Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 29.04.2024 – 102 SchH 23/24 e
Titel:

Beendigung des Schiedsrichteramts aufgrund andauernder Untätigkeit

Normenkette:
ZPO § 1038
Leitsätze:
1. Im Gegensatz zu rechtlichen und tatsächlichen Gründen im Sinne des § 1038 ZPO sind Gründe, die das Erfüllen der schiedsrichterlichen Aufgaben innerhalb einer angemessenen Frist verhindern, solche, die nicht auf Dauer bestehen, nicht endgültig oder unbehebbar sind; erfasst werden in erster Linie Verzögerungsfälle. Dabei steht nur das zeitliche „Wann“ (im Unterschied zu dem inhaltlichen „Wie“) der Aufgabenerfüllung zur Gerichtskontrolle, da die staatlichen Gerichte nicht die Aufgabe haben, den Struktur- und Zeitplan des Schiedsgerichts zu gestalten und mit eigenen Vorstellungen auszufüllen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entscheidung hinsichtlich der Angemessenheit der Aufgabenerfüllung kann nur im konkreten Einzelfall getroffen werden, insbesondere unter Berücksichtigung der Regelung in der Schiedsvereinbarung, der jeweiligen Aufgabe, der Komplexität des Rechtsstreits und der Zumutbarkeit eines weiteren Abwartens. Hat ein Schiedsrichter über einen längeren Zeitraum gar nichts unternommen, kann sich dies in Anbetracht der Gesamtumstände und unter Berücksichtigung der technischen sowie rechtlichen Schwierigkeiten des Falles als schlechthin unannehmbar darstellen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schiedsvereinbarung, Beendigung des Schiedsrichteramts, Ersatzeinzelschiedsrichter, Verzögerung des Verfahrens
Fundstelle:
BeckRS 2024, 9438

Tenor

I. Das Amt des mit Senatsbeschluss vom 29. Juli 2022, Az. 102 SchH 55/22, bestellten Ersatzeinzelschiedsrichters … wird für beendet erklärt.
II. Zur Durchführung des Schiedsverfahrens zwischen den Parteien wegen der Ansprüche der Antragstellerin nach Auflösung der mit dem Antragsgegner gebildeten Steuerberatersozietät wird zum Ersatzeinzelschiedsrichter bestellt:
Rechtsanwalt YYY, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, c/o …
III. Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben
IV. Der Streitwert für das Bestellungsverfahren wird auf 245.000,00 € festgesetzt

Gründe

I.
1
Aufgrund Sozietätsvertrags vom 24. März 1992 war die Antragstellerin mit dem Antragsgegner in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zur gemeinsamen Ausübung des steuer- und wirtschaftsberatenden Berufs verbunden.
2
Nach § 15 des Vertrags bleibt die Gesellschaft bei Ausscheiden eines Gesellschafters grundsätzlich bestehen. Für den Fall, dass der Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens nur zwei Gesellschafter angehören, bestimmt § 15, dass der verbleibende Gesellschafter die Kanzlei als Einzelunternehmen weiterbetreiben kann. § 16 des Gesellschaftsvertrags besagt, dass sich die Parteien über die Einzelheiten der Auflösung in einer gesonderten Vereinbarung zu einigen haben, wenn sie übereinstimmend die Auflösung der Gesellschaft wünschen. § 17 des Gesellschaftsvertrags bestimmt für Streitigkeiten der Gesellschafter:
3
Sämtliche Gesellschafter verpflichten sich, etwaige Streitigkeiten unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs beizulegen. Statt der Anrufung eines öffentlichen Gerichts haben sie einen neutralen Dritten zu bestimmen, der in Zusammenarbeit mit den Gesellschaftern versucht, die Streitigkeiten beizulegen. Können sich die Gesellschafter auf keinen solchen neutralen Dritten einigen, so erklären sie sich bereits jetzt damit einverstanden, dass ein solcher von der Bundes-Steuerberaterkammer bestimmt wird. Auch erklären sich die Gesellschafter bereits jetzt damit einverstanden, dass sie sich mit [sic!] dem Schiedsspruch des neutralen Dritten unterwerfen, falls eine gütliche Einigung auch unter Mitwirkung dieses neutralen Dritten nicht zustande kommt.
