Titel:
Überlassung der Stellplätze als umsatzsteuerbefreite Vermietungsleistung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG
Normenketten:
UStG § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a
FGO § 52d, § 52d
MwStSystRL Art. 135 Abs. 2 Buchst. b
Leitsätze:
1. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von zum Verkauf bestimmten Fahrzeugen jedenfalls dann nicht von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG ausgenommen ist, wenn sie mit der steuerfreien Vermietung von für einen anderen Gebrauch bestimmten Grundstücksflächen eng verbunden ist. (Rn. 47)
2. Die Rechtsfrage, ob die alleinige Vermietung von Flächen zum Abstellen von zum Verkauf bestimmten Fahrzeugen unter die Vorschrift des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG fällt, ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt. (Rn. 52)
3. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG muss nicht aufgrund der unterschiedlichen Sprachfassungen der MwStSystRL einschränkend dahingehend ausgelegt werden, dass er nicht die Vermietung von Flächen zum Abstellen von zum Verkauf bestimmten Fahrzeuge umfasst. (Rn. 46 – 46)
4. Rückausnahmen von Steuerbefreiungen sind nicht eng auszulegen
Ob eine Vermietungstätigkeit vorliegt, richtet sich umsatzsteuerrechtlich aufgrund richtlinienkonformer Auslegung nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts, sondern nach dem Unionsrecht (vgl. Urteil EuGH vom 16. Januar 2003, BeckRS 2004, 76283; BFH-Urteile vom 19. Februar 2014 XI R 1/12, BFH/NV 2014, 1398 und BeckRS 2014, 95408; vom 17. Dezember 2014 XI R 16/11, BStBl II 2015,427, BeckRS 2015, 94390). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Ob eine Vermietungstätigkeit vorliegt, richtet sich umsatzsteuerrechtlich aufgrund richtlinienkonformer Auslegung nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts, sondern nach dem Unionsrecht. (Redaktioneller Leitsatz) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
gesonderte Feststellung, Finanzgerichtsordnung, Fahrzeug, Dienstleistungen, Automärkte, Rückausnahme, Nichtzulassungsbeschwerde, Sinn und Zweck, Steuerbefreiung, Umsatzsteuerrechtliche, Umsatzsteuergesetz, Verkauf, Umsatzsteuerbefreiung, Umsatzsteuererklärung, Umsatzsteuerpflicht, Verkaufsschilder, Vermietung und Verpachtung, Vorbehalt der Nachprüfung, Vermietungsleistung
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – V R 4/24
Fundstellen:
StEd 2024, 309
EFG 2024, 1067
DStRE 2025, 26
MwStR 2024, 791
FDMietR 2024, 008547
BeckRS 2024, 8547
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Streitig ist, ob die Überlassung von Standplätzen zum Anbieten von Kraftfahrzeugen auf Automärkten eine umsatzsteuerbefreite Vermietungsleistung darstellt.
2
Satzungsgemäßer Gegenstand des Unternehmens der mit Gesellschaftsvertrag vom gegründeten Klägerin sind die Verwaltung von Vermögen, insbesondere das Halten von Unternehmensbeteiligungen sowie Vermietung und Verpachtung von eigenem und fremdem Grundbesitz. Sie ist unter der Nummer HRB in das Handelsregister des Amtsgerichts A eingetragen und hat ihren Sitz in S.
