Titel:
Fachlehrer, Fiktive Vorverlegung des Diensteintritts, Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten, Tätigkeiten im Bereich als Elektrotechniker, Beurteilungsspielraum, Ermessen
Normenkette:
BayBesG Art. 31 Abs. 2
Schlagworte:
Fachlehrer, Fiktive Vorverlegung des Diensteintritts, Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten, Tätigkeiten im Bereich als Elektrotechniker, Beurteilungsspielraum, Ermessen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 8609
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der 1978 geborene Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten.
2
Der Kläger ist seit dem ... September 2019 als Fachlehrer – zunächst in ein Beamtenverhältnis auf Probe – bei der Beklagten tätig. Der Kläger ist in die Besoldungsgruppe A 10 Stufe 6 eingeordnet worden. Mit Bescheid vom … August 2019 sind dem Kläger nachfolgende Zeiten für einen Zeitraum von zehn Jahren als sonstige förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten anerkannt worden:
von …
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bis …
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Tätigkeit
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…4.2000
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…8.2000
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Facharbeiter, Firma H. GmbH
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…8.2002
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…4.2007
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Elektrotechniker, Firma H. GmbH
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…4.2007
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…3.2012
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Servicetechniker, Firma J. R. GmbH
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3
Mit Schreiben vom ... September 2019 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein und beantragte die Anerkennung folgender Vordienstzeiten (chronologisch nach Anfangsdaten sortiert):
von …
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bis …
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Tätigkeit
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...9.1995
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…3.1999
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Ausbildung als Elektromaschinenbauer, Firma H. GmbH
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…3.1999
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…8.2000
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Facharbeiter, Firma H. GmbH
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…9.2000
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…7.2002
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Technikerschule
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...8.2002
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…4.2007
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Elektrotechniker, Firma H. GmbH
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…4.2007
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…9.2013
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Servicetechniker, Firma J. R. GmbH
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…10.2013
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…9.2018
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Elektroniker, Firma S. Verlag
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…9.2018
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...9.2019
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Fachlehreranwärter A.
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4
Der Kläger bat um eine Einzelfallprüfung, da anhand der Arbeitszeugnisse ersichtlich sei, dass er in verschiedenen Bereichen der Elektrotechnik tätig gewesen sei, sodass mehr als zehn Jahre förderliche Vorbeschäftigungszeiten anzurechnen seien.
5
Mit Widerspruchsbescheid vom … Dezember 2021 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und erkannte dem Kläger erneut zehn Jahre förderliche Vorbeschäftigungszeiten an. Die Anerkennung wurde so vorgenommen, das die Zeiten lediglich anteilig anerkannt worden sind und sich auf folgende abgeänderte Zeiten verteilen:
von …
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bis …
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Tätigkeit
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davon anerkannt
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…4.2000
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…8.2000
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Facharbeiter, Firma H. GmbH
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ein Monat
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…8.2002
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…4.2007
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Elektrotechniker, Firma H. GmbH
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drei Jahre, sechs Monate
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…4.2007
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…9.2013
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Servicetechniker, Firma J. R. GmbH
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sechs Jahre, fünf Monate
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...10.2013
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…9.2018
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Elektroniker, Firma S. Verlag
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6
Gesetzlich festgelegte Zeiten, welche gemäß Art. 31 Abs. 1 BayBesG zwingend zu einer fiktiven Vorverlegung des Diensteintritts führen seien nicht gegeben. Für die Auslegung des unbestimmten Begriffs der sonstigen für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten sei Ziffer 31.2 ff. der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Bayerischen Besoldungsgesetz (BayVwVBes) herangezogen worden. Die Berücksichtigung sonstiger förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Dienstherrin. Der Begriff der Förderlichkeit sei weit auszulegen und beziehe sich auf die künftig auszuübende Beamtentätigkeit und die mit dem Amt verbundenen Aufgaben. Es seien zurecht sonstige förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten in Höhe von zehn Jahren anerkannt worden, wobei eine von der ursprünglichen Stufenfestsetzung teilweise abweichende Anerkennung vorgenommen worden sei.