4
Erfüllungsort und Gerichtsstand ist L..
5
Aufgrund ihres Ausschlusses aus der Sozietät mit Schreiben des Antragsgegners vom 11. Oktober 2002 und nach Bestimmung eines Schiedsrichters durch die Bundessteuerberaterkammer erhob die Antragstellerin Schiedsklage gegen den Antragsgegner, mit der sie sich gegen ihren Ausschluss und weitere Maßnahmen des Antragsgegners wandte. Im Schiedsverfahren schlossen die Parteien am 15. Januar 2003 einen Zwischenvergleich, in dem sie sich auf die Auflösung der Sozietät zu diesem Tag einigten und Regelungen zur Abwicklung trafen. Unter anderem sollte im schiedsgerichtlichen Verfahren ein Gutachten zum Wert der Sozietät bezogen auf den 15. Januar 2003 und zur Höhe des im Rahmen der Sozietätsauflösung zu erbringenden Ausgleichsbetrags eingeholt werden. In der Folgezeit wurden mehrere Sachverständigengutachten erstattet, über deren Inhalt und Brauchbarkeit die Parteien seit Jahren streiten.
6
Einen Antrag der Antragstellerin, die Beendigung des Schiedsrichteramts auszusprechen, wies das Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 17. Dezember 2010 ab. Nachdem der vormalige Schiedsrichter im September 2018 sein Amt niedergelegt hatte, bestellte der Senat mit Beschluss vom 29. Juli 2022, Az. 102 SchH 55/22, Rechtsanwalt und Steuerberater … als Ersatzeinzelschiedsrichter. Der Beschluss wurde den Parteien und dem Schiedsrichter formlos übersandt. Vor der Bestellung hatte die damalige Berichterstatterin, Richterin am Bayerischen O. L1. Dr. S., mit Rechtsanwalt … telefonisch abgeklärt, dass dieser zur Übernahme des Schiedsrichteramts bereit und in der Lage ist. Auf die Verfügung vom 30. Juni 2022 im Verfahren 102 SchH 55/22 wird Bezug genommen.
7
Eine schriftliche Nachfrage der Antragstellerin vom 24. November 2022, wann mit dem Fortgang des Schiedsverfahrens gerechnet werden könne, blieb unbeantwortet. Nach zahlreichen erfolglosen telefonischen Bemühungen gelang der Antragstellerin im März 2023 eine Kontaktaufnahme mit dem Schiedsrichter, der angab, von seiner Bestellung keine Kenntnis zu haben. Auf die mit Schreiben vom 24. März 2023 erfolgte Übermittlung des Bestellungsbeschlusses durch die Antragstellerin reagierte der Schiedsrichter nicht, ebenso wenig auf eine weitere schriftliche Nachfrage vom 22. Mai 2023. Mit Schreiben vom 25. Juli 2023 forderte die Antragstellerin den Schiedsrichter auf, bis 9. August 2023 den Rücktritt vom Amt des Schiedsrichters zu erklären, nachdem er auf erneute telefonische Nachfrage mitgeteilt hatte, er sei in absehbarer Zeit aufgrund anderweitiger Verpflichtungen nicht in der Lage, das Verfahren fortzuführen. Auch auf dieses Schreiben erfolgte keine Reaktion. Auf ein weiteres Schreiben vom 14. September 2023, mit dem die Antragstellerin den Schiedsrichter nochmals zum Rücktritt aufforderte, übersandte der Schiedsrichter am 14. September 2023 folgende E-Mail:
Sehr geehrter Herr K. …, vielen Dank für Ihr Schreiben vom 14.9.2023.
