Titel:
Unzulässige Klage eines vollzeitgepflegten Jugendlichen auf erhöhten Erziehungsbeitrag
Normenketten:
VwGO § 42 Abs. 2
SGB VII § 1 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2, § 2 Abs. 2 Nr. 4, § 27, § 33, § 39 Abs. 1, Abs. 4 S. 3
Leitsätze:
1. Inhaber des Anspruchs auf einen erhöhten Erziehungsbeitrag im Rahmen der Vollzeitpflege ist nicht die untergebrachte Person, also das Kind oder der Jugendliche, sondern dessen Personensorgeberechtigter. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wurde die Klageschrift von einem rechtlich kundigen Prozessbevollmächtigten erstellt und bietet keinerlei Ansatz für eine Auslegung entgegen ihrem Wortlaut, kann der beigefügte Widerspruchsbescheid nicht zu einer Auslegung herangezogen werden. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wird – wenn möglicherweise auch nur rechtsirrig – eine Person eindeutig als Klagepartei bezeichnet, so ist diese tatsächlich deshalb Partei, weil es entscheidend auf den Willen des Prozessbevollmächtigten, so wie er ihn objektiv geäußert hat, ankommt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kinder- und Jugendhilferecht, Hilfe zur Erziehung, Vollzeitpflege, erhöhter Erziehungsbeitrag, Unzulässigkeit der Klage, Klagebefugnis (fehlt), kein Anspruch des zu erziehenden Jugendlichen, Anspruch der Personensorgeberechtigten, Erziehungsbeitrag, Klagebefugnis, Personensorgeberechtigter, Auslegung der Klageschrift, Bezeichnung des Klägers, Rubrumsberichtigung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 9701
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
1
Der am … … 2008 geborene Kläger ist das Enkelkind seines Großvaters A. N. und seiner Großmutter B. S.-N., die mit Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – D. vom … … 2013 zu den Vormündern des Klägers bestellt worden sind, so dass ihnen das Personensorgerecht für den Kläger zusteht. Die Großeltern des Klägers als Personensorgeberechtigte erhalten von der Beklagten Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege, in deren Rahmen der Kläger bei den Großeltern als Pflegeeltern untergebracht ist. Die Parteien streiten um die Höhe des diesbezüglichen erhöhten Erziehungsbeitrags.
2
Der Kläger wohnte mit seinen Großeltern zunächst im Landkreis R., der als örtlich zuständiger Träger der Jugendhilfe den Großeltern des Klägers Hilfe zur Erziehung gewährte. Seit dem … … 2021 ist der Kläger zusammen mit seiner Großmutter im Landkreis Main-Spessart gemeldet.
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Der Beklagte erkannte mit Schreiben vom 10. Februar 2022 gegenüber dem Landkreis R. seine örtliche Zuständigkeit für die Hilfe zur Erziehung für den Kläger nach § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII ab dem 1. März 2022 an. Zugleich teilte er dem Landkreis Regensburg die Höhe der laufenden monatlichen Geldleistung für die Betreuung des Klägers ab dem 1. März 2022 mit, nämlich einen monatlichen Pauschalbetrag in Höhe von 1.197,00 EUR, einen Erziehungsbeitrag in Höhe von 350,00 EUR und ein „Sonderpflegegeld“ in Höhe von 560,00 EUR abzüglich eines Kindergeldanteils von 109,00 EUR, zusammen monatlich 1.648,00 EUR. Diesbezüglich erhob der Beklagte gegenüber dem Landkreis R. einen Anspruch auf Kostenerstattung.
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Mit Bescheid vom 24. Februar 2022 gewährte der Beklagte den Großeltern des Klägers als Personensorgeberechtigten ab dem 1. März 2022 Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege durch Unterbringung in einer Pflegefamilie (bei den Großeltern als Pflegeeltern) und teilte dabei mit, die Auszahlung des Pflegegeldes erfolge direkt an die Pflegeeltern.
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Mit Schreiben vom 24. Februar 2022 teilte der Beklagte den Großeltern des Klägers mit, für ihr Pflegekind werde Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege gewährt. Für die Dauer der Hilfegewährung stehe ihnen ein pauschaliertes Pflegegeld zu. Die laufende Geldleistung ab dem 1. März 2022 umfasse einen Pauschalbetrag für den Unterhaltsbedarf zzgl. Erziehungsbeitrag in Höhe von 1.197,00 EUR und ein „Sonderpflegegeld“ in Höhe von 130,00 EUR abzüglich eines Kindergeldanteils in Höhe von 109,00 EUR, insgesamt 1.218,00 EUR
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Gegen den „Bescheid vom 25.02.2022 (gemeint wohl: 24. Februar 2022) i.V.m. der Pflegegeldmitteilung gleichen Datums“ erhoben die Großeltern als „gerichtlich bestellter Vormund für J. W.“ mit Schreiben vom 3. März 2022 Widerspruch gegen die Pflegegeldfestsetzung. Zur Begründung trugen sie vor, der Kläger sei nicht das älteste kindergeldberechtigte Familienmitglied, weshalb daher als Kindergeldanteil lediglich ein Betrag von 54,75 EUR statt 109,00 EUR in Abzug gebracht werden dürfe.
