Titel:
Anforderungen an die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters nach dem SchVG
Normenketten:
InsO § 78
SchVG § 7 Abs. 1 S. 1, § 19 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Die Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung nach § 78 Abs. 1 InsO kommt nur in Betracht, wenn der Beschluss dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspricht. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Gläubiger können auch ohne Verankerung in den Anleihebedingungen in der Insolvenz des Schuldners gem. § 19 Abs. 2 S. 1 SchVG einen gemeinsamen Vertreter bestellen. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 19 Abs. 2 SchVG sieht auch eine Erweiterung der Tagesordnung um Fragen der Vergütung und Haftung des gemeinsamen Vertreters vor. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
4. Auch eine ausländische juristische Person kann zum gemeinsamen Vertreter bestellt werden. (Rn. 28 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
gemeinsamer Vertreter, Tagesordnung, Gläubigerversammlung, Haftungsbeschränkung, Vergütungsregelung
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 13.12.2023 – 1509 IN 2357/23
Fundstellen:
ZInsO 2024, 802
ZIP 2024, 2520
ZIP 2024, 1980
BeckRS 2024, 9558
NZI 2024, 692
LSK 2024, 9558
FDInsR 2024, 009558
ZRI 2024, 765
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 13.12.2023, Az. 1509 IN 2357/23 (betreffend die Anleihe 2020/2025,
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Gläubiger.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1
Der Gläubiger wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde vom 29.12.2023 (Bl. 159/160) gegen den Beschluss des Amtsgerichts München – Insolvenzgericht vom 13.12.2023 (Bl. 150/156), mit welchem sein Antrag auf Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung gemäß § 78 InsO betreffend die ... Anleihe 2020/2025 zurückgewiesen wurde.
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Mit Beschluss vom 30.10.2023 (Bl. 81/83) wurde über das Vermögen der Schuldnerin wegen Zahlungsverzug und Überschuldung am 30.10.2023 um 08:00 Uhr das Insolvenzverfahren eröffnet. Als Insolvenzverwalter wurde RA ... bestellt.
3
Im Rahmen des Abstimmungstermins vom 27.11.2023 wurde die ... vertreten durch RA ... zur gemeinsamen Vertreterin nach dem SchVG bestellt. Die Vergütung des gemeinsamen Vertreters wurde in Anlehnung an das RVG geregelt. Außerdem wurde die Haftung des gemeinsamen Vertreters summenmäßig auf 1.000.000,00 € beschränkt.
4
Noch im Termin stellte der Gläubiger den Antrag auf Aufhebung nach § 78 Abs. 1 InsO mit der Begründung, dass die Vergütungsvereinbarung im einheitlichen Beschlussvorschlag nicht als angemessen i.S.d. SchVG betrachtet werden könne, zu weit darüber hinausgehe und damit den Interessen der Gläubiger zuwiderlaufe. Außerdem könne eine ... kein gemeinsamer Vertreter nach dem SchVG sein. Mit Schreiben vom 03.12.2024 ergänzte der Gläubiger seine Ausführungen.
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Die ... gab zu dem Antrag nach 78 InsO mit Schreiben vom 08.12.2023 (Bl. 138/142) eine Stellungnahme ab.
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Mit Beschluss vom 13.12.2023 wurde u.a. der Antrag des Gläubigers, gerichtet auf Aufhebung des Beschlusses der Gläubigerversammlung, gemäß § 78 InsO betreffend die ... Anleihe 2020/2025 zurückgewiesen (zu den Einzelheiten wird auf den ausführlichen erstgerichtlichen Beschluss vom 13.12.2023, Bl. 150/156, Bezug genommen).
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Gegen diesen Beschluss legte der Gläubiger mit Schriftsatz vom 29.12.2023 (Bl. 159/160) sofortige Beschwerde ein. Diese wurde mit Schriftsatz vom 12.01.2024 (Bl. 180/189) weiter begründet. Im Rahmen seiner Begründung stellt der Gläubiger zunächst die Einberufungskompetenz des Erstgerichts wegen der Anleihebedingungen in Abrede. Weiter ist die Beschwerde der Ansicht, dass über die Wahl des gemeinsamen Vertreters hinaus keine weitere Beschlusskompetenz bestehe. Letztlich, so die Beschwerde, sei der Beschluss nach § 78 InsO aufzuheben, da er den gemeinsamen Interessen der Insolvenzgläubiger widerspreche, insbesondere sei der gemeinsame Vertreter, die ... ungeeignet. So sei schon die erforderliche Sachkunde nicht nachgewiesen worden. Auch das Verteilungs-Modell zeige, dass das Risiko des Ausfalls nicht nur abstrakt vorhanden sei. Weiter seien Beispiele ungeeigneter Amtsführung bei der ... vorhanden (zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung vom 12.01.2024, Bl. 180/189, Bezug genommen).