3
Die Klägerin veranstaltete in den Streitjahren 2013 bis 2017 an den Standorten B, E, F, K, M und S sogenannte „Automärkte“, die mit Ausnahme des Standortes B auf dem Gelände von Autokinos stattfanden. Die Zurverfügungstellung der Pkw-Verkaufsplätze erfolgte an private und gewerbliche Verkaufsinteressenten. Zum schriftlichen Nachweis des von der Klägerin so bezeichneten „Mietvertrags“ erhielten die Verkaufsinteressenten mit Entrichtung des von der Klägerin geforderten Entgelts ein Verkaufsschild, welches während des Automarktes als Nachweis für das entrichtete Entgelt diente und den Verkäufer berechtigte, innerhalb der Verkaufsfläche seinen Pkw anzubieten und ihm ferner gestattete, am Tag des Automarktes das Gelände zum Zweck von Probefahrten zu verlassen, wieder zu befahren und an seinen zuvor zugewiesenen Stellplatz zurückzukehren. Mitarbeiter der Klägerin waren bei den Automärkten zugegen, diese leisteten aber keine Unterstützung bei den Verkaufsprozessen, weder durch Unterstützung bei der Preisfindung noch durch konkrete verkaufsfördernde Maßnahmen. Bei diesen Mitarbeitern handelte es sich lediglich um Kassen- und Ordnungspersonal, das die Abläufe organisierte und kontrollierte. Bei den Automärkten stand dem Kassenpersonal ein Geldscheinprüfgerät zur Prüfung des Entgelts zur Verfügung, das auch Verkäufer benutzen durften. Bei den Automärkten, die an den Standorten betrieben wurden, wo auch Autokinos betrieben wurden, gab es sogenannte Snackbars, an denen Verkäufer und Besucher einkaufen konnten; die Verkäufer hatten die gleichen Preise wie alle anderen zu bezahlen. Bei diesen Standorten (E, F, K, M und S) handelte es sich um Einrichtungen, bei denen sich aufgrund der regelmäßigen und häufigen Filmvorführungen sogenannte Snackbars in feststehenden Gebäuden befanden. Am Standort des Automarktes B, bei dem es sich nicht um ein Autokino handelte, gab es keine entsprechende Möglichkeit des Essens und Getränkekauf. Jedenfalls an dem Standort E wurde zudem zeitweise ein Zulassungsdienst von einem Drittanbieter zur Verfügung gestellt, auf welchen die Klägerin keinen Einfluss bzw. Zugriff hatte und der an die Klägerin Miete bezahlen musste. Teilweise boten Drittanbieter die Erstellung von Autokennzeichen gegen Entgelt an; die Flächen mieteten sie von der Klägerin.
4
In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2013 vom 2. April 2015 errechnete die Klägerin eine Umsatzsteuer in Höhe von ... €. Mit Umsatzsteuerbescheid vom 9. Dezember 2016 setzte der Beklagte (das Finanzamt; im Folgenden: FA) die Umsatzsteuer für 2013 unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung auf den Betrag von ... € fest.
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In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2014 vom 2. Februar 2016 errechnete die Klägerin eine Umsatzsteuer in Höhe von ... €. Mit Umsatzsteuerbescheid vom 9. Dezember 2016 setzte das FA die Umsatzsteuer für 2014 unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der Nachprüfung auf den Betrag von ... € fest.
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In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2015 vom 17. Mai 2017 errechnete die Klägerin eine Umsatzsteuer in Höhe von ... €. Das FA stimmte dieser Steueranmeldung mit Mitteilung vom 20. Juni 2018 zu.
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In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2016 vom 5. April 2018 errechnete die Klägerin eine Umsatzsteuer in Höhe von ... €. Das FA stimmte dieser Steueranmeldung mit Mitteilung vom 20. Juni 2018 zu.
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In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2017 vom 7. Mai 2019 errechnete die Klägerin eine Umsatzsteuer in Höhe von ... €.
9
Ab dem 5. November 2019 führte das FA bei der Klägerin für die Veranlagungszeiträume 2013 bis 2017 eine Außenprüfung durch (Bericht vom 9. November 2020). Dabei wurden entsprechend der Sachbehandlung für den Veranlagungszeitraum 2012 die Erlöse aus der Veranstaltung der Automärkte als umsatzsteuerpflichtig behandelt und die Vorsteuern aus Eingangsleistungen entsprechend erhöht. Hinsichtlich der Einzelheiten der Prüfungsfeststellungen wird auf Tz. 7.2 und 7.3 des Betriebsprüfungsberichts Bezug genommen.
10
Das FA folgte den Prüfungsfeststellungen und setzte die Umsatzsteuer und die Zinsen für die Streitjahre mit Änderungsbescheiden jeweils vom 18. März 2021 und jeweils unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung wie folgt fest (Beträge in €):
Jahr:
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2013
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2014
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2015
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2016
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2017
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Festgesetzte USt:
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Nachzahlung USt:
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Zinsen:
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Nachzahlung insgesamt:
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Summe Nachzahlung:
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Gegen diese Änderungsbescheide war der Einspruch vom 9. April 2021 gerichtet.
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Mit Urteil vom 29. September 2021 entschied der 3. Senat des Finanzgerichts München für die Umsatzsteuer 2012 (3 K 2294/18) der Klägerin, dass ihre Umsätze aus der Veranstaltung der Automärkte nicht von der Umsatzsteuer befreit sind, da ihnen keine steuerfreie Vermietung zugrunde liegt, sondern eine steuerpflichtige einheitliche Leistung. Nach der Begründung dieser Entscheidung lag der Schwerpunkt dieser Leistungen dabei für die Kunden der Klägerin nicht in der Stellplatzüberlassung, sondern in der Durchführung des Automarktes mit der damit verbundenen Möglichkeit, das abgestellte Fahrzeug einem interessierten Publikum zum Kauf anzubieten.
