Titel:
Erfolgloser Eilrechtsschutz gegen enen unzulässigen Asylfolgeantrag
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 36 Abs. 4, § 71 Abs. 4, Abs. 5 § 71 Abs. 4
RL 2013/32/EU Art. 41 Abs. 1, Art. 46 Abs. 8
Leitsätze:
Seit Inkrafttreten des Rückkehrverbesserungsgesetzes vom 21. Februar 2024 ist nach § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG n.F. auch bei unterbliebener erneuter Abschiebungsandrohung statthafter Antrag des Eilrechtsschutzes gegen eine Ablehnung eines Asylfolgeantrags als unzulässig ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. (Rn. 23)
Bei der Ablehnung eines Asylfolgeantrags als unzulässig und im Falle einer Ablehnung als offensichtlich unbegründet darf bei er Interessenabwägung zwischen dem Suspensivinteresse und dem Vollzugsinteresse die aufschiebende Wirkung einer Klage nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eilrechtsschutz gegen Ablehnung eines Asylfolgeantrags als unzulässig bei unterbliebener erneuter Abschiebungsandrohung, Eilverfahren, Anordnung, Asylverfahren, unzulässiger Asylantrag, Asylfolgeantrag, Abschiebungsanordnung, Interessenabwägung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 8423
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Gründe
1
Der am … 1991 in Teheran geborene Antragsteller ist iranischer Staatsangehöriger persischer Volkszugehörigkeit und christlichen Glaubens.
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Der Antragsteller reiste Ende April 2016 in das Bundesgebiet ein und stellte am 18. Mai 2016 einen förmlichen Asylantrag.
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Auf Grund eines ermittelten EURODAC-Treffers für Ungarn stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) zunächst ein Wiederaufnahmegesuch an Ungarn. Dieses wurde jedoch von den ungarischen Behörden mit der Begründung, auch andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union würden die Dublin-III-Verordnung nicht effektiv anwenden, abgelehnt. Ein Remonstrationsschreiben des Bundesamtes wurde von den ungarischen Behörden nicht beantwortet.
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Daraufhin lud das Bundesamt den Antragsteller zur persönlichen Anhörung. Entsprechende Schreiben wurden jedoch dreimal als unzustellbar zurückgesandt. Zuletzt lud das Bundesamt den Antragsteller unter einer Anschrift, zu der es keinerlei Zuweisung gab. Gleichwohl stellte das Bundesamt das Asylverfahren des Antragstellers zunächst mit Bescheid vom 25. April 2017 ein. Hiergegen ließ der Antragsteller unter dem 17. Mai 2018 Klage erheben und zugleich einen Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens bei der Antragsgegnerin stellen. Die Antragsgegnerin hob schließlich mit Bescheid vom 3. Juli 2018 den Bescheid vom 25. April 2017 auf; das entsprechende verwaltungsgerichtliche Verfahren wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 20. August 2018 eingestellt (B 2 K 18.31365).
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Mit Urteil des Landgerichts … vom 26. Mai 2017 wurde der Antragsteller wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt; die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt wurde angeordnet (* …*).
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Mit Bescheid vom 19. März 2018 wies die Regierung von Mittelfranken – Zentrale Ausländerbehörde Mittelfranken – den Antragsteller aus der Bundesrepublik Deutschland aus.
