Titel:
Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtbeibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (Fahrprobe), Tatsachen, die die Annahme mangelnder Fahrbefähigung rechtfertigen
Normenketten:
StVG § 2 Abs. 5, Abs. 8 S. 1, § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 8, § 46 Abs. 1 S. 1, Abs. 4
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Nichtbeibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (Fahrprobe), Tatsachen, die die Annahme mangelnder Fahrbefähigung rechtfertigen
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 29.10.2024 – RO 8 K 24.1571
Fundstelle:
BeckRS 2025, 10176
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der 1937 geborene Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L.
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Nach einer polizeilichen Mitteilung vom 19. April 2013 hat ein Zeuge, der an diesem Tag auf einer Staats straße hinter dem Kläger hergefahren ist, angezeigt, dieser sei Schlangenlinien gefahren und öfters kurze Zeit am Straßenrand stehen geblieben. Er habe die Fahrt gefilmt. Bei der anschließenden Polizeikontrolle habe der Kläger etwas verwirrt und zittrig gewirkt. Auf die Frage nach seinem Geburtsdatum habe er keine Antwort gegeben. Es könne nicht beurteilt werden, ob der Kläger fahrgeeignet sei.
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Mit Schreiben vom 25. April 2013 forderte das Landratsamt ,... den Kläger zur Beibringung eines amtsärztlichen Fahreignungsgutachtens bei einem Gesundheitsamt auf. Der Kläger legte daraufhin ein Gutachten des Gesundheitsamts ... vom 23. Mai 2013 vor, wonach keine psychische Erkrankung oder eine wesentliche Demenz festgestellt werden konnten, die seine Fahreignung in Frage stellten. Daraufhin forderte das Landratsamt den Kläger hinsichtlich der Fahrerlaubnisklassen A und C1E auf, ein augenärztliches Gutachten beizubringen. Nachdem ein Sehtest vom 12. Juli 2013 ergeben hatte, dass die Anforderungen an das Sehvermögen nicht erfüllt seien, verzichtete der Kläger am 15. Juli 2013 auf seine Fahrerlaubnis.
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Am 23. Dezember 2013 beantragte er die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis der Klasse B und legte ein augenärztliches Zeugnis vom 19. Dezember 2013 vor, wonach sein Sehvermögen für die beantragte Fahrerlaubnis ausreiche, aber eine Kontrolle der Sehkraft nach drei Jahren erforderlich sei. Daraufhin erteilte ihm das Landratsamt am 20. Januar 2014 eine Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L mit einer entsprechenden Auflage.
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Am 21. Dezember 2016 legte der Kläger ein Zeugnis über die augenärztliche Untersuchung des Sehvermögens vom 28. November 2016 vor, wonach er die Anforderungen an die Sehkraft nach der Fahrerlaubnisverordnung ohne Sehhilfe erfülle. Es sei eine Kontrolle nach zwei Jahren erforderlich. Nach einem weiteren augenärztlichen Zeugnis vom 4. Dezember 2018 reicht sein Sehvermögen aus, wenn er nicht schneller als 80 km/h fahre. Daraufhin beschränkte das Landratsamt die Fahrerlaubnis des Klägers am 5. Dezember 2018 entsprechend.
6
Aus einer polizeilichen Mitteilung vom 27. März 2019 und einem Telefonat vom 1. April 2019 mit der Polizei erfuhr das Landratsamt, dass eine Zeugin die unsichere Fahrweise des Klägers angezeigt hatte. Daraufhin sei ein Streifenwagen hinter dem Kläger hergefahren und habe beobachtet, dass er in verkehrsbehindernder, langsamer Weise und in Schlangenlinien gefahren sei. Auch habe er nicht auf das mehrfache und eindeutige Anhaltesignal der Streifenbesatzung reagiert und sei mit der Situation sichtlich überfordert gewesen. Seine Fahrweise könne mit Bezug auf sein fortgeschrittenes Alter als bedenklich betrachtet werden, da ihm auch elementare körperliche Maßnahmen zur Umsicht und Rücksicht nicht mehr möglich seien.