13
Mit Beschluss vom 10. Januar 2023 wies der Bundesfinanzhof (BFH) die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin als unbegründet zurück (V B 66/21). Zur Begründung führte der BFH im Wesentlichen an, dass es eine Tatsachenbeurteilung des Finanzgerichts sei, ob im Fall eines Leistungsbündels umsatzsteuerrechtlich eine einheitliche Leistung vorliege oder ob mehrere, getrennt zu beurteilende Leistungen gegeben seien. An dieser Würdigung der Gesamtumstände sei der BFH gebunden, wenn sie nicht gegen Denkgesetze verstoßen würde, die Sachverhaltsdarstellung des FG weder in sich widersprüchlich noch unzureichend sei und die Feststellungen des FG nicht erfolgreich mit Verfahrensrügen angegriffen seien. In seiner weiteren Begründung führte der BFH dazu aus, dass keiner dieser Aufhebungsgründe vorliege und dass das Finanzgericht den Sachverhalt denklogisch möglich in der Weise gewürdigt habe, dass die von der Klägerin neben der Stellplatzüberlassung erbrachten Leistungen keine bloßen Nebenleistungen hierzu darstellten, sondern mit dieser zusammen eine einheitliche sonstige (steuerpflichtige) Leistung bildeten, nämlich die „Schaffung eines Marktplatzes zum Verkauf gebrauchter Fahrzeuge“.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2023 wies das FA unter anderem die Einsprüche der Klägerin im vorliegenden Verfahren in Sachen Umsatzsteuer 2013 bis 2017 als unbegründet zurück. Zur Begründung trug das FA vor, dass keine substantiierten Einwände gegen die angegriffenen Steuerbescheide vorgebracht worden seien. Nachdem sich auch nach nochmaliger Prüfung der Verwaltungsakte gemäß § 367 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) keine Umstände ergeben hätten, die zu deren Aufhebung oder Änderung hätten führen können, sei der Einspruch als unbegründet zurückzuweisen. Bezüglich der Umsatzsteuerpflicht der Umsätze aus der Veranstaltung der Automärkte werde im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Urteil des Finanzgerichts München vom 29. September 2021 im Verfahren 3 K 2994/18 verwiesen.
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Gegen die Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2023 – deren Gegenstand auch die Bescheide vom 18. März 2021 über Körperschaftsteuer für die Jahre 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017, die Bescheide vom 18. März 2021 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gemäß § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) und der Bescheide vom 18. März 2021 über den Gewerbesteuermessbetrag für 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017 war – war die Klage vom 2. Juni 2023 gerichtet, die vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin (Klägerin) nur in Schriftform bei Gericht eingereicht wurde.
16
Mit telefonischer Mitteilung einer Mitarbeiterin der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde dem Gericht mitgeteilt, dass sich die Klage nur gegen die Umsatzsteuer richte; auf den Aktenvermerk vom 6. Juni 2023 wird verwiesen.
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Mit Schriftsatz vom 9. Juni 2023 (Eingang beim Finanzgericht München am 9. Juni 2023) wurde die Klage wegen Umsatzsteuer 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017 erneut durch die Klägerin persönlich eingelegt.
18
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass nach ihrer Auffassung auch die Vermietung von Pkw-Verkaufsplätzen im Rahmen einer Marktsituation, in der es dem Mieter gerade auf die Marktpräsenz zum Verkauf seines Pkw ankomme, ohne enge Verbindung zu einer anderweitigen Steuerbefreiung als Grundstücksvermietung umsatzsteuerfrei sein müsse. Diese Steuerbefreiung sei unter keinen erhöhten Voraussetzungen als die Vermietung von Marktstandplätzen zu gewähren. Die Vermietung von Pkw-Verkaufsplätzen sei ihrem Wesen nach eine spezielle Vermietungsleistung von Marktstandplätzen zum Verkauf einer bestimmten Ware, hier von Pkw. Es sei abwegig, die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (UStG) davon abhängig zu machen, welche Waren der Standplatzmieter an seinem Marktstand konkret anbiete. Es entbehre jeder Logik, weshalb die Standplatzvermietung von zum Beispiel gebrauchter Bekleidung, Geschirr, Kunst oder Elektronik umsatzsteuerlich anders zu behandeln sei als die von Pkw. Der BFH stelle hierbei gerade auf die Überlassung des Standplatzes als passive Vermietungsleistung ab, das Marktgeschehen habe der BFH hierzu als untergeordnete Nebenleistung angesehen (BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 V R 12/05, BStBl II 2009, 60). Richtigerweise und zur Verhütung von künftiger kasuistischer Rechtsprechung sei