7
Die Zeiten der Technikerschule sowie die Zeit als Facharbeiter, Firma H. GmbH (vom …3.1999 bis …4.2000) seien nicht anzuerkennen, da in diesem Zeitraum die Mindestanforderungen für die Zulassung zur Fachlehrerausbildung in A. erst erworben worden seien. Voraussetzung für die Zulassung zur Fachlehrerausbildung sei eine staatlich anerkannte Fachschule sowie eine mindestens 3-jährige hauptberufliche Tätigkeit. Beschäftigungszeiten, die zum Qualifikationserwerb führen, seien nicht zu berücksichtigen, da diese Zeiten der erforderlichen Ausbildung bereits pauschal in der Tabellenstruktur des Besoldungsgesetzgebers berücksichtigt worden seien. Aus diesem Grund seien auch Zeiten der Fachlehrerausbildung als Anwärter in A. nicht zu berücksichtigen gewesen.
8
Die anerkannten Zeiten seien teilweise anzuerkennen gewesen, da diese förderlich für die Tätigkeit als Fachlehrer (Lehrkraft Elektrotechnik) seien. Eine vollständige Anerkennung der Vordienstzeiten sei deshalb nicht erfolgt, da ein Teil der Tätigkeiten nicht zu 100% mit den Tätigkeiten als Lehrkraft Elektrotechnik übereinstimmen würden. Auch seien die mitgebrachten einschlägigen Berufserfahrungen nicht ausreichend, um damit den Unterricht in den Lernsituationen der Wochenmodule ohne intensive Vorbereitung, Einarbeitung und ggf. sogar Schulungen durchzuführen. Vor diesem Hintergrund sei im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung aller Umstände eine teilweise Anerkennung sachgerecht.
9
Am 23. Dezember 2021 hat der Bevollmächtigte des Klägers für diesen Klage erhoben und mit Schriftsatz vom 11. April 2022 folgende Anträge gestellt:
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Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom … August 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom ... Dezember 2021 verurteilt, die Beschäftigungszeiten des Klägers bei der Firma H. GmbH (**3.1999 – …8.2000 und …8.2002 – …04.2007), bei der Firma J. R. GmbH (16.4.2007 – 30.9.2013) und bei der S. Verlag GmbH (...10.2013 – …9.2018) als sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten und damit als berücksichtigungsfähigen Zeiten nach Art. 31 BayBesG anzuerkennen;
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Hilfsweise, über den Antrag des Klägers auf Anerkennung förderlicher hauptberuflicher Beschäftigungszeiten für seine Tätigkeiten in den Beschäftigungsverhältnissen bei der Firma H. GmbH (...3.1999 – …08.2000 und …8.2002 – …4.2007), bei der Firma J. R. GmbH (.4.2007 – …9.2013) und bei der S. Verlag GmbH (**10.2013 – …9.2018) unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden
12
Der Kläger habe bei der Firma H. weitreichende Kenntnisse jeglicher Art von Elektromotoren, von verschiedenen Frequenzumrichtern sowie Steuerungen für Elektromotoren erlangt. Bei der Firma J. habe der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers auf Geschwindigkeitsmessung mit verschiedenen Systemen, Dopplereffekt (Radarmessung), Piezoeffekt (elektrische Messung) und Lasertracking gelegen. Zudem habe der Kläger das Rotlicht zeitlich überwacht. Dem Kläger habe auch die Umrüstung auf neue digitale Systeme (Kamera) und die Kalibrierung sowie technische Vorbereitung für die Eichung oblegen. Auch sei er in die Auswertung von Informationen von Verkehrsleitsystemen eingebunden gewesen.
13
Beim S. Verlag habe der Kläger Änderungen und Neuprogrammierungen an automatisierten Steuerungen und den Aufbau und die Erneuerung des Sensorensystems vorgenommen.
14
Der Kläger habe in drei komplett unterschiedlichen Bereichen gearbeitet, welche alle mit Elektrotechnik zu tun hätten. Das unterschiedliche Wissen sei für die bei der Beklagten ausgeübte Tätigkeit förderlich. Fachfremde Tätigkeiten seien nach Einschätzung des Klägers nicht erbracht worden.