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Am 21. Januar 2023 teilte die Polizei dem Landratsamt mit, dass sie während einer Nachfahrt am Vortag beobachtet hätten, wie der Kläger stetig, selbst auf gerader Strecke, über die Mittellinie und danach äußerst weit nach rechts (Schlangenlinien) gefahren sei. Auch bei Kurven sei er immer wieder über die Mittellinie gekommen. Eine gerade und ruhige Fahrt sei nicht zu erkennen gewesen. Er habe stetig nach links und rechts gelenkt, um offenbar die Spur zu halten. Es habe gewirkt, als hätten die Vorderreifen gewackelt, was nicht der Fall gewesen sei. Als sie den Kläger angehalten hätten, habe er seinen Führerschein nicht finden können. Den Fahrzeugschein habe er bereits in der Hand gehabt, diesen als solchen jedoch nicht identifizieren können. Auf Vorhalt der unsicheren Fahrweise habe er sich sehr uneinsichtig gezeigt und der Polizei unterstellt, sie würde dies nur erfinden. Er hätte täglich mehrere Unfälle, wenn er so unsicher fahren würde. Aus polizeilicher Sicht sei der Kläger – selbst bei wenig Verkehr und guten Straßenverhältnissen – nicht mehr in der Lage, jederzeit sicher ein Fahrzeug zu führen.
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Mit Schreiben vom 27. Januar 2023 forderte das Landratsamt den Kläger zur Vorsprache und Beibringung eines augenärztlichen Gutachtens auf. Nach der beigebrachten Bescheinigung über die ärztliche Untersuchung nach Nr. 2.2 zur Anlage 6 der Fahrerlaubnisverordnung vom 7. Februar 2023 wurden die Anforderungen nach Nr. 2.1 zur Anlage 6 der Fahrerlaubnisverordnung ohne Sehhilfe erreicht.
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Am 16. März 2023 ging beim Landratsamt eine Beschwerde eines unbekannten Verkehrsteilnehmers vom 14. März 2023 über einen älteren Autofahrer ein, der seines Erachtens kein Kraftfahrzeug mehr führen könne. Der Herr sei ihm schon öfter zu einer bestimmten Zeit auf einer bestimmten Strecke entgegengekommen. Er habe bereits des Öfteren abbremsen müssen, da der Herr in sehr kurvenreichen Strecken auf die Gegenfahrbahn gefahren sei und dann das Lenkrad verrissen habe. Der ältere Herr sei auch schon vor ihm gefahren, immer auf der Gegenfahrbahn; bei Gegenverkehr habe er das Lenkrad wieder herumgerissen und sei fast im Graben gelandet. Der Herr fahre auch Schlangenlinien, sodass ein Überholen unmöglich sei.
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Mit Schreiben vom 17. März 2023 forderte das Landratsamt den Kläger zur Beibringung medizinischer Unterlagen zur Prüfung seiner Fahreignung auf, woraufhin dieser am 23. März 2023 bei der Fahrerlaubnisbehörde ein ärztliches Attest vom selben Tag einschließlich Medikamentenplan vorlegte, nach dem er u.a. an einer hypertensiven Herzkrankheit (I 11.90) und arterieller Hypertonie (I 10.90) leide. In einem Aktenvermerk über die Vorsprache ist festgehalten, dass aus den Unterlagen für das Landratsamt kein fahreignungsausschließender Zustand ersichtlich sei. Der Kläger habe seine Fahreignung selbst als gut eingeschätzt, auf sein jahrzehntelanges unfallfreies Fahren hingewiesen und die Behauptungen des anonymen Anzeigenerstatters für haltlos erachtet. Er wolle nicht auf seine Fahrerlaubnis verzichten. Es sei schwierig festzustellen, ob der Kläger tatsächlich alle Informationen aufgenommen und verstanden habe. Ihm sei mitgeteilt worden, dass er seine Fahrfertigkeiten im Rahmen einer Fahrprobe beweisen müsse.
