Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 11.04.2024 – Au 5 S 24.30322
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung in den Iran

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 S. 1
AsylG § 3 Abs. 4, § 4 Abs. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 8, § 34 Abs. 1, § 36 Abs. 3, § 71 Abs. 5 S. 3
AufenthG § 59, § 60 Abs. 5, Abs. 7
Leitsatz:
Steigt das BAMF im Asylfolgeantragsverfahren in die Prüfung ein und führt ein weiteres Asylverfahren durch, ist nach dem Rückführungsverbesserungsgesetz ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen mit der Konsequenz der sofortigen Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweiliger Rechtsschutz, iranische Staatsangehörige, Folgeantrag, Ablehnung des Asylfolgeantrags als offensichtlich unbegründet, vereinzelte niederschwellige Demonstrationsteilnahmen in Deutschland, keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung bzw. Gefährdung glaubhaft gemacht, Eilverfahren, Sofortvollzug, aufschiebende Wirkung, Asylverfahren, Asylfolgeantrag, offensichtlich unbegründet, Iran, exilpolitische Aktivitäten, Opposition, Demontrationsteilnahme, Abschiebungsandrohung, Rückführungsverbesserung, Verfolgungsfurcht, Glaubhaftmachung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 9374

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwältin,, für die Verfahren Au 5 S 24.30322 und Au 5 K 23.30321 wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofort vollziehbare Androhung der Abschiebung in den Iran bzw. in einen anderen aufnahmebereiten Staat.
2
Die am ... 1986 im Iran geborene Antragstellerin ist iranische Staatsangehörige persischer Volkszugehörigkeit und nach eigenen Angaben christlichen Glaubens. Sie reiste am 17. September 2019 mit ihren Kindern in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 26. September 2019 stellte die Familie Asylanträge.
3
Die Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) erfolgte am 14. Oktober 2021. Auf den Inhalt der Niederschrift der Anhörung wird Bezug genommen.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 25. Februar 2020 (Az. ...) wurden die Asylanträge der Antragstellerin und ihrer Kinder abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Klage wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 12. August 2020 abgewiesen (Az. Au 5 K 20.30334). Der gegen dieses Urteil gerichtete Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. März 2021 abgelehnt (Az. 14 ZB 20.31905).
5
Am 17. März 2023 stellte die Antragstellerin einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag).
6
Das Bundesamt führte in der Folge ein weiteres Asylverfahren durch. Die informatorische Anhörung der Antragstellerin erfolgte am 22. Februar 2024. Hier trug die Antragstellerin im Wesentlichen vor, dass sie im Oktober 2022 bei einer großen Demo in B. teilgenommen habe. Außerdem habe sie am 8. Oktober 2022 in M. und am 3. Dezember 2022 in A. vor dem Rathaus an Demonstrationen teilgenommen. Der Sohn ihrer Schwester habe sich in dieser Zeit freiwillig bei der Basij angemeldet. Die Antragstellerin habe ihrem Neffen Fotos und Videos von den Demonstrationen geschickt. Diese seien bei der Behörde der Basij bekannt geworden. Dadurch sei ihr Neffe in Untersuchungshaft gesteckt worden. Die letzte Nachricht sei eine Voicenachricht ihrer Schwester gewesen, in der sich die Schwester erkundigt habe, ob alles in Ordnung sei. Sie habe ihre Schwester nicht kontaktieren können, weil diese gemeint habe, dass dies gefährlich sei, da die Telefonleitung kontrolliert werden könnte. Der Neffe habe der Basij nur gesagt, dass seine Tante sich in Bayern aufhalte. Die richtige Anschrift sei der Basij nicht bekannt. Da die Antragstellerin seit drei bis vier Monaten keinen Kontakt mehr zu ihrer Schwester habe, wisse sie auch nicht, was mit dem Neffen sei. Auf Nachfrage, wie die Behörde der Basij von den Fotos/Videos erfahren habe, teilte die Antragstellerin