Titel:
Erfolglose Rückforderung einer von einem Reiseveranstalter abgebuchten Stornierungsentschädigung
Normenkette:
BGB § 119 Abs. 1 Alt. 2, § 651h Abs. 1 S. 3, Abs. 2 S. 2, S. 3, § 651i Abs. 1, Abs. 2
Leitsatz:
Mit der pauschalen Behauptung, neben dem für ihn vom Reiseveranstalter gebuchten Hotel habe sich eine Baustelle befunden, genügt ein Reisender seiner Darlegungslast für einen Reisemangel nicht. Es bedarf vielmehr konkreten Sachvortrags dazu, dass von der Baustelle Lärm ausging, der zu einer nicht unwesentlichen Beeinträchtigung geführt hat. (Rn. 26 – 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Pauschalreise, Rücktritt, Stornierung, Entschädigung, Anfechtung, Baulärm, Reisemangel
Fundstellen:
ReiseRFD 2024, 260
LSK 2024, 9318
MMR 2024, 699
DAR 2024, 685
BeckRS 2024, 9318
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 3.948,91 € festgesetzt.
Tatbestand
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Der Kläger macht gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Rückerstattung im Rahmen eines Reisevertrages geltend.
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Der Kläger buchte am 10.06.2023 für sich und seine Ehefrau eine Reise für den Zeitraum vom 12.08.2023 bis 21.08.2023 nach F. (Portugal) zum Reisepreis von 4.548,26 €. Der Kläger zahlte diesbezüglich eine Anzahlung in Höhe von 682,24 €. Im Anschluss stornierte der Kläger im Internet auf der Homepage der Beklagten die gebuchte Reise. Die Beklagte buchte sodann am 29.06.2023 vom Konto des Klägers Stornierungsgebühren in Höhe von 3.859,21 € ab. Der Kläger leitete daraufhin am selben Tag eine E-Mail an die Beklagte weiter, um die Stornierung rückgängig zu machen. Der Kläger beauftragte im Anschluss die Beklagte mit der Durchführung einer ähnlichen Reise, wobei der Hinflug in Höhe von 592,54 € nicht stornierbar war, und in Anspruch genommen wurde.
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Der Kläger trägt vor, er habe erst nach Buchung der Reise erfahren, dass neben dem Hotel eine Baustelle liege. Er habe sich zudem im Internet lediglich über eine Umbuchung informieren wollen, und habe unbeabsichtigt wegen der Unübersichtlichkeit der Homepage die Reise storniert. Er habe deswegen die abgegebene Willenserklärung zur Stornierung angefochten. Der Beklagten müsse hingegen eine Entschädigung nach § 651 h Abs. 1 Satz 3 verwehrt werden. Die Stornogebühren seien jedenfalls unangemessen hoch. Die pauschalierte Kompensation halte zudem einer Inhaltskontrolle nicht stand, und sei daher unwirksam. Aufgrund der am Hotel vorhandenen Baustelle sei außerdem Ziffer 9. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten anwendbar.
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.948,91 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
II. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 453,87 € nebst Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
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Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe keine genauen Angaben über die besagte Baustelle gemacht. Im Übrigen sei die Buchung wirksam storniert worden. Für die endgültige Stornierung seien mehrere einzelne Schritte erforderlich gewesen, und der Kläger sei über den automatischen Prozess ausdrücklich informiert worden. Eine unbeabsichtigte Kündigung sei im System unmöglich. Dem Reiseveranstalter sei durch den Rücktritt des Kunden hingegen ein Schaden entstanden, und die Stornierungsentgelte müssten der Schadenshöhe entsprechen. Eine Auflistung der entsprechenden Buchungen sei erfolgt.
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Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird zur Ergänzung des Tatbestands auf das Sitzungsprotokoll vom 29.02.2024, sowie die zwischen den Parteien gewechselten und zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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I. Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht München ist insbesondere gemäß § 21 ZPO und §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sowohl örtlich, als auch sachlich zuständig.
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II. Die Klage ist hingegen unbegründet. Die Klagepartei hat insoweit keinen Anspruch auf Rückerstattung eines Betrages in Höhe von insgesamt 3.948,91 €, weder aus Vertrags-, noch aus Bereicherungsrecht.
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1. Der unstreitig zwischen den Parteien geschlossene Reisevertrag wurde vom Kläger wirksam storniert. Eine wirksame Anfechtung der Stornierung aufgrund eines Irrtums in der Erklärungshandlung nach § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB ist nicht gegeben.
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a) Ein Irrtum im Sinne von § 119 BGB ist das unbewusste Auseinanderfallen von Wille und Erklärung. Nach § 119 Abs. 1 2. Fall BGB liegt zudem ein Irrtum in der Erklärungshandlung vor, wenn schon der äußere Erklärungstatbestand nicht dem Willen des Erklärenden entspricht. Dies ist beispielsweise beim Versprechen, Verschreiben oder Vergreifen der Fall (vgl. Kommentar Grüneberg / Ellenberger, BGB, 82. Aufl. 2023, § 119 Rn. 7 ff. m.w.N.).
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b) Zwar gab der Kläger an, die Homepage der Beklagten sei für ihn unübersichtlich gewesen, da diverse Klicks erforderlich gewesen seien.
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Es kann grundsätzlich nach der allgemeinen Lebenserfahrung sein, dass man versehentlich einmalig etwas anklickt, was dem eigentlichen Willen nicht entspricht. Es erscheint jedoch lebensfremd, dass bei der Durchführung eines Vorgangs wie hier der Buchungsstornierung mit insgesamt fünf verschiedenen Schritten jedes Mal ein „Verklicken“, und damit ein Irrtum in der Erklärungshandlung vorgelegen haben soll.
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Aus den von der Beklagtenpartei vorgelegten Anlage B 5 ergibt sich insoweit, dass der Kläger für eine endgültige Stornierung der Reise erst mehrere einzelne Schritte durchführen musste: Zur Auslösung des endgültigen Stornierungsvorgangs musste der Kläger insgesamt viermal aktiv per Mausklick bestätigen, dass er eine Stornierung wünsche. Dabei musste er bei Schritt 1 zunächst angeben, aus welchem Grund er seine Reise stornieren wollte. Im Anschluss bei Schritt 2 musste der Kläger angeben, was genau er stornieren wollte. Bei dem darauffolgenden Schritt 3 wurde der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass beim Auswählen „Buchung stornieren“, die Stornierung durchgeführt, und im Namen des Reisenden eine Rückerstattung beantragt werde. Erst durch Anklicken dieses Feldes gelangte der Kläger zum letzten und 4. Schritt, wo nochmals um Bestätigung gebeten wurde, dass tatsächlich mit der Stornierung fortzufahren sei. Die jeweiligen Schritte waren nach Auffassung des Gerichts übersichtlich und einfach zu verstehen. Bei jedem einzelnen Schritt erschien das Wort „Stornierung“ mindestens einmal, bei Schritt 3 sogar dreimal. Auch diesen Schritt bestätigte der Kläger aktiv mit einem Mausklick. Bei den letzten beiden Schritten wurde der Kläger sogar über die Konsequenz seines Handeln nochmals ausdrücklich informiert.
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Dass das Anklicken versehentlich geschah, und nicht dem Willen des Klägers entsprach, ist aufgrund des dargelegten Vorgangs für das Gericht nicht nachvollziehbar. Ein Irrtum in der Erklärungshandlung durch Vertippen sieht das Gericht hier dementsprechend nicht gegeben. Es ist vielmehr davon nach Auffassung des Gerichts davon auszugehen, dass dem Kläger bewusst gewesen sein muss, dass er bei Durchführung des gesamten Buchungsvorgangs eine endgültige Stornierung vornahm – und nicht bloß wie von ihm vorgegeben – eine Umbuchung.
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Der unstreitig zwischen den Parteien geschlossene Reisevertrag wurde somit wirksam storniert.
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2. Die Beklagte war zudem berechtigt, aufgrund des Rücktritts vom Vertrag durch den Kläger vor Reisebeginn einen Betrag in Höhe von 3.859,21 € als angemessene Entschädigung im Sinne von § 651 h Abs. 1 Satz 3 BGB zu verlangen.
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Es kann dabei dahinstehen, ob Ziffer 12.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten einer Inhaltskontrolle standhält, da die Beklagte jedenfalls berechtigt war, gegenüber dem Kläger die ihr gesetzlich zustehenden Rechte nach § 651 h Abs. 2 S. 2 BGB geltend zu machen. Im Übrigen hat die Beklagte durch entsprechenden Vortrag und Vorlage der Anlagen B 8 und B 9 ausreichend dargetan, dass sie ihrer Auskunftspflicht gegenüber dem Kläger nach § 651 h Abs. 2 S. 3 BGB hinsichtlich der Höhe der Entschädigung ausreichend nachgekommen ist:
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a) Entgegen der Behauptung der Klagepartei enthält Ziffer 12.2 der AGB der Beklagten keine Entschädigungspauschale. Die Wirksamkeit der genannten Vertragsklausel kann jedoch dahinstehen, da die Beklagte jedenfalls die gesetzlichen Voraussetzungen nach § 651 h Abs. 2 S. 2 und S. 3 BGB erfüllt hat.
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Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte schlüssig dargetan hat, dass sie bei der Buchung der einzelnen Leistungen, nämlich der Flüge und des Hotels, jeweils in Vorleistung gehen musste. Aus den von der Beklagten vorgelegten Anlagen B 8 und B 9 ergibt sich, dass die Beklagte die gewünschten Reiseleistungen buchte, und jeweils in Vorkasse gegangen ist, und auch in welcher Höhe.
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b) Die Gesamtaufwendungen der Reiseleistungen beliefen sich hierbei auf 4.036,29 €.
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Dem Hotelanbieter wurde insbesondere ein Reservierungsbetrag von 2.742,75 € sowie eine Kommission in Höhe von 484,08 € gezahlt. Dies entspricht dem geltend gemachten Hotelpreis in Höhe von 3.226,83 €. Dieses ist auch der Betrag, der in den Stornierungsbedingungen entsprechend beziffert wurde (vgl. Anlage B 6).
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Auch auf die Stornierungsgebühren hinsichtlich des Flugpreises wurde entsprechend in den Stornierungsbedingungen hingewiesen (vergleiche Anlage B 6).
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3. Die Klagepartei kann sich hingegen nicht darauf berufen, sie habe ein Anspruch auf Rückerstattung aufgrund Ziffer 9. der AGB der Beklagten.
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Die pauschale Behauptung des Klägers, es habe neben dem Hotel eine Baustelle gegeben, führt nicht zu einer vertraglichen Pflicht der Beklagten, alternative Lösungen anbieten zu müssen.
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Insoweit fehlt es bereits – so wie von der Beklagten zutreffend angegeben – an einem schlüssigen und konkreten Vortrag dahingehend, dass von der behaupteten Baustelle ausreichender Baulärm ausging, der zu einem nicht unwesentlichen Reisemangel geführt habe. Auch eine entsprechende Mängelanzeige, so wie vom Gesetz gefordert, erfolgte nicht.
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Die Klage war somit im vollen Umfang als unbegründet abzuweisen.
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III. Da der Kläger in der Hauptsache nicht durchdringt, stehen ihm die geltend gemachten Nebenforderungen ebenfalls nicht zu.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11. 711 ZPO.