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Außerdem betrage das monatliche „Sonderpflegegeld“ laut Bestätigung des Landratsamtes M.-Sp. vom 10. Februar 2022 an den Landkreis R. 560,00 EUR. Daher sei das monatliche Pflegegeld auf 1.702,25 EUR festzusetzen. Auch behalte man sich vor, das laut den Empfehlungen des Bayerischen Landkreistages vorgesehene „Sonderpflegegeld“ von maximal 700,00 EUR geltend zu machen.
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Mit Schreiben vom 16. März 2022 half der Beklagte dem Widerspruch bezüglich der gerügten Höhe des anteiligen Kindergeldabzugs ab. In der Folge wurde vom Pauschalbetrag in Höhe von 1.197,00 EUR lediglich ein Kindergeldanteil in Höhe von 54,00 EUR abgezogen. Im Übrigen blieb es weiterhin bei der Festsetzung von 130,00 EUR „Sonderpflegegeld“. Im Hinblick auf die gerügte Höhe des erhöhten Erziehungsbeitrags verfolgten die Großeltern daher den Widerspruch weiter.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2022 wies die Regierung von Unterfranken den Widerspruch vom 3. März 2022 zurück. Der Widerspruch gegen die Pflegegeldmitteilung vom 24. Februar 2022 sei bereits unzulässig, da er sich nicht gegen einen Verwaltungsakt richte. Das Schreiben diene lediglich der Information und enthalte keine eigenständige Regelung.
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Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. Februar 2022 sei zulässig, jedoch unbegründet. Eine Verletzung eigener Rechte könne nicht erfolgreich geltend gemacht werden, da Gegenstand des Bescheids die Bewilligung der Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege dem Grunde nach sei. Warum durch eine Bewilligung eine Beschwer vorliegen solle, sei nicht nachvollziehbar. Im Übrigen schloss sich die Widerspruchsbehörde der Begründung des Bescheids vom 24. Februar 2022 an.
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Am 28. Oktober 2022 ließ der Kläger gegen das Schreiben vom 24. Februar 2020 sowie gegen den Bescheid vom 24. Februar 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. September 2022 Klage erheben mit dem Ziel, ihm unter insoweitiger Aufhebung des dem entgegenstehenden Bescheides ab dem 1. März 2022 dauerhaft ein monatliches „Sonderpflegegeld“ in Höhe von jeweils 560,00 EUR zu bewilligen. In der mündlichen Verhandlung ließ der Kläger die Klage insoweit zurücknehmen, als sie den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2022 betrifft. Das Gericht trennte mit Beschluss vom 21. März 2024 das Begehren des Klägers, soweit er dieses in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, ab, führte es unter dem neuen Aktenzeichen W 3 K 24.466 fort und stellte das Verfahren W 3 K 24.466 ein.
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Der Kläger ließ in der mündlichen Verhandlung zuletzt beantragen,
- 1.
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Der Bescheid des Beklagten vom 24. Februar 2022 in Verbindung mit dem Schreiben des Beklagten vom 24. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Unterfranken vom 26. September 2022 wird aufgehoben, soweit im Ausgangsbescheid vom 24. Februar 2022 in Verbindung mit dem Schreiben des Beklagten vom 24. Februar 2022 das monatliche Sonderpflegegeld auf einen Betrag in Höhe von jeweils 130,00 EUR festgesetzt wurde.
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Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für die Zeit vom 1. März 2022 bis zum 30. September 2022 weiteres Sonderpflegegeld in Höhe von insgesamt 3.010,00 EUR zu bewilligen und zu bezahlen.
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Zur Begründung ließ der Kläger vortragen, er habe in der Vergangenheit bis einschließlich Februar 2022 vom Landkreis R. ein monatliches „Sonderpflegegeld“ in Höhe von 700,00 EUR erhalten. Der Beklagte habe dem Landkreis R. mit Schreiben vom 10. Februar 2022 bestätigt, dass fortan ein monatliches „Sonderpflegegeld“ in Höhe von 560,00 EUR bezahlt werde. Der Beklagte müsse sich an dieser Mitteilung festhalten lassen, dies aufgrund einer aus § 86c SGB VIII zu entnehmenden Schutzwirkung zugunsten des Klägers, da der Landkreis R. die Einstellung der eigenen Hilfegewährung zum 28. Februar 2022 von der Zusage des Beklagten abhängig gemacht habe.