mit, dass sie dies nicht genau wisse. Im Januar 2023 habe sie die Nachricht bekommen, dass ihr Neffe in Untersuchungshaft sei. Sie wisse nicht genau, wie die Basij das rausgefunden habe. Ihr sei berichtet worden, dass die Regierung im Iran erzählt habe, dass die Demonstrationen in Deutschland aufgrund der Inflation seien. Aber ihr Neffe habe aufgrund seiner Naivität gesagt, dass er Beweise habe, dass in Deutschland gegen das iranische Regime demonstriert worden sei. Bei den in den Iran geschickten Bildern handle es sich um die Aufnahmen, die die Antragstellerin dem Bundesamt vorgelegt habe. Über das Schicksal ihres Neffen sei die Antragstellerin über „lmo“ informiert worden. Das sei ein Account wie Wh.A. oder I.. Auch wenn das Internet gesperrt gewesen sei, sei es ab und an freigeschaltet worden und man habe Kontakt haben können. Die Fotos/Videos habe sie ihrem Neffen auch über „lmo“ geschickt. Auf die Frage, ob die Antragstellerin an weiteren Demonstrationen teilgenommen habe, verneinte sie. Wegen ihres Sohnes könne sie nicht an weiteren Demonstrationen teilnehmen. Auf Nachfrage, was die Antragstellerin auf den Demonstrationen gemacht habe, teilte sie mit, dass sie einen Lautsprecher in der Hand gehabt und Parolen gerufen habe. Sie habe Flaggen an die Demonstranten verteilt. Auf die Frage, ob die Antragstellerin noch weitere exilpolitische Aktivitäten wahrgenommen habe oder wahrnehme, verneinte sie. Sie habe aber gelernt, wie sie gegen das Regime kämpfen könne. Wenn sie in den Iran zurückkehren müsste, würde sie weiterhin aktiv sein. Je älter sie werde, desto mehr begreife sie, was die Mullahs ihnen angetan hätten. Ihr Ziel sei es, das Regime zu vernichten. Das sei ihre Motivation, sich politisch zu betätigen. Vor den genannten Demonstrationen sei sie nicht politisch aktiv gewesen. Auf die Frage, was sie aktuell zu ihrem Neffen wisse, gab die Antragstellerin an, dass sie seit drei bis vier Monaten keinen Kontakt mehr habe. Sie habe eigentlich Beweismittel vorlegen wollen, dass der Neffe bei der Basij arbeite, aber das sei ihr nicht gelungen. Auf die Frage, wie sie zu der Annahme komme, dass die iranischen Sicherheitsbehörden die Antragstellerin schon am Flughafen aufgrund ihres Bildes erkennen könnten, teilte sie mit, dass sie dem Regime nach der ganzen Geschichte bekannt sei und im Iran gesucht werde. Das Regime versuche, seine Gegner auszuschalten. Im Falle einer Rückkehr in den Iran befürchte sie, verhaftet und getötet zu werden. Auf die Frage, ob die Antragstellerin wisse, dass ihr Mann beim iranischen Konsulat gewesen sei, um einen Reisepass zu beantragen, gab sie an, dass er einen iranischen Pass habe beantragen müssen, da er eine Duldung bekommen habe. Das Landratsamt habe ihn aufgefordert, einen Pass zu beantragen. Sie selbst habe Angst davor, zum Konsulat zu gehen. Im Gegensatz zu ihr sei ihr Mann nicht so politisch aktiv. Er habe sich bei den Demonstrationen eher im Hintergrund gehalten. Sie wisse nicht, ob er auf den Fotos und Videos auch zu sehen sei. Sie habe die Fotos und Videos ihrem Neffen einfach so geschickt, ohne weitere Absichten. Sie wisse deshalb nicht, wer darauf zu sehen sei.
7
Mit Bescheid vom 18. März 2024 (Az. ...), am 26. März 2024 als Einschreiben zur Post gegeben, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab. Es wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorliegen (Nr. 4). Die Antragstellerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen und die Abschiebung in den Iran wurde angedroht (Nr. 5).
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Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
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Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 2. April 2024 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist (Az. Au 5 K 24.30321). Zudem hat sie einen Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung der Antragstellerinbevollmächtigten gestellt.