also bei der Beurteilung der Vermietung nach § 4 Nr. 12 UStG allein auf den Zweck der Grundstücksüberlassung an sich und gerade nicht auf den Zweck der Grundstücksnutzung abzustellen. Das FA übernehme in den Gründen seiner Einspruchsentscheidung die Argumentation des Finanzgerichts München in seinem Urteil vom 19. Oktober 2021 in dem Verfahren 3 K 2994/18 zur Umsatzsteuer 2012, ohne diese Argumentation einer eigenen Prüfung und Sachverhaltsaufklärung zu unterziehen. Das FA habe dadurch nicht erkannt, dass dem Finanzgericht München in seinem vorstehenden Urteil mehrere Rechtsfehler bei der Erforschung und Würdigung des Sachverhalts unterlaufen seien. Nach Auffassung der Klägerin habe das Finanzgericht München und damit auch das FA gegen Denkgesetze verstoßen und damit willkürlich über den Schwerpunkt der einzelnen Leistungsgegenstände befunden. Die Einschätzung des FA, dass die Leistung „Verkaufsplatzüberlassung“ der Klägerin ein Leistungsbündel bestehend aus mehreren steuerpflichtigen Leistungen sei, sei nicht zutreffend. Es lägen keinerlei nachweisbaren Fakten vor, wonach es sich tatsächlich um steuerpflichtige Leistungsbestandteile handele. Tatsache sei, dass die Klägerin keine Werbung für die Autoverkäufer betreibe, dass die Mitarbeiter der Klägerin am Verkauf der Pkw nicht beteiligt seien, dass der Snackverkauf nicht im Zusammenhang mit den Automärkten stehe und überwiegend an Marktinteressenten erbracht werde und dass Zusatzleistungen im Rahmen des Autoverkaufs, wie zum Beispiel die Autozulassung, von Drittanbietern im Eigeninteresse angeboten würden und der Klägerin nicht als Leistungsbestandteile zuzurechnen seien. Alles in allem sei also festzustellen, dass die von der Klägerin betriebene Vermietung von Pkw-Verkaufsplätzen eine nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG einheitliche steuerbefreite Vermietungsleistung darstelle. Bisher sei ungeklärt, ob § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG auch das Überlassen von Plätzen für das Abstellen von PKW zum Verkauf umfasse. Außerdem solle selbst eine Parkplatzvermietung nach § 4 Nr. 12 S. 2 UStG, sofern sie Nebenleistung zur Grundstücksvermietung sei, dann umsatzsteuerfrei sein, wenn die Grundstücksvermietung als Hauptleistung steuerbefreit und die Vermietung des Parkplatzes mit der Grundstücksvermietung eng verbunden sei (Hinweis auf das BFH-Urteil vom 29. März 2017 XI R 20/15, UR 2017, 669). Erst recht müsse der Vermietungsumsatz steuerfrei sein, wenn die Grundstücksvermietung die einzige Leistung sei, welche gerade darin bestehe, die Fläche für den PKW-Verkauf zu nutzen. Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf die eingereichten Schriftsätze und zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf die Akten verwiesen.
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Die Klägerin beantragt,
die Bescheide vom 18. März 2021 über Umsatzsteuer 2013 bis 2017 sowie die Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2023 dahingehend abzuändern, dass die Umsätze der Klägerin aus der Veranstaltung von Automärkten als umsatzsteuerfreie Umsätze gem. § 4 Nr. 12 UStG behandelt werden.
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Zur Begründung trägt das FA im Wesentlichen vor, dass nicht entscheidend für die Beurteilung des streitigen Sachverhalts sei, was konkret auf den überlassenen Stellplätzen verkauft werde, also „Trödelware“ oder Pkw, sondern die Gesamtumstände. Das Finanzgericht München habe in seinem Urteil vom 29. September 2021 zur Umsatzsteuer 2012 – wie bereits im Klageverfahren zur Umsatzsteuer 2012- auch nicht auf die abstrakte Nutzungsmöglichkeit der vermieteten Flächen als Abstellflächen für Pkw abgestellt. Des Weiteren werde darauf hingewiesen, dass sich der Sachverhalt bei den Trödelmärkten von dem der Automärkte unterscheide. Die Automärkte würden nämlich von der Klägerin selbst veranstaltet, während die Klägerin bei den Trödelmärkten die Flächen an den jeweiligen Veranstalter vermietet habe. Der vorliegend zu beurteilende Sachverhalt – die Automärkte – sei aus Sicht des FA unstrittig. Es werde von der Klägerin auch nicht geltend gemacht, dass für 2013 bis 2017 von einem anderen Sachverhalt auszugehen sei als für 2012. Die vorgetragenen Einwendungen beschränkten sich vielmehr darauf, dass die vom Gericht vorgenommene Würdigung aus Sicht der Klägerin unzutreffend sei. Der BFH habe die Würdigung des Finanzgerichts jedoch nicht beanstandet und die Nichtzulassungsbeschwerde dementsprechend mit Beschluss vom 10. Januar 2023 zurückgewiesen. Die steuerliche Beurteilung des streitigen Sachverhalts sei damit aus Sicht des FA abschließend geklärt.