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Am 6. November 2018 wurde der Antragsteller durch das Bundesamt in der Klinik für Forensische Psychiatrie in … persönlich angehört. Darin gab der Antragsteller insbesondere an, er habe ein gutes Leben gehabt. Er habe eine Verlobte gehabt. Es sei alles gut gelaufen bis zu einer Party. Dies sei ein Familientreffen gewesen. Sein Onkel habe ihm gesagt, dass er ein guter Junge sei und er ihn für seine Tochter wolle und er bei ihm arbeiten solle. Der Antragsteller habe seine eigene Verlobte gehabt. Er habe seinem Onkel gesagt, er wolle seine Tochter nicht, und der Job, der ihm angeboten werde, sei auch nichts, ohne Ehre und ohne Menschlichkeit. Der Onkel habe angefangen, ihn zu beschimpfen und er, der Antragsteller, habe auf das gesamte System und die Religion geschimpft. Der Onkel habe ihm zwei Ohrfeigen verpasst und gesagt, dass er [es] den Leuten wie ihm, dem Antragsteller, zeigen würde. Der Antragsteller sei mit seinem Vater ins Krankenhaus. Zwei Tage sei er bei seinem Vater gewesen. Am Donnerstag habe er sich mit seiner Mutter abgewechselt und sei nach Hause gegangen. Am Samstag habe ihn seine Mutter angerufen und ihm gesagt, dass Polizisten im Haus seien und nach dem Antragsteller gesucht hätten. Sie habe gemeint, sie würden nach dem Antragsteller wahrscheinlich wegen des Vorfalls bei der Party suchen. Der Antragsteller sei dann für zwei bis drei Tage bei einem Jugendfreund in … gewesen. Die Situation habe sich aber nicht beruhigt. Man habe die Wohnungen seines Bruders und seiner Schwester gesucht. Seine Mutter habe gesagt, er habe kein Leben hier. Sein Freund habe einen Schleuser organisiert, der ihn anschließend in die Türkei geschleust habe. Der Onkel arbeite in der „Sicherheit und politische Ideologie Abteilung“. Er habe viel Macht und könne alles machen, was er wolle. Er sei ein Hauptmann der Polizei. Der Antragsteller habe, als er 16 Jahre alt war, Cannabis konsumiert, während des Wehrdienstes „Tramadol“, danach Opium.
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Mit Bescheid vom 8. Januar 2020 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers ab. Es sei nicht erkennbar, dass dem Antragsteller mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung in Anknüpfung an einen der maßgeblichen asylerheblichen Verfolgungsgründe drohe. Dies folge nicht bereits aus der behaupteten Bedrohung durch den Onkel, die ihre Ursache in der Verweigerung einer Eheschließung haben solle. Unabhängig davon, dass dieser Vortrag schon mit Blick auf die Angaben, die der Antragsteller anlässlich des Strafverfahrens vor dem Landgericht … zu den Gründen seiner Ausreise aus dem Iran gemacht habe (aus den Feststellungen zur Person aus dem dortigen Urteil ist zu entnehmen, dass der Antragsteller bereits seit etwa Mitte 2014 verheiratet ist), äußerst zweifelhaft sei, würde ein solche Verfolgungsintention an keinem der maßgeblichen Asylgründe anknüpfen. Zudem müsse davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller sich der behaupteten Bedrohung durch den Onkel durch Wohnsitznahme in einem anderen Teil des Iran entziehen könnte. Der Antragsteller habe auch wegen der in der Bundesrepublik Deutschland bereits erfolgten Bestrafung wegen Betäubungsmittelbesitzes nicht mit einer flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgung zu rechnen.
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Hiergegen ließ der Antragsteller am 24. Januar 2020 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erheben. Unter dem 8. Dezember 2020 teilte das Landratsamt … dem Verwaltungsgericht Ansbach mit, dass der Antragsteller seit 14. Mai 2020 unbekannt verzogen sei. In der Folge wurde das Klageverfahren mit Beschluss vom 27. Januar 2021 eingestellt, nachdem es der Antragsteller nicht weiter betrieben hatte (AN 1 K 20.30065).
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Am 8. März 2024 stellte der Antragsteller einen erneuten Asylantrag.