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Zudem habe der Beklagte am 24. Februar 2022 mitgeteilt, dass sich die Höhe des „Sonderpflegegeldes“ nach den Empfehlungen des Bayerischen Landkreistages richte. Diese Empfehlung liege bei 700,00 EUR. Vom Beklagten sei jedoch mit Bescheid vom 24. Februar 2022 ein „Sonderpflegegeld“ in Höhe von nur 130,00 EUR festgesetzt worden, dies ohne Begründung für eine derart hohe Abweichung von der Empfehlung. Der spätere Sinneswandel sei sachlich nicht gerechtfertigt und verletze daher den Kläger in seinen Rechten. Zudem könne eine solch drastische Reduzierung keinesfalls mit einer Anpassung an die Verhältnisse vor Ort begründet werden. Durch die Abweichung des Betrags nach unten im Vergleich zu dem Betrag, der dem Landkreis R. mitgeteilt worden sei, sei der Kläger durch die Bewilligung beschwert.
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Darüber hinaus könne das „Sonderpflegegeld“ in dieser Höhe nicht einmal ansatzweise den maximal erhöhten Erziehungsaufwand abfedern. Die grundsätzliche Begrenzung auf einen Höchstbetrag von 130,00 EUR im Landkreis Main-Spessart verstoße gegen das Willkürverbot und gegen den Gleichheitsgrundsatz, insbesondere im Vergleich zu den anderen Flächenlandkreisen des Freistaats Bayern, welche sich nach den Empfehlungen des Bayerischen Landkreis- und Städtetages richteten. Abweichungen von den Empfehlungen seien nur im Einzelfall möglich und bedürften dann jeweils einer sachlichen und nachvollziehbaren Begründung. Die Großeltern des Klägers erbrächten jedoch in Qualität und Umfang dieselbe Dienstleistung wie die Pflegeeltern an jedem anderen Ort in Bayern. Es sei auch nicht ersichtlich, dass im Landkreis Main-Spessart ein anderer Unterhaltsbedarf für Pflegekinder ermittelt worden sei als in anderen ländlichen Regionen Bayerns. Ein sachlich gerechtfertigter Grund für die Ungleichbehandlung zum Nachteil des Klägers liege nicht vor und er sei daher in seinem Gleichheitsgrundrecht gemäß Art. 3 GG verletzt.
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Im Übrigen halte sich der Beklagte hinsichtlich des ermittelten Unterhaltsbedarfs in Höhe von 847,00 EUR genau an die Empfehlungen des Bayerischen Landkreistages. Warum dies bei der empfohlenen Höhe des „Sonderpflegegeldes“ anders sei, sei unverständlich und willkürlich.
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Aufgrund einer gerichtlichen Nachfrage, worauf der Kläger einen eigenen Anspruch auf einen erhöhten Erziehungsbetrag stütze, beantragte der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 4. Dezember 2022 eine Rubrumsberichtigung dahingehend, dass anstelle des bisherigen Klägers dessen personensorgeberechtigten Vormunde als gemeinsame Kläger im eigenen Namen fungieren. Dies begründete er damit, der streitgegenständliche Anspruch auf „Sonderpflegegeld“ nach § 39 SGB VIII als Annex zu dem Anspruch auf Hilfe zur Erziehung nach §§ 27, 33 SGB VIII stehe dem oder den Personenberechtigten zu. Dies seien die Großeltern des Klägers, welche durch Beschluss des Familiengerichts D. vom … … 2013 zum Vormund bestellt worden seien. Die unrichtige Bezeichnung des Klägers in der Klageschrift vom 28. Oktober 2022 und in der Klagebegründungsschrift vom 18. November 2022 beruhe auf einem offensichtlichen Schreibversehen. Dieses wiederum beruhe auf dem Umstand, dass der Kläger das Parallelverfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg (Az.: W 3 E 22.1238/W 3 E 22.1588) wegen Eingliederungshilfe im eigenen Namen geführt habe. Es sei jedoch ersichtlich, dass im vorliegenden Verfahren wegen Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege die beiden Vormunde ihrerseits im eigenen Namen hätten klagen wollen.
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Der Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen, und begründete dies damit, dass es aufgrund der landesrechtlichen Zuständigkeit für die Festsetzung der Beträge in der Vollzeitpflege bundesweit unterschiedliche Höhen dieser Beträge gebe.
