Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 17.01.2024 – 201 StRR 95/23
Titel:

Strafbarkeit nach § 40 Abs. 1 SprengG wegen des Transports von Airbags

Normenkette:
SprengG § 3, § 3a, § 5, § 7, § 27, § 40, § 41, § 47
Leitsätze:
Die Tatbestände der §§ 7 Abs. 1, 40 Abs. 1 Nr. 1 SprengG einerseits und der §§ 27 Abs. 1, 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG andererseits schließen sich gegenseitig aus. Im Hinblick auf § 40 Abs. 5 SprengG darf der Tatrichter nicht offenlassen, von welcher der beiden Tatbestandsalternativen er ausgeht. (Rn. 8 – 9)
Airbags unterfallen dem Sprengstoffgesetz, wenn sie nicht im Fahrzeug fest verbaut sind und pyrotechnische Treibstoffe enthalten. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Sprengstoffgesetz, Sprengstoff, Straftat, Ordnungswidrigkeit, Erlaubnis, Airbag, Revision, Sprungrevision, Sachrüge, Urteil, Urteilsaufhebung, Zurückverweisung, Schuldspruch, Schuldform, Fahrlässigkeit, Vorsatz, Geldstrafe, Einziehung, Feststellungen, Urteilsfeststellungen, lückenhaft, Darstellungsmangel, Beweiswürdigung, Kraftfahrzeug, Kleintransporter, Kfz-Händler, Transport, Verbringung, Aufbewahren, explosionsgefährlich, Explosivstoff, gewerbsmäßig, selbständig, wirtschaftlich, Unternehmung, Konformität, Konformitätsbewertung, pyrotechnisch, Treibstoff, Sicherung, Strafausschlussregelung, loser Transport, explosionsgefährliche Stoffe, pyrotechnische Treibstoffe
Fundstellen:
BeckRS 2024, 9850
LSK 2024, 9850
NStZ-RR 2025, 61

Tenor

I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 14.07.2023 mit den dazugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Aschaffenburg zurückverwiesen.