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Die Beklagte hat beantragt,
17
Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte, die vorgelegten Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 6. März 2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
19
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
20
1. Der Bescheid vom … August 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom … Dezember 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Anerkennung der Beschäftigungszeiten bei der Firma H. GmbH (...3.1999 – …8.2000 und ...8.2002 – …4.2007), bei der Firma J. R. GmbH (*...4.2007 .9.2013) und bei der Firma S. Verlag GmbH (...10.2013 – …9.2018) als sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten nach Art. 31 des Bayerischen Besoldungsgesetzes (BayBesG) über die bereits anerkannten Zeiten in Höhe von zehn Jahren hinaus, noch hat der Kläger einen Anspruch darauf, dass die Beklagte erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Anerkennung der Beschäftigungszeiten entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 1, 2, Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
21
a) Gemäß Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayBesG kann der Zeitpunkt des Diensteintritts auf Antrag mit Wirkung vom Ersten des Antragsmonats um sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten fiktiv vorverlegt werden.
22
Nach Nummer 31.2.3 der Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 22.12.2010 Az. 23 – P 1502/1 – 022 – 16 997/10, FMBl. 2011 S. 9 – BayVwVBes) ist der Begriff der Förderlichkeit weit auszulegen (VG München, U.v. 8.2.2017 – M 5 K 15.3979 – juris Rn. 25; VG Bayreuth, U.v. 14.4.2015 – B 5 K 13.712 – juris Rn. 24). Die Förderlichkeit bezieht sich auf die künftig auszuübende Beamtentätigkeit und die mit dem Amt verbundenen Aufgaben. Dementsprechend kommen als förderliche Zeiten insbesondere Tätigkeiten in Betracht, die mit den Anforderungsprofilen möglicher Tätigkeiten der betreffenden Qualifikationsebene in sachlichem Zusammenhang stehen oder durch die Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen erworben wurden, die für die auszuübenden Tätigkeiten von Nutzen oder Interesse sind.
23
Die Förderlichkeit von Vortätigkeiten muss nicht die ganze Bandbreite der späteren Verwendung umfassen. Vielmehr sind die inhaltlichen Anforderungen mehrerer Ämter einer Fachrichtung oder auch nur die Anforderungen eines bestimmten Dienstpostens in den Blick zu nehmen (BayVGH, U.v. 14.12.2020 – 3 B 19.1558 – juris Rn. 25 ff.; VG München, U.v. 8.2.2017 – M 5 K 15.3979 – juris Rn. 25; VG Bayreuth, U.v. 14.4.2015 – B 5 K 13.712 – juris Rn. 24).
24
Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang eine Anerkennung hauptberuflicher förderlicher Zeiten erfolgt, ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Die Ermessensentscheidung ist einzelfallbezogen und unter Abwägung aller einschlägiger Gesichtspunkte des konkreten Falles zu begründen; der bloße Verweis auf Verwaltungsvorschriften oder den Antrag des Beamten bzw. der Beamtin ist nicht ausreichend (Nummer 31.2.5 Abs. 2 Sätze 1 und 4 BayVwVBes). Nach Art. 31 Abs. 2 BayBesG ist sowohl eine vollständige als auch eine nur teilweise Anerkennung möglich. Eine nur teilweise Anerkennung kommt insbesondere in Betracht, wenn die Vordiensttätigkeit nur bedingt förderlich für die künftige Tätigkeit ist. Bei einer teilweisen Anerkennung ist der (erstmalige) Diensteintritt entsprechend zeitanteilig vorzuverlegen (Nummer 31.2.6 BayVwVBes).
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Der Begriff der Förderlichkeit unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen gerichtlichen Kontrolle (BVerwG, U.v. 14.12.2017 – 2 C 25.16 – juris Rn. 15) und eröffnet keinen Beurteilungsspielraum (VGH BW, U.v. 18.3.2014 – 4 S 2129/13 – juris Rn. 20; OVG NW, U.v. 17.8.2018 – 1 A 1044/16 – juris Ls. 1, Rn. 38; BayVGH U.v. 14.12.2020 – 3 B 19.1558 – juris Rn. 16).
