauGB an einem Bekanntmachungsfehler nach § 215a Abs. 3 Satz 3 BauGB leidet (2.1.). Den beachtlichen Verfahrensfehler, der zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans führt, hat der Antragsteller gemäß § 215 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 215a Abs. 4 BauGB auch innerhalb der Jahresfrist gerügt (2.2).
21
2.1. Die öffentliche Bekanntmachung der „Vorprüfung des Einzelfalls – Fortführung des Verfahrens nach § 13a BauGB ohne Durchführung einer Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB“ vom 23. Juli 2024 ist nicht ordnungsgemäß erfolgt.
22
Der Bebauungsplan wurde ursprünglich im Verfahren nach § 13b BauGB aufgestellt, ein Umweltbericht wurde nicht erstellt. § 13b BauGB wurde nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juli 2023 (4 CN 3.22), der sich der Senat zwischenzeitlich angeschlossen hat, als europarechtswidrig eingestuft und vom Gesetzgeber aufgehoben. § 215a BauGB, den der Gesetzgeber in Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit Wirkung zum 1. Januar 2024 in Kraft gesetzt hat, ermöglicht es, begonnene Bebauungsplanverfahren geordnet zu Ende zu führen beziehungsweise unter Anwendung des § 13b BauGB aufgestellte und bekanntgemachte Pläne, die an einem nach § 214 und § 215 BauGB beachtlichen Fehler leiden und damit unwirksam sind, in einem ergänzenden Verfahren zu heilen. § 215a Abs. 2 BauGB enthält zur Heilung in einem ergänzenden Verfahren einen Verweis auf § 13a BauGB, der in § 215a Abs. 3 BauGB modifiziert wird. Hiernach hat die Gemeinde eine Vorprüfung des Einzelfalls hinsichtlich der Umweltauswirkungen zu machen und – sofern das Verfahren ohne Durchführung einer Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB fortgesetzt wird – dies einschließlich der hierfür wesentlichen Gründe bekanntzumachen.
23
Zwar hat die Antragsgegnerin eine solche Vorprüfung im ergänzenden Verfahren durchgeführt und in der Sitzung vom 22. Juli 2024 die Fortführung des Verfahrens beschlossen.
24
Die Bekanntmachung über das Ergebnis der Vorprüfung und die Fortführung des Verfahrens entspricht jedoch nicht den Vorgaben des § 215a Abs. 3 Satz 3 BauGB. Nach dieser Vorschrift sind gemäß den Anforderungen des Art. 3 Abs. 5 und 7 der RL 2001/42/EG vom 27.06.2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie) die Schlussfolgerungen einschließlich der Gründe für die Entscheidung, keine Umweltprüfung vorzuschreiben, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Da sich der Verzicht auf eine Umweltprüfung im Anwendungsbereich des § 215a Abs. 1 und 2 BauGB nicht aus einer generellen Entscheidung des Gesetzgebers ergibt, müssen – wie im Fall des § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BauGB – die wesentlichen Gründe mit Blick auf die konkrete Planungssituation bekanntgemacht werden (vgl. Uechtritz in BeckOK, BauGB, Stand Februar 2025, § 215a Rn. 19; BT-Drs. 20/9344 S. 92). Daran fehlt es hier, weil die Antragsgegnerin in der Bekanntmachung vom 23. Juli 2024 nur ausgeführt hat, dass sich nach der durchgeführten Vorprüfung voraussichtlich keine erheblichen negativen Umweltauswirkungen ergeben, die nach § 2 Abs. 4 Satz 4 BauGB in der Abwägung zu berücksichtigen wären oder die als Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes oder der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts entsprechend § 1a Abs. 3 BauGB auszugleichen wären, ohne die wesentlichen Gründe für die vorgenommene Einschätzung, die sich aus der Vorprüfung ergeben, anzugeben. Die bloße Wiedergabe des Ergebnisses der Vorprüfung und des Wortlauts des § 215a Abs. 3 Satz 3 BauGB genügt nicht. Die Antragsgegnerin hat auch ein nach der Rechtsprechung zulässiges „Zugänglichmachen“ der Gründe durch öffentliche Auslegung der Unterlagen (vgl. BVerwG, B.v. 31.7.2014 – 4 BN 12.14 – BauR 2014, 1898) nicht vorgenommen. Die im Anschluss an die mündliche Verhandlung vorgelegten Dokumente, bei denen es sich nach den Ausführungen des Bevollmächtigten der Antragsgegnerin um Originaldokumente der Bekanntmachung und der Vorprüfung des Einzelfalls mit den entsprechenden Vergilbungen durch die Magnete an der Anschlagtafel handelt und die an der Amtstafel am Rathaus der Gemeinde ausgehängt gewesen sein sollen, reichen nicht als Nachweis für