Hiermit bestätige ich wie bereits mündlich besprochen, dass ich das Amt des Schiedsrichters mangels Zeit in absehbarer Zukunft in Ihrem Schiedsgerichtsverfahren leider nicht ausüben kann. Ich bedauere, Ihnen keine positive Nachricht übermitteln zu können und verbleibe… Nach erfolglosen Bemühungen der Antragstellerin, anderweitig einen Schiedsrichter zu finden, beantragte sie mit Schriftsatz vom 21. Februar 2024 zunächst, die Undurchführbarkeit der Schiedsklausel und die Eröffnung des ordentlichen Rechtswegs auszusprechen, hilfsweise einen Ersatzeinzelschiedsrichter für das Schiedsverfahren zu benennen. Mit Verfügung vom 26. Februar 2024 erteilte der Vorsitzende den Hinweis, dass Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit des Hauptantrags bestünden. Es erscheine ferner fraglich, ob der Schiedsrichter … tatsächlich von seinem Amt zurückgetreten sei.
8
Der Antragsgegner nahm in seiner Stellungnahme vom 19. März 2024 den Standpunkt ein, das Verfahren sei nicht undurchführbar, auch könne die E-Mail des Schiedsrichters nicht als Rücktrittserklärung verstanden werden. Gegebenenfalls müsse ein neuer Schiedsrichter bestellt werden.
9
Die Antragstellerin vertrat dagegen die Ansicht, die Voraussetzungen des § 1035 Abs. 4 ZPO seien erfüllt, da der bestellte Schiedsrichter seine Aufgaben nicht wahrnehme. Vor dem Hintergrund der unangemessen langen Dauer des Schiedsverfahrens von mittlerweile 22 Jahren müsse für sie im Hinblick auf die grundgesetzlich verankerte Rechtsschutzgarantie der Gang zu den ordentlichen Gerichten eröffnet werden. Die Mitteilung des Schiedsrichters … sei als Rücktritt zu verstehen, jedenfalls aber sei dieser seinen Aufgaben nicht in angemessener Frist nachgekommen.
10
Sie beantragt nunmehr,
1.
die Beendigung des Schiedsrichteramts des Schiedsrichters … auszusprechen,
2.
einen Ersatzeinzelschiedsrichter für das Schiedsverfahren zu benennen.
3.
Hilfsweise für den Fall, dass kein Ersatzeinzelschiedsrichter benannt werden kann, die Undurchführbarkeit der Schiedsklausel und die Eröffnung des ordentlichen Rechtswegs auszusprechen.
11
Schiedsrichter …, dem Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist, hat sich lediglich telefonisch bei Gericht gemeldet und wiederholt, er habe keine Zeit für die Sache, was er den Parteien bereits mitgeteilt habe. Er habe sich seinerzeit nur dazu bereit erklärt, die Unterlagen anzuschauen und zu prüfen, ob er zeitlich in der Lage sei, als Schiedsrichter tätig zu werden. Der Aufforderung, schriftsätzlich mitzuteilen, dass er sein Amt nicht (mehr) ausüben wolle oder könne, ist er nicht nachgekommen.
12
Auf den Hinweis der nunmehrigen Berichterstatterin, dass als möglicher Ersatzeinzelschiedsrichter der bei einer Anwaltskanzlei in E. tätige Rechtsanwalt YYY in Betracht komme, hat die Antragstellerin erklärt, aus fachlicher Sicht spreche nichts gegen den Vorschlag, lediglich hinsichtlich der örtlichen Distanz bestünden Bedenken. Der Antragsgegner hat mitgeteilt, er habe keine Einwände. Die Akte 102 SchH 55/22 hat der Senat beigezogen.
II.
13
Auf die zulässigen Hauptanträge der Antragstellerin ist das Amt des Einzelschiedsrichters … für beendet zu erklären und ein Ersatzeinzelschiedsrichter zu bestimmen.
14
1. Die Anträge sind statthaft und auch im Übrigen zulässig.
15
a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist bezüglich des streitgegenständlichen Schiedsverfahrens gemäß § 1025 Abs. 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5 Satz 1 ZPO i. V. m. § 7 BayGZVJu für die Ausübung der in § 1038 Abs. 1 Satz 2, § 1039 Abs. 1, § 1035 Abs. 4 und 5 ZPO bezeichneten gerichtlichen Aufgaben sachlich und örtlich zuständig (vgl. auch BayObLG, Beschluss vom 29. Juli 2022, 102 SchH 55/22).