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Zugleich hat sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die im Bescheid des Bundesamts vom 18. März 2024 enthaltene Abschiebungsandrohung anzuordnen.
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Zur Antragsbegründung wurde ausgeführt, dass die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet angesichts der brutalen Vorgehensweise der iranischen Behörden gegen Demonstranten grob unbillig sei. Es werde auf den beigefügten Bericht der Tagesschau vom 23. Januar 2024 verwiesen, wonach erneut ein Demonstrant im Iran hingerichtet worden sei. Amnesty International kritisiere u.a. undurchsichtige Verfahren und häufig durch Folter erzwungene Geständnisse, die zu Todesstrafen führten. Allein daraus, dass der Ehemann der Antragstellerin auch an Demonstrationen teilgenommen habe und sich danach einen iranischen Pass habe ausstellen lassen, könne nicht geschlossen werden, dass der Antragstellerin keine asylerhebliche Verfolgung im Iran drohe. Zum einen habe sich der Ehemann der Antragstellerin bei den Demonstrationen im Hintergrund aufgehalten, zum anderen würden die iranischen Behörden gegen Demonstranten oft willkürlich vorgehen.
13
Das Bundesamt legte die Behördenakten des Erst- und Folgeverfahrens elektronisch vor.
14
Mit Schriftsatz vom 3. April 2024 hat die Antragsgegnerin beantragt,
15
den Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) abzulehnen.
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Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
17
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheids des Bundesamts vom 18. März 2024 (Az. *) anzuordnen, ist zwar zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig.
19
Der Antrag auf aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung ist nach § 80 Abs. 5 VwGO, § 30 Abs. 1 Nr. 8, § 36 Abs. 3, § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG statthaft. Die Antragsfrist von einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids wurde eingehalten.
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2. Der Antrag ist unbegründet.
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a) Gegenstand des gerichtlichen Eilverfahrens ist die Abschiebungsandrohung als aufenthaltsbeendende Maßnahme, beschränkt auf die Frage ihrer sofortigen Vollziehbarkeit. Die sofortige Beendigung des Aufenthalts eines Asylbewerbers im Bundesgebiet stützt sich auf die (qualifizierte) Ablehnung seines Asylantrags als offensichtlich unbegründet und ist deren Folge. Anknüpfungspunkt der gerichtlichen Prüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes muss daher die Frage sein, ob das Bundesamt den Asylantrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat, ohne dass deshalb der Ablehnungsbescheid selbst zum Verfahrensgegenstand wird (vgl. zum Ganzen: BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. – juris Rn. 93). Im Falle einer Ablehnung des Asylantrags und des Antrags auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet, darf gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166/189 ff. – juris Rn. 99).
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Die Entscheidung über ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann in Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG nicht ungeprüft bleiben. Da mit der Ablehnung als offensichtlich unbegründet die sofortige Vollziehbarkeit einhergeht und ein noch nicht bestandskräftiger Verwaltungsakt nicht trotz bestehender Abschiebungsverbote vollzogen werden darf, ist zusätzlich die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung zu prüfen, d.h. insbesondere das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG (siehe zum Ganzen: Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 36 AsylG Rn. 21).
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Vorliegend ist darauf hinzuweisen, dass die Ablehnung als offensichtlich unbegründet in der vorliegenden Konstellation vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG (i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung v. 21.2.2024, BGBl. I Nr. 54 – Rückführungsverbesserungsgesetz) ist ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn – wie hier – der Ausländer einen Folgeantrag gestellt hat und ein weiteres Asylverfahren durchgeführt wurde. Da das Bundesamt vorliegend in die Prüfung eingestiegen ist und ein weiteres Asylverfahren durchgeführt hat – es ist keine Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig ausgesprochen worden –, ist der Ausspruch der offensichtlichen Unbegründetheit mit der Konsequenz der sofortigen Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung demnach gesetzliche Folge einer Ablehnung des Asylfolgeantrags als in der Sache unbegründet. Wenn also nicht erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Ablehnung des Folgeantrags der Antragstellerin einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält, und auch keine Abschiebungsverbote festzustellen sind, ist die hier streitgegenständliche, sofort vollziehbare Abschiebungsandrohung rechtlich nicht zu beanstanden.