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Mit Schriftsatz vom 24.01.2024 (Bl. 606/613) nahm der Vertreter der ... zur sofortigen Beschwerde Stellung.
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Mit Beschluss vom 29.01.2024 (Bl. 621/624) hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Zudem ist Aktenvorlage an das Beschwerdegericht verfügt worden.
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Mit Schriftsatz vom 12.02.2024 äußerte sich der Gläubiger gegenüber dem Beschwerdegericht ergänzend.
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Die gem. § 6 Abs. 1, Abs. 2 InsO i.V.m. § 78 Abs. 2 S. 2 InsO statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Gegen die Ablehnung des Antrags auf Aufhebung steht dem Gläubiger die sofortige Beschwerde zu, § 78 Abs. 2 S. 3 InsO (Uhlenbruck/Knof, 15. Aufl. 2019, InsO § 78 Rn. 21). Die Antragsberechtigung nach § 78 InsO beschränkt sich dabei auf die Gläubiger der betreffenden Schuldverschreibung, denen gegen die Ablehnung des Antrages auf Beschlussaufhebung gemäß § 78 InsO gegebenenfalls die sofortige Beschwerde offen steht (BGH, Urteil vom 16.11.2017 – IX ZR 260/15). Ein Antrag gemäß § 78 InsO ist aber nur zulässig, wenn er noch in der Gläubigerversammlung gestellt wird (LG Rostock, Beschluss vom 25.01.2021 – 4 T 13/21). Das war vorliegend der Fall.
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2. Allerdings erweist sich der Antrag als unbegründet. Zunächst kann insoweit seitens der Kammer umfassend auf den angegriffenen Beschluss des Amtsgerichts sowie die Nichtabhilfeentscheidung Bezug genommen werden.
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Ergänzend sei folgendes angeführt:
15
Die Aufhebung eines Beschlusses der Gläubigerversammlung nach § 78 Abs. 1 InsO kommt nur in Betracht, wenn der Beschluss dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspricht. Was im Einzelfall das gemeinsame Interesse der Insolvenzgläubiger ist, ist angesichts der unterschiedlichen Interessen der einzelnen Gläubiger und Gläubigergruppen schwierig zu beantworten. Sinn und Zweck des § 78 InsO ist es, einen gezielten Mehrheitsmissbrauch in der konkreten Situation der Gläubigerversammlung zum einseitigen Nachteil einer Minderheit zu verhindern (Uhlenbruck/Knof, 15. Aufl. 2019, InsO § 78 Rn. 10). Die Frage, ob der Beschluss dem gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger widerspricht, obliegt der Beurteilung durch das Insolvenzgericht (BGH, Beschluss vom 28.05.2020 – IX ZB 64/17 Rn. 9). Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 12/2443 S. 143) soll ein Beschluss, der für alle Gläubigergruppen ähnliche Chancen und Risiken enthält, nicht mit Erfolg angegriffen werden können.
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Ein Widerspruch zum gemeinsamen Gläubigerinteresse liegt aber immer dann vor, wenn der Beschluss einseitig dem Sonderinteresse eines Gläubigers oder einer Gläubigergruppe auf Kosten des Gesamtinteresses aller Insolvenzgläubiger Rechnung trägt (Uhlenbruck/Knof, 15. Aufl. 2019, InsO § 78 Rn. 11). Diese Vorgaben hat das Amtsgericht beachtet.
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a) Soweit die Beschwerde bereits von einem unwirksamen Beschluss und von fehlender Beschlusskompetenz ausgeht, kann dem nicht gefolgt werden.
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Richtig ist, dass Voraussetzung für einen Antrag nach § 78 InsO ein wirksamer Beschluss der Gläubigerversammlung ist (Uhlenbruck/Knof, 15. Aufl. 2019, InsO § 78 Rn. 8). Dies hat das Amtsgericht vorliegend jedoch zutreffend bejaht.
