Titel:
Unwirksame Klausel in Automietvertrag über verschuldensunabhängigen Schadens-Selbstbehalt
Normenkette:
BGB § 307 Abs. 1, § 535, § 538
Leitsatz:
Die Klausel in einem Automietvertrag „Selbstbehalt pro Teil- und Vollkasko Schadensfall 500 €“ stellt eine verschuldensunabhängige Regelung und vom mietrechtlichen Grundsatz des § 538 BGB abweichende Regelung dar. Die derartige Regelung einer verschuldensunabhängigen Haftung innerhalb einseitig gestellter allgemeiner Geschäftsbedingungen führt ohne Vereinbarung eines Nachteilsausgleichs für den Mieter oder sonstige entgegenstehenden höherrangige Interessen des Vermieters zu einer Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Allgemeine Geschäftsbedingungen, Inhaltskontrolle, Automietvertrag, verschuldensunabhängige Haftung, Schadens-Selbstbehalt, Kaskoversicherung
Fundstellen:
LSK 2024, 9057
DAR 2024, 686
BeckRS 2024, 9057
Tenor
(abgekürzt nach § 313 a Abs. 1 ZPO)
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 500,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.12.2023 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 89,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2024 zu zahlen.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 500,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Gemäß § 495 a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Dem Kläger steht gegen die Beklagte gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ein Rückzahlungsanspruch in Höhe von 500,00 € zu. Die Beklagte ist um diesen Betrag ungerechtfertigt bereichert, sodass sie diesen Betrag dem Kläger zu erstatten hat.
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Die Beklagte hat 500,00 € in Form der Gutschrift des Rechnungsbetrags auf ihrem Konto durch Leistung ohne Rechtsgrund gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt BGB erlangt. Dies ist durch zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens seitens des Klägers geschehen. Auch wenn der Lastschrifteinzug durch die Initiative des Gläubigers ausgelöst wird, wird dieser wie eine Überweisung behandelt und ist daher rechtlich und wirtschaftlich als Leistung des Schuldners zu werten (vgl. BGHZ 69, 186).
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Ein Rechtsgrund für die Einziehung des Betrages über die Kreditkarte des Klägers bestand nicht.
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Die Beklagten hat keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 535, 280 Abs. 1 BGB aus dem Mietverhältnis über den Tesla gegen den Kläger, da der eingetretene Schaden nicht durch den Kläger zu vertreten ist. Die Reparatur war unstreitig aufgrund eines Steinschlags erforderlich. Zu derartigen Schäden kommt es häufig, ohne dass diese vom Fahrer zunächst überhaupt bemerkt würden, durch Aufschleudern kleinster Steinchen auf der Fahrbahn. Diese sind gerade auf der Autobahn regelmäßig zuvor nicht erkennbar, so dass der Fahrer derartige Schäden nicht vermeiden kann. Der Mieter kann daher das Risiko derartiger Schäden daher ebenso wenig beherrschen wie der Vermieter (so auch: AG Aschaffenburg, Urteil vom 28.04.2008 – 16 C 1891/03, juris Rn. 28). Das Risiko eines Steinschlags stellt daher ein nicht beherrschbares Risiko und ein unabwendbares Ereignis dar.
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Ein Schadensersatzanspruch besteht auch nicht aufgrund der Regelung in der als Anlage K1.2 vorgelegten Bestellübersicht der Beklagten, welche wie folgt lautet: „Selbstbehalt pro Teil- und Vollkasko Schadensfall 500 €“.
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Eine derartige verschuldensunabhängige Regelung weicht vom mietrechtlichen Grundsatz des § 538 BGB ab. Eine Abbedingung dieser Vorschrift ist grundsätzlich möglich (vgl. Urteil des BGH vom 10.07.2002 – XII ZR 107/99). Eine Regelung einer verschuldensunabhängigen Haftung innerhalb der einseitig gestellten allgemeinen Geschäftsbedingungen führt allerdings ohne Vereinbarung eines Nachteilsausgleichs für den Mieter oder sonstige entgegenstehenden höherrangige Interessen des Vermieters zu einer Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, NJW 1992, 3158, 3159; AG Aschaffenburg, Urteil vom 28.04.2008 – 16 C 1891/03, juris Rn. 26). Interessen dieser Art wurden von der Beklagten nicht vorgetragen; auch ein besonderer Nachteilsausgleich zugunsten des Klägers ist nicht ersichtlich.
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Ein Rechtsgrund für die Kreditkarteneinziehung ergibt sich weiterhin mangels Verschulden des Klägers auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB.
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Die außergerichtlichen Anwaltskosten sind dem Grunde nach gem. §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 BGB als Verzugsschaden ersatzfähig. Nach erfolgter Fristsetzung des Klägers zum 11.01.2024 hat sich der Freistellungsanspruch gem. § 250 S. 2 BGB in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Die Anwaltskosten sind auch der Höhe nach gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. Nrn. 2300, 7002, 7008 VVRVG ersatzfähig.
11
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.