Titel:
Rechtsschutzdeckung für eine Diesel-Klage
Normenketten:
BGB § 305c
VVG § 125, § 128
VRB 1999 § 17, § 21
Leitsätze:
1. Rechtsschutzdeckung besteht bei einem mit dem Erwerb des Fahrzeugs zusammenhängenden Rechtsschutzfall auch dann, wenn das Fahrzeug erst später auf den Versicherungsnehmer zugelassen wird. (Rn. 22 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Setzt sich ein Stichentscheid mit der für und gegen die Position des Versicherungsnehmers sprechenden Rechtsprechung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auseinander, so fehlt es an einer Bindungswirkung nicht allein deshalb, weil der Hauptsacheanspruch nicht konkretisiert wurde. (Rn. 29 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Bindungswirkung eines Stichentscheids entfällt nicht deshalb, weil er erst zwei Jahre nach der Deckungsablehnung vorgelegt wurde. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ob der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Ersatz der Erlösbeteiligung eines Prozesskostenfinanzierers hat, ist für die Rechtsschutzdeckung einer auf Feststellung gerichteten Geltendmachung einer Ersatzpflicht nicht relevant. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsschutzversicherung, Dieselklage, Deckungsanspruch, Versicherungsbedingungen, Unklarheit, Rechtsschutzfall, Zulassung des Fahrzeugs, Erwerb des Fahrzeugs, Prozesskostenfinanzierer, Stichentscheid, verspätete Deckungsablehnung, Zeitpunkt des Stichentscheids
Fundstelle:
BeckRS 2024, 8913
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer … verpflichtet ist, für die außergerichtliche und erstinstanzliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Audi AG aufgrund des Fahrzeugkaufs vom 11. Juli 2016 (FIN: …) bedingungsgemäßen Deckungsschutz zu gewähren.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die daraus resultieren, dass die Beklagte die Deckungszusage, zu deren Gewährung sie nach der im Antrag zu 1) begehrten Feststellung verpflichtet ist, nicht erteilt hat.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 14.987,39 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Verkehrs-Rechtsschutzversicherung.
2
Der Kläger schloss bei der Beklagten eine Verkehrs-Rechtsschutzversicherung ab, der die Verkehrs-Rechtsschutz-Versicherungsbedingungen (VRB) 1999 der Beklagten zugrunde liegen (vorgelegt vom Kläger als Anlage K 1). Vereinbart ist gemäß § 21 VRB 1999 folgender Schutzumfang:
„§ 21 Verkehrs-Rechtsschutz mit Vorsorgeversicherung und Personen-Verkehrs-Rechtsschutz
(1) Versicherungsschutz besteht für den Versicherungsnehmer in seiner Eigenschaft als Eigentümer, Halter, Fahrer und Insasse aller bei Vertragsabschluss auf ihn zugelassenen und im Versicherungsschein genannten Fahrzeuge. Als auf den Versicherungsnehmer zugelassen gilt ein Fahrzeug, wenn auf seinen Namen ein Fahrzeugschein ausgestellt und ein amtliches Kennzeichen erteilt worden ist.
(2) Ferner besteht Versicherungsschutz hinsichtlich aller später während der Vertragsdauer auf ihn zugelassenen Fahrzeuge der im Versicherungsschein genannten Gruppe. Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, alle auf ihn zugelassenen Fahrzeuge einer Gruppe zum Versicherungsschutz anzumelden, wenn im Versicherungsschein ein Fahrzeug dieser Gruppe genannt ist (siehe auch Abs. 8).
(6) Der Versicherungsschutz umfasst:
a) Schadenersatz-Rechtsschutz (§ 2 Nr. 1);
(8) Die Vorsorgeversicherung wird wirksam, wenn sich nach Vertragsabschluss die Gesamtzahl der auf den Versicherungsnehmer zugelassenen Fahrzeuge der Gruppe eines im Versicherungsschein genannten Fahrzeugs erhöht. Hinzukommende Fahrzeuge aus den ersten zwei Gruppen sind vom Zeitpunkt der Zulassung bis zum Ende des Versicherungsjahres ohne Mehrbeitrag mitversichert. Bei den anderen Gruppen ist der anteilige Beitrag zum Ende des Versicherungsjahres nachzuentrichten. Wird ein Fahrzeug hinzuerworben, das in die Gruppe eines versicherten Fahrzeugs fällt, so besteht Versicherungsschutz auch für Rechtsschutzfälle, die im Zusammenhang mit dem Vertrag über den Erwerb stehen. Dies gilt nicht, wenn das Fahrzeug zum gewerblichen Weiterverkauf erworben wird.