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Durch die Anpassung an die Verhältnisse vor Ort (§ 39 Abs. 4 S. 5 SGB VIII) solle verhindert werden, dass Kinder und Jugendliche, die im selben Zuständigkeitsbereich eines Jugendamtes untergebracht seien, unterschiedliche Leistungen erhielten, denn dadurch würde eine Ungleichbehandlung entstehen. Maßgeblich sei also die Rechtslage am Ort des erstattungsberechtigten Trägers. Würde das vom Kläger beantragte „Sonderpflegegeld“ gewährt werden, würden alle anderen Pflegekinder im Landkreis schlechter gestellt und ungleich behandelt.
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Die Höhe des „Sonderpflegegeldes“ im Landkreis Main-Spessart sei bisher mit maximal 130,00 EUR angesetzt worden. Dieses werde für Kinder mit besonderer Entwicklungsbeeinträchtigung gewährt, um den gesteigerten erzieherischen Bedarf zu decken. Eine landeseinheitliche Festsetzung für Bayern gebe es aber nicht. Dies sei hingegen die Aufgabe des örtlichen Trägers der Jugendhilfe, was auch der Grund dafür sei, dass es Unterschiede zwischen den Pauschalbeträgen der verschiedenen Landkreise und Städte gebe. Die Entscheidung über die maximale Höhe des Zuschlages sei 2016 in einem Gremium des Jugendamtes gefällt worden und habe bis zum Erlass neuer Richtlinien im Oktober 2022 Geltung für alle Pflegefamilien im Zuständigkeitsbereich des hiesigen Jugendamtes gehabt.
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Mit Mitteilung vom 24. Februar 2022 sei im vorliegenden Fall die maximale Höhe des „Sonderpflegegeldes“ für den Landkreis Main-Spessart festgesetzt worden. Der Bedarf sei, wie bei allen Vollzeitpflegekindern, auf der Grundlage verschiedener Faktoren durch die Fachpädagogen eingeschätzt worden. Daher liege auch kein Einfluss sachfremder Erwägungen vor.
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Das Schreiben an den Landkreis R. vom 10. Februar 2022 sei falsch gewesen und anschließend richtiggestellt worden. Die Übernahme sei auf jeden Fall zum 1. März 2022 vereinbart worden, auch wenn die endgültige Leistung an die Pflegeeltern noch nicht festgestanden habe.
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Im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2024, auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Beklagten und der Regierung von Unterfranken, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Kläger des vorliegenden Verfahrens ist der am … … 2008 geborene Jugendliche J. W. Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO muss die Klage den Kläger, den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Entspricht die Klage dieser Anforderung nicht, hat der Vorsitzende oder der Berichterstatter den Kläger zu der erforderlichen Ergänzung innerhalb einer bestimmten Frist aufzufordern.
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Bei der Bezeichnung des Klägers ist die Angabe von Vornamen und Familiennamen erforderlich, dazu die ladungsfähige Anschrift. Hiermit soll die hinreichende Individualisierbarkeit und Identifizierbarkeit der klagenden Person ermöglicht werden, um den Kläger nach entscheidungserheblichen Tatsachen befragen und im Fall seines Unterliegens die Kostentragungspflicht durchsetzen zu können (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 82 Rn. 3). Die Angaben in der Klageschrift über die Bezeichnung des Klägers sind auslegungsfähig (Hoppe, a.a.O., Rn. 4; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 82 Rn. 8). Als prozessuale Willenserklärung ist die Parteibezeichnung in diesem Fall nach ihrem erkennbaren objektiven Sinn auszulegen. Auf subjektive Vorstellungen der Klagepartei kommt es dabei nicht an (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 82 Rn. 3) Vielmehr ist in diesem Zusammenhang auf das Verständnis aus Sicht des Empfängers, also des Gerichts und des Beklagten abzustellen (BVerwG, B.v.22.3.2001 – 8 B 262/00 – juris Rn. 2). Ist die klagende Person anwaltlich vertreten, kommt den Angaben des anwaltlichen Prozessbevollmächtigten eine besondere Bedeutung zu, da ihm – im Gegensatz zum rechtlichen Laien – die rechtlichen Voraussetzungen für eine Klageerhebung bekannt sind und er aufgrund seiner Ausbildung in der Lage ist, eindeutige Angaben zur klagenden Person zu machen, zumal ihm die Bedeutung dieser Angaben bewusst sein muss.
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Im vorliegenden Fall hat der klägerische anwaltliche Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2022 Klage „in Sachen J. W., geb. …2008, H. …, … R., gesetzlich vertreten durch den Vormund B. S.-N., H. …, … R., und gesetzlich vertreten durch den Vormund A. N., U. …, … R.“ erhoben und ausdrücklich „die anwaltliche Vertretung des minderjährigen Kindes J. W., geb. …2008, wohnhaft H. … … R., gesetzlich vertreten durch den Vormund B. S.-N. und durch den Vormund A. N.“ angezeigt.