eine ordnungsgemäße Bekanntmachung der Fortführung des Verfahrens aus. Denn auch bei Annahme, dass die Originaldokumente vollständig im Rathaus der Gemeinde ausgehängt wurden, entspricht diese Vorgehensweise nicht der ortsüblichen Bekanntmachung nach § 31 Abs. 1 und 3 der Geschäftsordnung des Gemeinderats der Gemeinde Sulzemoos ab 1. Mai 2020, wonach Satzungen durch Niederlegung in der Verwaltung der Gemeinde zur Einsichtnahme bekannt gemacht werden und die Niederlegung durch Anschlag an den 4 Gemeindetafeln bekannt gegeben wird. Denn die Antragsgegnerin, die insoweit die Beweislast trägt, hätte damit nur den Nachweis erbracht, dass eine ordnungsgemäße Bekanntmachung an der Gemeindetafel im Rathaus erfolgt wäre, nicht aber für entsprechende Bekanntmachungen mit Originaldokumenten an allen Gemeindetafeln. Auch ein entsprechender Hinweis an allen Gemeindetafeln, dass die vollständigen Unterlagen im Rathaus der Gemeinde einzusehen sind, ist nicht ersichtlich. Diesbezügliche Unterlagen wurden weder vorgelegt noch sind sie der Verfahrensakte zu entnehmen. Auf die schriftliche Erklärung der Lebensgefährtin des Antragstellers, wonach an der Gemeindetafel in Einsbach nur die beiden Seiten der Bekanntmachung (ohne Anlagen) vorhanden gewesen seien, kommt es daher nicht entscheidend an, sie kann jedoch als weiteres Indiz für eine unzureichende ortsübliche Bekanntmachung gewertet werden.
25
2.2. Fehlt es mithin an einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung nach § 215a Abs. 3 Satz 3 BauGB, liegt – unabhängig davon, ob insoweit unmittelbar auf § 215a Abs. 3 Satz 3 BauGB abgestellt wird oder auf § 214 Abs. 2a Nr. 2 i.V.m. § 13a Abs. 3 BauGB in entsprechender Anwendung – ein beachtlicher Mangel vor. Denn aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Bekanntmachung im Sinn des § 215a Abs. 3 Satz 3 BauGB folgt die Unwirksamkeit des Bebauungsplans daraus, dass es die Antragsgegnerin rechtswidrig unterlassen hat, eine Umweltprüfung im Sinn von § 2 Abs. 4 BauGB durchzuführen und nach § 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB einen Umweltbericht zu erstellen, der als Teil der Begründung (§ 2a Satz 3 BauGB) nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit dem Entwurf öffentlich auszulegen und nach § 9 Abs. 8 BauGB der Begründung beizufügen ist. Hierin liegt ein nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB beachtlicher Verfahrensfehler. Soweit auf § 214 Abs. 2a Nr. 2, § 13a Abs. 3 BauGB in entsprechender Anwendung abgestellt wird und dazu die Meinung vertreten wird, dass das Unterbleiben des Hinweises für die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans unbeachtlich ist (vgl. Uechtritz in BeckOK, Stand Februar 2025, § 215a Rn. 20), gilt dies nur für den Hinweis, dass von einer Umweltprüfung abgesehen wird, weil für die Betroffenen im Rahmen der öffentlichen Auslegung oder der Betroffenenbeteiligung der Planentwurf nebst Begründung zugänglich ist und daher erkennbar ist, dass eine förmliche Umweltprüfung nicht durchgeführt wird. Denn die Vorschrift ist unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Rechtsfolge der Unbeachtlichkeit des Verstoßes nur dann eintritt, wenn dem Regelungsziel des Art. 3 Abs. 7 der SUP-Richtlinie dadurch Rechnung getragen wird, dass die Gründe für das Absehen von der Umweltprüfung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. § 214 Abs. 2a Nr. 2 BauGB ist daher einschränkend dahingehend auszulegen, dass die dort vorgesehene Unbeachtlichkeit nur dann eintritt, wenn die Gemeinde zwar nicht die Voraussetzungen des § 13a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB, aber doch wenigstens die Vorgaben von Art. 3 Abs. 7 der SUP-Richtlinie erfüllt hat. Anderenfalls hätte es die Gemeinde in der Hand, den Verpflichtungen aus Art. 3 Abs. 7 der SUP-Richtlinie nicht nachzukommen und damit Unionsrecht zu umgehen (vgl. BVerwG, U.v. 18.7.2023 – 4 CN 3.22 – BVerwGE 179, 348; VGH BW, U.v. 3.4.2013 – 8 S 1974/10 – NVwZ-RR 2013, 833). Der Bekanntmachungsfehler führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans.
26
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
27
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
28
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).