Titel:
Widerruf der Flüchtlingsanerkennung bei einem straffällig gewordenen syrischen Staatsangehörigen
Normenketten:
AsylG § 73 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 8 S. 3
Leitsätze:
1. § 60 Abs. 8 S. 3 AufenthG erfordert über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus eine auf einer umfassenden Würdigung aller Umstände beruhende Prognoseentscheidung über das Bestehen einer konkreten Wiederholungsgefahr sowie eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten ernsthaft droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung und das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts ebenso wie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zu dem maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei Vorliegen der in § 60 Abs. 8 S. 3 AufenthG bezeichneten Delikte ist im Regelfall davon auszugehen, dass allein der Widerruf ermessensgerecht ist, mit Ausnahme von atypischen Fallgestaltungen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
1. § 60 Abs. 8 S. 3 AufenthG erfordert über die gesetzlichen Voraussetzungen hinaus eine auf einer umfassenden Würdigung aller Umstände beruhende Prognoseentscheidung über das Bestehen einer konkreten Wiederholungsgefahr sowie eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände. (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten ernsthaft droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung und das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts ebenso wie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zu dem maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt. (redaktioneller Leitsatz)
3. An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei Vorliegen der in § 60 Abs. 8 S. 3 AufenthG bezeichneten Delikte ist im Regelfall davon auszugehen, dass allein der Widerruf ermessensgerecht ist, mit Ausnahme von atypischen Fallgestaltungen. (redaktionelle Leitsätze) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf der Flüchtlingsanerkennung, gefährliche Körperverletzung, konkrete Wiederholungsgefahr, Ermessensausübung, Syrien, intendiertes Ermessen
Fundstellen:
FDStrafR 2024, 009699
BeckRS 2024, 9699
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Dem Kläger, ein am ... 2004 in A. M. Syrien geborener syrischer Staatsangehöriger arabischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit, wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 8. Oktober 2015 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt.
2
Mit Urteil des Amtsgerichts A. vom … … 2020, rechtskräftig seit dem … … 2020, wurde der Kläger wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Mit Urteil des Amtsgerichts A. vom … … 2021, rechtskräftig seit dem … … 2021, wurde der Kläger unter Einbeziehung des Urteils vom … … 2020 wegen versuchter gemeinschädlicher Sachbeschädigung und Beleidigung in zwei Fällen, in einem Fall in drei tateinheitlichen Fällen, und Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt.
3
Mit Schreiben des Bundesamts vom 21. Februar 2022 wurde der Kläger zum beabsichtigten Widerruf seiner Flüchtlingsanerkennung angehört. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.
4
Mit Bescheid vom 24. Juni 2022, am selben Tag als Einschreiben zur Post gegeben, widerrief die Beklagte die mit Bescheid vom 8. Oktober 2015 (Az.: …) zuerkannte Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1), erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziffer 2) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Syrien vorliegen (Ziffer 3). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nicht mehr vorlägen, da der Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 4 AsylG i.V.m. § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG erfüllt sei. Der Kläger sei mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts A. vom … … 2020 zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt worden. Die Verurteilung sei wegen einer gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteten Tat erfolgt. Die Straftat sei unter Verwirklichung der in der Vorschrift genannten Tatmodalitäten (hier: Gewalt) sowie vorsätzlich ausgeführt worden. Die Verurteilung zu einer mindestens einjährigen Jugend- oder Freiheitsstrafe führe allerdings nicht automatisch zu einem Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung. Vielmehr müsse darüber hinaus zum Zeitpunkt der Entscheidung im Einzelfall weiterhin eine Gefährdung der Allgemeinheit durch den Kläger zu besorgen sein, mithin eine konkrete Wiederholungsgefahr bestehen. Dies erfordere eine Prognose, dass der Kläger seine allgemeinheitgefährdende Betätigung in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit fortsetzen werde. Die lediglich entfernte Möglichkeit weiterer Straftaten genüge dagegen nicht. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sei hier eine konkrete drohende Wiederholungsgefahr für Straftaten vergleichbarer Schwere zu bejahen. Das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr ergebe sich insbesondere aus der seitens des Klägers durch die Art und Weise der Tatbegehung zum Ausdruck kommenden kriminellen Energie, unter anderem in Form der gezeigten Beharrlichkeit bei den Versuchen, den Geschädigten zu verletzen, sowie die Bereitschaft zur Missachtung hochwertiger Rechtsgüter Dritter. Festzuhalten sei weiterhin, dass der Kläger, wie auch der Verurteilung durch das Amtsgericht A. vom … … 2021 zu entnehmen sei, im Bundesgebiet bereits wiederholt, insbesondere auch wegen Körperverletzungsdelikten strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Darüber hinaus seien eine Vielzahl anderer Delikte gegen Rechte und Rechtsgüter Dritter festzustellen. Der Kläger habe damit bereits wiederholt gezeigt, dass er nicht bereit sei, sich an die hier geltende Rechtsordnung zu halten und die Rechte und Rechtsgüter Dritter zu achten. Vielmehr hätten ihn bisherige strafrechtliche Maßnahmen in keiner Weise beeindrucken und zu einem rechtstreuen Verhalten anhalten können. Der Kläger habe keinerlei tragfähige Beziehungen zu den Eltern. Ein geregelter Schulbesuch sei in der Vergangenheit ebenfalls nicht erfolgt. Der Kläger habe keine Stellungnahme abgegeben und keine Gründe vorgetragen, die für eine wesentliche und nachhaltige Verhaltensänderung seinerseits sprechen würden. In Anbetracht der Gesamtumstände lägen damit schwerwiegende Gründe für die Annahme vor, dass im Falle des Klägers von einer konkreten Wiederholungsgefahr auszugehen sei und er mithin eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG darstelle. In Abwägung der zugunsten des Klägers sprechenden Aspekte mit dem vom Gesetzgeber durch die Ergänzung des § 60 Abs. 8 AufenthG klar zum Ausdruck gebrachten besonderen öffentlichen Interesse, die Allgemeinheit vor straffälligen Ausländern zu schützen, rechtfertige die Art der vom Kläger begangenen Straftat, das öffentliche Interesse höher zu gewichten als seine persönlichen Belange. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzes lägen nicht vor, da schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG darstelle. Hinsichtlich Syrien liege ein Abschiebungsverbot vor, da angesichts der sehr schlechten wirtschaftlichen Lage für Rückkehrer wenige Möglichkeiten zur Schaffung einer ausreichenden Lebensgrundlage bestünden. Die Grundversorgung und die Möglichkeit der Überlebenssicherung seien in ganz Syrien mitunter stark eingeschränkt. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 7. Juni 2022 Bezug genommen.
5
Gegen Ziffer 1 und Ziffer 2 dieses Bescheids ließ der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 21. Juli 2022 Klage erheben. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Kläger keine Gefahr für die Allgemeinheit bedeute. Das Ermessen sei nicht hinreichend ausgeübt worden. Hierbei sei nicht berücksichtigt worden, dass der Kläger lediglich wegen einer versuchten gefährlichen Körperverletzung verurteilt worden sei und die Tat schon lange Zeit zurück liege. Weiterhin sei nicht in die Abwägung einbezogen worden, dass es sich hier überwiegend um eine innerfamiliäre Streitigkeit gehandelt habe und der Kläger nicht gegenüber fremden Personen ausfällig geworden sei. Es habe sich um eine Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und seinem Vater bzw. dessen Bruder gehandelt. Eine Gefahr für die Allgemeinheit könne hierdurch nicht angenommen werden. Bei der weiteren Auseinandersetzung sei es zu einer wechselseitigen Streitigkeit unter Jugendlichen gekommen, die nicht alleine auf den Kläger zurückzuführen sei. Auch sei in die Ermessensentscheidung nicht hinreichend einbezogen worden, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch nicht wegen seiner psychischen Probleme aufgrund der Flucht und der traumatischen Erlebnisse in seiner Heimat behandelt worden sei. Im Strafverfahren sei dem Kläger eine günstige Prognose erteilt worden. Diese Umstände seien nicht hinreichend gewürdigt worden. Die Begutachtung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Klinikums A. komme dazu, dass keine erhebliche Fremdgefahr bestehe. Es sei angenommen worden, dass bei entsprechender Behandlung eine Integration und ein gewaltfreies Leben gut gelingen werde. Die Annahme einer Wiederholungsgefahr fuße nicht auf hinreichenden Erkenntnissen.
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 7. Juni 2022 wird in Ziffer 1 und Ziffer 2 aufgehoben.