3
Gemäß § 17 VRB 1999 ist für die Ablehnung wegen ungenügender Erfolgsaussichten Folgendes geregelt:
„§ 17 Deckungsablehnung wegen ungenügender Erfolgsaussicht
(1) Soweit die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kann der Versicherer den Rechtsschutz ganz oder teilweise ablehnen; dies gilt nicht bei den Fällen des § 2 Nr. 3 (Verteidigungs-Rechtsschutz) in den Tatsacheninstanzen.
(2) Die Ablehnung ist dem Versicherten unter Angabe der Gründe unverzüglich mitzuteilen, sobald der Sachverhalt genügend geklärt ist. Gleichzeitig ist der Versicherte darauf hinzuweisen, dass er anstelle einer gerichtlichen Klärung zunächst ein Schiedsgutachterverfahren einleiten kann, dessen Kosten der Versicherer trägt. Dazu veranlasst der Versicherte seinen Rechtsanwalt, eine begründete Stellungnahme darüber abzugeben, ob die Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
(3) Die unparteiische Entscheidung des Gutachters ist für beide Seiten bindend, es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- oder Rechtslage erheblich abweicht.
(4) Will der Versicherer sich darauf berufen, dass diese Entscheidung nicht bindend sei, muss er dies gegenüber dem Versicherten innerhalb eines Monats begründen.“
4
Am 11. Juli 2016 erwarb der Kläger bei der Firma Arapoglou das Fahrzeug Audi Q5 3.0 TDI Quattro (FIN: …) als Gebrauchtwagen zu einem Kaufpreis von 34.000,00 €. Das Fahrzeug ist mit dem Motor des Typs 3,0 TDI ausgestattet. Es wies zum Zeitpunkt des Kaufs einen Kilometerstand von 60.600 km auf.
5
Zur Senkung des Schadstoffausstoßes wurde für das Fahrzeug später eine freiwillige Servicemaßnahme mit einem Update angeboten, die der Kläger nicht durchführen ließ.
6
Mit Schreiben vom 07.06.2020 bat der Kläger die Beklagte um eine Deckungszusage für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Audi AG wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen und Verstoßes gegen die Abgasgrenzwerte im Straßenbetrieb (Anlage K 2). Hinsichtlich des Wortlauts und des Inhalts der Anfrage wird auf die Anlage K 2 verwiesen. Die Beklagte lehnte die vom Kläger beantragte Deckungszusage unter Verweis auf fehlende Erfolgsaussichten mit Schreiben vom 13.07.2020 ab (Anlage K 3). Weiter wies sie auf die Möglichkeit eines Stichentscheids nach § 17 Abs. 2 VRB 1999 hin. Hinsichtlich des Wortlauts, des Inhalts und der Gestaltung des Schreibens wird auf die Anlage K 3 verwiesen. Als Stichentscheid legte der Kläger der Beklagten die Stellungnahme seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.11.2022 vor (Anlage K 4). Hinsichtlich des Inhalts des Stichentscheids wird auf die Anlage K 4 verwiesen. Mit gesondertem Schreiben vom selben Tag forderte der Kläger über seine Prozessbevollmächtigten die Beklagte unter Verweis auf diese Stellungnahme und Fristsetzung zur Abgabe einer Deckungszusage auf und kündigte für den Fall der Weigerung an, einen externen Prozessfinanzierer in Anspruch zu nehmen (Anlage K4). Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 29.12.2022 mit, den Stichentscheid nicht als bindend anzusehen und die beantragte Deckung nicht erteilen zu können (Anlage K 5). Hinsichtlich des Wortlauts und Inhalts des Schreibens wird auf die Anlage K 5 verwiesen. Am 14.02.2023 schloss der Kläger einen Prozesskostenfinanzierungsvertrag mit der Spreefels GmbH ab, der unter anderem eine Erlösbeteiligung von 35 % im Erfolgsfall beinhaltet (auszugsweise vorgelegt als Anlage K 7). Am 23.02.2023 erfolgte die Klageerhebung in diesem Verfahren. Im Oktober 2023 reichte der Kläger im Bezugsverfahren gegen die Audi AG Klage vor dem Landgericht München I ein.
7
Der Kläger behauptet, dass das Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet sei; die Abgasreinigung im Normalbetrieb weiche infolgedessen von der Abgasreinigung im Prüfbetrieb ab und führe dazu, dass der Stickoxid-Ausstoß im Normalbetrieb über das zu erwartende Maß ansteige. Der Fahrzeughersteller habe für das Fahrzeug eine EG-Typgenehmigung eingeholt und das Fahrzeug mit einer Übereinstimmungsbescheinigung versehen; wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen hätte das Fahrzeug nicht zugelassen werden dürfen. Das Fahrzeug habe er als Ersatz für sein Vorgängerfahrzeug erworben.