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In seiner schriftlichen Folgeantragsbegründung vom 12. März 2024 führte der Antragsteller an, er habe das Gebiet der Islamischen Republik im Jahre 2015 verlassen müssen. Er habe Morddrohungen von Seiten der Familie seiner Mutter (Onkel mütterlicherseits), die eine bekannte Person sei und für das Regime der Islamischen Republik arbeite, erhalten. Er sei von seinem Onkel unter Druck gesetzt worden, um das Regime der Islamischen Republik zu akzeptieren. In der Familie seiner Mutter habe es viele Diskussionen gegeben, gegen die er immer gewesen sei. Deshalb sei er im Jahr 2015 von seinem Onkel mit dem Tod bedroht worden. Zwei Wochen, nachdem Militäragenten im Haus seines Vaters nach ihm gesucht hätten, habe er große Angst gehabt und habe deshalb das Gebiet der Islamischen Republik verlassen müssen. Es gebe Dokumente, die sein Leben auf dem Territorium der Islamischen Republik bedrohten, aber um diese Dokumente hierher zu bekommen, brauche er zwei Monate, weil er gerade aus der Therapie 64 entlassen worden sei.
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Mit Bescheid vom 20. März 2024 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (1.) und lehnte den Antrag auf Abänderung des Bescheids vom 8. Januar 2020 bezüglich der Feststellung zu § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG ab (2.).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, die vom Antragsteller geltend gemachten Elemente seien nicht neu. Als neu im Sinne von § 71 Abs. 1 AsylG seien nur solche Elemente anzusehen, die nach rechtskräftigem Abschluss des vorangegangenen Verfahrens entstanden oder zutage getreten seien, oder die bereits vor Abschluss dieses Verfahrens existiert hätten, aber bisher weder vom Antragsteller geltend gemacht, noch vom Bundesamt berücksichtigt worden seien. Die mit dem jetzigen Sachvortrag durch den Antragsteller geltend gemachten Elemente habe dieser jedoch bereits in das vorangegangene Asylverfahren eingebracht. Soweit der Antragsteller sich auf eine Bedrohung durch einen Onkel mütterlicherseits im Herkunftsland berufe, so sei diese angebliche Bedrohung bereits Gegenstand des Asylerstverfahrens gewesen. Soweit der Antragsteller sich auf Dokumente berufe, die seine Behauptung untermauern sollten, jedoch aktuell nicht in seinem Besitz seien, so vermöge auch dies vorliegend nicht mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit darauf hinzudeuten, dass ein Anspruch auf Feststellung des internationalen Schutzes nunmehr vorliegen könnte. Beweismittel, die eine günstigere Entscheidung herbeiführen sollten, müssten vorliegen und nicht lediglich erwartet werden.
14
Der Bescheid wurde dem Antragsteller am 21. März 2024 zugestellt.
15
Hiergegen ließ der Antragsteller am 28. März 2024 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach erheben und zugleich beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
16
Die Antragsgegnerin beantragte,
17
Die Antragsgegnerin bezog sich zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten im vorliegenden Antragsverfahren wie auch im Klageverfahren (AN 1 K 24.30738) Bezug genommen.
19
Der Antrag ist zwar zulässig, aber nicht begründet und daher abzulehnen.
20
Der Antrag, mit dem begehrt wird, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Unzulässigkeitsentscheidung der Antragsgegnerin anzuordnen, ist im Lichte der Fassung, die § 71 Abs. 5 AsylG durch das Gesetz zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom 21. Februar 2024 (BGBl I Nr. 54) erhalten hat, zulässig, insbesondere statthaft.
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Zwar hat die Antragsgegnerin vorliegend nach § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG davon abgesehen, eine erneute Abschiebungsandrohung zu erlassen. Dies führt dazu, dass Grundlage einer etwaigen Abschiebung des Antragstellers nach wie vor die mittlerweile bestandskräftige Abschiebungsandrohung aus dem das Erstverfahren des Antragstellers abschließenden Bescheid vom 8. Januar 2020 wäre.