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Bezüglich der Einberufungskompetenz verweist das Amtsgericht hier zutreffend auf die Entscheidung des BGH, Urteil vom 16.11.2017 – IX ZR 260/15. So hat der BGH dort ausgeführt, dass die Gläubiger auch ohne Verankerung in den Anleihebedingungen (vgl. § 5 Abs. 1 S. 1 SchVG) in der Insolvenz des Schuldners gem. § 19 Abs. 2 S. 1 SchVG einen gemeinsamen Vertreter bestellen können (vgl. BGH, Urteil vom 16.11.2017 – IX ZR 260/15 dort Rn. 23.).
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Auch der Einwand des Beschwerdeführers, die ... sei im Termin formal nicht anwesend gewesen, überzeugt nicht. Zutreffend hat das Amtsgericht vielmehr festgestellt, dass ein Bevollmächtigter anwesend war, nämlich Rechtsanwalt ... der seine Bevollmächtigung zu Protokoll versicherte und seine Vollmacht betreffend die ... im Nachgang zum Termin bei Gericht eingereicht hat (zu den weiteren Einzelheiten kann auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts Bezug genommen werden).
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Weiter ist dem Amtsgericht darin zuzustimmen, dass die fehlende Vorabveröffentlichung des Beschlussvorschlages im Rahmen des Einberufungsbeschlusses nicht zu einer Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit der Beschlussfassung führt. So soll zwar nach einer Ansicht den Anleihegläubigern vom jeweils Einberufenden zu jedem Tagesordnungspunkt ein konkret formulierter Beschlussvorschlag mitzuteilen sein, der mit einem „Ja“ oder einem „Nein“ beantwortet werden können müsse (Nomos-BR/Borowski SchVG/Sascha Borowski, 1. Aufl. 2019, SchVG § 13 Rn. 2). Nach anderer Ansicht soll hinsichtlich der Anforderungen an die Bezeichnung, Ordnung und inhaltliche Detailliertheit auf die aktienrechtlichen Parallelregelungen zurückgegriffen werden können (Langenbucher/Bliesener/Spindler/ Bliesener/Schneider, 3. Aufl. 2020, SchVG § 13 Rn. 2). Letztere Ansicht würde dazu führen, dass die Formulierung der einzelnen Tagesordnungspunkte letztlich nur den äußersten Rahmen des zulässigen (vgl. § 124 Abs. 4 S. 1 AktG) Beschlussinhalts abstecken würde (MüKoAktG/Kubis, 5. Aufl. 2022, AktG § 121 Rn. 46). Richtig daran ist, dass eine allzu eng gefasste Bezeichnung der Tagesordnungspunkte insofern hinderlich wäre, als sie selbst solche Beschlüsse unmöglich macht, die von einer breiten Aktionärsmehrheit getragen werden. Umgekehrt besteht die Gefahr, dass eine sehr pauschale Bezeichnung der einzelnen Tagesordnungspunkte nicht nur eine uferlose Diskussion, sondern auch unkalkulierbare Beschlussanträge provoziert (MüKoAktG/Kubis, 5. Aufl. 2022, AktG § 121 Rn. 46). Nach der zuletzt genannten Ansicht wäre etwa die Ankündigung von „Aufsichtsratsangelegenheiten“ zur Tagesordnung unzureichend. Eine sich daran anschließende Beschlussfassung über die Vergütung des Aufsichtsrats wäre mangels hinreichender Konkretisierung unter diesem Tagesordnungspunkt jedenfalls dann nicht zulässig, wenn hierzu kein ausreichend deutlicher Beschlussvorschlag vorliegt (MüKoAktG/Kubis, 5. Aufl. 2022, AktG § 121 Rn. 52). Zudem wird vertreten, dass von der Tagesordnung inhaltlich abweichende Anträge zulässig sein sollen, wenn der Informationszweck des § 13 SchVG nicht konterkariert wird, die Änderungen nicht rechtsmissbräuchlich sind und ein sachlicher Grund für diese Abweichung besteht (Nomos-BR/Borowski SchVG/Sascha Borowski, 1. Aufl. 2019, SchVG § 13 Rn. 3).