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b) Dies vorausgeschickt, bestehen nach summarischer Prüfung vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Ablehnung des Folgeantrags als unbegründet (nachfolgend unter aa)) – was aufgrund der Regelung in § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG zu einer Ablehnung als offensichtlich unbegründet führt (nachfolgend unter bb)) – sowie an der Rechtmäßigkeit der Feststellung, dass nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (nachfolgend unter cc)). Es wird in vollem Umfang auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen (§ 77 Abs. 3 AsylG). Ergänzend wird ausgeführt:
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aa) Es ist rechtlich voraussichtlich nicht zu beanstanden, dass der Folgeantrag der Antragstellerin als unbegründet abgelehnt wurde.
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(1) Nach summarischer Prüfung liegen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 AsylG nicht vor.
27
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslands befindet. Als Verfolgungshandlungen gelten Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) keine Abweichung zulässig ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG). Eine Verfolgungshandlung kann auch in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (§ 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG). Zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG). Eine Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG), oder von nicht staatlichen Akteuren, sofern die in den Nrn.1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen nicht in der Lage oder nicht willens sind, i.S.d. § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
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Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet i.S.v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist, gilt einheitlich der Prognosemaßstab der tatsächlichen Gefahr („real risk“), der demjenigen der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht. Der Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine „qualifizierende“ Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 31/18 – juris Rn. 16).
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Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Vortrag der Antragstellerin im Folgeverfahren voraussichtlich nicht geeignet, eine begründete Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen. Die Antragstellerin hat im Wesentlichen vorgetragen, dass sie im Jahr 2022 an drei regimekritischen Demonstrationen in Deutschland teilgenommen habe. Im Oktober 2022 habe sie bei einer großen Demonstration in B. teilgenommen, am 8. Oktober 2022 habe sie in M. und am 3. Dezember 2022 in A. an Demonstrationen teilgenommen. Sie habe dabei einen Lautsprecher in der Hand gehabt und Parolen gerufen. Außerdem habe sie Flaggen an die Demonstranten verteilt. Von ihr seien Aufnahmen gefertigt worden, die sie an ihren Neffen in den Iran geschickt habe, der bei der Basij tätig gewesen sei. Die Aufnahmen seien bei der Behörde der Basij bekannt geworden. Dadurch sei ihr Neffe in Untersuchungshaft gesteckt worden. Dem Regime sei sie nun bekannt und im Iran werde nach ihr gesucht. Das Regime versuche, seine Gegner auszuschalten. Im Falle einer Rückkehr in den Iran befürchte sie, verhaftet und getötet zu werden. Vor den genannten Demonstrationen sei sie nicht politisch aktiv gewesen. Auch sei sie nach der Teilnahme an den Demonstrationen nicht mehr politisch aktiv geworden. Wenn sie aber in den Iran zurückkehren müsste, würde sie weiterhin aktiv sein. Ihr Ziel sei es, das Regime zu vernichten.
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Die Einzelrichterin verkennt nicht, dass den zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln zu entnehmen ist, dass eine exil-oppositionelle Betätigung für iranische Staatsangehörige ein nicht bloß unerhebliches Gefährdungspotential birgt. Die iranischen Behörden kämpfen gegen interne und externe Bedrohungen, wo auch immer diese identifiziert werden. Die Bekämpfung oppositioneller Gruppierungen und Einzelpersonen stellt im Inland wie auch Ausland den Schwerpunkt iranischer nachrichtendienstlicher Aktivitäten dar. Der Iran ist aufgrund der Unruhen und Proteste im eigenen Land verstärkt bemüht, die im Ausland lebenden Dissidenten und Regimekritiker aufzuklären. Die iranischen Nachrichtendienste bemühen sich aktiv um die Anwerbung von Informanten innerhalb der Oppositionsgruppen. Ein maßgeblicher Teil der Überwachung durch die Sicherheitsbehörden findet online statt, wobei die Behörden diesbezügliche Bemühen nach Protestbeginn Mitte September 2022 verstärkt haben (Bundesamt für Fremdwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation: Iran, 26.1.2024, S. 172 ff.).