22
Eine Suspendierung der Vollziehbarkeit dieses bestandskräftigen Verwaltungsakts kommt daher nicht in Betracht. Die Suspendierung des streitgegenständlichen Bescheids vom 6. März 2024 würde hingegen die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid vom 8. Januar 2020 nicht berühren. Daher war bis zum Inkrafttreten des Rückführungsverbesserungsgesetzes am 27. Februar 2024 (vgl. Art. 11 des Rückführungsverbesserungsgesetzes) davon auszugehen, dass effektiver Eilrechtsschutz, der den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG gerecht wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.11.2017 – 2 BvR 809/14 – juris Rn.13), in den Fällen, in denen das Bundesamt einen Folgeantrag als unzulässig abgelehnt hat und zugleich nach § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG keine neue Abschiebungsandrohung erlassen hat, die Gegenstand eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO sein könnte, durch einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu erreichen war (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 3.8.2023 – 19 CE 23.1290 – juris Rn. 8; HessVGH, B.v. 13.9.2018 – 3 B 1712/18.A – juris Rn. 3 ff.; VG Ansbach, B.v. 26.10.2021 – AN 16 E 21.30759, AN 16 E 21.30760, AN 16 S 21.30761 – juris Rn. 30; VG Aachen, B.v. 29.6.2021 – 10 L 179/22.A – juris Rn. 2; vom 31.7.2016, BGBl I S. 1939; VG Augsburg, B.v. 9.3.2021 – Au 9 E 21.30186 – juris Rn. 24 ff.; VG München, B.v. 26.3.2020 – M 15 S 20.30773 – juris Rn. 12 ff. jeweils m.w.N.; ebenso Dickten in BeckOK, AuslR, § 71 AsylG, Rn. 33 ff.; Haderlein in Heusch/Haderlein/Fleuß/Barden, Asylrecht in der Praxis, 2. Aufl. 2021, Rn. 618). Dies galt auch unabhängig davon, dass das Bundesverwaltungsgericht auf der Grundlage des Integrationsgesetzes entschieden hatte, dass die Unzulässigkeitsentscheidung mit der Anfechtungsklage angegriffen werden kann und mithin in den Fällen, in denen ein Folgeantrag bereits als unzulässig abgelehnt wird, das Verwaltungsgericht nicht mehr auf eine Verpflichtungsklage hin Spruchreife herzustellen hat (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 14 ff.). Zwar nahmen in der Folge der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts einige Verwaltungsgerichte auch schon vor Inkrafttreten des Rückführungsverbesserungsgsesetzes an, dass Eilrechtsschutz gegen Ablehnungen von Folgeanträgen als unzulässig durch das Bundesamt ohne eine neue Abschiebungsandrohung im Wege eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren gewesen sei (vgl. VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris Rn. 11 ff.; VG Bremen, B.v. 30.1.2018 – 1 V 3723/17 – juris Rn. 15; VG Berlin, B.v. 28.6.2018 – 23 L 256.18 A – juris Rn. 5; VG Würzburg, B.v. 29.1.2019 – W 3 S 18.32398 – juris Rn. 20). Soweit zur Begründung allein auf die Statthaftigkeit der Anfechtungsklage in der Hauptsache abgestellt wurde, vermochte dies schon deshalb nicht zu überzeugen, da dem angefochtenen Verwaltungsakt, also hier der Ablehnung des Folgeantrags als unzulässig, ein vollstreckbarer Inhalt fehlte – und noch immer fehlt. Soweit zur Begründung darauf abgestellt wurde, durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung werde das behördliche Folgeantragsverfahren gewissermaßen in einen Stand vor Abschluss zurückversetzt – mit der Folge, dass das Bundesamt die nach § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG a.F. vorgesehene Mitteilung zu widerrufen hatte (so etwa VG München, B.v. 8.5.2017 – M 2 E 17.37375 – juris Rn. 14) –, mag dies zutreffen, wobei gleichwohl einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage das Rechtsschutzbedürfnis abzusprechen war, weil es mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung einen effektiveren Weg des einstweiligen Rechtsschutzes gab (und ungeachtet der Neufassung des § 71 Abs. 5 AsylG weiterhin gäbe). Denn diese Mitteilung konnte durch einen Antrag nach § 123 VwGO unmittelbar erreicht werden, da dem insbesondere § 123 Abs. 5 VwGO wegen der unterschiedlichen Anknüpfungspunkte nicht entgegenstand (HessVGH, B.v. 13.9.2018 – 3 B 1712/18.A – juris Rn. 4 ff.; VG Aachen, B.v. 29.4.2021 – 10 L 179/21.A. – juris Rn. 3 f.; VG Augsburg, B.v. 9.3.2021 – Au 9 E 21.30186 – juris Rn. 27 jeweils m.w.N.).