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Vorliegend wurde mit Beschluss vom 30.10.2023 im Rahmen der Tagesordnung bekannt gegeben: „Beschlussfassung über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters (…), die Vergütung des gemeinsamen Vertreters und dessen Haftung“. Sinn und Zweck der Tagesordnung ist es, in verständlicher und umfassender Weise darüber zu informieren, was verhandelt und beschlossen werden soll (Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, SchVG § 13 Rn. 1). Den Gläubigern soll die Wahrnehmung ihrer Rechte in der Gläubigerversammlung ermöglicht werden und sie sollen ihre Entscheidungsfindung sachgerecht vorbereiten können (Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, 3. Aufl. 2020, SchVG § 13 Rn. 1).
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Dies ist, wie das Amtsgericht zutreffend angenommen hat, angesichts der Formulierung „Beschlussfassung über die Bestellung eines gemeinsamen Vertreters (…), die Vergütung des gemeinsamen Vertreters und dessen Haftung“ in hinreichendem Maße gewährleistet.
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Soweit die Beschwerde die Meinung vertritt, der in Rede stehende Tagesordnungspunkt sei zu weitgehend, wenn er neben der Bestellung des Vertreters auch zugleich die Vergütung und Haftung mit benenne, kann dem nicht gefolgt werden. Die Ansicht der Beschwerde, § 19 Abs. 2 SchVG sehe nur die Möglichkeit der Wahl bzw. Bestellung eines gemeinsamen Vertreters vor, eine Erweiterung der Tagesordnung sei nicht zulässig, überzeugt die Kammer letztlich nicht. Zutreffend ist zwar, dass diese Frage, wie die Beschwerde ausführlich darlegt, sehr umstritten ist. Anders als die Beschwerde kann die Kammer aber nicht erkennen, dass insoweit eine weitaus herrschende Meinung zugunsten der Ansicht bestehe, wie sie die Beschwerde vertritt. Die Kammer hält vielmehr die seitens des Amtsgerichts hierzu vertretene Ansicht für gut vertretbar. Angesichts der auch diesbezüglich erfolgten umfassenden Ausführungen des Amtsgerichts wird zunächst auf diese Bezug genommen.
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Maßgeblich ist für Kammer an dieser Stelle die Argumentation des Amtsgerichts, wonach eine Erweiterung der Tagesordnung um Fragen der Vergütung und Haftung in höchstem Maße sinnvoll und prozessökonomisch ist. Zutreffend ist weiter die Überlegung, dass der gemeinsame Vertreter vor der Annahme seines Amtes die konkreten Rahmenbedingungen seiner Amtsübernahme kennen muss, worunter zweifellos elementare Fragen wie Vergütung und Haftung fallen. Diesem berechtigten Informationsbedürfnis des gemeinsamen Vertreters kann aber nicht sinnvoll Rechnung getragen werden, wenn diese im Rahmen der Bestellung des gemeinsamen Vertreters bedeutsamen Umstände erst als weitere Tagesordnungspunkte in einer weiteren Gläubigerversammlung nach dem SchuVG zur Abstimmung zulässig wären. Der gemeinsame Vertreter hat in der Praxis eine erhebliche Bedeutung. Er vertritt nach dem SchVG die Interessen der Anleihegläubiger. Der Zweck des gemeinsamen Vertreters ist es, die Interessen der zahlreichen Gläubiger in einer Person zu bündeln. Dadurch vereinfacht er die Auseinandersetzung insbesondere zwischen Schuldner- und Gläubigerseite. Nur so erlangt die Gläubigergemeinschaft eine reelle Handlungsfähigkeit (Kappenhagen, BKR 2023, 741). Voraussetzung ist damit, dass seitens der Gläubiger im Rahmen der Bestellung des gemeinsamen Vertreters nicht nur dessen (juristische) Person, sondern auch die konkreten Rahmenbedingungen von Vergütung und Haftung klar benannt werden. Nur dann kann er von Beginn an die erforderliche Akzeptanz genießen. Letztlich folgt die Notwendigkeit, Fragen wie Vergütung und Haftung gleich mitzuregeln auch aus dem Umstand, dass der gemeinsame Vertreter die Übernahme seines Amtes sogar von einer Haftungsbeschränkung abhängig machen kann (Langenbucher/ Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, 3. Aufl. 2020, SchVG § 7 Rn. 48). Es wäre widersinnig, sich zum gemeinsamen Vertreter bestellen zu lassen, wenn man etwa seine Haftungsbeschränkung nicht zugleich mitverhandeln könnte. Gleiches muss für die Frage der Vergütung gelten.