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Zu dem weiteren Vorbringen des FA wird auf die eingereichte Stellungnahme verwiesen.
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Mit Aufklärungsanordnung vom 7. Dezember 2023 wurde die Klägerin dazu aufgefordert, dem Gericht Muster oder Kopien der von ihr verwendeten „Verkaufsschilder“ und eventuell sonstiger an die Kunden herausgegebene Unterlagen (z.B. AGB-Regelungen) vorzulegen.
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In ihrer ergänzenden Klagebegründung vom 22. Januar 2024 trug die Klägerin weiter vor, dass insbesondere die ausschließliche Nutzungsmöglichkeit eines abgrenzbaren Bereichs auf dem jeweiligen Automarkt zeige, dass es sich um eine umsatzsteuerfreie Grundstücksvermietung handele.
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Als Anlage zu diesem Schriftsatz legte die Klägerin – auf die Anordnung des Gerichts vom 7. Dezember 2023 – hin unter anderem diverse „Verkaufsschilder“ aus dem Jahr 2011 und aus den Streitjahren 2013 bis 2017 vor, die zwar im Wesentlichen äußerlich gleich ausgestaltet waren, inhaltlich aber voneinander abwichen. Auf den „Verkaufsschildern“ aus dem Jahr 2011 fand sich noch die Angabe, dass die Klägerin den Verkäufern Auskünfte zu Versicherungsfragen, zu den „Umschreibe-Modalitäten“ und zu Gebrauchtwagenpreisen anbot. Zudem wurden in diesem Jahr den Verkäufern Mustervordrucke zu Kaufverträgen in zweifacher Ausfertigung und Blanko-Anschreibevordrucke an ihre Kraftfahrzeugversicherung und Zulassungsstelle über den Verkauf des Fahrzeugs angeboten und als Anlage zu den „Verkaufsschildern“ zur Verfügung gestellt. Zum Teil fand sich in diesen an die Verkäufer herausgegeben Unterlagen auch eine so bezeichnete „Check-Liste für Käufer und Verkäufer“.
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Ab dem Streitjahr 2013 gab die Klägerin veränderte Verkaufsschilder ohne Anlagen aus. Sie enthielten die Höhe der jeweiligen „Standgebühr“ und darunter den Hinweis: „Umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG“. Im folgenden Absatz wird darauf ausgeführt: „Dieser Ausweis berechtigt zur Nutzung eines Stellplatzes auf dem gekennzeichneten Gelände um darauf ein gebrauchtes Fahrzeug zum Kauf anzubieten.“ Ferner ist auf dem Verkaufsschild abgedruckt: „… Diesen Vordruck bitte ausfüllen und gut sichtbar an der Windschutzscheibe anbringen. Er dient auch als Eintritts-Ausweis zum Verlassen und Wiederbefahren des Geländes für Probefahrten. …“.
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Kaufverträge wurden nach den Angaben der Klägerin an die Käufer nur auf Anfrage gegen ein zusätzliches Entgelt in Höhe von 1,50 € verkauft.
28
Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. Januar 2024 wird Bezug genommen.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die streitgegenständlichen Umsätze der Klägerin sind nicht von der Umsatzsteuer befreit, da die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen nicht steuerbefreit ist.
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1. Die vorliegende Klage (5 K 1078/23) ist am 9. Juni 2023 formwirksam und fristgemäß persönlich durch die Klägerin eingelegt worden und sie ist deshalb nicht schon wegen einer vorhergehenden formunwirksamen Klageeinreichung durch den Prozessbevollmächtigten als unzulässig zu verwerfen.
32
Es kann hier insoweit dahingestellt bleiben, ob die zuvor durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 2. Juni 2023 schriftlich eingelegte Klage der im Jahr 2023 geltenden Formvorschrift des § 52d der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprach.
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2. Die vorliegende Klage richtet sich nur gegen die Umsatzsteuerbescheide vom 18. März 2021. Die ursprüngliche Klage vom 3. Juni 2023 ist insoweit nicht eindeutig, weil einerseits der Gegenstand mit „wegen Umsatzsteuer 2013, 2014, 2015, 2016 und 2017“ bezeichnet wird, andererseits aber ausgeführt ist, sie richte sich auch gegen ertragsteuerrechtliche Bescheide, die Gegenstand der angegriffenen Einspruchsentscheidung vom 12. Mai 2023 waren. Auf Nachfrage des Gerichts beim Bevollmächtigten stellte dieser klar, dass sich die Klage lediglich gegen die Umsatzsteuerbescheide richte. Dementsprechend bezieht sich die Klage vom 9. Juni 2023 nur auf die Umsatzsteuer.