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Mit Schreiben vom 29. März 2023 ordnete das Landratsamt ein kraftfahrtechnisches Eignungsgutachten an. Nachdem der Kläger dieses nicht beigebracht hatte, hob das Landratsamt die Anordnung mit Schreiben vom 30. Oktober 2023 auf und ordnete gestützt auf § 46 Abs. 4 FeV die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (Fahrprobe) bis zum 30. Dezember 2023 zur Klärung der Frage an, ob der Kläger trotz der bekannt gewordenen Fahrauffälligkeiten ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 noch sicher führen könne.
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Der Kläger, der sich mit einer Begutachtung einverstanden erklärt hatte, brachte in der Folge kein Gutachten bei.
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Daraufhin entzog ihm das Landratsamt nach Anhörung mit Bescheid vom 18. Januar 2024 die Fahrerlaubnis aller Klassen und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds, seinen Führerschein beim Landratsamt abzugeben. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.
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Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 24. Januar 2024 ließ der Kläger Widerspruch einlegen und die Aussetzung der sofortigen Vollziehung beantragen und dazu u.a. ausführen, er habe der Anordnung einer Fahrprobe nachkommen wollen. Aufgrund der Weihnachtszeit und des anstehenden Jahreswechsels seien die Fahrschulen in seiner Umgebung jedoch nicht erreichbar gewesen. Er wolle der Aufforderung weiterhin nachkommen, sodass nicht von einer Weigerung ausgegangen werden könne. Er sei auf seine Fahrerlaubnis zwingend angewiesen, um seinen Alltag bewältigen zu können.
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Nach einem Aktenvermerk des Landratsamts über ein Telefonat mit einem Fahrschulvertreter am 24. Januar 2024 hat der Kläger bei der Fahrschule eine „Probefahrt“ gemacht. Er sei nicht einmal ansatzweise fähig, ein Fahrzeug zu führen, und habe gemeint, diese Fahrt reiche zur Prüfung seiner Fahrbefähigung aus. Der Fahrschulvertreter habe ihn auf die zu absolvierende Fahrprobe hingewiesen, was der Kläger „nicht so ganz gecheckt“ habe.
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Am 2. Februar 2024 ließ der Kläger seinen Führerschein durch seinen Bevollmächtigten abgeben.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2024 wies die Regierung der Oberpfalz den Widerspruch des Klägers zurück.
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Am 4. Juli 2024 ließ der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht Regensburg erheben und einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz stellen, den das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. August 2024 ablehnte. Mit Schreiben vom 19. bzw. 24. September 2024 erklärten der Beklagte bzw. der Kläger ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Klageverfahren.
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Mit Urteil vom 29. Oktober 2024 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab, die hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung unzulässig, ansonsten zulässig, aber unbegründet sei. Die Fahrerlaubnisbehörde habe dem Kläger die Fahrerlaubnis entziehen müssen, nachdem sie gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 FeV auf seine mangelnde Fahreignung habe schließen dürfen. Die Beibringungsaufforderung sei rechtmäßig gewesen; der Kläger habe das angeforderte Gutachten bis zum gesetzten Termin nicht vorgelegt. Die Beibringungsanordnung vom 30. Oktober 2023 habe die gesetzlichen Vorgaben beachtet. Für den Kläger sei deutlich erkennbar gewesen, dass aufgrund der polizeilich und sonst mitgeteilten Fahrauffälligkeiten im Straßenverkehr Zweifel an seiner Fahreignung bestanden hätten. Da nichts dafür gesprochen habe, dass jene in Verbindung mit einer bestehenden Erkrankung gestanden hätten, sei von Mängeln der Fahrbefähigung auszugehen gewesen. Dies sei durch ein Gutachten über eine Fahrprobe zu klären gewesen. Die Fragestellung sei unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles formuliert worden. Auch begegne die gesetzte Frist von zwei Monaten keinen Bedenken. Durchschlagende Gründe, weshalb das Gutachten bis zum Fristablauf nicht habe beigebracht werden können, seien nicht ersichtlich. Der Kläger hätte eine Fristverlängerung beantragen können, wenn die Absolvierung der Fahrprobe nach Fristablauf absehbar gewesen wäre. Da es sich nicht um eine Ausschlussfrist handle, hätte der Kläger die geforderte Mitwirkung auch im Widerspruchsverfahren nachholen können. Die