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Die mit Schreiben vom 18. November 2022 vorgelegte Prozessvollmacht vom 22. Oktober 2022 wurde „in Sachen J. W. ./. Landkreis Main-Spessart wegen Klage wegen Sonderpflegegeld“ erteilt und von den Großeltern des Jugendlichen J. W. unterschrieben. Damit geht aus der Prozessvollmacht hervor, dass der vom anwaltlichen Prozessbevollmächtigten zum Ausdruck gebrachte Wille hinsichtlich der Person des Klägers auch mit dem Willen der Personensorgeberechtigten des Klägers übereinstimmt, welche in der Vollmacht den Jugendlichen J. W. als Klagepartei bezeichnet haben (OVG NRW, B.v.13.3.2008 – 13 A 353/08 – juris Rn. 13). Dies macht deutlich, dass diese im vorliegenden Fall nicht selbst als Kläger auftreten wollten.
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Hieraus geht eindeutig und ohne jeden Zweifel hervor, dass der anwaltliche Prozessbevollmächtigte im Rahmen seiner Pflicht aus § 82 Abs. 1 Satz 1 VwGO als Kläger den Jugendlichen J. W. bezeichnet hat. Diese Eindeutigkeit lässt keinen Raum für eine anderslautende Auslegung der Angaben in der Klageschrift über die Bezeichnung des Klägers, dies auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Prozessbevollmächtigte der Klageschrift den Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 26. September 2022 beigefügt hat, welcher sich an B. S.-N. und an A. N. richtet. Denn weil die von einem rechtlich kundigen Prozessbevollmächtigten erstellte Klageschrift – wie oben ausgeführt – keinerlei Ansatz für eine Auslegung entgegen ihrem Wortlaut bietet, kann mangels Auslegungsmöglichkeit der beigefügte Widerspruchsbescheid nicht zu einer Auslegung herangezogen werden (vgl. hierzu VGH BW, U.v. 4.2.2014 – 3 S 147/12 – juris Rn. 27, wonach eine Rubrumsberichtigung trotz der Vorlage eines eine andere Person betreffenden Bescheides dann nicht in Betracht kommt, wenn die Partei in der Klageschrift selbst nicht erkennbar fehlerhaft bezeichnet worden ist).
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Darüber hinaus geht auch aus dem Klagebegründungsschriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 18. November 2022 eindeutig und ohne jeglichen Zweifel hervor, dass Kläger der Jugendliche J. W. ist. So weist der Prozessbevollmächtigte zu Beginn auf die als Anlage beigefügte Prozessvollmacht hin mit der Bemerkung, diese sei von den beiden Vormündern A. N. und B. S.-N. unterzeichnet. Weiterhin ist auch in diesem Schriftsatz durchgehend von einem (einzigen) Kläger die Rede, welcher am ... 2008 geboren ist. Zudem ist in diesem Schriftsatz von den „Pflegeeltern des Klägers“ die Rede, was impliziert, dass diese gerade nicht die Kläger dieses Verfahrens sind. Darüber hinaus geht der Prozessbevollmächtigte im Rahmen der Klagebegründung – fehlerhaft – davon aus, der Kläger selbst sei Inhaber eines Anspruchs auf Hilfe zur Erziehung und die im Verwaltungsverfahren erstellten Schreiben und Bescheide richteten sich an den Kläger selbst. Diese – unzutreffende – rechtliche Einschätzung macht deutlich, dass der anwaltliche Prozessbevollmächtigte die Klage im Namen des Jugendlichen J. W. und nicht im Namen von dessen Personensorgeberechtigten erheben und führen wollte.
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Liegt aber eindeutig auf der Hand, dass der Prozessbevollmächtigte von Anfang an, durchgängig und absichtlich den Jugendlichen J. W. als Kläger bezeichnet hat, konnte das Gericht dem Antrag des Prozessbevollmächtigten auf Rubrumsberichtigung mit der Argumentation, es handele sich um ein bloßes „Schreibversehen“, nicht nachkommen. Denn eine Berichtigung des Rubrums kommt nur dann in Betracht, wenn die Identität der Partei gewahrt bleibt und diese lediglich fehlerhaft bezeichnet worden ist (BGH, B.v. 3.6.2002 – X ZB 47/02 – juris Rn. 7). Denn ist eine Unrichtigkeit des Rubrums feststellbar, so dient dessen Berichtigung dazu, die Identität der vom Rechtsstreit betroffenen Partei zweifelsfrei festzustellen, nicht aber die Partei auszutauschen. Entscheidend ist hierbei die Wahrung der rechtlichen Identität zwischen der „fehlerhaft“ bezeichneten und der tatsächlich gemeinten Partei (BAG, U.v. 21.2.2002 – 2 AZR 55/01 – juris Rn. 18). Lediglich eine ungenaue oder unrichtige Parteibezeichnung ist unschädlich und kann jederzeit von Amts wegen berichtigt werden (BAG, U.v. 15.3.2001 – 2 AZR 141/00 – juris Rn. 44).