8
Der Kläger ist der Ansicht, dass die von ihm beantragte Deckung von dem Versicherungsschutz erfasst sei. Dass der Rechtsschutzfall mit dem Erwerb und vor der Zulassung auf den Versicherungsnehmer erfolgt sei, stehe dem Versicherungsschutz nach § 21 Abs. 2 VRB 1999 nach der Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB nicht entgegen. Im Übrigen bestehe Versicherungsschutz nach § 21 Abs. 8 VRB 1999. Auch dürfe sich die Beklagte angesichts ihrer Regulierungspraxis nicht darauf berufen, dass kein Versicherungsschutz bestehe. Der Kläger meint weiter, dass zu seinen Gunsten die Deckungsfiktion des § 128 S. 3 VVG eingreife. Die Beklagte habe die beantragte Deckungszusage verspätet und ausschließlich wegen mangelnder Erfolgsaussichten abgelehnt. Dem im vorgerichtlichen Verfahren abgegebenen Stichentscheid komme Bindungswirkung zu. Weitere Einwände gegen die Erfolgsaussichten im Bezugsverfahren oder gegen die hier geltend gemachten Ansprüche seien präkludiert. Im Übrigen bestünde für die Klage im Bezugsverfahren hinreichende Aussicht auf Erfolg.
9
Aufgrund der schuldhaft verweigerten Deckungszusage habe sich die Beklagte schadenersatzpflichtig gemacht und sei somit auch zum Ersatz der mit dem Prozessfinanzierer vereinbarten Erfolgsprovision verpflichtet.
1) Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag mit der Versicherungsnummer … verpflichtet ist, für die außergerichtliche und erstinstanzliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen die Audi AG aufgrund des Fahrzeugkaufs vom 11. Juli 2016 (FIN: …) bedingungsgemäßen Deckungsschutz zu gewähren.
2) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die daraus resultieren, dass die Beklagte die mit dem Antrag zu 1) begehrte Deckungszusage nicht erteilt hat.
11
Die Beklagte beantragt,
12
Die Beklagte behauptet, dass für den hier streitgegenständlichen Motortyp im Rahmen der bisher erfolgten Überprüfungen keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt worden sei. Das Angebot einer freiwilligen Servicemaßnahme lasse keine entsprechenden Rückschlüsse zu. Sie bestreitet die für das Bezugsverfahren vom Kläger angesetzte Schadenshöhe und behauptet, dass ein etwaiger Schaden durch die Fahrzeugnutzung aufgezehrt sei.
13
Die Beklagte ist der Ansicht, dass sich der Versicherungsschutz nach § 21 VRB 1999 nur auf Schadensfälle erstrecke, die bereits zugelassene Fahrzeuge betreffen, und dass es daran für die im Bezugsverfahren geltend gemachten Schadenersatzansprüche fehle, da das Fahrzeug erst nach dem für die Entstehung der Ansprüche maßgeblichen Zeitpunkt auf den Kläger zugelassen worden sei und auch nicht im Versicherungsschein benannt sei. Ihre im hiesigen Verfahren geltend gemachten Einwände seien nicht präkludiert. Die Deckungsanfrage habe sie nicht verspätet abgelehnt. Die Deckungsanfrage habe sich auch nur auf einen Anspruch aus § 826 BGB und nicht auch auf den nunmehr in den Vordergrund gestellten Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den unionsrechtlichen Vorgaben in Form einer fahrlässigen Begehungsweise bezogen. Der als Stichentscheid abgegebenen Stellungnahme der Prozessbevollmächtigten der Kläger komme keine abschließende Bindungswirkung zu. Mit Blick auf die Erfolgsaussichten im Bezugsverfahren seien die Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den unionsrechtlichen Vorgaben nicht schlüssig dargelegt.
14
Ein Anspruch des Klägers auf Ersatz der dem Prozessfinanzierer geschuldeten Erfolgsprovision bestehe nicht.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
16
Die Klage ist zulässig und begründet.
17
Die Feststellungsanträge zu 1) und 2) sind jeweils zulässig.
18
1. Der Feststellungsantrag zu 1) erscheint hier trotz des grundsätzlichen Vorrangs der Leistungsklage zulässig. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist darin zu sehen, dass der Kläger einerseits ein berechtigtes Interesse an der Klärung der Frage hat, ob ihm die Beklagte Deckungsschutz für das von ihm angestrengte Bezugsverfahren zu gewähren hat, und dass der Kläger andererseits das von ihm angestrengte Bezugsverfahren mit Hilfe der Finanzierung durch die Spreefels GmbH bereits eingeleitet hat. Abhängig von der konkreten Ausgestaltung des Prozesskostenfinanzierungsvertrages zum Verhältnis der Verpflichtung der Spreefels GmbH und der Verpflichtung der Beklagten erscheint es vorstellbar, dass eine Leistungsklage gegen die Beklagte dem Interesse des Klägers an einer prozesskostenrisikofreien Geltendmachung seiner Ansprüche im Bezugsverfahren im Ergebnis nicht mehr angemessen Rechnung tragen kann. Nach der Erklärung des Klägers wäre ein Leistungsantrag gegen die Beklagte zudem noch nicht bezifferbar.