Anordnung habe auch auf den vorliegenden Sachverhalt gestützt werden können. Aus den polizeilichen Mitteilungen vom 27. März 2019 und 21. Januar 2023 sowie der Mitteilung des anonymen Verkehrsteilnehmers vom 14. März 2023 hätten sich wiederholte schwere Fahrfehler, insbesondere durch Fahren auf der Gegenfahrbahn, unkontrollierte Lenkbewegungen, Fahren von Schlangenlinien, verkehrsbehindernde, langsame Fahrweise, Nichtreaktion auf polizeiliche Anhaltesignale und ein verwirrter Allgemeinzustand ergeben, was Zweifel an der Fahrbefähigung des Klägers rechtfertige. Die Anordnung eines ärztlichen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens sei nicht erforderlich gewesen. Die Fahrprobe greife im Vergleich zu den denkbaren Alternativen nur geringfügig in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen ein und trage optimal dem Grundsatz Rechnung, dass die am geringsten belastende Maßnahme zu treffen sei. Die Prüfung werde auf den engen Ausschnitt der für die Fahrtauglichkeit maßgeblichen Faktoren begrenzt. Die Alternativmaßnahmen zur Fahrprobe seien deutlich kostenintensiver und eine erhebliche Belastung für den Kläger. Anerkanntermaßen könnten ältere Fahrerlaubnisinhaber mit langer Fahrpraxis psycho-physische Leistungsminderungen bis zu einem gewissen Grad durch Erfahrung und gewohnheitsmäßig geprägte Bedienungshandlungen ausgleichen. All dies habe die Behörde ermessensfehlerfrei berücksichtigt. Die vom Kläger vorgeschlagene Begrenzung der Fahrerlaubnis auf einen Umkreis von 50 km um seinen Wohnort stelle keine Alternative zur Entziehung der Fahrerlaubnis dar, da die gezeigten Auffälligkeiten gerade in seiner Wohnortumgebung festgestellt worden und als generelle, wohnortunabhängige Auffälligkeiten erschienen, die die grundsätzliche Fahrbefähigung beträfen.
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Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung, besondere rechtliche Schwierigkeiten und die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Er trägt zur Begründung vor, das Verwaltungsgericht hätte bei Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu einem für ihn positiven Urteil gelangen müssen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei letztlich mit verschiedenen Beschwerden, u.a. einer anonymen Beschwerde, begründet worden, mit denen Fahrauffälligkeiten des Klägers angezeigt worden seien, was dieser nicht im Ansatz nachvollziehen könne. Er nehme seit 40 Jahren unfallfrei am Straßenverkehr teil. Würden die der Entziehung zugrundeliegenden Meldungen der Realität entsprechen, hätte er in zahlreiche Verkehrsunfälle verwickelt gewesen sein müssen. Die angemeldeten Zweifel an seiner Fahrbefähigung stellten damit keine Grundlage für die Maßnahme dar. Die Beibringung eines Gutachtens habe dem Kläger insbesondere deswegen Probleme bereitet, weil er kaum Möglichkeiten gehabt habe, eine seinen Bedürfnissen gerecht werdende Fahrschule zu finden. Im Übrigen sei er seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen. Die Entziehung der Fahrerlaubnis sei nicht verhältnismäßig im engeren Sinne und lasse die Probleme des Klägers außer Acht. Er könne mangels familiärer und freundschaftlicher Unterstützung seither kaum noch seinen Alltag, wie Arzttermine und Einkäufe, bewältigen. Die öffentlichen Verkehrsverbindungen in der ländlich geprägten Region seien mangelhaft. Während der Schulferien gelange er z.B. nicht in das nahe gelegene Roding. Er könne altersbedingt nicht sämtliche Einkäufe zu Fuß in seine Wohnung verbringen. Ein Taxi könne er sich nicht leisten. Mit der Beschränkung seiner Fahrerlaubnis auf einen Umkreis von 30 km um seinen Wohnsitz hätte es ein gleich geeignetes milderes Mittel gegeben. Darüber hinaus weise die Rechtssache „aufgrund der … Sachlage unter Bezugnahme auf den wesentlichen Akteninhalt“ besondere rechtliche Schwierigkeiten auf. Die ausstehende Mitwirkung zur Beibringung eines Gutachtens über eine Fahrprobe und die damit verbundene Folgerung der Nichteignung seien für den Kläger eine dramatische Schlussfolgerung und rechtlich nicht tragbar. Der Bescheid und das Urteil des Verwaltungsgerichts ließen außen vor, dass ein milderes, gleich geeignetes Mittel vorliege, das die Verkehrssicherheit gewährleiste. Zudem sei die Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, da regelmäßig vergleichbare Bescheide ohne Berücksichtigung des Einzelfalls ergingen. Im konkreten Fall sei die Lebenssituation des Betroffenen stärker zu beleuchten und einzubeziehen. Insofern könne dieser Fall für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Streitigkeiten relevant sein.