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Eine Tätigkeit ist „förderlich“, wenn sie jedenfalls erleichtert und verbessert wird; die Förderlichkeit ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen. Diese Grundsätze, die das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 14.03.2002 – 2 C 4.01 – juris Rn. 13) zu § 10 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG a.F. entwickelt hat, gelten gleichermaßen für Art. 31 Abs. 2 BayBesG (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2017 – 2 C 25.16 – juris Rn. 15 m.w.N. zu § 28 BBesG; VGH BW, U.v. 18.3.2014 – 4 S 2129/13 – juris Rn. 22; OVG NW, U.v. 17.8.2018 – 1 A 1044/16 – juris Rn. 42). Die Bayerischen Verwaltungsvorschriften zum Besoldungsrecht und Nebengebieten greifen in Nr. 31.2.3 diese Formulierungen auf und ergänzen sie, indem sie in Satz 3 konkretisierend ausführen, dass sich die Förderlichkeit auf die künftig auszuübende Beamtentätigkeit und die mit dem Amt verbundenen Aufgaben bezieht und dementsprechend als förderliche Zeiten insbesondere Tätigkeiten in Betracht kommen, die mit den Anforderungsprofilen möglicher Tätigkeiten der betreffenden Qualifikationsebene in sachlichem Zusammenhang stehen oder durch die Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen erworben wurden, die für die auszuübenden Tätigkeiten von Nutzen oder Interesse sind (BayVGH, U.v. 14.12.2020 – 3 B 19.1558 – juris Rn. 29).
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b) Die Beklagte ist demnach nicht verpflichtet, die Beschäftigungszeiten des Klägers bei der Firma H. GmbH (**3.1999 – …8.2000 und ...8.2002 – …04.2007), bei der Firma J. R. GmbH (*...4.2007 – …9.2013) und bei der Firma S. Verlag GmbH (...10.2013 – …9.2018) als sonstige für die Beamtentätigkeit förderliche hauptberufliche Beschäftigungszeiten – über die bereits erfolgte Anerkennung von zehn Jahren hinaus – anzuerkennen.
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Die Beklagte hat insoweit das Tatbestandsmerkmal einer förderlichen hauptberuflichen Beschäftigungszeit für wesentliche Zeitabschnitte – welche streitgegenständlich sind – anerkannt. Die Beschäftigungszeiten bei der Firma H. GmbH hat die Beklagte erst ab … April 2000, die bei der der Firma J. R. GmbH und bei der Firma S. Verlag GmbH vollständig als förderlichen hauptberuflichen Beschäftigungszeit anerkannt.
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Das der Beklagten danach eröffnete Ermessen hat sie in rechtlich nicht zu beanstandender Weise dahingehend ausgeübt, diese Zeiten für die fiktive Vorverlegung des Dienstantritts nur in Höhe von zehn Jahren anzuerkennen. Die Beklagte hat dies in ihrem Widerspruchsbescheid vom ... Dezember 2021 anhand des konkreten Einzelfalls des Klägers damit begründet, dass zwischen den Tätigkeiten des Klägers als Elektrotechniker und den dadurch erworbenen Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen eine teilweise Korrelation zu der Tätigkeit als Fachlehrer bestehe. Die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten seien mit denen eines Fachlehrers der 3. Qualifikationsebene vergleichbar. Jedoch sei nicht jede Tätigkeit zu 100% förderlich, sondern einige Tätigkeiten nur zu einem geringeren Prozentsatz. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
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Es fehlt nicht schon von vornherein deshalb an einer Ermessensausübung, weil die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom ... Dezember 2021 nicht sauber unterschieden hat zwischen dem (angenommenen) Beurteilungsspielraum bei der Auslegung des Begriffs der Förderlichkeit auf der Tatbestandsseite und der Ermessensausübung, in welchem Umfang die förderlichen Erfahrungszeiten anerkannt werden. In der Sache hat die Beklagte nämlich trotz dieser inhaltlichen Vermengung erkannt, dass ihr bei der Anerkennung der als förderlich erachteten Erfahrungszeiten [noch] ein Ermessensspielraum zusteht. Art. 31 Abs. 2 BayBesG eröffnet der Behörde ein Ermessen, sodass bei der Anerkennung förderlicher Erfahrungszeiten kein Anspruch auf deren (vollständige) Anerkennung besteht.