23
Mit der Neufassung des § 71 Abs. 5 AsylG durch das Rückführungsverbesserungsgesetz muss jedoch davon ausgegangen werden, dass sich der Gesetzgeber – nach Ansicht des entscheidenden Einzelrichters systemwidrig, aber gleichwohl bindend – mit dem neu eingefügten § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG darauf festgelegt hat, dass gerade in den Fällen, in denen das Bundesamt nach § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG bei der Ablehnung eines Folgeantrags als unzulässig davon abgesehen hat, eine erneute Abschiebungsandrohung zu erlassen, einstweiliger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO zu gewähren ist (a.A.VG Karlsruhe, B.v. 25.3.2024 – A 8 K 1026/24 – juris Rn. 15).
24
Nach § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG darf „im Übrigen“ die Abschiebung erst nach Ablauf der Frist nach § 74 Abs. 1 zweiter Halbsatz AsylG und im Fall eines innerhalb der Frist gestellten Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO erst nach der gerichtlichen Ablehnung dieses Antrags vollzogen werden. Hieraus ergibt sich, dass ein solcher Antrag hier statthaft sein muss, soll die gesetzliche Regelung nicht sinnlos sein. Mit der Eingangsformulierung „im Übrigen“ wird auf § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG Bezug genommen, nach dem in den Fällen, in denen der Ausländer den Folgeantrag nur zur Verzögerung oder Behinderung der Abschiebung gestellt hat, oder in denen der Ausländer nach unanfechtbarer Ablehnung eines Folgeantrags einen erneuten Folgeantrag gestellt hat, die Abschiebung vollzogen werden darf, wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht vorliegen.
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Sowohl § 71 Abs. 5 Satz 2 als auch Satz 3 AsylG stehen dabei in systematischem Zusammenhang zu § 71 Abs. 5 Satz 1 AsylG, setzen also voraus, dass das Bundesamt gerade keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen hat (insoweit a.A: VG Sigmaringen, B.v. 8.4.2024 – A 7 K 1096/24 – juris Rn. 23) und regeln die spezifischen Vollzugsmodalitäten gerade des Falles, in dem keine erneute Abschiebungsandrohung erlassen wurde. Der entgegengesetzte Fall, dass das Bundesamt eine erneute Abschiebungsandrohung erlässt, ist von § 71 Abs. 5 AsylG nicht geregelt. In diesem Fall hat es vielmehr mit dem Verweis auf die §§ 34, 34a, 35 und insbesondere 36 AsylG in § 71 Abs. 4 AsylG sein Bewenden. Hieraus ergibt sich insbesondere die Rechtsfolge, dass vor einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts über einen rechtzeitig gestellten Antrag, die aufschiebende Wirkung anzuordnen, die Abschiebung unzulässig ist. Dies folgt schon aus § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG, ohne dass es auf § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG ankäme – wobei freilich über den Wortlaut des § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG hinaus davon auszugehen ist, dass die Vollziehung der Abschiebung zunächst unzulässig ist, solange die Frist für die Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung noch läuft (vgl. hierzu EuGH, U.v. 19.6.2018 – C-181/16 – Rn. 61 f. zu offensichtlich unbegründeten Asylanträgen). Vor diesem Hintergrund grenzt § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG somit allein von den in § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG geregelten Sonderfällen ab, in denen die Vollziehbarkeit der (im das Erstverfahren abschließenden Bescheid ausgesprochenen) Abschiebungsandrohung ausnahmsweise nur bis zur Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht vorliegen (man wird ergänzen müssen: und ein Fall des § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG vorliegt), gehemmt ist, nicht aber bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts über einen entsprechenden Eilantrag (insoweit a.A: VG Sigmaringen, B.v. 8.4.2024 – A 7 K 1096/24 – juris Rn. 23).