19
2. Der Feststellungsantrag zu 2) erscheint im Ergebnis ebenfalls zulässig. Ein Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist jedenfalls insoweit zu bejahen, als der Antrag auf die Verpflichtung zum Ersatz von Schäden zielt, deren Eintritt bereits jetzt hinreichend konkret und wahrscheinlich erscheint. Der Feststellungsantrag zu 2) ist zwar weit und ohne Einschränkungen formuliert, nach der Erklärung des Klägers zielt er aber auf die Erlösbeteiligung der Spreefels GmbH (vgl. Schriftsatz der Klägervertreter vom 07.02.2024, Bl. 140 f. der Akte). Insoweit erscheint der Eintritt eines Vermögensschadens bei dem Kläger denkbar und ein hierauf gerichteter Leistungsantrag wäre derzeit – vor Abschluss des Bezugsverfahrens – auch noch nicht bezifferbar.
20
Der Feststellungsantrag zu 1) ist begründet, weil der vereinbarte Versicherungsschutz auch die hier vorliegende Konstellation abdeckt und der Stichentscheid Bindungswirkung entfaltet.
21
1. Die Bestimmungen zum Versicherungsschutz in § 21 VRB 1999 sind dahingehend auszulegen, dass sich der Versicherungsschutz auch auf den hier maßgeblichen Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger erstreckt, auch wenn das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf den Kläger zugelassen war.
22
a) Insoweit ist zunächst zwischen der Bestimmung in § 21 Abs. 1 und der Bestimmung in § 21 Abs. 2 und Abs. 8 VRB 1999 zu unterscheiden. Während sich § 21 Abs. 1 VRB 1999 nach seinem Wortlaut auf die auf den Versicherungsnehmer zugelassenen und im Fahrzeugschein genannten Fahrzeugen beschränkt, erfasst § 21 Abs. 2 VRB 1999 nach seinem Wortlaut auch die später während der Vertragsdauer auf den Versicherungsnehmer zugelassenen Fahrzeuge der im Versicherungsschein genannten Gruppe; bei hinzuerworbenen Fahrzeugen erfasst § 21 Abs. 8 VRB 1999 auch Rechtsschutzfälle, die im Zusammenhang mit dem Vertrag über den Erwerb stehen. Sollte die diesbezügliche Behauptung des Klägers, das streitgegenständliche Fahrzeug als Ersatz für sein Vorgängerfahrzeug erworben zu haben, zutreffen und sollten auch die übrigen Voraussetzungen des § 21 Abs. 8 VRB 1999 erfüllt sein, was der Kläger jedoch nicht dargelegt hat, ließe sich ein Versicherungsschutz bereits auf der Grundlage des Wortlauts dieser Bestimmung bejahen. In der Zusammenschau dieser Bestimmungen des § 21 VRB 1999 erscheint der Versicherungsschutz für den Erwerb noch nicht zugelassener Fahrzeuge aber jedenfalls nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Die unterschiedlichen Bestimmungen lassen aus der objektiven Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers keinen eindeutig nachvollziehbaren Grund für die Regelung in § 21 Abs. 1 VRB 1999 einerseits und die hiervon abweichenden Regelungen in § 21 Abs. 2 und Abs. 8 VRB 1999 andererseits erkennen, so dass Zweifel hinsichtlich der jeweiligen Regelungsgehalte und deren Reichweite verbleiben. Zweifel bei der Auslegung dieser Bestimmungen gehen indes gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten der Beklagten, die die VRB 1999 als Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet. Deshalb ist hier die für den Kläger als Versicherungsnehmer günstigste Auslegungsvariante zugunsten eines entsprechenden Versicherungsschutzes heranzuziehen.