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Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO; BayVerfGH, E.v. 14.2.2006 – Vf. 133-VI 04 – VerfGHE 59, 47/52; E.v. 23.9.2015 – Vf. 38-VI-14 – BayVBl 2016, 49 Rn. 52; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 54), nicht hinreichend dargelegt sind (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bzw. nicht vorliegen.
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1. Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Diese sind immer schon dann anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16 m.w.N.) und dies zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründet (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546 Rn. 19). Dies ist hier nicht der Fall.
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Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. November 2023 (BGBl I Nr. 315), und § 46 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. März 2024 (BGBl I Nr. 109), hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich ihr Inhaber als nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Rechtfertigen Tatsachen eine solche Annahme, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung der Entscheidung über die Entziehung die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (Fahrprobe) anordnen (§ 2 Abs. 8 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 4 Satz 2 FeV). § 11 Abs. 6 bis 8 FeV ist entsprechend anzuwenden (§ 46 Abs. 4 Satz 3 FeV).
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Die Befähigung setzt nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 bis 4 StVG voraus, dass der Fahrerlaubnisbewerber oder -inhaber ausreichende Kenntnisse der für das Führen von Kraftfahrzeugen maßgebenden gesetzlichen Vorschriften hat, mit den Gefahren des Straßenverkehrs und den zu ihrer Abwehr erforderlichen Verhaltensweisen vertraut ist, die zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeugs, gegebenenfalls mit Anhänger, erforderlichen technischen Kenntnisse besitzt und zu ihrer praktischen Anwendung in der Lage ist und über ausreichende Kenntnisse einer umweltbewussten und energiesparenden Fahrweise verfügt und zu ihrer praktischen Anwendung in der Lage ist. Zweifel an der Befähigung und an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, die ebenfalls Voraussetzung für die Fahrerlaubnis ist (§ 2 Abs. 4 StVG, § 11 Abs. 1 und Anlage 4 zur FeV), können sich überlappen (BayVGH, B.v. 10.4.2025 – 11 CS 25.463 – juris Rn. 9 m.w.N.). Praktische Fahrfertigkeiten stellen einerseits einen wichtigen Teilbereich der Eignung dar (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.1987 – 7 C 79.86 – NJW 1988, 925 = juris Rn. 12), erscheinen andererseits aber auch als Teil der Fähigkeit, die zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen erforderlichen Kenntnisse praktisch anzuwenden, und damit der in § 2 Abs. 5 StVG umschriebenen Befähigung (vgl. auch BayVGH, B.v. 23.6.2016 – 11 CS 16.907 – juris Rn. 20 f.). Zugleich liegt auf der Hand, dass mangelnde Befähigung ihre Ursache in einer Erkrankung haben kann, die (auch) zur körperlichen oder geistigen Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen führt. Beides ist auf den aktuellen Zeitpunkt bezogen zu beurteilen und kann im Laufe des Lebens eines Fahrerlaubnisinhabers auch starken Veränderungen unterliegen.