31
Ermessensfehler liegen nicht vor. Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht insoweit nur, ob der Verwaltungsakt deshalb rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt dann vor, wenn sachfremde Gesichtspunkte eingestellt wurden, wesentliche Gesichtspunkte übersehen wurden oder ein Belang in zu beanstandender Weise zurückgestellt oder überbetont wurde. Das der Behörde eingeräumte Ermessen ist insbesondere auch unter Beachtung des Gebots der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Grundgesetz/GG) auszuüben. Dies gilt vor allem, wenn eine ständige, bindende Verwaltungspraxis besteht.
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Gemessen hieran begegnet die Entscheidung der Beklagten keinen Bedenken, die grundsätzlich als für die Verwendung des Klägers in seiner Laufbahn förderlich erachteten Vortätigkeiten nur in einem Umfang von insgesamt zehn Jahren als Erfahrungszeiten anzuerkennen.
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Die Ermessenserwägungen stehen auch mit dem Zweck der gesetzlichen Regelung in Einklang. Danach sind die Zeiten der Vortätigkeit in Bezug auf ihre Dauer und Qualität sowie den Umfang ihrer Nützlichkeit für die Verwendung des Beamten zu gewichten und dementsprechend – ggf. auch nur teilweise – als Erfahrungszeit zu berücksichtigen. Eine Anerkennung der Zeiten wird um so eher und umfangreicher zu erfolgen haben, je förderlicher sie für die Tätigkeit sind (OVG NW, U.v. 17.8.2018 – 1 A 1044/16 – juris Rn. 54 f. m.w.N; Nr. 31.2.6 Sätze 1 und 2BayVwVBes).
34
Dabei sind die konkreten Vortätigkeiten des betroffenen Beamten in den Blick zu nehmen und zu dem Anforderungsprofil des jetzigen Dienstpostens sowie zu den Anforderungsprofilen solcher Dienstposten seiner Fachrichtung und Laufbahn in Beziehung zu setzen, die der Beamte zukünftig möglicherweise bekleiden wird (OVG NW, U.v. 17.8.2018 – 1 A 1044/16 – juris Rn. 56).
35
Diese Maßstäbe hat die Beklagte ihrer Entscheidung zugrunde gelegt. Sie hat im Widerspruchsbescheid vom ... Dezember 2021 erklärt, dass die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Elektrotechniker in Bezug zu den Anforderungsprofilen möglicher Tätigkeiten der betreffenden Qualifikationsebene zu setzen sei. Dies hat sie auch in der Sache getan. Sie hat sämtliche Vortätigkeiten des Klägers im Einzelnen betrachtet und seine danach erworbenen Erfahrungen und Kenntnisse mit den Anforderungen in den Aufgabenbereichen ins Verhältnis gesetzt. Sie ist zu dem Ergebnis gelangt, dass dessen Vortätigkeiten nicht dazu führen, dass er in allen Einsatz- und Aufgabenbereichen uneingeschränkt ohne Weiterqualifikation einsetzbar sei (Seite 11 des Widerspruchsbescheides). Die Beklagte hat damit weder wesentliche Gesichtspunkte außer Acht gelassen, noch sachfremde Erwägungen angestellt.
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Der Vortrag der Klagepartei, dass die Matrix (Seite 123 ff. der Behördenakte), welche die konkreten Vortätigkeiten des Klägers in einen Zusammenhang mit dem Lehrplan und der Lernfeldbeschreibungen setzt, bei einigen Tätigkeiten fälschlicherweise eine zu niedrige Relevanz annehme, bedingt keinen Ermessensfehler. Entgegen den Ausführungen der Klagepartei ergibt sich aus dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Schreiben (datiert auf den …12.2021, Richtigstellung zum Schreiben an Kläger Az: … vom …12.2021), welches vom Ersteller der Matrix – dem Schulleiter der Berufsschule für Industrieelektronik der Beklagten – verfasst wurde, nicht, dass der Ersteller der Matrix seine Einschätzungen in der Matrix ändern wollte. Der Schulleiter der Berufsschule für Industrieelektronik der Beklagten stellt darin lediglich klar, dass er einige Passagen im Widerspruchsbescheid als so nicht richtig empfinde. Gleichwohl führt er weiter aus, dass es richtig sei, dass sich alle Lehrkräfte in ihren jeweiligen Fachgebieten kontinuierlich weiterbildeten. Auch sei richtig, dass es nicht möglich sei, anhand der vorliegenden Bewerbungsunterlagen über die bestehenden besonderen bzw. über das Maß erworbenen Berufserfahrungen des Klägers hinausgehend weitere Anrechnungszeiten zuzulassen. Aus diesen Ausführungen ergibt sich für das Gericht, dass der Schulleiter der Berufsschule für Industrieelektronik an seiner Einwertung der Relevanz der einzelnen Tätigkeiten keinen Änderungsbedarf gesehen hat.