23
b) Ein entsprechendes Auslegungsergebnis wurde durch ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 05.05.2023, 20 U 144/22) bestätigt. Das Oberlandesgericht Hamm hat hierzu ausgeführt: „Da der Pkw zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Beklagten noch nicht auf den Kläger zugelassen war, ergibt sich der Versicherungsschutz zwar nicht aus § 21 (1) VRB, da hiernach Versicherungsschutz (nur) für den Versicherungsnehmer in seiner Eigenschaft u.a. als Eigentümer des bei Vertragsschluss auf ihn zugelassenen und im Versicherungsschein genannten Fahrzeugs besteht. Versicherungsschutz besteht aber nach § 21 (2) VRB, wonach Versicherungsschutz auch hinsichtlich aller später während der Vertragsdauer auf den Versicherungsnehmer zugelassenen Fahrzeuge der im Versicherungsschein genannten Gruppe besteht. Dem steht nicht entgegen, dass der hier in Rede stehende Rechtsschutzfall zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, als der Pkw noch nicht auf den Kläger zugelassen war. Versicherungsschutz besteht vorliegend nämlich – im Unterschied zu dem erst kürzlich vom Senat entschiedenen Sachverhalt (8.3.2023 – 20 U 110/22) – auch für Rechtsschutzfälle, die im Zusammenhang mit dem Vertrag über den Erwerb – also regelmäßig vor der Zulassung des Fahrzeugs auf den Versicherungsnehmer – stehen. Dies ergibt sich aus der Unklarheitenregel des § 305 c II BGB, da die Klausel des § 21 (2) VRB unklar i.S.v. § 305 c II BGB ist. Allgemeine Versicherungsbedingungen, zu denen die hier in Rede stehende Klausel gehört, sind nach ständiger Rechtsprechung des BGH so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. BGHZ 211, 51 = NJW 2017, 388 m.w.N.). Dem Wortlaut der Klausel des § 21 (2) VRB allein wird ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer zwar nicht ohne Weiteres entnehmen, dass er Versicherungsschutz auch für Rechtsschutzfälle genießt, welche vor der Zulassung des Pkw auf seinen Namen eingetreten sind. Der Wortlaut dieser Klausel, wonach auch „hinsichtlich aller später während der Vertragsdauer auf den Versicherungsnehmer zugelassenen Fahrzeuge der im Versicherungsschein genannten Gruppe“ Versicherungsschutz besteht, wirft aber jedenfalls Fragen auf. Die Verwendung des Begriffs „zugelassenen“ deutet einerseits darauf hin, dass der Versicherungsschutz erst mit dem Akt der Zulassung zum öffentlichen Straßenverkehr beginnt. Andererseits wird in der Klausel nicht, wie in § 21 (1) VRB („des bei Vertragsabschluss auf ihn zugelassenen … Fahrzeugs“), der für den Beginn des Versicherungsschutzes maßgebliche Zeitpunkt ausdrücklich benannt. Vielmehr ist von „während der Vertragsdauer auf den Versicherungsnehmer … zugelassenen Fahrzeuge“ die Rede, was für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer (als Rechtslaien) die Deutung zulässt, dass der Versicherungsschutz bereits mit dem Erwerb und noch vor der Zulassung der während der Vertragsdauer „hinzutretenden“ Fahrzeuge besteht. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird der Klausel in § 21 (2) VRB daher auch nicht sicher entnehmen können, dass der Versicherungsschutz erst mit der Zulassung beginnt. Nimmt er sodann die Klausel von § 21 (8) VRB, auf welche in § 21 (2) VRB verwiesen wird, in den Blick, werden solche Zweifel darüber, ob der Versicherungsschutz für erst nach Vertragsschluss erworbene Fahrzeuge erst mit dem Akt der Zulassung beginnt, noch verstärkt. Hiernach wird – bei einer Erweiterung der Anzahl der Fahrzeuge innerhalb einer Fahrzeuggruppe – die sogenannte Vorsorgeversicherung wirksam, und nach S. 4 der Klausel besteht bei einem Erwerb eines Fahrzeugs, welches in die Gruppe eines versicherten Fahrzeugs fällt, Versicherungsschutz auch für im Zusammenhang mit dem Vertrag über den Erwerb stehende Rechtsschutzfälle. Es besteht demnach für Fahrzeuge, welche der Versicherungsnehmer „hinzu“, also zusätzlich zu dem bereits versicherten Fahrzeug erwirbt, Versicherungsschutz auch für „Erwerbsrechtsschutzfälle“, welche praktisch immer vor der Zulassung des Fahrzeugs auf den Versicherungsnehmer eintreten, und zwar – u.a. – für Pkw im laufenden Versicherungsjahr ohne Mehrprämie. Der Versicherungsnehmer wird keinen Grund dafür finden, dass der Versicherer für einen (zusätzlich) hinzuerworbenen Pkw nicht nur im laufenden Versicherungsjahr kostenlos Versicherungsschutz auch für diesen Pkw verspricht, sondern zudem den Erwerbsvorgang vor Zulassung einschließt, dass aber – so das Auslegungsergebnis der Beklagten – für das gem. § 21 (2) VRB versicherte Fahrzeug der Erwerbsvorgang vor Zulassung nicht versichert sein soll. Auch der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung einen solchen Grund nicht benennen können. Wenn der durchschnittliche Versicherungsnehmer all dies nach Lektüre von § 21 (8) VRB erwägt, bestehen verstärkte Zweifel über Inhalt und Bedeutung der Klausel von § 21 (2) VRB. Die Klausel von § 21 (2) VRB ist nach alledem (jedenfalls) unklar, § 305 c II BGB. Es verbleibt nach Ausschöpfung der in Betracht kommenden Auslegungsmethoden (jedenfalls) ein nicht behebbarer Zweifel, da zwei unterschiedliche Auslegungen vertretbar sind. Dies geht zulasten der Bekl. (§ 305 c II BGB). Es ist daher der Auslegung der Vorzug zu geben, wonach für später erworbene Fahrzeuge, auch dann, wenn ihr Erwerb nicht von der Vorsorgeversicherung i.S.v. § 21 (8) VRB umfasst wird, gem. § 21 (2) VRB Versicherungsschutz auch für Rechtsschutzfälle besteht, welche vor der Zulassung des Pkw auf den Namen des Versicherungsnehmers eingetreten sind.“
24
Diesen überzeugenden Ausführungen schließt sich das Gericht an.