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Gemessen daran ergibt sich aus der Fahrweise des Klägers, die durch Fahren auf der Gegenfahrbahn und in Schlangenlinien, willkürliche Lenkbewegungen, eine verkehrsbehindernde, langsame Fahrweise, die Nichtreaktion auf polizeiliche Anhaltesignale gekennzeichnet war und seit dem Jahr 2013 zu mehreren polizeilichen Mitteilungen geführt hat, ein ausreichender Anfangsverdacht (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2022 – 11 CS 21.1897 – juris Rn. 13) für Zweifel an seiner Fahrbefähigung. Diese Fahrweise ist nicht nur von anderen Verkehrsteilnehmern, sondern auch zweimal von der Polizei bei Nachfahrten beobachtet worden und stellt kein singuläres Versagen in einer bestimmten Verkehrssituation dar. Mehrmals hat der Kläger auf die Polizeibeamten auch verwirrt bzw. überfordert und uneinsichtig gewirkt bzw. seine gefährdende Fahrweise offensichtlich selbst nicht bemerkt. Der Beklagte macht zu Recht geltend, dass diese auf eine mangelnde Fahrbefähigung hinweisenden Tatsachen nicht dadurch widerlegt werden, dass keine Unfälle des Klägers bekannt geworden sind. Denn dies kann ebenso auf ein defensives und vorausschauendes Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer und eine geringe Verkehrsdichte zurückzuführen sein.
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Mit seinem insoweit pauschalen Zulassungsvorbringen hat der Kläger auch nicht die Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf Seite 12 des angefochtenen Urteils infrage gestellt, wonach es ihm jedenfalls – ggf. unter Inanspruchnahme einer Fristverlängerung – bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens möglich gewesen wäre, eine geeignete Fahrschule zu finden, eine Fahrprobe zu absolvieren und ein Gutachten darüber beizubringen.
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Da wegen des nicht beigebrachten Gutachtens über die Fahrprobe nach § 46 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV davon auszugehen ist, dass dem Kläger die Fahrbefähigung fehlt, ist die daran anknüpfende Entziehung der Fahrerlaubnis zum Schutz von Leben und Gesundheit der anderen Verkehrsteilnehmer zwingend und verhältnismäßig. Im Hinblick auf den hohen Rang dieser Rechtsgüter haben sein Mobilitätsbedürfnis und die Bedeutung der Fahrerlaubnis für seine Lebensführung ohne Rücksicht auf seine finanziellen Verhältnisse dahinter zurückzustehen (vgl. BVerfG, B.v. 19.7.2007 – 1 BvR 305/07 – juris Rn. 6; B.v. 15.10.1998 – 2 BvQ 32/98 – BayVBl 99, 463 = juris Rn. 5 zu einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a StPO; BayVGH, B.v. 24.1.2022 a.a.O. Rn. 20; B.v. 17.2.2020 – 11 CS 19.2220 – juris Rn. 17; B.v. 6.7.2020 – 11 CS 20.854 – juris Rn. 14).
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Vor diesem Hintergrund haben das Verwaltungsgericht und der Beklagte auch zutreffend verneint, dass eine weitere Beschränkung der Fahrerlaubnis, z.B. auf einen Umkreis von 30 km um den Wohnort des Klägers, eine geeignete mildere Maßnahme darstelle. Verkehrsteilnehmer im Bereich des Wohnumfelds sind nicht weniger schutzbedürftig als andernorts. Im Übrigen gefährdet sich auch der Kläger bei fehlender Fahrbefähigung selbst an jedem Ort.
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2. Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), die in rechtlicher Hinsicht voraussichtlich größere, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich übersteigende, signifikant vom Spektrum verwaltungsgerichtlicher Verfahren abweichende Schwierigkeiten verursachen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 124 Rn. 9). Vielmehr lassen sich die auftretenden Fragen ohne weiteres anhand der geltenden Gesetze und Verordnungen und der hierzu ergangenen Rechtsprechung beantworten (vgl. Happ, a.a.O. § 124 Rn. 32 m.w.N.).
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3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil mit dem Zulassungsantrag schon keine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage aufgeworfen wird.
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Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Happ, a.a.O. § 124 Rn. 36; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, § 124 Rn. 127). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ, a.a.O. § 124a Rn. 72; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2024, § 124a Rn. 102 ff.). Hieran fehlt es.
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4. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
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5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes und der Empfehlung in Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
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6. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).