7
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und bezieht sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
8
Mit Beschluss vom 22. Juli 2022 wurde der Rechtsstreit der Einzelrichterin übertragen.
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Mit Urteil des Amtsgerichts A. vom … … 2022, rechtskräftig seit dem … … 2022, wurde der Kläger unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts A. vom … … 2020 und des Amtsgerichts A. vom … … 2021 wegen Diebstahl in Tateinheit mit Bedrohung und Beleidigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt.
10
Mit Urteil des Amtsgerichts A. vom … … 2023, rechtskräftig seit dem … … 2023, wurde der Kläger unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts A. vom … … 2020, des Amtsgerichts A. vom … … 2021 und des Amtsgerichts A. vom … … 2022 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Seit dem … … 2022 ist der Kläger in Haft.
11
Mit Schriftsatz vom 8. Dezember 2023 regte die Prozessbevollmächtigte des Klägers an, eine Stellungnahme zur aktuellen Entwicklung des Klägers der JVA E. einzuholen. Der Kläger habe eingesehen, dass er eine Therapie absolvieren müsse, um die traumatischen Erlebnisse in seinem Heimatland und der Flucht aufzuarbeiten. In Haft arbeite er derzeit und beabsichtige einen Schweißkurs sowie einen Kurs für Lagerlogistik zu absolvieren. Er habe aus der Haft wieder Kontakt zu seiner Familie, insbesondere seiner Mutter aufgenommen. Im Juli 2021 sei der Kläger selbst Opfer einer gefährlichen Körperverletzung geworden. Daher habe er bei der Tat am … … 2022 ein Messer bei sich geführt. Er habe dem Geschädigten nicht absichtlich eine Verletzung mit diesem Messer zuführen wollen. Auch die Jugendgerichtshilfe sei in dem Strafverfahren zu dem Schluss gekommen, dass die Therapie dazu führen werde, dass es zu einer Verhaltensänderung komme. Die Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und zwei Monaten führen nicht dazu, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG erfüllt seien. Es handele sich nämlich um mehrere Einzelstrafen, die zu einer Einheitsjugendstrafe zusammengefasst worden seien. Mehrere Einzelstrafen, die zu einer Strafe von über drei Jahren führten, genügten insoweit nicht aus. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 8. Dezember 2023 verwiesen.
12
Mit weiterem Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 12. Dezember 2023 ließ der Kläger sein bisheriges Vorbringen vertiefen. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass sich die begangenen Körperverletzungen in der Regel nicht unter gegenwärtiger Anwendung von Gewalt oder Drohung ereignet hätten. Dies sei jedoch Tatbestandsvoraussetzung. Bei der Verurteilung vom … … 2020 habe es sich nur um eine versuchte Körperverletzung gehandelt. Bei der Verurteilung vom … … 2020 seien versuchte Körperverletzungen festgestellt worden, die sich nicht unter gegenwärtiger Anwendung von Gewalt oder Drohung ereignet hätten. Die Verurteilung vom … … 2021 sei nur wegen einfacher Körperverletzung erfolgt. Am … … 2022 sei der Kläger wegen Diebstahl mit Bedrohung und Beleidigung verurteilt worden. Hier sei es zu keinen Körperverletzungshandlungen gekommen. Die getroffene Ermessensentscheidung sei fehlerhaft. Die besonderen Umstände des Einzelfalls seien nicht hinreichend einbezogen worden. Sämtliche Vorverurteilungen seien auch im Zusammenhang mit dem damals bestehenden Betäubungsmittelproblem zu sehen. Zwischenzeitlich konsumiere der Kläger jedoch kein Marihuana und auch keine anderen Betäubungsmittel mehr. Dieser Umstand sei bei der getroffenen Prognoseentscheidung nicht berücksichtigt worden. Es sei auch außer Acht gelassen worden, dass bei Teilnahme an einer Traumatherapie eine Wiederholungsgefahr ausgeschlossen werden könne. Der Kläger spreche sehr gut Deutsch und könne problemlos auf dem Arbeitsmarkt integriert werden. Auch müsse berücksichtigt werden, dass beim Kläger von einer positiven Sozialisation nach Vollzug der Freiheitsstrafe auszugehen sei. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 12. Dezember 2023 verwiesen.