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Mit seinem Vortrag, die unrichtige Bezeichnung des Klägers in der Klageschrift und in der Klagebegründungsschrift beruhe auf einem offensichtlichen Schreibversehen, dies deshalb, weil der Jugendliche J. W. im Verfahren W 3 E 22.1238/W 3 E 22.1588 zu Recht als antragstellende Partei aufgetreten sei, stellt der anwaltliche Prozessbevollmächtigte die Behauptung in den Raum, er habe von Anfang an A. N. und B. S.-N. als Kläger bezeichnen wollen; damit sei die Identität der Klagepartei bei einer Rubrumsberichtigung gewahrt. Aus dem gesamten oben im Einzelnen dargestellten Duktus der Klageschrift und der Klagebegründungsschrift mit ihren einzelnen exakten Formulierungen geht jedoch hervor, dass der Prozessbevollmächtigte nicht die Personensorgeberechtigten, sondern den Jugendlichen selbst als Kläger bezeichnen wollte. Dies geht auch aus der oben genannten Vollmacht hervor. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Verfahren W 3 E 22.1238/W 3 E 22.1588 um Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO gehandelt hat, in welchen die das Gericht angehende Partei als Antragsteller bezeichnet werden muss und vom identischen Prozessbevollmächtigten auch als solcher bezeichnet worden ist, nicht jedoch als Kläger. Damit scheidet die Annahme aus, der Prozessbevollmächtigte habe lediglich aus Versehen den dortigen „Kopf“ des Antragsschreibens ohne jegliche Änderungen kopiert.
32
Darüber hinaus kann sich die Klägerseite nicht mit Erfolg auf den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juni 2017 (8 B 19.16 – juris) berufen, da der dort entschiedene Fall nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar ist. Dies ergibt sich schon daraus, dass im dortigen Verfahren die Klagepartei nicht anwaltlich vertreten war und der eigentlich richtige Kläger, die Erben nach Frau A., zum Zeitpunkt der Klageerhebung noch unbekannt waren. Zudem hat im dortigen Verfahren die vom Ausgangsgericht als Kläger aufgenommene Person tatsächlich als Vertreter der noch unbekannten Erben die Klage erhoben, jedoch nicht im eigenen Namen. Demgegenüber liegt es auf der Hand, dass im vorliegenden Verfahren der Jugendliche J. W. nicht als Vertreter der für ihn personensorgeberechtigten Personen auftreten konnte und wollte.
33
Wird aber – wenn möglicherweise auch nur rechtsirrig – eine Person eindeutig als Klagepartei bezeichnet, so ist diese tatsächlich deshalb Partei, weil es entscheidend auf den Willen des Prozessbevollmächtigten, so wie er ihn objektiv geäußert hat, ankommt (BVerwG, B.v. 22.3.2001 – 8 B 262/00 – juris Rn. 2; VGH BW, U.v. 4.2.2014 – 3 S 47/12 – juris Rn. 28).
34
Demgegenüber wäre ein Austausch der klagenden Person lediglich unter den Voraussetzungen des § 91 VwGO zulässig. Allerdings hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers keinen diesbezüglichen Antrag gestellt; im Übrigen wäre er aufgrund der in diesem Fall vorliegenden Verfristung einer Klage von B. S.-N. und A. N. gegen den Bescheid vom 24. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 2022 nicht sachdienlich gewesen, zumal die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich deutlich gemacht hat, sie sehe keinen Anlass dafür, sich darauf einzulassen, als Kläger die Großeltern aufzunehmen.
35
Aus alledem ergibt sich, dass Kläger des vorliegenden Verfahrens der Jugendliche J. W. ist.
36
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nach der Teilklagerücknahme mit entsprechender Abtrennung noch das Begehren des Klägers, den Beklagten unter insoweitiger Aufhebung des an seine Pflegeeltern gerichteten Schreibens vom 24. Februar 2022 und unter insoweitiger Aufhebung des an seine Personensorgeberechtigten gerichteten Bescheides vom 24. Februar 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Unterfranken vom 26. September 2022 zu verpflichten, ihm für den Zeitraum vom 1. März 2022 bis zum 30. September 2022 über das bereits gewährte „Sonderpflegegeld“ in Höhe von 130,00 EUR pro Monat hinaus, ein weiteres „Sonderpflegegeld“ in Höhe von 430,00 EUR pro Monat, insgesamt also weitere 3.010,00 EUR zu bewilligen.