16
b) Auch das Rechtsschutzbedürfnis ist zu bejahen. Gemäß § 1038 Abs. 1 Satz 2 ZPO kann jede Partei bei Gericht eine Entscheidung über die Beendigung des Amts eines Schiedsrichters nur dann beantragen, wenn der Schiedsrichter von seinem Amt nicht zurücktritt oder sich die Parteien über dessen Beendigung nicht einigen. Dies ist hier der Fall.
17
aa) Die Parteien haben sich vor der Stellung des Antrags nach § 1038 Abs. 1 ZPO nicht über die Beendigung des Amts des Schiedsrichters geeinigt. Der Antragsgegner hat noch im Schriftsatz vom 19. März 2024 den Standpunkt vertreten, der vom Senat bestellte Schiedsrichter habe sich zur Amtsübernahme bereit erklärt, es sei nicht ersichtlich, weswegen das Verfahren undurchführbar sein solle. Auch der Umstand, dass der Antragsgegner keine Bedenken gegen die als Ersatzeinzelschiedsrichter in Betracht kommende Person geäußert hat, kann nicht als Einigung der Parteien über die gemeinschaftliche Abberufung des bislang bestellten Einzelschiedsrichters ausgelegt werden.
18
bb) Rechtsanwalt … ist nicht gemäß § 1038 Abs. 2 ZPO von seinem Amt als Schiedsrichter zurückgetreten. Auf die wiederholte und eindeutige Aufforderung der Antragstellerin, den Rücktritt vom Schiedsrichteramt zu erklären, hat er lediglich mitgeteilt, dass er das Amt des Schiedsrichters „mangels Zeit in absehbarer Zukunft“ nicht ausüben könne. Dies lässt offen, ob er sich nur vorübergehend außerstande sieht, tätig zu werden oder ob er das ihm vom Senat übertragene Amt dauerhaft nicht ausüben kann oder will. Eine klare und unmissverständliche Erklärung zur Frage des Rücktritts vom Amt, wie sie von einem Rechtsanwalt zu erwarten ist, hat der Schiedsrichter auch im laufenden Verfahren nicht abgegeben, obwohl er bei einer telefonischen Nachfrage ausdrücklich um eine schriftsätzliche Erklärung gebeten worden ist.
19
2. Der Antrag, das Schiedsrichteramt des Einzelschiedsrichters Rechtsanwalt … für beendet zu erklären, ist begründet.
20
a) Wie bereits im Senatsbeschluss vom 29. Juli 2022, Az. 102 SchH 55/22, festgestellt, bestehen gegen die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung (§ 1029 Abs. 2 ZPO) und deren Anwendbarkeit auf den vorliegenden Streit nach summarischer Bewertung keine Bedenken; sie kann auf der Grundlage des dem Senat unterbreiteten Vorbringens auch nicht als verbraucht oder aus sonstigen Gründen als beendet angesehen werden. Die Ausführungen der Antragstellerin tragen auch insgesamt nicht die Annahme, die Schiedsvereinbarung sei offensichtlich undurchführbar im Sinn des § 1032 Abs. 1 a. E. ZPO geworden.
21
aa) Für den Zeitraum bis zur Bestellung des Einzelschiedsrichters … im Juli 2022 kann auf die Ausführungen im Beschluss vom 29. Juli 2022, Az. 102 SchH 55/22, Bezug genommen werden.