13
Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2023 nahm die Beklagte hierzu Stellung und führte aus, dass sowohl dem Bericht der Jugendhilfe als auch dem Urteil eine eindeutig schlechte Zukunftsprognose zu entnehmen sei. Ausdrücklich werde die Wiederholungsgefahr erneuter Gewaltanwendungen als hoch angesehen. Herauszustellen seien hier insbesondere die Uneinsichtigkeit des Klägers hinsichtlich seiner eigenen Beteiligung an den diversen strafrechtlichen Vorfällen und seine Unfähigkeit zu Absprachen und zur Anwendung adäquater Handlungsmuster in Konfliktsituationen.
14
Mit Schreiben vom 10. Januar 2024 nahm die Justizvollzugsanstalt E. Stellung. Der Kläger sei in einem Arbeitsbetrieb mit Montagearbeiten beschäftigt. Der Betriebsbeamte beschreibe ihn als angenehmen Gefangenen mit gutem Arbeitswillen. Seine Arbeitsleistung und Arbeitsgüte lägen im oberen Durchschnitt und vor allem sein Ordnung- und Sauberkeitssinn seien stark ausgeprägt. Dem Betriebsbeamten gegenüber verhalte er sich freundlich und respektvoll. Probleme mit Mitgefangenen seien nicht erkennbar. Laut Auskunft des zuständigen Stationsbeamten merke man dem Kläger täglich seine Abneigung gegen „das System“ an. Weisungen befolge er nur widerwillig, ebenso nehme er für ihn negative Entscheidungen auf. Im Umgang mit weiblichen Bediensteten lege er Defizite an den Tag. Auf der Station komme er mit allen Mitgefangenen gut aus. In der JVA A. sei es im … 2023 zu einem Disziplinarverfahren wegen Verweigerung des Hofganges und mangelnden Respekts gegenüber einer weiblichen Bediensteten bzw. Störung des geordneten Zusammenlebens (Versuch, mit einem Stuhl auf einen Mitgefangenen einzuschlagen) gekommen. Da in Strafhaft bisher keine Behandlungsmaßnahmen erfolgt seien, sei dem Kläger nahegelegt worden, sich für eine Sozialtherapie zu bewerben. An beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen habe er bisher nicht teilgenommen. Den am 9. Oktober 2023 begonnenen Kurs zur Erlangung des Mittelschulkurses habe er am 23. Oktober 2023 abgebrochen. Nach hiesiger Einschätzung folge der Kläger einem streng islamischen Weltbild und lehne die europäische Kultur ab. Er strebe keinerlei Integration in Deutschland an. Nach der Haft wolle er nach Ä. ausreisen und sich dort dauerhaft niederlassen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 10. Januar 2024 verwiesen.
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Mit Schriftsatz vom 5. April 2024 ergänzte die Beklagte ihr bisheriges Vorbringen und führte aus, dass sie bereits zum Zeitpunkt der Bescheiderstellung im Juni 2022 ihr Ermessen korrekt ausgeübt habe. Die umfängliche Bescheidbegründung wäge alle für und gegen den Kläger sprechenden Tatsachen gegeneinander ab. Hinzugekommen sei eine weitere Verurteilung zu einer Einheitsjugendstrafe. Die Wiederholungsgefahr erheblicher Straftaten ergebe sich kurz und prägnant aus dem vorletzten Absatz des Jugendhilfeberichts vom August 2023. Deutlicher könne es auch die Beklagte nicht formulieren. Die Ermessensentscheidung zulasten des Klägers sei auch heute nicht fehlerhaft. Es handele sich um Straftaten gegen viele verschiedene Rechtsgüter in Kombination mit unterschiedlichsten Vorgehensweisen und Intensitäten bei der Anwendung von Gewalt. Ein erhöhtes Bleibeinteresse könne mangels abgeschlossener Eingliederungsmaßnahmen im Strafvollzug nicht angenommen werden. Ebenso sei der geplante Wiederaufbau eines Kontaktes zu seiner Mutter nicht mit einem erhöhten Bleibeinteresse verbunden.
16
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Behördenakten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2024 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
17
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 7. Juni 2022 erweist sich im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
18
1. Das Bundesamt hat die mit Bescheid vom 8. Oktober 2015 zuerkannte Flüchtlingseigenschaft zu Recht widerrufen. Der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung in Ziffer 1 des Bescheides ist auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung rechtmäßig.
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Bedenken gegen die formelle Rechtmäßigkeit sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Insbesondere wurde der Kläger mit Schreiben des Bundesamts vom 21. Februar 2022 angehört.