31
In einer Auskunft des Auswärtigen Amts an das OVG Schleswig-Holstein (Auswärtiges Amt, Auskunft an das OVG SH vom 14.6.2023) ist weiter ausgeführt, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass Rückkehrende verstärkt von den Sicherheitsbehörden überprüft werden. Die Behörden können erkennen, wann der Iran bei legaler Ausreise verlassen worden ist, wie lange der Auslandsaufenthalt gedauert hat und ob der Iran auf dem legalen Weg verlassen worden ist. Das Auswärtige Amt kann nicht ausschließen, dass sich die Befragungen angesichts der aktuellen Lage verstärkt auf Aktivitäten im Ausland beziehen, etwa auch zur Teilnahme an Demonstrationen. Flächendeckende Befragungen zur politischen Überzeugung werden jedoch nicht durchgeführt. Ein längerer Auslandsaufenthalt führt allein zu keinen Repressionen. Eine Asylantragstellung im Ausland genügt nicht. Wenn der Iran illegal verlassen worden ist, muss mit einer Befragung gerechnet werden. In Betracht kommt auch eine Bestrafung wegen illegaler Ausreise. Erschwerend wirkt, wenn weitere Umstände hinzutreten, etwa wenn eine Person flüchtig und zuvor untergetaucht gewesen ist. Regimekritische Aktivitäten und Äußerungen im Ausland, unter anderem in den sozialen Medien, können nach Rückkehr in den Iran zur strafrechtlicher Verfolgung und Repressionen führen. Das iranische Rechtssystem ist von Willkür geprägt, auch das Vorgehen der Behörden ist häufig willkürlich. Die konkreten Repressionen hängen davon ab, wie das Regime die Aktivitäten und Äußerungen im Einzelfall bewertet. Dem Auswärtigen Amt sind Fälle bekannt, in denen Aktivitäten im Ausland zur Verhaftung und Anklage wegen unterschiedlicher Delikte geführt haben. Personen, die aus der Sicht des Regimes besonders gefährlich für das System erscheinen, beispielsweise durch große Sichtbarkeit ihrer kritischen Äußerungen oder aufgrund realer oder perzipierter Umsturzabsichten, können sogar im Ausland entführt und ermordet werden (VG Würzburg, U.v. 30.10.2023 – W 8 K 23.30337 – juris Rn. 40).
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Dies deckt sich mit den Ausführungen in anderen Erkenntnismitteln, wonach für politisch aktive Personen bei einer Rückkehr ein „größeres“ Risiko besteht (Bundesamt für Fremdwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation Iran, 26.1.2024, S. 173). Die Behörden überwachen Aktivisten im Exil, haben aber nicht die Kapazitäten, alle von ihnen zu überwachen. Das Regime setzt auf Grundlage seiner Interessen Prioritäten. Einer Quelle zufolge bestimmt der Einfluss, den eine Person hat, ob diese für das Regime Priorität hat, wobei hier der Zugang zu öffentlicher Aufmerksamkeit und Verbindungen zum Heimatland ausschlaggebend sind. Im Zentrum steht die Frage, ob es einer Person gelingt, mit ihren Beiträgen den Diskurs mitzuprägen (Bundesamt für Fremdwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation Iran, 26.1.2024, S. 172 ff.). Auch andere Quellen schätzen die Situation so ein, dass Personen, die bereits zuvor aufgefallen sind, Organisierende von Demonstrationen und Redner stärker in den Fokus der iranischen Behörden geraten (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Iran: Überwachung von Demonstrationen im Ausland, 24.11.2023, S. 7 f.). Bei den bekannten Opfern von Mord, versuchtem Mord und Entführung durch iranische Regimekräfte handelt es sich um Führungskräfte großer Oppositionsgruppen oder separatistischer Organisationen sowie um Anführer und Aktivisten der iranisch-kurdischen Exilparteien und Aktivisten im Ausland, die im Iran durch ihre Online-Kampagnen viel Aufmerksamkeit erregt haben. Es sind Fälle bekannt, in denen iranische Staatsangehörige, insbesondere, wenn diese als Journalisten oder Blogger eine große Reichweite haben und sich kritisch zu politischen Themen im Iran geäußert haben, in Drittländern entführt wurden, um sie in den Iran zu verbringen, wo sie in (Schau-)Prozessen verurteilt worden sind. Personen, die politisch sehr aktiv oder bekannt sind, können nach Auskunft eines Experten nicht in den Iran zurückkehren. „Einfache“ Bürger würden bei einer Rückkehr möglicherweise keine Probleme haben, dies ist allerdings sehr einzelfallabhängig. (Bundesamt für Fremdwesen und Asyl, Länderinformation der Staatendokumentation Iran, 26.1.2024, S. 172 f.).