22
bb) Anhaltspunkte dafür, dass sich die Parteien zwischenzeitlich auf die Beendigung der Schiedsvereinbarung geeinigt hätten, liegen nicht vor. Die Tatsache, dass der vom Senat bestellte Schiedsrichter wider Erwarten längere Zeit keine Aktivitäten entfaltet hat und die Parteien nunmehr über dessen Abberufung und die Bestellung eines anderen Ersatzschiedsrichters streiten, macht die Schiedsvereinbarung nicht undurchführbar i. S. d. § 1032 Abs. 1 a. E. ZPO. Für diese Situation hält das Gesetz Regelungen bereit. Dadurch ist gewährleistet, dass wirkungsvoller Rechtsschutz durch die private Schiedsgerichtsbarkeit, auf die sich die Parteien hier geeinigt haben, gewährleistet werden kann. Die über das Bestellungsverfahren getroffenen Vereinbarungen erlauben auch nicht die Auslegung, dass in der nunmehrigen Situation nach dem Willen der Parteien eine Bestellung durch das Gericht ausgeschlossen und der Weg zu den ordentlichen Gerichten offen wäre.
23
b) Die Voraussetzungen für eine Beendigung des Amts des Schiedsrichters liegen in Bezug auf Rechtsanwalt … vor.
24
Nach § 1038 Abs. 1 ZPO kann ein Schiedsrichter durch gerichtliche Entscheidung abberufen werden, wenn er rechtlich oder tatsächlich außerstande ist, seine Aufgaben zu erfüllen, oder er aus anderen Gründen seinen Aufgaben in angemessener Frist nicht nachkommt.
25
Bei dem Verfahren nach § 1038 Abs. 1 ZPO handelt es sich im Gegensatz zum Ablehnungsverfahren (§ 1037 ZPO), das die subjektiven Vorgaben für das Schiedsrichteramt umfasst, um eine Regelung, die darauf abzielt, objektive Hemmnisse im Verfahrensgang des Schiedsgerichts auszuräumen (vgl. Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2022, § 1038 Rn. 7). Rechtliche oder tatsächliche Umstände, die den Einzelschiedsrichter daran hindern, seinen Aufgaben nachzukommen, sind weder vorgetragen noch in sonstiger Weise ersichtlich. Die Aufgabenerfüllung ist jedoch im vorliegenden Fall durch den gerichtlich bestellten Einzelschiedsrichter i. S. v. § 1038 Abs. 1 ZPO ungebührlich verzögert worden.
26
aa) Im Gegensatz zu rechtlichen und tatsächlichen Gründen im Sinne des § 1038 ZPO sind Gründe, die das Erfüllen der schiedsrichterlichen Aufgaben innerhalb einer angemessenen Frist verhindern, solche, die nicht auf Dauer bestehen, nicht endgültig oder unbehebbar sind; erfasst werden in erster Linie Verzögerungsfälle (BayObLG, Beschluss vom 9. Februar 2022, 101 SchH 125/21, juris Rn. 130; OLG München, Beschluss vom 25. Februar 2015, 34 SchH 21/13, SchiedsVZ 2016, 51 [54] [juris Rn. 89]; Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1038 Rn. 18). Dabei steht nur das zeitliche „Wann“ (im Unterschied zu dem inhaltlichen „Wie“) der Aufgabenerfüllung zur Gerichtskontrolle (Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1038 Rn. 19), da die staatlichen Gerichte nicht die Aufgabe haben, den Struktur- und Zeitplan des Schiedsgerichts zu gestalten und mit eigenen Vorstellungen auszufüllen. Die Entscheidung hinsichtlich der Angemessenheit der Aufgabenerfüllung kann nur im konkreten Einzelfall getroffen werden, insbesondere unter Berücksichtigung der Regelung in der Schiedsvereinbarung, der jeweiligen Aufgabe, der Komplexität des Rechtsstreits und der Zumutbarkeit eines weiteren Abwartens (ausführlich zu den Aspekten: BayObLG, Beschluss vom 9. Februar 2022, 101 SchH 125/21, juris Rn. 131 m. w. N.). Hat ein Schiedsrichter über einen längeren Zeitraum gar nichts unternommen, kann sich dies in Anbetracht der Gesamtumstände und unter Berücksichtigung der technischen sowie rechtlichen Schwierigkeiten des Falles als schlechthin unannehmbar darstellen (vgl. Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1038 Rn. 19 unter Hinweis auf Kriterien der UNCITRAL-Arbeitsgruppe).