37
Damit handelt es sich um eine Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, mit welcher der Kläger die Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung der abgelehnten Leistung begehrt.
38
Die Klage ist unzulässig. Dem Kläger fehlt die für eine Verpflichtungsklage erforderliche Klagebefugnis.
39
Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Verpflichtungsklage, soweit – wie im vorliegenden Fall – gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies bedeutet, dass der Kläger geltend machen und darlegen können muss, dass er in einem ihm selbst zustehenden subjektiven Recht verletzt ist. Dabei ist die Frage zu beantworten, ob die Rechtsordnung einen Anspruch kennt, der das Klagebegehren zu tragen im Stande wäre, nicht aber, ob dieser Anspruch im konkreten Fall tatsächlich besteht, weil alle seine Voraussetzungen erfüllt sind. Letztere Frage ist ausschließlich im Rahmen der Begründetheit der Klage zu prüfen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 42 Rn. 72). Subjektives Recht ist in diesem Zusammenhang die einem Rechtsubjekt durch Rechtsnorm, Vertrag, Zusicherung oder früheren Verwaltungsakt zustehende Rechtsmacht, von der Verwaltung ein bestimmtes Handeln, Tun oder Unterlassen fordern zu können (Happ, a.a.O., § 42 Rn. 85). Dem subjektiven Recht korrespondiert die Pflicht des Anderen. Der Kläger hat darzulegen, dass eine diesbezügliche Verletzung seiner Rechte möglich ist. Es darf auf der Grundlage der Darlegungen des Klägers nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen sein, dass die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (BVerwG, U.v. 22.2.1994 – 1 C 24/92 – BverwGE 95, 133). Fehlt es im Rahmen einer Verpflichtungsklage an einer den Kläger im Grundsatz berechtigenden Rechtsgrundlage, so ist die Klage nach § 42 Abs. 2 VwGO unzulässig (BayVGH, B.v. 9.3.2015 – 12 ZB 12.1640 – juris Rn. 15).
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So liegt der Fall hier. Weder aufgrund der von der Klägerseite genannten Rechtsgrundlage noch anderweitig ist es erkennbar, dass dieser – auch abstrakt gesehen – einen Anspruch auf Bewilligung eines erhöhten Erziehungsbeitrages (des von der Klägerseite sogenannten „Sonderpflegegeldes“) haben könnte.
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Der Kläger lässt vortragen, ihm stehe ein Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege zu. In diesen Zusammenhang stellt er sein Begehren auf Bewilligung von „Sonderpflegegeld“ in Höhe von 560,00 EUR pro Monat anstelle von lediglich 130,00 EUR pro Monat, ohne allerdings in der Klageschrift oder in der Klagebegründungsschrift vom 18. November 2022 irgendeine diesen Anspruch tragende Rechtsvorschrift konkret zu benennen. Allerdings geht aus der Geltendmachung eines Anspruchs auf Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege hinreichend deutlich hervor, dass Grundlage des klägerischen Begehrens § 27 Abs. 1, § 33 Satz 1, § 39 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 und Satz 4, Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 Achtes Buch Sozialgesetzbuch vom 11. September 2012 (BGBl I, S. 2022), zuletzt geändert durch Gesetz vom 10. August 2021 (BGBl I, S. 3424), – SGB VIII – ist.
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Nach § 27 Abs. 1 SGB VIII hat ein Personensorgeberechtigter bei der Erziehung eines Kindes oder eines Jugendlichen Anspruch auf Hilfe (Hilfe zur Erziehung), wenn eine dem Wohl des Kindes oder des Jugendlichen entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist. Gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII wird Hilfe zur Erziehung insbesondere nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 gewährt, u.a. also auch als Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII. Diese Hilfe soll entsprechend dem Alter und dem Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten (§ 33 Satz 1 SGB VIII). Nach Satz 2 der Vorschrift sind für besonders entwicklungsbeeinträchtigte Kinder und Jugendliche geeignete Formen der Familienpflege zu schaffen und auszubauen. Wird eine derartige Hilfe gewährt, so ist nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII der notwendige Unterhalt des Kindes oder Jugendlichen außerhalb des Elternhauses sicherzustellen. Nach Satz 2 der Vorschrift umfasst dieser notwendige Unterhalt auch die Kosten für den Sachaufwand sowie für die Pflege und Erziehung des Kindes oder Jugendlichen. Dabei soll nach § 39 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII der gesamte regelmäßig wiederkehrende Bedarf durch laufende Leistungen gedeckt werden. Diese sind gemäß § 39 Abs. 2 Satz 4 SGB VIII nach den Abs. 4 bis 6 des § 39 SGB VIII zu bemessen. § 39 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII schreibt vor, dass die laufenden Leistungen auf der Grundlage der tatsächlichen Kosten gewährt werden, sofern sie einen angemessenen Umfang nicht übersteigen. Nach Satz 3 der Vorschrift sollen sie in einem monatlichen Pauschalbetrag gewährt werden, soweit nicht nach der Besonderheit des Einzelfalls abweichende Leistungen geboten sind.