20
Der Widerruf ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.
21
Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß § 3 Abs. 4 AsylG unter anderem dann der Fall, wenn das Bundesamt nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen hat.
22
Gem. § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG kann von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamten rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 StGB ist.
23
Der Kläger ist durch das Amtsgericht A. rechtskräftig wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen sowie wegen versuchter gemeinschädlicher Sachbeschädigung und Beleidigung in zwei Fällen, in einem Fall in drei tateinheitlichen Fällen, und Körperverletzung in zwei Fällen verurteilt worden.
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Damit ist bereits aufgrund dieser beiden Urteile sowohl hinsichtlich des Delikttypus, seiner Ausführungsart als auch des Strafmaßes der Anwendungsbereich des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG eröffnet. Der Kläger hat seine gegen die körperliche Unversehrtheit gerichteten Straftaten mit Gewalt begangen. Sowohl das Werfen eines Stuhles in Richtung einer Person, um diese zu verletzen, als auch Faustschläge gegen Schläfe, Mund und Kehlkopf erfüllen den Begriff der Gewalt, die als körperlich wirkender Zwang definiert wird (BeckOK StGB/Wittig, StGB § 249 Rn. 6 m.w.N.).
25
Das nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG erforderliche Strafmaß einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr ist ebenfalls erreicht. Bereits den beiden Strafurteilen vom … … 2020 bzw. … … 2021 lagen Jugendstrafen von über einem Jahr zugrunde. Dass diese zunächst zur Bewährung ausgesetzt wurden, ist irrelevant (vgl. BeckOK AuslR/Koch AufenthG § 60 Rn. 56 unter Hinweis auf BT-Drs. 18/7537, S. 9).
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Liegen diese gesetzlichen Voraussetzungen vor, führt dies jedoch nicht automatisch zum Ausschluss der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
27
Vielmehr erfordert die Norm darüber hinaus eine auf einer umfassenden Würdigung aller Umstände beruhende Prognoseentscheidung über das Bestehen einer konkreten Wiederholungsgefahr (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2000 – 9 C 6.00 – juris) sowie eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände.
28
Es ist daher zunächst im Einzelfall zu prüfen, ob der Ausländer – etwa wegen der Einmaligkeit der Tatsituation, einer ernsthaften sozialen oder politischen Neuorientierung oder sonstiger Umstände – künftig keine Gefahr für die Allgemeinheit mehr darstellt. Eine konkrete Wiederholungs- oder Rückfallgefahr liegt vor, wenn neue vergleichbare Straftaten des Ausländers ernsthaft drohen. Die lediglich entfernte Möglichkeit weiterer Straftaten genügt nicht. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten ernsthaft droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung und das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts ebenso wie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zu dem maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2000 – 9 C 6.00 – juris). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris).
29
Gemessen an diesen Grundsätzen ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung immer noch vom Bestehen einer konkreten Wiederholungsgefahr auszugehen. Das Gericht geht davon aus, dass durch den Kläger neue vergleichbare Straftaten ernsthaft drohen. Denn bei den verurteilten Straftaten handelt es sich jeweils nicht nur um einmalige, besonderen Situationen geschuldete Taten, sondern um wiederholte Körperverletzungsdelikte. Das Amtsgericht A. geht in seinen Urteilen von schädlichen Neigungen aus und stellt fest, dass beim Kläger massive Störungen und Reifedefizite vorlägen, er immer wieder Straftaten begehe, massiv auffälliges Verhalten zeige und sämtliche Jugendhilfemaßnahmen und Unterbringungen sowie therapeutische Maßnahmen bislang keinerlei Erfolg gezeigt hätten. Auch das hier betroffene hohe Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit fällt im Rahmen der Prognose negativ ins Gewicht. Die Persönlichkeit des Klägers und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zu