33
Gesamtbetrachtend ist nach der Erkenntnislage davon auszugehen, dass nicht jede exil-oppositionelle Betätigung eines iranischen Staatsangehörigen zur Annahme einer hierdurch begründeten Verfolgungsgefahr führt. Vielmehr ist auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen. Nach der Rechtsprechung ist mit Verfolgung zu rechnen, wenn der iranische Staatsangehörige mit seinen oppositionellen und (exil-)politischen Aktivitäten derart nach außen in Erscheinung getreten ist, dass er zum einen durch die iranischen Sicherheitsbehörden mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als ernsthafter Regimegegner, welcher auf die Verhältnisse im Iran einzuwirken vermag, identifiziert und qualifiziert worden ist, und dass zum anderen wegen der von ihm ausgehenden Gefahr ein Verfolgungsinteresse des iranischen Staats besteht (BayVGH, B.v. 10.7.2023 – 14 ZB 22.31080 – juris Rn. 13; VG Würzburg, U.v. 30.10.2023 – W 8 K 23.30337 – juris Rn. 36 m.w.N.).
34
Angesichts der Massenproteste in und außerhalb des Irans und auch in Deutschland (auch im Internet) nach dem Tod von * * ist es lebensfremd und unwahrscheinlich, dass jeglicher Teilnehmer unterschiedslos bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit mit flüchtlingsrelevanten Repressalien rechnen muss (VG Würzburg, U.v. 30.10.2023 – W 8 K 23.30337 – juris Rn. 51). Bedeutung für eine relevante Verfolgungsgefahr im Einzelfall kann einer Gesamtschau, insbesondere vom Ausmaß der Aktivitäten vor der Ausreise sowie Umfang, Inhalt, Ausmaß der Tätigkeiten im Ausland und dem zu erwartenden Grad der Aktivitäten bei einer Rückkehr in den Iran, zukommen. Relevant sind dabei zum Beispiel auch die Intensität der Aktivitäten in Deutschland, die Erkennbarkeit nach außen, die Identifizierbarkeit der Person bei ihren Aktivitäten und neben der Qualität auch die Quantität der Aktivitäten, um letztlich auf ein beachtlich wahrscheinliches Verfolgungsinteresse des iranischen Staates schließen zu können. Denn maßgeblich für die Frage, ob ein iranischer Staatsbürger bei einer Rückkehr in den Iran mit Verfolgung rechnen müsste, ist, ob dieser sich in Deutschland ernsthaft, offen und kontinuierlich regimekritisch betätigt hat und ob gerade diese Betätigung die Annahme rechtfertigt, dass der freie Ausdruck seiner regimekritischen Haltung für die Identität insofern so wichtig ist, dass er auch bei einer Rückkehr in den Iran den Drang verspüren würde, sich an regimekritischen Protesten zu beteiligen. Umgekehrt ist der Schluss gerechtfertigt, dass der Betreffende bei der Rückkehr in den Iran sich auch dort nicht aktiv an oppositionellen Tätigkeiten beteiligten würde, wenn er sich selbst schon in Deutschland bei den sich ihm gefahrlos bietenden Möglichkeiten und Freiheiten nur sehr rudimentär an regimekritischen Protesten sowohl tatsächlich als auch online beteiligt und auch sonst nicht das Verfolgungsinteresse des iranischen Staates weckt, so dass keine Verfolgungsgefahr anzunehmen ist (VG Würzburg, U.v. 30.10.2023 – W 8 K 23.30223, Rn. 57 m.w.N.).