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Auf eine derartige Besonderheit des Einzelfalls, wonach abweichende – erhöhte – Leistungen geboten sind, stützt der Kläger der Sache nach sein Begehren mit der Begründung, für seine Erziehung müsse ein außergewöhnlich hoher Aufwand betrieben werden, der vom Landkreis Regensburg mit zusätzlich 700,00 EUR pro Monat vergütet worden sei und nicht – wie vom Beklagten – mit lediglich 130,00 EUR pro Monat. Zudem müsse sich der Beklagte an seiner Mitteilung an den Landkreis R. festhalten lassen, die laufende monatliche Geldleistung enthalte auch ein „Sonderpflegegeld“ in Höhe von 560,00 EUR.
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Allerdings ist Inhaber eines derartigen Anspruchs nicht die in Vollzeitpflege untergebrachte Person, also das Kind oder der Jugendliche, sondern dessen Personensorgeberechtigter. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 SGB VIII. Zwar benennt § 39 SGB VIII nicht ausdrücklich den Anspruchsberechtigten für den hier geregelten Annexanspruch zum Anspruch auf Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Pflege und Erziehung der Kinder und Jugendlichen das natürliche Recht der Eltern und die ihnen zuvörderst obliegenden Pflicht sind (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 GG, § 1 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII). In diesem Rahmen soll die Jugendhilfe gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 SGB VIII Eltern und andere Erziehungsberechtigte bei der Erziehung beraten und unterstützen. Damit ist davon auszugehen, dass Leistungen im Kinder- und Jugendhilferecht, die die Hilfe zur Erziehung ergänzen sollen, auch ohne ausdrückliche Zuweisung den Personensorgeberechtigten zustehen sollen (BayVGH, B.v. 12.9.2011 – 12 ZB 11.1517 – juris Rn. 9 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Denn dieser Anspruch steht den Personensorgeberechtigten deshalb zu, um ihnen die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen, um die erzieherischen Leistungen der erziehenden Personen bzw. Pflegepersonen zu entgelten (Tammen in Frankfurter Kommentar, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 39 Rn. 7). Deshalb hat der Gesetzgeber ihn als unselbständigen Annex zur jeweiligen sozialpädagogischen Leistung ausgestaltet, in deren Zusammenhang er erbracht wird (BT-Drs. 11/5948, S. 75 zu § 38 Abs. 1; vgl. in diesem Zusammenhang auch Kunkel/Pattar in LPK-SGB VIII, 8. Aufl. 2022, § 39 Rn. 10; OVG NRW, B.v. 15.1.2020 – 12 E 656/19 – juris Rn. 8; VGH BW, B.v. 16.12.2019 – 12 S 2898/18 – juris Rn. 25; Wiesner in Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 29 Rn. 20).
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Ist aber allein der Personensorgeberechtigte der Inhaber eines Anspruchs aus § 27, § 33, § 39 Abs. 1, Abs. 4 Satz 3 SGB VIII, so kann der Kläger als diejenige Person, die im Rahmen der Hilfe zur Erziehung erzogen wird, keinerlei eigene diesbezügliche Ansprüche auf diese Vorschriften stützen. Damit kann er nicht geltend machen, in einem ihm selbst zustehenden subjektiven Recht verletzt zu sein.
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Andere Anspruchsgrundlagen, aus denen sich ein eigener Anspruch des Klägers auf die Bewilligung eines erhöhten Erziehungsbeitrages im Rahmen der Vollzeitpflege ergäbe, hat der Kläger nicht einmal ansatzweise benannt und sie sind auch für das Gericht nicht erkennbar.
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Damit ist die Klage mangels einer Klagebefugnis unzulässig.
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Unabhängig hiervon fehlt ihr zudem das Rechtsschutzbedürfnis. Denn kann der Kläger keinerlei Anspruchsgrundlage für sein Begehren benennen, welche auch nur ansatzweise seinen Anspruch stützen könnte, so kommt unter keinem denkbaren Gesichtspunkt ein rechtlich anerkennenswertes Interesse des Klägers an der erstrebten gerichtlichen Entscheidung in Betracht (Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, vor §§ 40 bis 53 Rn. 11). Auch hieraus ergibt sich die Unzulässigkeit der Klage.
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Aus diesen Gründen ist die vorliegende Klage zur Gänze als unzulässig abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit aus § 188 Satz 2 VwGO.