27
Für die Frage der Amtsbeendigung nach § 1038 ZPO kommt es, wenn der Schiedsrichter seinen Aufgaben nicht in angemessener Frist nachkommt, grundsätzlich nicht auf den Grund an (vgl. Voit in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 1038 Rn. 6). Auch ein etwaiges Verschulden des Schiedsrichters ist ohne Belang (Münch in Münchener Kommentar zur ZPO, § 1038 Rn. 18; Voit in Musielak/Voit, a. a. O.).
28
bb) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Schiedsrichter … die Aufgabenerfüllung unangemessen verzögert.
29
Dieser ist durch Senatsbeschluss vom 29. Juli 2022 für das bereits seit rund 20 Jahren anhängige Schiedsverfahren zum Ersatzeinzelschiedsrichter bestellt worden, nachdem der vormalige Schiedsrichter das Amt niedergelegt hatte. Die Bestellung erfolgte in Absprache mit Rechtsanwalt … und unter Hinweis auf die wesentlichen Umstände. Vor dem Hintergrund der außergewöhnlich langen Verfahrensdauer, insbesondere auch des mehrjährigen Verfahrensstillstands in der Zeit zwischen der Amtsniederlegung durch den vormaligen Schiedsrichter bis zur Bestellung von Rechtsanwalt … als Ersatzschiedsrichter, wäre zu erwarten gewesen, dass sich dieser zeitnah der Sache annimmt. Stattdessen hat der Schiedsrichter auf wiederholte Nachfrage der Antragstellerin zunächst nicht geantwortet und schließlich im September 2023 mitgeteilt, dass er das Amt des Schiedsrichters „mangels Zeit in absehbarer Zukunft“ nicht ausüben könne. Bis heute liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass Rechtsanwalt … seit seiner Bestellung im Jahr 2022 irgendwelche Aktivitäten entwickelt hat, sein Verhalten lässt auch nicht erwarten, dass er sich nunmehr einarbeitet und dem Schiedsverfahren Fortgang gewährt. Verfahrensbezogene Gründe führt der Schiedsrichter in diesem Zusammenhang weder an noch sind solche ersichtlich. Er verweist lediglich ohne nähere Konkretisierung auf mangelnde Zeit „in absehbarer Zukunft“, mithin auf nicht näher greifbare, in seiner Sphäre liegende Umstände, deren Dauer unbekannt bleibt. Bei dieser Sachlage und insbesondere vor dem Hintergrund des bisherigen Verlaufs und der Dauer des Schiedsverfahrens ist der Antragstellerin als Schiedsklägerin ein Festhalten am gerichtlich bestellten Einzelschiedsrichter nicht zumutbar, nachdem dieser Schiedsrichter offenbar nicht bereit ist, das Verfahren in der sachlich gebotenen Weise zu betreiben.
30
3. Der Antrag auf Bestellung eines Ersatzeinzelschiedsrichters gemäß § 1039 Abs. 1 ZPO ist ebenfalls begründet.
31
a) Die Kompetenz zur Bestellung des Ersatzschiedsrichters ist auf das Gericht übergegangen.
32
Gemäß § 1039 Abs. 1 ZPO ist ein Ersatzschiedsrichter insbesondere dann zu bestellen, wenn nach § 1038 ZPO das Amt des Schiedsrichters geendet hat. Da die Parteien eine abweichende Vereinbarung nicht getroffen haben, erfolgt nach § 1039 Abs. 1 Satz 2 ZPO die Bestellung des Ersatzschiedsrichters nach den Regeln, die auf die Bestellung des zu ersetzenden Schiedsrichters anzuwenden waren.
33
Die Parteien haben sich nicht auf einen Ersatzschiedsrichter geeinigt. Da der weggefallene Schiedsrichter durch das Gericht bestellt wurde, ist auch der Ersatzschiedsrichter durch das Gericht zu ernennen (Schütze in Schütze/Thümmel, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 7. Aufl. 2021, § 1 Rn. 101).