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b) Weiter richtet sich die Beschwerde inhaltlich gegen die Bestellung der ... . Soweit die Beschwerde hierzu ausführt, die ... sei für die Amtsausübung ungeeignet, da es sich um keine inländische juristische Person handele und das verwendete Verfahren zur Quotenverteilung für die Anleihegläubiger nachteilig sei, kann dem nicht gefolgt werden. Gleiches gilt für den Einwand, die Sachkunde der ... sei im Termin nicht nachgewiesen worden.
27
Die Kammer hält demgegenüber die Ansicht des Amtsgerichts, die ... sei als gemeinsamer Vertreter geeignet, für gut vertretbar.
28
Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SchVG kann jede geschäftsfähige Person oder jede sachkundige juristische Person zum gemeinsamen Vertreter gewählt werden. Weiteren Beschränkungen unterliegen die Gläubiger bei der Bestimmung des Wahlvertreters nicht. Insbesondere sind Personen, die der Interessensphäre des Emittenten zuzurechnen sind, nicht etwa von der Vertreterfunktion ausgeschlossen (BeckOGK/Vogel, 01.01.2024, SchVG § 7 Rn. 20). Zum Vertreter gewählt werden kann hierbei auch eine juristische Person, sofern sie entsprechend „sachkundig“ ist (BeckOGK/Vogel, 01.01.2024, SchVG § 7 Rn. 24). Voraussetzung ist jedoch, dass die zum Vertreter zu wählende juristische Person oder sonstige (teil-)rechtsfähige Personenvereinigung die zur Ausübung dieser Funktion erforderliche Sachkunde nachweist. Welche konkreten Anforderungen an diese zu stellen sind, lässt das Gesetz ebenso offen, wie seine amtliche Begründung (BeckOGK/Vogel, 01.01.2024, SchVG § 7 Rn. 25).
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Entscheidend sind insbesondere Kenntnisse im Kapitalmarkt-, Handels-, Gesellschafts- und Steuerrecht, da der gemeinsame Vertreter wirtschaftliche und unternehmerische Kennzahlen richtig interpretieren und gegebenenfalls darauf basierende, informierte Entscheidungen treffen muss. Daher dürften insbesondere Wirtschaftsprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaften, unabhängig von ihrer Rechtsform, aber auch Rechtsanwälte/Rechtsanwältinnen oder Kreditinstitute mit entsprechendem Know-How in Betracht kommen (Langenbucher/Bliesener/Spindler/Bliesener/Schneider, 3. Aufl. 2020, SchVG § 7 Rn. 15). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die erforderliche Sachkunde immer dann anzunehmen ist, wenn die juristische Person die wirtschaftlichen und rechtlichen Aufgaben des gemeinsamen Vertreters selbständig bewältigen kann (Kappenhagen, BKR 2023, 741, 742).
30
Insoweit wird eine Einschränkung hinsichtlich ausländischer juristischer Personen – zu Recht – nicht gefordert. Im Übrigen könnten bezüglich einer Beschränkung auf inländische juristische Personen, losgelöst vom Sachverhalt, Probleme mit europarechtlichen Vorgaben bestehen.
31
Der seitens der Beschwerde gezogene Vergleich mit der Entscheidung des AG München im ... Verfahren (Az. ... überzeugt, wie das Amtsgericht dargelegt hat, in diesem Zusammenhang nicht. Im dortigen Verfahren war der gemeinsame Vertreter eine Gesellschaft aus dem Vereinigten Königreich. Allerdings ergab sich die fehlende Geeignetheit dort nicht aus der Eigenschaft der Gesellschaft, eine ausländische zu sein, sondern daraus, dass die erforderliche Sachkunde nicht nachgewiesen werden konnte.
32
Entscheidend ist zudem ebenso wenig, dass es sich bei der ... um eine ausländische Rechtsform handelt. Zum einen nimmt das Gesetz auch insoweit keinerlei Einschränkungen vor, zum anderen ist das Auftreten ausländischer Firmen in diesem Bereich üblich.
33
Maßgeblich ist jedoch letztlich allein die erforderliche Sachkunde. Diese ist hier seitens des Amtsgerichts in Ansehung der Darlegungen der ... zu Recht bejaht worden. Ergänzend wird insoweit auch auf die Stellungnahme der ... vom 24.01.2024 (Bl. 610) Bezug genommen.