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3. Die Leistungen der Klägerin an die Verkäufer der Fahrzeuge sind Vermietungsleistungen.
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a) Gemäß § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG ist unter anderem die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Umsatzsteuer befreit. Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist Art. 135 Abs. 1 Buchst. l der RL 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 (MwStSystRL), wonach die Mitgliedstaaten die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken von der Steuer befreien.
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Ob eine Vermietungstätigkeit vorliegt, richtet sich umsatzsteuerrechtlich aufgrund richtlinienkonformer Auslegung nicht nach den Vorschriften des nationalen Zivilrechts, sondern nach dem Unionsrecht (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union -EuGHvom 16. Januar 2003 C-315/00, Maierhofer, UmsatzsteuerRundschau – UR – 2003, 86; BFH-Urteile vom 7. Juli 2011 V R 41/09, BStBl II 2014, 73; vom 21. Februar 2013 V R 10/12, BFH/NV 2013, 1635; vom 13. Februar 2014 V R 5/13, BStBl II 2017, 846; vom 19. Februar 2014 XI R 1/12, BFH/NV 2014, 1398 und vom 17. Dezember 2014 XI R 16/11, BStBl II 2015,427).
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aa) Steuerbefreiungen wie die in Art. 135 Abs. 1 MwStSystRL stellen eigenständige Begriffe des Unionsrechts dar, die eng auszulegen sind, und erfordern daher eine einheitliche Definition auf Unionsebene (EuGH-Urteile vom 16. Oktober 2019 C-4/18 und C-5/18, Winterhoff und Eisenbeis, Mehrwertsteuerrecht – MwStR – 2020, 25 und vom 2. Juli 2020 C-215/19, Veronsaajienoikeudenvalvontayksikkö, MwStR 2020, 743). Das grundlegende Merkmal einer steuerfreien Grundstücksvermietung i.S. des Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL besteht nach ständiger Rechtsprechung des EuGH darin, dass dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre er dessen Eigentümer, und jede andere Person von diesem Recht auszuschließen (EuGH-Urteile vom 28. Februar 2019 C-278/18, Sequeira Mesquita, MwStR 2019, 452 und vom 2. Juli 2020, Veronsaajienoikeudenvalvontayksikkö in MwStR 2020, 743).
38
Dieser Auffassung hat sich der BFH angeschlossen (BFH-Urteile vom 27. September 2007 V R 73/05, BFH/NV 2008, 252; vom 13. Februar 2014 V R 5/13, BStBl II 2017, 846; vom 17. Dezember 2014 XI R 16/11, BStBl II 2015, 427 und vom 24. September 2015 V R 30/14, BStBl II 2017, 132 sowie Beschlüsse vom 7. Februar 2017 V B 48/16, BFH/NV 2017, 629 und vom 30. Januar 2020 V B 77/19, BFH/NV 2020, 568).
39
bb) Jedoch ist die Vermietungstätigkeit nach der Rechtsprechung des EuGH, auch wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ist, normalerweise eine verhältnismäßig passive Tätigkeit, die nicht zu einer signifikanten Wertschöpfung führt, und daher von anderen Tätigkeiten zu unterscheiden ist, die entweder gewerblichen Zwecken dienen oder einen Gegenstand haben, der eher durch die Erbringung einer Dienstleistung als durch die bloße Bereitstellung einer Sache charakterisiert wird (EuGH-Urteile vom 28. Februar 2019, Sequeira Mesquita in MwStR 2019, 452 und vom 2. Juli 2020, Veronsaajien oikeudenvalvontayksikkö in MwStR 2020, 743).
40
Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG, Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL gilt daher nicht für eine Tätigkeit, die nicht nur eine passive Zurverfügungstellung eines Grundstücks, sondern außerdem seitens des Eigentümers eine ganze Reihe geschäftlicher Tätigkeiten (wie z.B. Aufsicht, Verwaltung und ständige Unterhaltung sowie Zurverfügungstellung anderer Anlagen) mit sich bringt, so dass, sofern nicht ganz besondere Umstände vorliegen, die Vermietung des Grundstücks nicht die ausschlaggebende Dienstleistung darstellen kann (BFH-Urteil vom 24. Februar 2021 XI R 4/19, BFH/NV 2021, 1374, Rn. 27).