34
b) Gemäß § 1039 ZPO i. V. m. § 1035 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 ZPO bestellt der Senat die im Tenor bezeichnete Person zum Ersatzschiedsrichter.
35
Rechtsanwalt YYY verfügt über die erforderliche fachliche Qualifikation, er ist zur Übernahme des ihm angetragenen Amts bereit und hat versichert, er könne und wolle sich der Sache zeitnah annehmen. Er ist sowohl in steuerrechtlichen Fragen erfahren, zugleich verfügt er über besondere Fachkenntnisse im Schieds- und Gesellschaftsrecht. Rechtsanwalt YYY bietet damit aufgrund seiner Qualifikation und beruflichen Erfahrung die Gewähr für eine sachgerechte Erfassung der mit der Streitigkeit verbundenen materiell-rechtlichen und bewertungsrechtlichen Probleme sowie für ein justizförmiges Verfahren. Anhaltspunkte, die Zweifel an der Unabhängigkeit und der Unparteilichkeit des nunmehr bestellten Schiedsrichters erwecken könnten, sind nicht zutage getreten. Personenbezogene Einwände wurden von den Parteien nicht erhoben, insbesondere wurden von keiner Seite Bedenken geäußert, weil Rechtsanwalt YYY nicht über eine Zulassung als Steuerberater verfügt.
36
Vor dem Hintergrund der langen Dauer des Schiedsverfahrens und der Notwendigkeit, einen in verschiedenen Fachbereichen qualifizierten und zur Übernahme bereiten Schiedsrichter zu finden, ist die Tatsache, dass Rechtsanwalt YYY in E. tätig ist, von untergeordneter Bedeutung, zumal mit der Bestellung keine Festlegung des Schieds- oder Tagungsorts (§ 1043 ZPO) verbunden ist.
III.
37
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 92 Abs. 1 ZPO (vgl. OLG München, Beschluss vom 29. Januar 2010, 34 SchH 11/09, SchiedsVZ 2010, 168 [juris Rn. 16]; Beschluss vom 18. Juni 2009, 34 SchH 3/09, juris Rn. 13). Dass das vereinbarte Bestellungsverfahren für den Ersatzeinzelschiedsrichter gescheitert ist, hat keine der Parteien zu vertreten. Der bloße Umstand, dass die Antragstellerin die Initiative zur Bestellung des Schiedsrichters ergriffen hat, rechtfertigt es nicht, den Antragsgegner als unterlegene Partei zu behandeln. Es ist auch nicht ersichtlich, dass überwiegend die eine oder die andere Partei den Grund für die Untätigkeit von Rechtsanwalt … und die daraus folgende Notwendigkeit zur Bestellung eines anderen Ersatzschiedsrichters zu verantworten hätte. Die Tatsache, dass die Antragstellerin zunächst beantragt hat, die „Undurchführbarkeit der Schiedsklausel“ und „die Eröffnung des ordentlichen Rechtswegs“ auszusprechen und nur hilfsweise die Bestellung eines Ersatzschiedsrichters begehrt hat, rechtfertigt keine andere Kostenverteilung. Nach der auf richterlichen Hinweis erfolgten Umkehrung von Haupt- und Hilfsantrag ist für den Streitwert des Verfahrens auf den Antrag auf Abberufung des Schiedsrichters abzustellen, der nach der Rechtsprechung mit einem Drittel der Hauptsache und somit höher zu bewerten ist als ein Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens nach § 1032 Abs. 2 ZPO. Für diesen beträgt der Streitwert lediglich ein Fünftel der Hauptsache (vgl. BayObLG, Beschluss vom 31. Januar 2024, 101 SchH 237/23 e, juris Rn. 22 m. w. N.).
38
Die Streitwertbestimmung beruht auf § 3 ZPO. Sie entspricht aus den dargelegten Gründen der Streitwertfestsetzung im vorangegangenen Verfahren. Gründe für eine abweichende Bewertung sind weder ersichtlich noch geltend gemacht worden.
39
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben, § 1065 Abs. 1 Satz 2 ZPO.