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Dieses Ergebnis steht auch in Übereinstimmung mit den einschlägigen Bestimmungen der RL 2013/32/EU, denen Genüge zu tun, ausdrücklich erklärte Intention des Gesetzgebers war (vgl. BT-Drs. 20/9463, S. 60; a.A. VG Karlsruhe, B.v. 25.3.2024 – A 8 K 1026/24 – juris Rn. 15, das annimmt, eine Begründung des Gesetzgebers fehle). Nach Art. 46 Abs. 8 der RL 2013/32/EU, die der Gesetzgeber demnach mit § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG umsetzen wollte, gestatten die Mitgliedstaaten dem Antragsteller, bis zur Entscheidung in dem Verfahren nach Art. 46 Abs. 6 und 7 der Richtlinie darüber, ob der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbleiben darf, im Hoheitsgebiet zu verbleiben. Dies knüpft im vorliegenden Kontext an die von Art. 46 Abs. 6 lit. b der Richtlinie vorgeschriebene Befugnis des Gerichts an, im Fall einer Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig nach Art. 33 Abs. 2 lit. d der Richtlinie auf Antrag des Antragstellers oder von Amts wegen darüber zu entscheiden, ob der Antragsteller im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbleiben darf. Dies bedeutet im Ergebnis, dass ein Antragsteller, dessen Folgeantrag als unzulässig abgelehnt wurde, jedenfalls die Möglichkeit haben muss, um effektiven Eilrechtsschutz nachzusuchen, ehe er abgeschoben werden darf. Allerdings gilt dies gerade für die Fälle des § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG nicht (anders wohl VG Karlsruhe, B.v. 25.3.2024 – A 8 K 1026/24 – juris Rn. 15). Nach Ansicht des entscheidenden Einzelrichters steht aber auch gerade dies in Einklang mit der RL 2013/32/EU, die für die in § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG geregelten Fälle nicht nur in Art. 41 Abs. 1 der RL 2013/32/EU eine Ausnahme vom Recht auf Verbleib vorsieht, sondern in Art. 41 Abs. 2 lit. c der Richtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, selbst von dem verfahrensakzessorischen Recht auf Verbleib bis zur Entscheidung über einen Eilantrag im Mitgliedstaat, abzuweichen. Von dieser Möglichkeit hat die Bundesrepublik Deutschland mit § 71 Abs. 5 Satz 2 AsylG Gebrauch gemacht.
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Der Antrag ist auch sonst zulässig, die entsprechend heranzuziehende Antragsfrist von einer Woche nach § 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylG ist vorliegend gewahrt. Die Zustellung des streitgegenständlichen Bescheides ist am 21. März 2024 erfolgt, Klage und Antrag wurden am 28. März 2024 erhoben bzw. gestellt.
28
Der Antrag ist jedoch nicht begründet.
29
Die nach § 80 Abs. 5 VwGO durch das erkennende Gericht zu treffende Ermessensentscheidung fällt zu Lasten des Antragstellers aus.
30
Von besonderem Gewicht im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen, des Suspensivinteresses des Antragstellers und des Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin, sind dabei die anhand einer summarischen Prüfung zu beurteilenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache (vgl. etwa BVerwG, B.v. 7.7.2010 – 7 VR 2.10 u.a. – juris Rn. 20; auch zum allgemeinen Maßstab: BVerwG, B.v. 23.1.2015 – 7 VR 6.14 – juris Rn. 8). Dieser allgemeine Maßstab wird im Rahmen einer Ablehnung eines Asylfolgeantrags als unzulässig – ebenso wie im Falle einer Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet – dahingehend modifiziert, dass die aufschiebende Wirkung einer Klage nur angeordnet werden darf, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (§ 71 Abs. 4 i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG). Ernstliche Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass der angegriffene Verwaltungsakt einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/03 – juris Rn. 99).
31
Ernstliche Zweifel an der Ablehnung des Asylfolgeantrags des Antragstellers als unzulässig bestehen vorliegend nicht.
32
Im Rahmen des vorliegenden Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes ist davon auszugehen, dass das Bundesamt den Asylfolgeantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt hat.
33
Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist, stellt der Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag, ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn neue Elemente oder Erkenntnisse zu Tage getreten oder vom Ausländer vorgebracht worden sind, die mit erheblicher Wahrscheinlich zu einer für den Ausländer günstigeren Entscheidung beitragen, oder Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 ZPO gegeben sind und der Ausländer ohne eigenes Verschulden außerstande war, die Gründe für den Folgeantrag im früheren Asylverfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
34
Zu Recht hat das Bundesamt ausgeführt, dass die vom Antragsteller in seinem Asylfolgeantrag geltend gemachten Elemente nicht neu sind. Zutreffend führt das Bundesamt im angefochtenen Bescheid aus, dass der in der Begründung des Asylfolgeantrags geltend gemachte Vortrag bereits Gegenstand des Asylerstverfahrens, welches durch den Bescheid vom 8. Januar 2020 abgeschlossen worden ist, gewesen ist. Der Antragsteller wiederholt im Kern den Vortrag, durch seinen Onkel mütterlicherseits, der für das Regime der Islamischen Republik Iran arbeite, bedroht zu werden. Zwar führt der Antragsteller in seiner Begründung seines Asylfolgeantrags nicht mehr an, dass Ausgangspunkt des Konflikts mit seinem Onkel die vom Antragsteller verweigerte Eheschließung mit dessen Tochter gewesen sei, sondern stellt vielmehr den politischen Aspekt in den Vordergrund. Jedoch war auch bereits dieser Gegenstand des Vorbringens des Antragstellers im Asylerstverfahren. Weitere Begründungselemente hat der Antragsteller nicht vorgetragen.
35
Zu Recht hat das Bundesamt im angefochtenen Bescheid zudem ausgeführt, dass auch die vom Antragsteller in seiner schriftlichen Begründung seines Asylfolgeantrags in Aussicht gestellten Dokumente keine neuen Elemente oder Erkenntnisse im Sinne des § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG sind. Denn, wie die Antragsgegnerin zutreffend ausführt, liegen diese Dokumente nicht vor. Zwar ist das „Vorliegen“ der neuen Elemente oder Erkenntnisse nicht mehr ausdrücklich vom Wortlaut der an Art. 40 Abs. 2 der RL 2019/32/EU anknüpfenden Norm verlangt. § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylG (Art. 40 Abs. 2 der RL 2019/32/EUR) setzt ausdrücklich voraus, dass neue Elemente oder Erkenntnisse, zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind. Doch sind die neuen Elemente und Erkenntnisse – auch in richtlinienkonformer Auslegung – erst dann zutage getreten oder vorgebracht, wenn sie auch vorliegen (so schon EuGH, U.v. 9.9.2021 – C-18/10 – Rn. 42; u.V. 10.6.2021, C-921/19 – Rn. 50). Auch bis zum Erlass der vorliegenden Entscheidung wurden keine weiteren Dokumente vorgelegt.
36
Auch Restitutionsgründe im Sinne des § 580 ZPO sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
37
Im Übrigen sieht das Gericht nach § 77 Abs. 3 AsylG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Bescheids folgt.
38
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.
39
Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.