41
Mehrere Leistungen können auch derart untrennbar miteinander verbunden sein, dass sie eine einheitliche (komplexe) Leistung bilden, die nicht als Vermietung von Grundstücken umsatzsteuerfrei, sondern umsatzsteuerpflichtig ist. Steuerfreie Vermietungsleistungen liegen nicht vor, wenn nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Überlassung des Grundstücks oder Grundstücksteiles zum Gebrauch von anderen wesentlicheren Leistungen überdeckt wird (BFH-Urteil vom 24. Februar 2021 XI R 4/19, BFH/NV 2021, 1374, Rn. 30 f.).
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b) Danach sind die Leistungen der Klägerin aus der Veranstaltung der Automärkte in den Streitjahren 2013 bis 2017 (passive) Vermietungsleistungen an die Kunden der Klägerin – die Verkäufer der Kraftfahrzeuge –, denn die neben der Zurverfügungstellung der Standplätze erbrachten weiteren Leistungen der Klägerin an die potenziellen Fahrzeugverkäufer waren zur Überzeugung des Gerichts – anders als in Vorjahren – nicht mehr leistungsbestimmend, weil sie nur noch unwesentlich waren. Die Vermietungsleistungen der Klägerin fallen hier demnach an sich unter die Regelung des § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG. Dem liegen im Einzelnen folgende Erwägungen zugrunde:
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aa) Den Leistungen der Klägerin lag in den Streitjahren ein in wesentlichen Punkten abweichender Sachverhalt zugrunde als dies in den Vorjahren (jedenfalls in den Jahren 2011 und 2012) der Fall war. Es kann aufgrund des von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 22. Januar 2024 und in der mündlichen Verhandlung dargelegten Sachverhalts nicht mehr davon ausgegangen werden, dass den potenziellen Autoverkäufern auch in den Streitjahren gegenüber hier ein solches „Gesamtpaket“ an Leistungen erbracht wurde, welches den Leistungen der Klägerin an anderes Gepräge als einer bloßen Grundstücksvermietung gab, so wie es der 3. Senat des Finanzgerichts München noch in seinem Urteil vom 29. September 2021 (3 K 2294/18) für die Umsatzsteuer 2012 bezüglich der (damaligen) Leistungen der Klägerin angenommen hatte.
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bb) Die Leistungen der Klägerin bestehen im Wesentlichen aus der Vermietung eines Stellplatzes für ein Kfz, um es darauf zum Kauf anzubieten. Dementsprechend ist auf den Verkaufsschildern für die Streitjahre ausgeführt: „Dieser Ausweis berechtigt zur Nutzung eines Stellplatzes auf dem gekennzeichneten Gelände um darauf ein gebrauchtes Fahrzeug zum Kauf anzubieten.“ Da die Verkäufer auch nach Probefahrten auf ihren vorherigen Stellplatz zurückkehren konnten, waren andere Personen von der Nutzung dieses Stellplatzes ausgeschlossen. Ferner umfassten die Leistungen der Klägerin als weiteren Bestandteil die Sicherstellung der Abläufe durch Kassen- und Ordnungspersonal sowie die Möglichkeit, ein Geldscheinprüfgerät zu nutzen. Diese Mitarbeiter unterstützten aber die Verkäufer bei den Verkaufsprozessen, weder durch Unterstützung bei der Preisfindung noch durch konkrete verkaufsfördernde Maßnahmen. Dienstleistungen von Drittanbietern können der Klägerin nicht zugerechnet werden. Essen und Trinken verkaufte die Klägerin an den Snackbars gegen gesondertes Entgelt und war damit nicht untrennbar mit den Vermietungsleistungen an die Verkäufer verbunden. Neben den Verkaufsschildern händigte die Klägerin den Verkäufern keine weiteren Unterlagen aus. Kaufverträge waren in den Streitjahren nicht Bestandteil der mit der „Standgebühr“ bezahlten Leistung, sondern mussten gesondert erworben werden. Die zusätzlichen Leistungen der Klägerin sind so unwesentlich, dass die Leistungen der Klägerin insgesamt als Vermietung eines Stellplatzes für ein Fahrzeug anzusehen sind. Diese – von den Vorjahren abweichenden – geringfügigen zusätzlichen Leistungen führen dazu, dass nicht – wie in den Vorjahren – die Leistungen in einer Zurverfügungstellung der „Plattform“ des Automarktes zu einem bestimmten Zeitpunkt an einen bestimmten Ort bestehen.
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4. Die Leistungen der Klägerin sind aber gem. § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG von der Befreiung ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist u. a. nicht befreit die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen.