34
Warum, wie die Beschwerde rügt, zudem das von der ... verwendete Verfahren zur Quotenzahlung für die Ungeeignetheit der ... spreche, erschließt sich nicht. Die ... hat im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 24.01.2024 zu den Einwänden ausführlich Stellung genommen (vgl. Bl. 610 Rückseite). Die Kammer teilt die diesbezügliche Auffassung des Amtsgerichts, dass die geschilderten Risiken nur geringfügig und somit hinzunehmen sind.
35
Zu den seitens der Beschwerde benannten angeblichen Beispielsfällen einer „ungeeigneten“ Amtsführung der ... in der Vergangenheit hat sich das Amtsgericht ebenfalls zutreffend positioniert. Dem ist von Seiten der Kammer nichts hinzuzufügen.
36
c) Soweit die Beschwerde der Ansicht ist, die Vergütungsregelung und die Haftungsbegrenzung seien auch inhaltlich unzutreffend, kann dem nicht gefolgt werden.
37
Der IX. Zivilsenat des BGH (Urteil vom 12.01.2017 – IX ZR 87/16) forderte in dieser Entscheidung den Gesetzgeber auf, tätig zu werden und die sich aus einer fehlenden Regelung ergebende Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Trotz der bedeutenden Stellung des gemeinsamen Vertreters enthält das Gesetz nach wie vor keine Regelungen zur Vergütung des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren und wie diese geltend zu machen ist (Commandeur/Utsch, NZG 2022, 998). Für den gemeinsamen Vertreter hat dies zur Folge, dass er mit dem Insolvenzverwalter grundsätzlich eine Vereinbarung über die mit seiner Tätigkeit anfallenden Kosten treffen kann (Nomos-BR/Borowski SchVG/Sascha Borowski, 1. Aufl. 2019, SchVG § 19 Rn. 27). Maßgeblich ist hierbei letztlich, dass die Vergütung angemessen ist.
38
Eine angemessene Vergütung liegt nur dann vor, wenn diese Art und Umfang der ausgeübten Tätigkeit sowie das damit verbundene Risiko hinreichend abbildet. Der Gesetzgeber schreibt in § 7 Abs. 6 SchVG lediglich vor, dass die Vergütung des gemeinsamen Vertreters angemessen zu sein hat und überlässt es den Parteien, die Höhe des Anspruchs innerhalb dieser Grenzen zu konkretisieren (Brenner NZI 2014, 789, 791). Die vom Amtsgericht vertretene Ansicht, dass sich die Vergütung des gemeinsamen Vertreters nach dem Vorbild der Regelungen des RVG bestimmt, ist nicht zu beanstanden und steht zudem im Einklang mit der überwiegenden Auffassung (Holzer, NZI 2017, 465, 469 m.w.N.). Weitere Ausführungen hierzu sind seitens der Kammer nicht veranlasst.
39
Gleiches gilt für die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung. Dass die Gläubiger die Haftung des gemeinsamen Vertreters beschränken können, folgt unmittelbar aus § 7 Abs. 3 S. 2 InsO. Ausweislich der Gesetzesmaterialien soll dies auch die Möglichkeit eines gänzlichen Haftungsausschlusses beinhalten (vgl. BeckOGK/Vogel, 01.01.2024, SchVG § 7 Rn. 84).
40
Nach alledem war der sofortigen Beschwerde kein Erfolg beschieden.
41
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO i.V.m. 97 Abs. 1 ZPO.
42
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Abs. 2 ZPO zuzulassen, da Fragen von grundsätzlicher Bedeutung im Raum stehen – namentlich die Frage danach, wie konkret bei einer Ladung ein Tagesordnungspunkt hinsichtlich der Bestellung eines gemeinsamen Vertreters gefasst sein muss und welche Reichweite § 19 Abs. 2 SchVG hat hinsichtlich der Wahl bzw. Bestellung eines gemeinsamen Vertreters und weiteren Konditionen hierzu (Vergütung, Haftung). Zudem ist offen, ob § 7 Abs. 1 S. 1 SchuVG die Wahl ausländischer juristischer Personen einschränkt oder nicht.
43
Die grundsätzliche Bedeutung dieser Frage folgt daraus, dass insoweit ein uneinheitliches Meinungsbild in Rechtsprechung und Literatur besteht und obergerichtliche Entscheidungen insoweit bislang nicht ergangen sind.