35
Im Rahmen der Beurteilung der Gesamtumstände des Einzelfalls der Antragstellerin, zeigt ihr Vortrag zu ihren regimekritischen Aktivitäten nicht auf, dass diese geeignet wären, sie als in exponierter Weise auftretende Regimegegnerin erscheinen zu lassen, deren Aktivitäten dem iranischen Staat bekannt geworden sein könnten und von der aus Sicht der iranischen Sicherheitsorgane eine ernsthafte Gefahr für den iranischen Staat ausgeht. Zwar hat die Antragstellerin behauptet, dass die Aufnahmen von ihren Demonstrationsteilnahmen über ihren Neffen der Basij bekanntgegeben worden seien. Dies wurde seitens der Antragstellerin jedoch nicht näher belegt. Auch hat die Antragstellerin nicht vorgetragen, dass die iranischen Behörden, die angeblich seit Januar 2023 Kenntnis von ihrer Demonstrationsteilnahme hätten, versucht hätten, sie zu kontaktieren oder Druck auf sie auszuüben, was nicht dafür spricht, dass die Antragstellerin seitens der iranischen Behörden tatsächlich als bedrohliche Regimekritikerin identifiziert wurde. Selbst wenn man den Vortrag der Antragstellerin, dass den Behörden der Basij ihre Demonstrationsteilnahmen bekannt sind, als wahr unterstellt, ist nicht ersichtlich, dass ein gesteigertes Verfolgungsinteresse an ihr bestehen könnte. Die Antragstellerin hat in der Anhörung vor dem Bundesamt angegeben, im Jahr 2022 an drei Demonstrationen teilgenommen zu haben. Vor den genannten Demonstrationen sei sie nicht politisch aktiv gewesen. Daraus folgt, dass die Antragstellerin den iranischen Behörden nicht bereits vor Ausreise aufgrund ihres politischen Engagements bekannt war und dass aus dieser Zeit keine Verfahren wegen regimekritischen Aktivitäten gegen sie anhängig sind. Die exilpolitische Aktivität der Antragstellerin beschränkt sich auf spärliche vereinzelte Demonstrationsteilnahmen, die schon knapp eineinhalb Jahre zurückliegen. Es ist nicht erkennbar, dass die Antragstellerin dabei in irgendeiner Weise herausragend oder in auffälliger Funktion aufgetreten ist. Sie wirkt vielmehr wie eine von vielen sonstigen Demonstrationsteilnehmern, wie die vorgelegten Fotos belegen. Es wurde auch nicht vorgetragen, dass sie medial besonders in Erscheinung getreten wäre. Zudem hat sie selbst angegeben, nach der Teilnahme an den Demonstrationen nicht mehr politisch aktiv gewesen zu sein. Insofern ist nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin aus der großen Masse der anderen exilpolitisch aktiven Iraner und Iranerinnen herausragt, geschweige denn, dass sie als ernsthafte Regimegegnerin angesehen werden könnte. Die Antragstellerin hat weder großen Einfluss, noch Zugang zur öffentlichen Aufmerksamkeit oder besondere Verbindungen zum Heimatland. Insgesamt sind die exilpolitischen Aktivitäten der Antragstellerin als niedrigprofiliert und „massentypisch“ zu bezeichnen und begründen nicht die Annahme, der iranische Staat könne sie wegen dieser Auslandsaktivitäten als ernstzunehmende Regimegegnerin in den Blick genommen haben. Da die Antragstellerin mit Ausnahme der lediglich dreimaligen Teilnahme an Demonstrationen in Deutschland nach eigenen Angaben nie politisch aktiv war, liegt es fern, dass der freie Ausdruck ihrer regimekritischen Haltung für ihre Identität so wichtig ist, dass sie auch bei einer Rückkehr in den Iran den Drang verspüren würde, sich an regimekritischen Protesten zu beteiligen. Vielmehr ist angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin sich selbst in Deutschland bei den sich ihr gefahrlos bietenden Möglichkeiten nur sehr rudimentär an regimekritischen Protesten beteiligt hat, der Schluss gerechtfertigt, dass sich die Antragstellerin bei der Rückkehr in den Iran auch dort nicht aktiv an oppositionellen Tätigkeiten beteiligten würde. Insofern ist nicht erkennbar, dass sie bei einer Rückkehr das Verfolgungsinteresse des iranischen Staates wecken würde. Sofern die Antragstellerin vorgetragen hat, dass sie aufgrund ihres Sohnes nicht an weiteren Demonstrationen habe teilnehmen können, ist dies nicht glaubhaft. Schließlich war es ihr trotz ihres Sohnes möglich, drei Demonstrationen, davon eine sogar in B., zu besuchen. Wenn man davon ausgeht, dass die Antragstellerin tatsächlich wegen ihres Sohnes nicht an weiteren Demonstrationen teilnehmen konnte, ist nicht ersichtlich, dass ihr dies im Iran aber möglich wäre.