25
c) Das die Rechtsschutzpflicht auslösende Ereignis ist vorliegend in dem Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger zu sehen (vgl. auch insoweit OLG Hamm, Urteil vom 05.05.2023, 20 U 144/22). Der geltend gemachte Verstoß gegen Rechtspflichten durch die Fahrzeugherstellerin konkretisiert sich in diesem Zeitpunkt dem Kläger gegenüber, schafft einen fassbaren Bezug zu diesem und stellt damit den Anknüpfungspunkt für die im Bezugsverfahren geltend gemachten Ansprüche, insbesondere auch für den Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. den unionsrechtlichen Vorgaben, dar. Dass der Kläger das Fahrzeug hier nicht als Neuwagen von der Fahrzeugherstellerin, sondern als Gebrauchtwagen von der Firma Arapoglou erwarb, ändert an dieser Bewertung nichts, da es hier nicht um die Geltendmachung vertraglicher, sondern deliktsrechtlicher Ansprüche gegen die Fahrzeugherstellerin geht.
26
2. Mit Blick auf die Beurteilung der Erfolgsaussichten für das Bezugsverfahren entfaltet der Stichentscheid vom 28.11.2022 gemäß § 17 Abs. 3 VRB 1999 Bindungswirkung, so dass die Beklagte die vom Kläger begehrte Deckung vorliegend nicht weiter wegen ungenügender Erfolgsaussichten ablehnen durfte und sich auch in diesem Verfahren nicht auf den Einwand ungenügender Erfolgsaussichten im Bezugsverfahren berufen darf.
27
Die Deckungsanfrage des Klägers vom 07.06.2020 (Anlage K 2) lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 13.07.2020 mangels Erfolgsaussichten gemäß § 17 Abs. 1 VRB 1999 ab (Anlage K 3) und wies den Kläger gemäß § 17 Abs. 2 VRB 1999 auf die Möglichkeit der Abgabe eines bindenden Stichentscheides hin. Als Stichentscheid legte der Kläger später der Beklagten die Stellungnahme seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.11.2022 vor (Anlage K 4), die die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 VRB 1999 erfüllt und hinreichende Erfolgsaussichten bejaht.
28
a) Der Stichentscheid erfüllt die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 VRB 1999 und § 128 VVG. Die Beklagte hat nicht zur Überzeugung des Gerichts dargelegt, dass die von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers als Stichentscheid abgegebene Stellungnahme nicht unparteiisch ist oder offenbar von der wirklichen Sach- oder Rechtslage erheblich abweicht (vgl. § 17 Abs. 3 VRB 1999 sowie § 84 Abs. 1 VVG).
29
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers stellte in seiner Stellungnahme die jeweils für und gegen die Position des Klägers sprechende Rechtsprechung zum damaligen Zeitpunkt dar und entwickelte daraus jeweils eine nachvollziehbar begründete und vertretbare Einschätzung zu den von ihm bejahten hinreichenden Erfolgsaussichten. Das gilt sowohl mit Blick auf tatsächliche Umstände (Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einem sog. Thermofenster und einer weiteren unzulässigen Abschalteinrichtung) als auch mit Blick auf verschiedene in Betracht kommende Anspruchsgrundlagen und deren jeweilige Anspruchsvoraussetzungen (Vorsatz- bzw. Fahrlässigkeitsvorwurf gegenüber der Fahrzeugherstellerin; Schutzcharakter und Schutzrichtung der maßgeblichen Normen des Unionsrechts). Für die Anspruchsgrundlage aus § 826 BGB wies er auf ein Prozessrisiko hin, das aber durch die Erfolgsaussichten für einen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV i.V.m. der Richtlinie 2007/46/EG i.V.m. der VO (EG) Nr. 715/2007 aufgewogen werde. Dass das streitgegenständliche Fahrzeug nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet sei und die Stellungnahme insoweit von einer falschen Sachlage ausgehe, steht vorliegend nicht fest. Dass der im Bezugsverfahren verfolgte Hauptsacheanspruch weder in der Deckungsanfrage noch im Stichentscheid konkretisiert wurde, ist zutreffend und stellt zwar eine Unzulänglichkeit, aber keine erhebliche Abweichung von der wirklichen Sach- und Rechtslage dar. Insoweit sind die Ausführungen im Stichentscheid lediglich unvollständig, aber nicht unzutreffend. Da der Feststellungsantrag zu 1) auf bedingungsgemäßen Deckungsschutz und nicht auf die Deckung für eine bestimmte Art von Schadenersatz zielt, steht er einer erfolgversprechenden Beschränkung der Rechtsdurchsetzung im Bezugsverfahren auf den sog. Differenzschaden nicht entgegen.