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a) Unionsrechtlich beruht diese Regelung auf Art. 135 Abs. 2 Buchst. b MwStSystRL, wonach die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen von der Befreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. l MwStSystRL ausgeschlossen ist. Andere Sprachfassungen – wie z.B. die englische (for the parking) oder französische (pour le stationnement) – deuten zwar möglicherweise auf ein einschränkendes Verständnis i.S. von „Parken“ hin. Liegen allerdings unterschiedliche Sprachfassungen einer Unionsbestimmung vor, muss sie im Licht aller Sprachfassungen der Gemeinschaft einheitlich ausgelegt und angewandt werden. Dabei ist grundsätzlich allen Sprachfassungen der gleiche Wert beizumessen. Falls die Fassungen voneinander abweichen, ist die Bedeutung des betroffenen Ausdrucks nicht auf der Grundlage einer ausschließlich wörtlichen Auslegung zu ermitteln, sondern anhand von Sinn und Zweck der Regelung, zu der er gehört (BFH-Urteil vom 29. März 2017 XI R 20/15, UR 2017, 669, Rn. 30).
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§ 4 Nr. 12 Satz 2 UStG ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von zum Verkauf bestimmten Fahrzeugen jedenfalls dann nicht von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG ausgenommen ist, wenn sie mit der steuerfreien Vermietung von für einen anderen Gebrauch bestimmten Grundstücksflächen eng verbunden ist (BFH-Urteil in UR 2017, 669, Rn. 28, 31). Ob § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG aufgrund der unterschiedlichen Sprachfassungen einschränkend dahingehend ausgelegt werden muss, dass er nicht die Vermietung von Flächen zum Abstellen von zum Verkauf bestimmten Fahrzeuge umfasst, ließ der BFH bislang offen (BFH-Urteil in UR 2017, 669, Rn. 39).
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Nach Auffassung des Senats ist das nicht der Fall. Rückausnahmen von Steuerbefreiungen sind nicht eng auszulegen (BFH-Urteil in UR 2017, 669, Rn. 29; EuGH-Urteil vom 3. März 2005 C-428/02, Fonden Marselisborg Lystbadehavn, BFH/NV 2005, Beilage 3, 175, Rn. 43). Sinn und Zweck der Befreiung von Vermietungsleistungen sind soziale Gründe gewesen; diese sozialen Gründe liegen bei Bootliegeplätzen nicht vor, so dass diese von der Rückausnahme erfasst werden (EuGH-Urteil in BFH/NV 2005, Beilage 3, 175, Rn. 45 mit Hinweis auf die Schlussanträge der Generalanwältin Kokott vom 14. Oktober 2004 in diesem Verfahren zur Bestimmung des Art. 13 Teil B Buchst. b der Sechsten Richtlinie des Rates 77/388/EWG vom 17. Mai 1977). Nach dem EuGH gilt die Rückausnahme generell für die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Beförderungsmitteln (EuGH-Urteil in BFH/NV 2005, Beilage 3, 175, Rn. 46); sie umfasst daher auch die Vermietung von Stellplätzen zum Abstellen für von zum Verkauf bestimmten Fahrzeuge. Bei dieser Leistung treffen zudem die sozialen Gründe für die Befreiung von Vermietungsleistungen ebenfalls nicht zu.
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b) Im Streitfall hat die Klägerin solche Vermietungsleistungen ausgeführt und diese stellen nicht nur Nebenleistungen dar. Sie hat selbst im Rahmen ihrer in der mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2024 übergebenen Beweisanträge unter Beweis gestellt, dass sie KFZ-Anbietern lediglich die Berechtigung einräume, eine Verkaufsfläche in Form eines Stellplatzes zu nutzen.
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5. Den in der mündlichen Verhandlung gestellten insgesamt 13 Beweisanträgen der Klägerin – insbesondere zur Vernehmung des S und des M als Zeugen zu diversen Beweisthemen über die Abwicklung auf den Automärkten – war nicht nachzukommen, weil die Tatsache, ob die Klägerin bei den Wochen- und Trödelmärkten die gleichen Leistungen wie bei den Automärkten erbrachte, für dieses Verfahren unerheblich ist, und das Gericht im Übrigen von den Tatsachen ausging, die die Klägerin unter Beweis stellte.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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7. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO, da die Rechtsfrage, ob die Vermietung von Flächen zum Abstellen von zum Verkauf bestimmten Fahrzeuge unter die Vorschrift des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG fällt, bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist (vgl. BFH-Urteil in UR 2017, 669, Rn. 39; Schüler-Täsch, in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 4 Nr. 12 UStG, Rn. 68 mit Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 15. Oktober 2015 5 K 220/12, EFG 2016, 75; Nücken, Anmerkung zu BFH XI R 20/15 in UR 2017, 673; Huschens, in Schwarz/Widmann/Radeisen, Kommentar zum UStG, § 4 Nr. 12, Rn. 149).