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Auch wenn eine Verfolgung der Antragstellerin bei einer Rückkehr in den Iran nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann, besteht nach der aktuellen Erkenntnislage und der darauf basierenden Rechtsprechung nach Überzeugung der Einzelrichterin jedenfalls keine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung bzw. Gefährdung.
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(2) Der Anspruch auf Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) scheitert bereits daran, dass sich die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG von den Voraussetzungen der Asylanerkennung dadurch unterscheiden, dass der Schutzbereich des § 3 AsylG weiter gefasst ist. Da die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht gegeben sind, liegen auch die Voraussetzungen für die Anerkennung der Antragstellerin als Asylberechtigte nicht vor.
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(3) Auch die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG liegen nach summarischer Prüfung nicht vor.
39
Subsidiär schutzberechtigt ist nach § 4 Abs. 1 AsylG, wer stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, ihm drohe in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden. Als ernsthafter Schaden gilt dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
40
Nach den obigen Ausführungen unter (1), auf die an dieser Stelle verwiesen wird, hat die Antragstellerin keine stichhaltigen Gründe für die Annahme vorgebracht, dass ihr im Iran nach diesen Maßgaben ein ernsthafter Schaden droht.
41
bb) Nach den vorstehenden Ausführungen unter aa) wurde der Folgeantrag der Antragstellerin voraussichtlich zu Recht als unbegründet abgelehnt. Die Ablehnung als offensichtlich unbegründet ist mithin gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG gesetzliche Folge.
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cc) Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, soweit das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG festgestellt wurde.
43
Anhaltspunkte dafür, dass bei Abschiebung der Antragstellerin in den Irak eine Verletzung des Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) droht, die die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG rechtfertigen könnte, gibt es auch unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände der Antragstellerin nicht. Nach der Verneinung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG scheidet zunächst auch die Annahme eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich einer Verletzung von Art. 3 EMRK durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung aus. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen in besonderen Ausnahmefällen auch schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung ein Abschiebungsverbot begründen können, sind im Fall der Antragstellerin nicht erfüllt. Da im Hinblick auf die Feststellung von Abschiebungsverboten kein neuer Sachvortrag erfolgt ist, wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen in den Urteilen des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 12. August 2020 (Az. Au 5 K 20.30334) im Erstverfahren der Antragstellerin sowie vom 21. April 2023 (Az. Au 5 K 21.31271) im Verfahren des Sohns der Antragstellerin verwiesen.
44
c) Die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheids wurde zu Recht auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG gestützt und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
45
3. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG, Art. 16a Abs. 4 GG).
46
4. Nach alldem war der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
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5. Da weder für das Klage- noch das Antragsverfahren hinreichende Erfolgsaussichten bestehen, war auch der gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe – und damit einhergehend der Antrag auf Beiordnung der Antragstellerinbevollmächtigten – abzulehnen (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO)). Dies gilt unabhängig davon, ob bei der Antragstellerin die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorliegen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).
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