30
b) In dem Stichentscheid wurde auch auf die von der Beklagten im Rahmen der Deckungsablehnung vorgebrachten Einwände eingegangen.
31
Richtig ist zwar, dass die Deckungsanfrage nur die Anspruchsgrundlagen des § 826 BGB sowie des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB nannte und dass die Beklagte ihre Prüfung und ihre Einwände offenbar entsprechend auf diese Anspruchsgrundlagen beschränkte. Allerdings hindert die Nennung von Anspruchsgrundlagen weder die Beklagte im Rahmen der Leistungsprüfung, noch den Prozessbevollmächtigten des Klägers im Rahmen des Stichentscheids daran, den dargestellten Sachverhalt umfassend und über die genannten Anspruchsgrundlagen hinausgehend unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen und danach die Erfolgsaussichten für die Geltendmachung im Bezugsverfahren zu prüfen. Eine aussagekräftige Beurteilung der Erfolgsaussichten erfordert nämlich eine umfassende Prüfung der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen. Diese Prüfung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Rahmen des Stichentscheids vorgenommen und dabei auch eine nachvollziehbar begründete Stellungnahme zu den Erfolgsaussichten für die Anspruchsgrundlage des § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV i.V.m. der Richtlinie 2007/46/EG i.V.m. der VO (EG) Nr. 715/2007 abgegeben. Im Rahmen dieser Einschätzung ist er auch auf unterschiedliche Ansichten hierzu eingegangen und hat sich auch ohne konkrete Einwände der Beklagten insgesamt ausreichend mit den für und gegen die Position des Klägers sprechenden Argumenten auseinandergesetzt. Insoweit besteht kein Anlass, dem Stichentscheid keine oder nur eine eingeschränkte Bindungswirkung zuzuerkennen. Auch hinsichtlich des Anspruchsziels ist die Bindungswirkung des Stichentscheids nicht aufgrund der ursprünglichen Deckungsanfrage und der darauf aufbauenden Deckungsablehnung einzuschränken. Die Deckungsanfrage benennt nicht den Inhalt und Umfang des geltend gemachten Schadenersatzes, so dass auch die Geltendmachung eines sog. Differenzschadens als von der Anfrage des Klägers und der Ablehnung der Beklagten als erfasst anzusehen ist.
32
c) Der Stichentscheid bezieht sich auch nicht lediglich auf die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Fahrzeugherstellerin. Die Deckungsanfrage enthält keine ausdrückliche Erklärung zur Frage der außergerichtlichen und/oder gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche. Aus dem Begleitschreiben zum Stichentscheid (Anlage K 4) geht dann – insoweit die ursprüngliche Anfrage klarstellend – hervor, dass das Ergebnis des Stichentscheides Bindungswirkung für das Rechtsschutzbegehren für die (beendete) außergerichtliche und nun anstehende und begehrte erstinstanzliche Tätigkeit, entfalten solle. Gegen eine zeitgleiche Anfrage und Prüfung von Rechtsschutz für die außergerichtliche und erstinstanzliche gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen sprechen hier auch keine inhaltlichen Gründe. Auch die Beklagte hat ihre Deckungsablehnung nicht gezielt auf die außergerichtliche oder erstinstanzliche gerichtliche Geltendmachung bezogen, sondern allgemeinere Gründe gegen eine Deckungszusage aufgeführt.
33
d) Die Bindungswirkung des hier abgegebenen Stichentscheids entfällt schließlich auch nicht deshalb, weil der Stichentscheid erst über zwei Jahre nach der Deckungsablehnung vorgelegt wurde. Weder nach den hier maßgeblichen Versicherungsbedingungen noch nach der gesetzlichen Grundlage hierfür in § 128 VVG ist die Abgabe eines Stichentscheids an eine Frist gebunden; auch die Beklagte knüpfte im Rahmen ihrer Deckungsablehnung – die ihrerseits erst fünf Wochen nach der Deckungsanfrage und damit ebenfalls spät erfolgte – die Möglichkeit des Stichentscheides nicht an einen bestimmten Zeitraum. Die späte Erstellung des Stichentscheids widerspricht hier zwar dem Gedanken einer zügigen Klärung. Der abgegebene Stichentscheid verliert aber dadurch nicht seine Möglichkeit, die Frage der hinreichenden Erfolgsaussichten zwischen den Parteien verbindlich zu klären.