dem aktuellen Entscheidungszeitpunkt führen zu keiner anderen Prognose. Insbesondere ist hier von entscheidender Bedeutung, dass der Kläger am 28. Oktober 2022 eine gefährliche Körperverletzung begangen hat – dies gerade einmal vier Wochen, nachdem er wegen Diebstahl in Tateinheit mit Bedrohung und Beleidigung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, wiederum mit einer Bewährungszeit von zwei Jahren, verurteilt worden war. Die Wiederholungsgefahr hat sich vorliegend also sogar realisiert, indem der Kläger erneut straffällig geworden ist. Das Amtsgericht A. geht in seinem Urteil vom … … 2023 wiederum von schädlichen Neigungen aus und stellt erhebliche Anlage- und Erziehungsmängel fest. Der Kläger sei einschlägig und schwerwiegend vorgeahndet. Selbst unter offener Bewährung habe er sein auf Grenzüberschreitung angelegtes Verhalten fortgesetzt. Er habe eine äußerst geringe Frustrationstoleranz gepaart mit dem Bewusstsein, seine eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen durchsetzen zu dürfen. Schützende Faktoren, die einer naheliegenden Begehung weiterer erheblicher Straftaten entgegenwirken könnten, seien angesichts des familiären und sozialen Umfelds des Klägers nicht ansatzweise ersichtlich. Auch betont es die Art und Weise der Tatausführung, die von hoher Aggressivität und zielgerichteter Suche nach einer Konfrontation geprägt sei. Für das erkennende Gericht sind keine durchgreifenden Gesichtspunkte ersichtlich, die diese in höchstem Maße negativen Einschätzungen entkräften könnten. Insbesondere ist keine so ernsthafte soziale Neuorientierung ersichtlich, die eine hinreichende Gewähr dafür bieten würde, dass er künftig keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellt.
30
Dabei ist zugunsten des Klägers durchaus zu berücksichtigen, dass er sich laut Führungsbericht der JVA E. vom … … 2024 im Arbeitsbetrieb gut führe, dem Betriebsbeamten gegenüber freundlich und respektvoll verhalte und Probleme mit Mitgefangenen nicht erkennbar seien. In der JVA N. interessierte er sich für eine Ausbildung zum Friseur bzw. Barbier, die er nach eigenen Angaben im März 2024 begonnen hat. Ebenso trägt er vor, dass er nach Gesprächen mit einer Psychologin in der JVA nunmehr in der Lage sei, sein Verhalten zu reflektieren und nicht mehr mit Aggression und Gewalt reagieren müsse. Er wisse, dass sein Verhalten nicht richtig gewesen sei. Ebenfalls nach eigenen Angaben pflege er nunmehr seine familiäre Beziehung insbesondere zu seiner Mutter, mit der er regelmäßig telefoniere und Briefe schreibe. Auch ist er der deutschen Sprache insoweit mächtig, dass er in der mündlichen Verhandlung sicher auf Deutsch mit dem Gericht kommunizieren konnte und nicht auf den anwesenden Dolmetscher zurückgreifen musste. Er betonte in der mündlichen Verhandlung, dass seine Verurteilung angemessen sei für das, was er getan habe. Er habe seine Probleme gelöst und es werde sich nicht wiederholen. Er wolle in der JVA eine Sozialkompetenztherapie machen und im Anschluss erst eine Stabilisierungs- und dann eine Traumatherapie. Von jeglichem Drogenmissbrauch habe er sich seit Jahren distanziert.
31
Andererseits ist der insbesondere seitens der Jugendgerichtshilfe für erforderlich gehaltene therapeutische Rahmen bis heute nicht gegeben. Soweit die Prozessbevollmächtigte betont, dass bei einer Fortführung der Therapie keine Gefahr der Verwirklichung derartiger Straftaten bestünde, ist zu berücksichtigen, dass völlig offen ist, ob und wann der Kläger einen Platz in einer entsprechenden Klinik erhält und tatsächlich die erforderlichen Therapien beginnen kann. Schon 2021 wurde die Notwendigkeit solcher Therapien im Urteil des Amtsgerichts A. erwähnt, dennoch sind sie nie begonnen worden. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kann dies also nicht für eine ausreichende Stabilisierung des Klägers sprechen. Auch die Tatsache, dass er nach eigenen Angaben zwar wieder Kontakt zu seiner Mutter aufgenommen hat und sich vorstellen kann, bei ihr zu wohnen, sein Verhältnis zum Vater jedoch zerrüttet ist, trägt das Risiko einer Destabilisierung in sich. Auch auf schulischer und beruflicher Ebene ist bislang keine gesicherte Entwicklung zu erkennen.