Gründe

I.
1
Das Amtsgericht Aschaffenburg erließ gegen den Angeklagten einen Strafbefehl wegen fahrlässigen Umgangs mit explosionsgefährlichen Stoffen gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 SprengG und setzte eine Geldstrafe fest. In der auf seinen Einspruch hin anberaumten Hauptverhandlung vom 14.07.2023 verurteilte das Amtsgericht den Angeklagten wegen fahrlässigen Umgangs mit explosionsgefährlichen Stoffen „entgegen § 7 und § 27 Abs. 1 SprengG“, setzte eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 30 Euro fest und ordnete eine Einziehung an. Hiergegen legte der Verteidiger des Angeklagten Berufung ein. Mit Schriftsatz des Verteidigers vom 08.08.2023 wurde die Berufung als Sprungrevision bezeichnet und mit der allgemeinen Sachrüge begründet. […]
II.
2
Die zulässige (Sprung-)Revision des Angeklagten (§§ 333, 335 Abs. 1, 312 StPO) führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache.
3
1. Der Schuldspruch kann keinen Bestand haben, weil die getroffenen Urteilsfeststellungen lückenhaft (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO) sind. Das Urteil leidet an einem durchgreifenden Darstellungsmangel, der dem Senat nicht die Nachprüfung erlaubt, ob der Angeklagte zu Recht wegen einer Straftat verurteilt wurde.
4
a) […] Nach den Feststellungen des Amtsgerichts transportierte der Angeklagte, der von Beruf Kfz-Händler ist, am 12.12.2022 auf der BAB A 3 in einem Kleintransporter vier Airbags, die pyrotechnische Treibstoffe enthielten, lose und ohne besondere Sicherung. Über eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis verfügte der Angeklagte nicht. Bei drei von vier Airbags waren die sichtbaren Individualnummern entfernt worden.
5
b) Die vom Angeklagten transportierten Airbageinheiten zählen zu sonstigen pyrotechnischen Gegenständen, da sie explosionsgefährliche Stoffe enthalten, § 3 Abs. 1 Nr. 3 SprengG. Der Begriff „explosionsgefährliche Stoffe“ ist als Oberbegriff für Explosivstoffe, pyrotechnische Sätze und sonstige explosionsgefährliche Stoffe zu verstehen (BT-Drs. 13/8935 S. 57). Die Airbags unterliegen damit dem Sprengstoffgesetz (§§ 3 Abs. 1 Nr. 5, 3a Abs. 1 Nr. 3 SprengG, § 4 der 1. SprengV). Sie waren nicht in ein Fahrzeug fest eingebaut, auch die weiteren Ausnahmen in § 4 der 1. SprengV liegen hier nicht vor.
6
aa) Nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 SprengG macht sich strafbar, wer ohne die erforderliche Erlaubnis entgegen § 7 Abs. 1 Nr. 1 SprengG gewerbsmäßig oder selbständig im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung mit explosionsgefährlichen Stoffen umgeht. Unter dem Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen ist nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 SprengG u.a. das Aufbewahren und das Verbringen anzusehen. Der Transport mit einem Kleintransporter auf einer Autobahn im Bundesgebiet stellt einen derartigen Umgang im Sinne eines „Verbringens“ nach § 3 Abs. 2 Nr. 9 SprengG dar (vgl. MüKo/Heinrich StGB 4. Aufl. § 40 SprengG Rn. 38).
7
bb) § 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG sieht eine Strafbarkeit für denjenigen vor, der entgegen § 27 Abs. 1 SprengG explosionsgefährliche Stoffe erwirbt oder mit diesen Stoffen umgeht. Ein Umgang lag, wie unter Ziffer 1b) aa) ausgeführt, durch den Transport vor.
8
c) Das Amtsgericht hat den Angeklagten des fahrlässigen Umgangs mit explosionsgefährlichen Stoffen „entgegen § 7 und § 27 Abs. 1 SprengG“ schuldig gesprochen. Es hat dahinstehen lassen und keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Angeklagte gewerbsmäßig oder selbständig im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung i.S.d. § 7 Abs. 1 SprengG oder nicht gewerbsmäßig i.S.d. § 27 Abs. 1 SprengG gehandelt hat. Dabei verkennt das Amtsgericht, dass sich die Tatbestände des § 7 Abs. 1 und des § 27 Abs. 1 SprengG gegenseitig ausschließen. Denn § 27 Abs. 1 SprengG greift nur in anderen als den in § 7 Abs. 1 SprengG bezeichneten Fällen. Demgemäß sieht § 40 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 SprengG eine Strafbarkeit für denjenigen vor, der ohne die erforderliche Erlaubnis entgegen § 7 Abs. 1 Nr. 1 SprengG mit explosionsgefährlichen Stoffen umgeht oder entgegen § 27 Abs. 1 SprengG explosionsgefährliche Stoffe erwirbt oder mit diesen Stoffen umgeht.
9
Auf entsprechende Feststellungen konnte unabhängig von der Fehlerhaftigkeit der Kumulation der Tatbestände nicht verzichtet werden, denn § 40 Abs. 5 SprengG enthält eine Strafausschlussregelung hinsichtlich pyrotechnischer Gegenstände. Nach § 40 Abs. 5 SprengG ist die Tat nicht nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 SprengG strafbar, wenn eine dort bezeichnete Handlung in Bezug auf einen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SprengG konformitätsbewerteten oder nach § 47 Abs. 2 oder Abs. 4 SprengG zugelassenen pyrotechnischen Gegenstand begangen wird. Sollte also der Angeklagte nicht gewerbsmäßig oder selbstständig im Rahmen einer wirtschaftlichen Unternehmung gehandelt haben, was nicht festgestellt ist, und es sich bei den transportierten Airbags um konformitätsbewertete oder nach § 47 Abs. 2 oder Abs. 4 SprengG zugelassene pyrotechnische Gegenstände gehandelt haben, was ebenfalls nicht festgestellt ist, hätte sich der Angeklagte keiner Straftat schuldig gemacht. Aus der bloßen Feststellung, der Angeklagte sei Kfz-Händler, kann auch nicht geschlossen werden, dass er am 12.12.2022 bei der Fahrt gewerbsmäßig oder selbstständig tätig war.
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2. Für das weitere Verfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin:
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Im Falle des fehlenden gewerbsmäßigen oder selbständigen Tätigwerdens des Angeklagten kommt die Verwirklichung einer Ordnungswidrigkeit nach § 41 Abs. 1a SprengG in Betracht. Danach handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine in § 40 Abs. 1 Nr. 3 oder Abs. 2 Nr. 3 SprengG bezeichnete Handlung in Bezug auf einen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SprengG konformitätsbewerteten oder nach § 47 Abs. 2 oder Abs. 4 SprengG zugelassenen pyrotechnischen Gegenstand begeht. […]
III.
12
Aufgrund der aufgezeigten sachlich-rechtlichen Fehler war das Urteil des Amtsgerichts mit den zugrunde liegenden Feststellungen (§§ 349 Abs. 4, 353 Abs. 1 StPO) aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Aschaffenburg zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO).