Titel:
Einstweilige Anordnung (Ablehnung), Begleiteter Umgang, Mitwirkungsbereitschaft, Privater Dritter
Normenketten:
SGB VIII § 18
BGB § 1684
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung (Ablehnung), Begleiteter Umgang, Mitwirkungsbereitschaft, Privater Dritter
Fundstelle:
BeckRS 2024, 9100
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, einen von ihm benannten privaten Dritten mit der Durchführung des begleiteten Umgangs zu beauftragen.
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Der Antragsteller ist Vater des am ... 2021 geborenen L. und hat gemeinsam mit der Mutter des Kindes das Sorgerecht inne. L. wohnt bei der Kindsmutter.
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Mit Beschluss des Oberlandesgerichts München – Familiensenat – vom 16. Juni 2023 wurde die einstweilige Anordnung des Senats vom 24. Mai 2023 mit der Maßgabe bestätigt, dass der Umgang des Vaters mit dem Kind L. ausgesetzt wird bis in der Hauptsache eine Entscheidung ergeht (16 UFH 14/23 e).
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Mit weiterem Beschluss vom 4. Oktober 2023 wurde die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens insbesondere hinsichtlich des Umgangs des Antragstellers mit L. und einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls beschlossen (16 UF 452/23 e).
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Bei einem Termin vor dem Oberlandesgericht – Familiensenat – am 11. Dezember 2023 erklärten die Vertreter der Antragsgegnerin, dass es befürwortet werde, wenn im geschützten Rahmen wieder Umgangskontakte zwischen dem Antragsteller und seinem Sohn möglich wären. Der „F. e.V.“ sei grundsätzlich bereit, die Eltern durch begleitete Umgänge zu unterstützen. Der Antragsteller sowie die Kindsmutter erklärten ihre grundsätzliche Bereitschaft mit der Durchführung von begleiteten Umgangskontakten (16 UFH 14/23 e).
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Der „F. e.V.“ informierte den Antragsteller mit E-Mail vom 10. Januar 2024 darüber, dass man sich nach Auswertung der beiden Telefonate mit den beiden Elternteilen die Übernahme des begleiteten Umgangs nicht vorstellen könne. Mit E-Mail vom gleichen Tag informierte die Antragsgegnerin den Antragsteller, dass die Absage sehr bedauerlich sei und man schnellstmöglich nach einer geeigneten Alternative suche.
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Der Antragsteller bat daraufhin die Antragstellerin mit E-Mail ebenfalls vom 10. Januar 2024 darum, Herrn R. E., welcher schon mehrfach seine Dienste angeboten habe, zu beauftragen.
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Der Antragsteller beantragte mit Schriftsatz vom 9. Februar 2024, eingegangen am 10. Februar 2024, beim Verwaltungsgericht München,
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aufgrund der Dringlichkeit in der Sache im Rahmen einer einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten, mit sofortiger Wirkung Herrn R. E. mit der Durchführung eines sogenannten begleiteten Umgangs zwischen dem Antragsteller und dessen Sohn L. zu beauftragen.
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Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass nach eindeutiger Rechtslage alleine der umgangsberechtigte Elternteil bestimme, welcher Träger den begleiteten Umgang tatsächlich durchführe. Nur sofern der umgangsberechtigte Elternteil damit einverstanden sei, könne die Auswahl dem Jugendamt übertragen werden. Das Jugendamt habe Herrn R. E. bisher nicht einmal kontaktiert. Es bestehe der dringende Verdacht, dass die Antragsgegnerin den begleiteten Umgang verzögern wolle. Zudem könnten auch eigene wirtschaftliche Interessen der Antragsgegnerin bei der Verweigerung der Bestellung von Herrn R. E. relevant sein.
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Im Folgenden erfolgten „Hinweise“ des Herrn R. E., in denen unter anderem beantragt wird, dass dieser als zur Verfügung stehende qualifizierte Person per einstweiliger Verfügung bzw. Anordnung unverzüglich zum Umgangspfleger und Umgangsbegleiter bestellt werde. Für die Zeit der gerichtlich angeordneten Umgangszeiten und eine angemessene Zeit davor und danach sei den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den gemeinsamen umgangsberechtigten Sohn zu entziehen und per gerichtlicher Urkunde auf den Umgangspfleger zu übertragen, damit dieser die Herausgabe des Kindes zum Umgang erzwingen könne für den Fall, dass die Mutter infolge ihrer offensichtlichen Bindungsintoleranz durch Verweigerung der Herausgabe des Kindes den Umgang boykottieren sollte. Eine weitere Suche durch die Antragsgegnerin sei nicht erforderlich, da eine geeignete Fachkraft, nämlich Herr R. E. zur Verfügung stehe. Soweit die Behauptung richtig sein solle, dass dem Jugendamt auch bei offensichtlich gesetzwidrigen Verhalten und Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot kein Ordnungsgeld auferlegt werden könne, werde dem Verwaltungsgericht anheimgestellt, die Antragsgegnerin zu einem angemessenen Schadensersatz zugunsten des Kindes wegen gesetzwidrigen Verhaltens zu verurteilen.
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Die Antragsgegnerin legt die Behördenakten vor und beantragte mit Schriftsatz vom 20. Februar 2024,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass die Antragsgegnerin sich nach der Absage durch den „F. e.V.“ sofort weiter um eine Umgangsbegleitung bemüht habe. Nach weiteren Absagen sei am 12. Februar 2024 eine Zusage durch die Einrichtung „A.“ erfolgt; dies sei den Eltern mit E-Mail vom 15. Februar 2024 mitgeteilt worden.
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Der Vorwurf, das Verfahren bewusst zu verzögern, werde zurückgewiesen. Es sei ihr insbesondere nicht möglich, Institutionen gegen ihren Willen zur Mitwirkung anzuhalten. Die vom Antragsteller begehrte Benennung von Herrn R. E. als Umgangsbegleiter entspräche keiner Hilfestellung, welche für die beabsichtigte Maßnahme förderlich wäre und könne nicht von der Antragsgegnerin verlangt werden. Zwar sei es grundsätzlich möglich, private Bekannte oder ehrenamtlich Engagierte zu benennen. Herr R. E. sei jedoch nicht zu favorisieren, da ein grundsätzlicher Vorrang von professioneller Hilfe bestehe. Es handle sich vorliegend um eine Elternbeziehung mit hohem Konfliktniveau, sodass der Professionalität im Rahmen des begleiteten Umgangs besondere Bedeutung zukomme. Zudem bestehe von Seiten der Kindsmutter kein Einverständnis mit dessen Benennung. Das Familiengericht erachte einen Konsens als notwendige Voraussetzung für die Benennung als Umgangsbegleiter. Schließlich ließen die bisherigen Erfahrungen der Antragsgegnerin mit Herren R. E. auch konkret an seiner Eignung sowie seiner Fähigkeit in dieser enormen Konfliktsituation streitschlichtend zu wirken, zweifeln.
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Durch Beschluss der Kammer vom 21. März 2024 wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag hat keinen Erfolg.
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Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. Voraussetzung ist, dass der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO.
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Für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds ist grundsätzlich Voraussetzung, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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Grundsätzlich dient die einstweilige Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO der vorläufigen Regelung eines Rechtsverhältnisses. Mit der vom Antragsteller begehrten Entscheidung wird die Hauptsache aber in zeitlicher Hinsicht vorweggenommen. In einem solchen Fall sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen, d.h. der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache jedenfalls dem Grunde nach spricht und der Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung unzumutbaren Nachteilen ausgesetzt wäre (vgl. BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 – juris Rn. 4).
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Nach diesen Maßgaben hat der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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Das Gericht legt den Antrag gemäß §§ 123, 88 VwGO sachdienlich dahingehend aus, dass der Antragsteller ausschließlich die Beauftragung des Herrn R. E. für den begleiteten Umgang begehrt. Denn entsprechend den unbestrittenen Ausführungen der Antragstellerin hat diese zwischenzeitlich einen freien Träger vermittelt, der zur Fallübernahme bereit ist, sodass sich andernfalls das Verfahren erledigt hätte und der Antrag nunmehr bereits als unzulässig abzuweisen wäre.
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Gemäß § 18 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII soll das Jugendamt unter anderem bei der Herstellung von Umgangskontakten und bei der Ausführung gerichtlicher oder vereinbarter Umgangsregelungen vermitteln und in geeigneten Fällen Hilfestellung leisten.
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Das Jugendamt kann grundsätzlich seine Mitwirkung im Rahmen des begleiteten Umgangs sowohl durch eigenes zur Verfügung stehendes Personal als auch durch Übertragung auf Dritte erfüllen (LPK-SGB VIII/Peter-Christian Kunkel/Andreas Pattar, 8. Aufl. 2022, SGB VIII § 18 Rn. 24).
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Erst nach der Benennung eines mitwirkungsbereiten Dritten kann das Familiengericht dann eine entsprechende Umgangsregelung treffen, § 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB.
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Dritter im Sinne des § 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB kann auch eine Privatperson sein. Es bleibt dem Antragsteller daher unbenommen, gegenüber dem Familiengericht den von ihm präferierten Herrn R. E. als geeignete Begleitperson zu benennen (vgl. OLG Koblenz, B.v. 11.6.2019 – 13 UF 86/19 – juris; BeckOGK/Schermaier-Stöckl/Schmidt, 1.11.2023, SGB VIII § 18 Rn. 88). Hierfür bedarf der Antragsteller der Mithilfe und Mitwirkung der Antragsgegnerin nicht.
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Allerdings verkennt der Antragsteller die Rechtslage vollumfänglich, sofern er die Ansicht vertritt, dass alleine er bestimme, welcher Träger den begleiteten Umgang tatsächlich durchführe. Vielmehr verbleibt die abschließende Entscheidung hierüber dem Familiengericht.
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Entsprechend der Niederschrift des Oberlandesgerichts München vom 11. Dezember 2023 dürfte das Familiengericht vorliegend ausschließlich einen professionellen begleiteten Umgang – wie zum Beispiel durch den „F. e.V.“ – als geeignet ansehen und hat die Antragsgegnerin ihre Mitwirkung zur Vermittlung eines professionellen Begleiters zugesagt.
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Denn regelmäßig eignen sich für die Begleitung durch Privatpersonen allenfalls Fälle, in denen es vorrangig um den äußeren Schutz des Kindes geht und besondere psychologische oder pädagogische Kenntnisse nicht erforderlich sind. Ist – wie im absoluten Regelfall und auch vorliegend – (Mit-)Ursache für die Anordnung des begleiteten Umgangs eine Problematik, die möglichst mittels einer psychologischen bzw. pädagogischen Hilfestellung abgebaut werden soll, ist die Einschaltung eines professionell, insbesondere psychologisch bzw. pädagogisch ausgebildeten Dritten, der entsprechend heute geltender Standards eine Konzeption zur Überwindung der den begleiteten Umgang notwendig machenden Gründe bzw. zum notwendigen Schutz des Kindes vorlegen kann. In Betracht kommen dabei öffentliche Träger der Jugendhilfe bzw. einschlägig tätige Vereine der freien Träger der Jugendhilfe (vgl. Staudinger/Dürbeck (2023) BGB § 1684, Rn. 371 f.).
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Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei Herrn R. E. um einen entsprechend ausgebildeten professionellen Begleiter handelt, liegen dem Gericht nicht vor. Vielmehr erfolgten durch den Antragsteller hierzu keinerlei Ausführungen, geschweige denn eine im Rahmen des Verfahrens nach § 123 VwGO erforderliche Glaubhaftmachung. Vielmehr zeigen die in der Antragsschrift als „Hinweise“ aufgenommenen ergänzenden Ausführungen des Herrn R. E., dass offenkundig an einer streitschlichtenden Begleitung und Überwindung der den begleiteten Umgang notwendig machenden Gründe kein Interesse besteht und auch die rechtlichen Rahmenbedingungen vollständig verkannt werden.
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Unabhängig von der Frage, ob das Jugendamt überhaupt nach § 18 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII auch einen privaten Dritten und nicht nur anerkannte freie Träger der Jugendhilfe im Sinne des § 75 SGB VIII vermitteln kann, teilt das Gericht daher die Ansicht der Antragsgegnerin, dass es sich bei einer Übernahme des betreuten Umgangs durch Herrn R. E. nicht um eine geeignete Hilfe handeln würde, sodass hierauf auch kein Anspruch besteht.
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Der Antrag war daher abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Das Verfahren ist nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.