32
Insgesamt bleibt daher festzuhalten, dass trotz gewisser positiver Entwicklungen und Änderungen in seiner persönlichen Einstellung von einem nachhaltigen Wandel in der Persönlichkeit des Klägers nicht die Rede sein kann. Eine aktuell gute Führung in der JVA, die Bereitschaft, sich den erforderlichen Therapien zu unterziehen, die gewisse Einsicht in das Unrecht seiner Taten und der Kontakt zur Mutter bieten keine hinreichende Gewähr dafür, dass vom Kläger künftig keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit, insbesondere für das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit ausgehen wird. Das Gericht verkennt nicht sein Bemühen um ein straffreies und geregeltes Leben und dass er insofern auch eine gewisse Entwicklung genommen hat. Doch es besteht zur Überzeugung des Gerichts nicht nur die theoretische, sondern die ganz praktische Gefahr, dass der Kläger wieder in soziale Situationen kommt, in denen seine schädlichen Neigungen hervorbrechen. Dies gilt nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Hier geht es um gefährliche Körperverletzungen, die erhebliche körperliche und psychische Folgen für die Opfer haben.
33
Mithin hat das Bundesamt das Bestehen einer konkreten Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne von § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG zu Recht bejaht.
34
Der Bescheid vom 7. Juni 2022 ist auch ermessensfehlerfrei ergangen. Das Bundesamt hat seinen Ermessensspielraum erkannt und sein Ermessen unter der Wahrung von sach- und zweckgerechten Erwägungen ausgeübt.
35
Hierbei ist zu beachten, dass nach der Gesetzessystematik die Ermessensausübung schon bei der Vorfrage des Absehens von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG im Rahmen des § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG zu erfolgen hat. Werden diese Voraussetzungen bejaht, hat der Widerruf nach § 73 Abs. 5 AsylG zu erfolgen. Zudem ist bei Vorliegen der in § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG bezeichneten Delikte im Regelfall davon auszugehen, dass allein der Widerruf ermessensgerecht ist, mit Ausnahme von atypischen Fallgestaltungen (vgl. VG Würzburg, U. v. 19.8.2019 – W 8 K 19.30955 – juris Rn. 23).
36
Das Bundesamt hat eine Interessenabwägung vorgenommen und dabei zugunsten des klägerischen Bleibeinteresses berücksichtigt, dass dieser im Mai 2015 gemeinsam mit seiner Familie eingereist ist und seitdem hier wohnhaft sei. Er sei zuletzt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG gewesen, habe die Schule besucht und Grundkenntnisse der deutschen Sprache erworben. Dagegen hat es das öffentliche Interesse der Gefahrenabwehr abgewogen und hierbei ein zulässigerweise ein intendiertes Ermessen zugrunde gelegt.
37
Soweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers bemängelt, dass die individuellen Tatumstände nicht hinreichend berücksichtigt worden seien, ist hierin kein Ermessensfehlgebrauch zu erkennen. Dies wäre insbesondere nur dann der Fall, wenn das Bundesamt von unzutreffenden und unvollständigen Voraussetzungen ausgegangen wäre. Dies ist hier aber ersichtlich nicht der Fall. Wie sich aus dem Bescheid eindeutig ergibt, war es dem Bundesamt bewusst, dass es sich beim Kläger um einen Jugendlichen gehandelt hat. Auch setzt es sich mit den abgeurteilten Taten und den Umständen ihrer Begehung auseinander. Aus den Gründen des Bescheids in ihrer Gesamtheit ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass das Bundesamt nicht von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist.
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Dem steht auch nicht entgegen, dass es die nach Erlass des Bescheides eingetretenen Umstände, insbesondere die weitere Verurteilung vom … … 2023, dort nicht berücksichtigen konnte. Denn es handelt sich dabei um einen später eingetretenen Umstand, der ergänzend bzw. bestätigend als Ermessenserwägung auch nachträglich berücksichtigt werden kann und seitens der Beklagten mit Schriftsatz vom 5. April 2024 auch entsprechend ergänzt wurde.
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Der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung des Klägers ist deshalb auch zum aktuellen Zeitpunkt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
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2. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes ist schließlich auch hinsichtlich der in seiner Ziffer 2 erfolgten Feststellung, dass dem Kläger subsidiärer Schutz nach § 4 AsylG nicht zuerkannt wird, nicht zu beanstanden. Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 2 Satz 1 AsylG unter anderem ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt (Nr. 4). Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zum Widerruf der Flüchtlingsanerkennung verwiesen.
41
Die Klage war somit insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.