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Zudem führt die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid (Seite 10) aus, dass sich aus der Einschätzung des Schulleiters der Berufsschule für Industrieelektronik eine Korrelation der Vortätigkeiten mit den Tätigkeiten eines Fachlehrers ergebe. Mit den getroffenen Einwertungen werde aber keine Aussage darüber getroffen, ob die Kenntnisse und Fähigkeiten auch wirklich im Unterricht gewinnbringend eingesetzt werden könnten. Weiter führt die Beklagte (Widerspruchsbescheid Seite 11) aus, dass die mitgebrachten einschlägigen Berufserfahrungen nicht ausreichend seien, um damit den Unterricht in den Lernsituationen der Wochenmodule ohne intensive Vorbereitung, Einarbeitung und ggf. sogar Schulungen durchzuführen. Vor diesem Hintergrund erscheine in einer umfassenden Gesamtabwägung aller Umstände eine teilweise Anerkennung sachgerecht. Dies ist rechtlich nicht zu beantstanden
38
Die Beklagte hat ihre Ermessensentscheidung nicht auf einen unrichtigen Sachverhalt – wie von der Klagepartei angeführt – getützt. Zudem war die Einschätzung des Schulleiters der Berufsschule für Industrieelektronik und dessen prozentuale Gewichtung der Relevanz – wie oben dargestellt – nur ein Teil der Gesamtabwägung, sodass ein Abstellen auch auf diese Einschätzung keinen Ermessensfehler bedingt.
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Die auf dieser Grundlage getroffene Wertung der Beklagten, die Zeiten der Vortätigkeit in einem Umfang von zehn Jahren als Erfahrungszeiten anzuerkennen, ist auch nicht willkürlich. Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Verhältnis der Nützlichkeit der durch die Vortätigkeit erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen zu den maßgeblichen Anforderungsprofilen nicht mit mathematischer Genauigkeit bestimmt und beziffert werden kann. Dieser Vergleich führt vielmehr regelmäßig zu einer Bandbreite möglicher Anerkennungsquoten, die sämtlich (noch) vertretbar und damit sachgerecht sind.
40
c) Die Zeiten vom ... März 1999 bis 21. April 2000 als Facharbeiter bei der Firma H. GmbH stellen Mindestzeiten dar, die Voraussetzung für den Erwerb einer Qualifikation sind. Diese Zeiten sind nach Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 BayBesG nicht berücksichtigungsfähig. § 2 Abs. 3 Nr. 1 der Qualifikationsverordnung für Fachlehrkräfte verschiedener Ausbildungsrichtungen an beruflichen Schulen und an Landesfeuerwehrschulen (Qualifikationsverordnung Fachlehrkräfte – QualVFL) sieht vor, dass eine mindestens dreijährige einschlägige hauptberufliche Tätigkeit nach Abschluss der beruflichen Erstausbildung erforderlich ist und somit zum Qualifikationserwerb zu zählen ist. Der Kläger hat seine Ausbildung als Elektromaschinenbauer zum … März 1999 beendet, sodass die streitgegenständlichen Zeiten bis zum … April 2000 noch für den Qualifikationserwerb erforderlich waren und nicht zu berücksichtigen sind.
41
d) Der hilfsweise gestellte Verbescheidungsantrag ist unbegründet, weil Voraussetzung für einen Erfolg dieses Hilfsantrags entweder eine fehlerhafte Ausübung des Beurteilungsspielraums oder ein Fehler bei der Ermessensausübung durch die Beklagte wäre. Beides ist nach obigen Ausführungen nicht der Fall.
42
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).