34
e) Dass sich die Beklagte in der Deckungsablehnung (Anlage K 3) und ihrer ablehnenden Erklärung zum Stichentscheid (Anlage K 6) jeweils weitere Einwendungen auch gegen die Erfolgsaussichten vorbehielt, ist angesichts der Bindungswirkung des Stichentscheids gemäß § 17 Abs. 3 VRB 1999 unbeachtlich. Zu einer Ablehnung des Stichentscheids war die Beklagte hier nicht berechtigt.
35
f) Die Frage der Bindungswirkung des Stichentscheids ist auch entscheidungserheblich.
36
Die Genehmigungsfiktion des § 128 S. 3 VVG greift hier nicht ein, da die Beklagte die gesetzlichen Vorgaben des § 128 VVG mit ihrem Hinweis in der Deckungsablehnung eingehalten hat.
37
Die beantragte Deckung ist auch nicht bereits aufgrund der zwischen dem Antrag des Klägers und dessen Ablehnung durch die Beklagte liegenden Dauer von fünf Wochen als genehmigt anzusehen. Zwar bestehen Zweifel, dass die Deckungsablehnung fünf Wochen nach der Anfrage noch unverzüglich im Sinne von § 17 Abs. 2 S. 1 VRB 1999 erfolgte und dass die Klärung des Sachverhalts eine entsprechende Entscheidungszeit erforderte. Der Zeitraum von fünf Wochen liegt jedenfalls über der hierfür üblicherweise angesetzten Frist von zwei Wochen und die Beklagte hat den Kläger auch nicht darauf hingewiesen, dass sich die Bearbeitung der Deckungsanfrage verzögern werde. Angesichts des nachfolgenden Ablaufs der Geschehnisse – Deckungsablehnung durch die Beklagte und spätere Durchführung eines Stichentscheids – haben beide Parteien jedoch zum Ausdruck gebracht, dass sie die beantragte Deckung bis zum Stichentscheid noch als zwischen ihnen offen verstanden haben und die Klärung durch den Stichentscheid herbeigeführt werden sollte.
38
Der Feststellungsantrag zu 2) ist begründet. Mit der unberechtigten Ablehnung des Stichentscheids und der daraus resultierenden Deckungspflicht durch die Beklagte hat diese eine Pflicht aus dem Versicherungsverhältnis mit dem Kläger verletzt und ist diesem entsprechend gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 bzw. §§ 280 Abs. 1, 281 BGB zum Ersatz der daraus resultierenden materiellen Schäden verpflichtet. Die Verschuldensvermutung des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB hat die Beklagte nicht widerlegt.
39
Welche Schäden im Einzelnen von dieser Ersatzpflicht gedeckt sind, wie weit diesbezüglich jeweils die maßgeblichen gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und in welcher Höhe diese dann von der Beklagten zu ersetzen sein werden, wird der Kläger bei einer Geltendmachung einzelner Positionen gegenüber der Beklagten noch darzulegen haben. Weder hinsichtlich der vom Kläger genannten Erlösbeteiligung der Spreefels GmbH noch für etwaige weitere Positionen können diese Voraussetzungen im Rahmen des hier lediglich auf die Feststellung der Ersatzpflicht dem Grunde nach gerichteten Antrags abschließend beurteilt werden. Dabei wird der Kläger auch zu berücksichtigen haben, dass er nicht gleichzeitig von der Beklagten – aufbauend auf den Feststellungsantrag zu 1) – die Leistung aus dem Versicherungsvertrag und – aufbauend auf dem Feststellungsantrag zu 2) – den Ersatz von Schadenspositionen verlangen kann, die nur als Schadenersatz statt der Leistung geltend gemacht werden könnten. Einen entsprechenden Feststellungsausspruch hindert dies jedoch nicht.
40
Der Inhalt der Feststellung zum Antrag zu 2) war im Wege der Auslegung geringfügig anzupassen, weil der Kläger mit dem Antrag zu 1) nicht eine Deckungszusage seitens der Beklagten begehrt, sondern nur die Feststellung ihrer Verpflichtung zur Gewährung bedingungsgemäßen Deckungsschutzes.
41
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Absatz 1 Satz 1 ZPO.
42
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
43
Die Streitwertsetzung folgt den Angaben in der Klageschrift, die das wirtschaftliche Interesse des Klägers für beide Feststellungsanträge nachvollziehbar beziffern (§§ 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO).