Titel:
Erfolgloser Eilantrag der Nachbarn gegn Aufstockung eines Einfamilienhauses
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3
BauGB § 34
BauNVO § 15 Abs. 1 S. 2
BayBO Art. 6, Art. 66
BayVwVfG Art. 37
Leitsätze:
1. Ein Nachbar kann eine unzureichende inhaltliche Bestimmtheit einer Baugenehmigung (nur) geltend machen, soweit dadurch nicht sichergestellt ist, dass das genehmigte Vorhaben allen dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften entspricht. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Nachbar kann sich nicht erfolgreich allein auf eine fehlende oder fehlerhafte Nachbarbeteiligung berufen. Eine fehlende Nachbarbeteiligung hat lediglich zur Folge, dass der Baugenehmigungsbescheid dem Nachbarn zuzustellen ist. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 34 Abs. 1 BauGB entfaltet - abgesehen von der Art der baulichen Nutzung - keine generell drittschützende Wirkung. Es reicht daher für den Erfolg einer baurechtlichen Nachbarklage nicht aus, dass sich ein Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise oder der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch aus Bauplanungsrecht, von jeder Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung verschont zu bleiben. Mögliche Verringerungen des Lichteinfalls bzw. eine weiter zunehmende Verschattung sind vielmehr in aller Regel im Rahmen der Veränderung der baulichen Situation in bebauten Ortslagen grundsätzlich hinzunehmen. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbareilantrag, Verletzung in nachbarschützenden Rechten (verneint), Unbestimmtheit der Baugenehmigung (verneint), Fehler in der Nachbarbeteiligung, Einfügen nach dem Maß der baulichen Nutzung, maßgebliche nähere Umgebung, Rücksichtnahmegebot, Belichtung, Belüftung und Besonnung, Einsichtsmöglichkeiten
Fundstelle:
BeckRS 2024, 8082
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragsteller wenden sich als Nachbarn gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Aufstockung eines Einfamilienhauses und Nutzungsänderung in ein Zweifamilienhaus sowie die Errichtung einer Garage.
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Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... der Gemarkung ... (nachfolgende Fl.Nrn.-Angaben beziehen sich auf dieselbe Gemarkung), das mit einem Wohngebäude bebaut ist.
3
Das nördlich des Grundstücks der Antragsteller gelegene Grundstück Fl.Nr. ... (im Folgenden: Baugrundstück) ist mit einem Einfamilienhaus bebaut.
4
Die vorgenannten Grundstücke liegen nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans.
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Mit Formblattantrag vom 25. September 2023 stellten die Beigeladenen einen Antrag auf Baugenehmigung für das Vorhaben „Aufstockung eines Einfamilienhauses, Nutzungsänderung in ein Zweifamilienhaus und Errichtung einer Garage“ auf dem Baugrundstück.
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Mit Schreiben vom 14. Dezember 2023 teilte das Landratsamt ... (im Folgenden: Landratsamt) den Beigeladenen u.a. mit, dass sich das Vorhaben hinsichtlich der Maßes der baulichen Nutzung nicht einfüge, da sowohl die in der näheren Umgebung vorhandenen Wandhöhen deutlich als auch die Firsthöhen minimal überschritten würden. Es sei eine Umplanung erforderlich. Als Referenzobjekt hinsichtlich der Wand- und Firsthöhe könne das Doppelhaus L...straße … (Fl.Nrn. ... und ...) dienen.
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Am 18. Januar 2024 ging die geänderte Eingabeplanung mit dem Planungsstand 5. Januar 2024 beim Landratsamt ein. Mit Schreiben vom 7. Februar 2024 teilte das Landratsamt den Beigeladenen mit, dass eine Korrektur des Abstandsflächenplans erforderlich sei. Der korrigierte Abstandsflächenplan ging am 15. Februar 2024 beim Landratsamt ein.
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Während des Baugenehmigungsverfahrens erhoben die Antragsteller mehrfach Einwendungen gegen das Vorhaben. Auf die in der Behördenakte befindliche, diesbezüglich mit dem Landratsamt geführte Korrespondenz, wird Bezug genommen.
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Mit Bescheid vom 14. März 2024 (Az. ...) erteilte das Landratsamt die bauaufsichtliche Genehmigung für das Vorhaben entsprechend den mit Genehmigungsvermerk vom 14. März 2024 versehenen Unterlagen.
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Am 21. März 2024 haben die Antragsteller gegen diesen Bescheid Klage erhoben und beantragt, die Baugenehmigung aufzuheben. Über die Klage ist noch nicht entschieden (Az. Au 5 K 24.734).
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Zugleich haben die Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes (sinngemäß) beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamts vom 14. März 2024 anzuordnen.
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Zur Antragsbegründung wurde ausgeführt, dass das Vorhaben infolge der Aufstockung ein „Ausreißer“ zur Nachbarbebauung wäre. Das Geviert zwischen L...straße, A...straße und W...straße habe durchgängig eine Bebauung von I + D. Dies sei die Vorgabe für die damalige Bebauung im Geviert gewesen. Auch die Bebauung östlich der W. straße habe, der Hanglage geschuldet, nur ein Vollgeschoss. In der Zeile südlich entlang der L...straße hätten alle Dachfirste die gleiche Höhe. Durch die Aufstockung würde die durchschnittliche Firsthöhe im Geviert und insbesondere in der Zeile südlich der L...straße um mehr als 3,5 m überschritten. Die Bebauung nördlich der L...straße habe keine prägende Wirkung. Der L...straße komme eine trennende Wirkung zu. Die Bebauung südlich und nördlich der L...straße sei aufgrund der Topologie unterschiedlich. Seitens der Antragsteller sei mehrfach auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Mai 2020 (Az. ...) hingewiesen worden. In diesem sei u.a. entschieden worden, dass eine Erhöhung des Dachfirstes um 0,5 m unzulässig sei. Nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Februar 2022 (Az. ...) sei als Bereich gegenseitiger Prägung auf die konkrete Erschließungsstraße und regelmäßig auch nur auf die Straßenseite abzustellen, der das jeweilige Baugrundstück zugeordnet sei. Die Aufstockung füge sich nicht in die vorhandene Bebauung ein und sei auch im Verhältnis zum Grundstück der Antragsteller unzulässig. Erstmals im März seien die Antragsteller über eine Umplanung informiert worden. Von beiden Planungen sei den Antragstellern nur eine Seite der Plandarstellung bekannt. Nach der Eingabeplanung zur Umplanung solle die Firsthöhe gegenüber der Erstplanung um 24 cm reduziert worden sein. Seitens des Landratsamts sei keine Begründung erfolgt, weshalb die Aufstockung genehmigungsfähig sein solle und warum die Umplanung veranlasst worden sei. Seitens des Landratsamts sei keine Rückmeldung zu den Einwänden der Antragsteller erfolgt. Eine Darlegung, warum die Voraussetzungen des § 34 Abs. 3a Baugesetzbuch (BauGB) erfüllt sein sollten, fehle ebenso. Dem Antragsschriftsatz wurde die Korrespondenz mit dem Landratsamt als Anlage beigefügt.
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Auf den weiteren Inhalt des Antragsbegründungsschriftsatzes samt Anlagen wird Bezug genommen.
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Mit Beschluss vom 22. März 2024 wurden die Bauherren zum Verfahren beigeladen.
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Mit Schriftsatz vom 26. März 2024 wurde zur Antragsbegründung weiter ausgeführt, dass die Baugenehmigung für die Antragsteller keinerlei Angaben enthalte, welche Planung/Aufstockung, also die Erstplanung oder die Umplanung, überhaupt genehmigt worden sei. Der Ausfertigung des Genehmigungsbescheids für die Antragsteller sei keine Bauplan-Zweitschrift beigefügt worden.
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Mit Schriftsatz vom 26. März 2024 hat das Landratsamt für den Beklagten beantragt,
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den Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) abzulehnen.
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Zur Antragserwiderung wurde ausgeführt, dass sich das Grundstück unstreitig im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB befinde. Bei § 34 BauGB handle es sich, was das Einfügen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung betreffe, nicht um eine nachbarschützende Vorschrift. Abgesehen davon füge sich das Vorhaben in die nähere Umgebung ein. Ein Fall des § 34 Abs. 3a BauGB liege nicht vor. Als „nähere Umgebung“ sei hier das Straßengeviert sowie die gegenüberliegende Straßenseite der L...straße anzusehen. Auch in dem von den Antragstellern zitierten Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sei die gegenüberliegende Straßenseite des Baugrundstücks in die nähere Umgebung einbezogen worden. Das Vorhaben überschreite die Gebäudehöhen des Referenzobjekts in der L...straße … nicht. Auch im Übrigen würden keine nachbarschützenden Vorschriften verletzt. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots sei auch bei der vorliegenden Hanglage nicht erkennbar. Es liege keine Verletzung des nachbarschützenden Abstandsflächenrechts nach Art. 6 Bayerische Bauordnung (BayBO) vor. Die Abstandsflächen, deren Tiefe sich nach der Abstandsflächensatzung der Gemeinde ... richteten, lägen vollständig auf dem Baugrundstück. Durch die Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen sei eine ausreichende Besonnung, Belichtung, Belüftung gewährleistet und der Brandschutz gesichert. Ein Einmauerungseffekt sei nicht erkennbar. Durch die Zustellung der Baugenehmigung und der Klageerhebung seien etwaige Fehler in der Nachbarbeteiligung geheilt worden. Die Zustellung eines vollständigen Bauplans sei gesetzlich nicht vorgesehen, sondern lediglich die Zustellung einer Ausfertigung der Baugenehmigung (Art. 66 Abs. 1 Satz 4 BayBO). Selbst eine fehlende Nachbarbeteiligung alleine führe nicht zur materiell-rechtlichen Fehlerhaftigkeit der Baugenehmigung. Den Antragstellern sei es möglich gewesen, Akteneinsicht in die betreffende Bauakte zu nehmen. Die Baugenehmigung sei hinreichend bestimmt, da die zur Genehmigung bestimmten Planunterlagen mit Genehmigungsvermerken versehen worden und zum Bestandteil der Baugenehmigung geworden seien.
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Die Behördenakte wurde elektronisch vorgelegt.
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Mit Schriftsatz vom 28. März 2024 nahmen die Antragsteller zum Schriftsatz des Landratsamts dahingehend Stellung, dass die Baugenehmigung unbestimmt sei. Aus dem Schriftverkehr sei den Antragstellern bekannt, dass es eine Erstplanung und eine Umplanung geben solle. Infolge fehlender Bestimmtheit wüssten die Kläger nicht, was überhaupt genehmigt worden sei. Es sei nicht erkennbar, was von der Gestaltungs-, Feststellungs- und Legalisierungswirkung der Baugenehmigung umfasst sei. Dem Landratsamt sei darin zuzustimmen, dass die Zustellung des vollständigen Bauplans gesetzlich nicht vorgesehen sei. Wenn eine Bauplan-Zweitschrift der Abschrift der Baugenehmigung nicht beigefügt sei, müsse aus dem verbalen Beschrieb der Baugenehmigung hervorgehen, welche eingegebene Planung genehmigt worden sei. Die Antragsteller hätten nur durch Zufall von der Umplanung erfahren. Es sei nicht Aufgabe der Antragsteller, während eines Genehmigungsverfahrens ständig bei der Behörde anzufragen, ob es eine Umplanung gebe. Bis heute wüssten die Antragsteller nicht, was genehmigt worden sei. Es könne auch nicht Aufgabe der Antragsteller sein, nach Zustellung der Baugenehmigung durch Akteneinsicht bei der Behörde den Genehmigungsumfang festzustellen, um zu entscheiden, ob klageweise gegen den Bescheid vorgegangen werden solle. Die von den Antragstellern mehrfach vorgetragenen Einwände seien vom Landratsamt nicht aufgegriffen worden. Der Bescheid enthalte hierzu keine Angaben.
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Auf den weiteren Inhalt des Schriftsatzes wird verwiesen.
23
Ergänzend wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene, aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Die Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) der Antragsteller ist als direkt angrenzende Nachbarn gegeben.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
28
Das Gericht der Hauptsache kann die aufschiebende Wirkung aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht trifft aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache sind ein wesentliches Indiz. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben, so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (BayVGH, B.v. 24.6.2022 – 15 CS 22.1389 – juris Rn. 14).
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Dritte – wie hier die Antragsteller als Nachbarn – können sich mit einer Anfechtungsklage nicht schon dann gegen einen Baugenehmigungsbescheid zur Wehr setzen, wenn dieser lediglich (objektiv) rechtswidrig ist. Vielmehr muss mit Blick auf § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO für den Erfolg der Nachbarklage eine subjektive Rechtsverletzung des Nachbarn vorliegen. Hierfür muss eine Norm verletzt worden sein, die gerade dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt ist (BayVGH, B.v. 24.11.2023 – 15 CS 23.1816 – juris Rn. 18).
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Dies zugrunde gelegt, überwiegt vorliegend nach Auffassung der Kammer das Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse der Antragsteller, da nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage die Klage der Antragsteller gegen den Bescheid des Landratsamts vom 14. März 2024 keinen Erfolg haben wird. Die Baugenehmigung verletzt die Antragsteller voraussichtlich nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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a) Die Baugenehmigung ist voraussichtlich nicht zulasten der Antragsteller unbestimmt.
32
Wie jeder Verwaltungsakt muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein (Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG)). Sie muss – gegebenenfalls nach objektivierender Auslegung – das genehmigte Vorhaben, insbesondere Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung, eindeutig erkennen lassen, damit die am Verfahren Beteiligten die mit dem Genehmigungsbescheid getroffene Regelung nachvollziehen können. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll, bestimmt der Bauherr durch seinen Bauantrag. Der Inhalt der Baugenehmigung ergibt sich aus der Bezeichnung, den Regelungen und der Begründung im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch in Bezug genommene Bauvorlagen und sonstige Unterlagen. Wird in der Baugenehmigung auf den Antrag oder auf bestimmte Antragsunterlagen verwiesen, ist die Baugenehmigung hinreichend bestimmt, wenn es der Antrag oder die in Bezug genommenen Antragsunterlagen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft, wenn also wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen bzw. mangels konkretisierender Inhalts- oder Nebenbestimmungen der Gegenstand und/oder der Umfang der Baugenehmigung und damit des nachbarlichen Störpotenzials bei deren Umsetzung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Ein Nachbar kann somit eine unzureichende inhaltliche Bestimmtheit (nur) geltend machen, soweit dadurch nicht sichergestellt ist, dass das genehmigte Vorhaben allen dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften entspricht (BayVGH, B.v. 11.1.2022 – 15 CS 21.2913 – juris Rn. 23 m.w.N.).
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Unter Anwendung dieser Grundsätze sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Baugenehmigung zulasten der Antragsteller unbestimmt ist. Sofern vorgetragen wurde, dass die Antragsteller nicht wüssten, welche Planung – d.h. Erstplanung oder Umplanung – genehmigt worden sei, ist darauf hinzuweisen, dass der Inhalt der Baugenehmigung vorliegend durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen konkretisiert wird. So heißt es in Ziffer I. der Baugenehmigung, dass die bauaufsichtliche Genehmigung entsprechend den mit Genehmigungsvermerk vom 14. März 2024 versehenen Unterlagen erteilt wird. Aus der Behördenakte ist ersichtlich, dass die Umplanung mit Planungsstand 5. Januar 2024 bzw. dem Abstandsflächenplan vom 15. Februar 2024 mit einem Genehmigungsvermerk versehen sind. Die – in nicht zu beanstandender Weise – in Bezug genommen Bauvorlagen selbst sind hinreichend bestimmt, d.h. aus den Antragsunterlagen ergibt sich zweifelsfrei, welchen Umfang die Baugenehmigung hat und was Gegenstand der Feststellungswirkung der Baugenehmigung ist. Anderweitige Anhaltspunkte für eine Unbestimmtheit der Baugenehmigung zulasten der Antragsteller bestehen nicht.
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b) Die Antragsteller können sich nicht mit Erfolg auf Fehler in der Nachbarbeteiligung berufen.
35
In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist geklärt, dass sich ein Nachbar nicht erfolgreich allein auf eine fehlende oder fehlerhafte Nachbarbeteiligung berufen kann. Eine fehlende Nachbarbeteiligung hat lediglich zur Folge, dass – wie hier ordnungsgemäß geschehen – der Baugenehmigungsbescheid dem Nachbarn zuzustellen ist (BayVGH, B.v. 7.4.2022 – 9 ZB 22.165 – juris Rn. 7 m.w.N.; B.v. 19.5.2021 – 15 CS 21.1147 – juris Rn. 26). Maßgebend für den Erfolg der Klage ist allein die Verletzung drittschützender materieller Rechte. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen der Nachbarbeteiligung die Verpflichtung, den Eigentümern benachbarter Grundstücke den Lageplan und die Bauzeichnungen zur Unterschrift vorzulegen, allein dem Bauherrn oder seinem Beauftragten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BayBO) obliegt. Eine Beteiligung der Nachbarn vor Abschluss des Baugenehmigungsverfahrens ist – ohne Antrag des Bauherrn – weder von der Gemeinde noch von der Bauaufsichtsbehörde – hier dem Landratsamt – durchzuführen. Die Nachbarbeteiligung nach Art. 66 BayBO ist vielmehr so angelegt, dass ohne den ausdrücklich zu äußernden Willen des Bauherrn die Nachbarbeteiligung unterbleibt (BayVGH, B.v. 16.10.2018 – 9 CS 18.1468 – juris Rn. 31 mit Verweis auf LT-Drs. 12/13482 S. 62).
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c) Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts, insbesondere des Abstandsflächenrechts, liegt nach summarischer Prüfung nicht vor.
37
Art. 6 BayBO stellt mit seinem Zweck, im nachbarlichen Verhältnis insbesondere eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung zu gewährleisten, eine Schutznorm dar, die subjektive Abwehrrechte des Eigentümers des unmittelbar angrenzenden Grundstücks, in dessen Richtung die Abstandsfläche auf dem Baugrundstück selbst nicht eingehalten werden kann, begründet (BayVGH, B.v. 13.9.2022 – 15 CS 22.1851 – juris Rn. 10). Der Nachbar hat ein subjektiv-öffentliches Recht darauf, dass die im Einzelfall vorgeschriebene Abstandsfläche eingehalten und davon nur im Einklang mit den Ermächtigungen in Bebauungsplänen oder örtlichen Bauvorschriften (Art. 6 Abs. 5 Satz 2, Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO) oder durch Zulassung von Abweichungen (Art. 63 BayBO) abgewichen wird (Kühner/Kraus in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: 152. EL Oktober 2023, Art. 6 Rn. 550). Ausweislich der vorgelegten und genehmigten Planunterlagen (vgl. Abstandsflächenplan vom 15. Februar 2024) liegen die Abstandsflächen des Vorhabens, die nach § 2 der Abstandsflächensatzung der Gemeinde ... vom 28. Januar 2021 0,8 H, mindestens jedoch 3 m, betragen, vollumfänglich auf dem Baugrundstück. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Abstandsflächen nach Süden in Richtung des Grundstücks der Antragsteller – und nur darauf könnten die Antragsteller sich berufen – nicht eingehalten werden.
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d) Es liegt voraussichtlich auch kein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauplanungsrechts vor.
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Da das Vorhaben unstreitig im unbeplanten Innenbereich gelegen ist, richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 BauGB. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben und das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.
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aa) Das Vorhaben fügt sich als Wohngebäude nach der Art der baulichen Nutzung unproblematisch in die nähere Umgebung ein. Eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs scheidet damit aus.
41
bb) Sofern die Antragsteller geltend machen, dass sich das Vorhaben hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung nicht in die nähere Umgebung einfüge, scheidet eine Verletzung in nachbarschützenden Rechten nach summarischer Prüfung aus.
42
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass § 34 Abs. 1 BauGB abgesehen von der Art der baulichen Nutzung keine generell drittschützende Wirkung entfaltet. Es reicht daher für den Erfolg einer baurechtlichen Nachbarklage nicht aus, dass sich ein Vorhaben nach dem Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise oder der überbaubaren Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (BayVGH, B.v. 5.12.2022 – 9 ZB 22.1076 – juris Rn. 10). Soweit die Antragsteller also der Ansicht sind, dass sich das genehmigte Vorhaben der Beigeladenen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung gemäß § 34 Abs. 1 BauGB nicht einfüge, ist dies nachbarschutzrechtlich irrelevant, weil § 34 BauGB hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung grundsätzlich keinen Drittschutz vermittelt, sondern es für die Verletzung von nachbarlichen Rechten des Klägers dann im vorliegenden Fall allein darauf ankommt, ob das Vorhaben die mit dem Gebot des Einfügens geforderte Rücksichtnahme (nachfolgend unter cc)) wahrt (BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 7).
43
Insofern kommt es vorliegen im Rahmen der Nachbaranfechtung nicht entscheidungserheblich darauf an, welche Bebauung vorliegend als „nähere Umgebung“ in die Betrachtung mit einzubeziehen ist, ob also die Bebauung nördlich der L...straße – und damit das vom Landratsamt angeführte Referenzobjekt L...straße … – noch als prägend anzusehen ist, oder nicht. Gleichwohl wird der Vollständigkeit halber zur Frage der Bestimmung der maßgeblichen näheren Umgebung auf Folgendes hingewiesen: Unter der für die Bestimmung des Rahmens maßgeblichen „näheren Umgebung“ ist diejenige Umgebung zu verstehen, auf die sich die Ausführung des Vorhabens auswirken kann und die ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Dabei ist unter wertender und bewertender Betrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse an äußerlich erkennbare, also mit dem Auge wahrnehmbare Gegebenheiten der vorhandenen Bebauung und der übrigen Geländeverhältnisse anzuknüpfen. Die nähere Umgebung ist für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil die prägende Wirkung der jeweils maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit reichen kann (BayVGH, U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 45; B.v. 12.6.2023 – 2 CS 23.787 – juris Rn. 8). Bei der Bestimmung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung eines Grundstücks ist der Umkreis der zu beachtenden vorhandenen Bebauung tendenziell enger zu begrenzen als bei der Ermittlung des Gebietscharakters (BVerwG, B.v. 13.5.2014 – 4 B 38/13 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 18.7.2023 – 15 B 22.2216 – juris Rn. 16). In der Regel gilt – wovon das Landratsamt zutreffend ausgegangen ist – bei einem inmitten eines Wohngebiets gelegenen Vorhaben als Bereich gegenseitiger Prägung das Straßengeviert und die gegenüberliegende Straßenseite (BayVGH, B.v. 27.9.2010 – 2 ZB 08.2775 – juris Rn 4; U.v. 24.7.2014 – 2 B 14.1099 – juris Rn. 20; B.v. 14.2.2018 – 1 CS 17.2496 – juris Rn. 16 f.). Die Grenze zwischen näherer und fernerer Umgebung kann im Übrigen über eine künstliche oder natürliche Trennlinie (Straße, Schienenstrang, Gewässerlauf, Geländekante etc.) oder – ggf. ohne eine solche – dort zu ziehen sein, wo zwei jeweils einheitlich geprägte Bebauungskomplexe mit voneinander verschiedenen Bau- und Nutzungsstrukturen aneinanderstoßen und sich durch Aneinandergrenzen von Gebieten unterschiedlicher Siedlungsstruktur eine städtebauliche Zäsur ergibt. Neben der Perspektive des stehenden Menschen kann es für die Feststellung der maßgeblichen näheren Umgebung auch auf den „Blick von oben“ (Lagepläne, Luftbilder u. ä.) ankommen (BayVGH, U.v. 26.10.2021 – 15 B 19.2130 – juris Rn. 45). Ausgehend von dieser Rechtsprechung erscheint es vorliegend – ohne, dass es darauf ankommt – durchaus nicht abwegig, dass das Anwesen L...straße …, das dem Baugrundstück unmittelbar schräg gegenüberliegt und somit in direkter Sichtbeziehung zum Vorhaben situiert ist, als Referenzobjekt in Betracht kommt.
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cc) Auch ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liegt voraussichtlich nicht vor.
45
Diesem kommt drittschützende Wirkung zu, soweit in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Die Anforderungen, die das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelnen begründet, hängen wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zu Gute kommt, desto mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, der das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen. Abzustellen ist darauf, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (BayVGH, B.v. 24.11.2023 – 15 CS 23.1816 – juris Rn. 25).
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(1) Die Antragsteller können sich voraussichtlich nicht erfolgreich auf eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung des streitgegenständlichen Vorhabens berufen.
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Eine Rücksichtslosigkeit aufgrund einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung kommt nur in Betracht, wenn das Vorhaben derart übermächtig ist, dass das Wohngebäude des Nachbarn nur noch oder überwiegend wie von einem „herrschenden“ Gebäude bzw. einer baulichen Anlage dominiert und ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird (BayVGH, B.v. 13.12.2022 – 15 ZB 22.2149 – juris Rn. 12 m.w.N.). Dies kann etwa bei nach Höhe, Breite und Volumen übergroßen Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden der Fall sein (BayVGH, B.v. 13.9.2022 – 15 CS 22.1851 – juris Rn. 17). Hauptkriterien bei der Beurteilung, ob von einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung des Bauvorhabens auf das Nachbargrundstück auszugehen ist, sind die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung ist etwa im Fall eines elfgeschossigen Gebäudeteils in naher Entfernung zu einem zweieinhalb geschossigen Wohnhaus auf dem Nachbargrundstück sowie im Fall einer grenznahen 11,5 m hohen und 13,31 m langen, wie eine „riesenhafte metallische Mauer“ wirkenden Siloanlage bei einem 7 m breiten Nachbargrundstück angenommen worden (BayVGH, B.v. 13.9.2022 – 15 CS 22.1851 – juris Rn. 17). Der vorliegende Fall ist mit den genannten Beispielen nicht ansatzweise vergleichbar. Unter Berücksichtigung der Maße des streitgegenständlichen Vorhabens mit einer (neuen) Firsthöhe von 10,20 m kann trotz der bestehenden Hanglage nicht davon gesprochen werden, dass das Vorhaben der Beigeladenen dem Grundstück der Antragsteller zukünftig förmlich „die Luft nimmt“, weil es derart übermächtig wäre, dass das Nachbargebäude der Antragsteller nur noch oder überwiegend wie von einem „herrschenden“ Gebäude dominiert und ohne eigene Charakteristik wahrgenommen würde. Im Übrigen scheidet eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots regelmäßig aus tatsächlichen Gründen aus, wenn – wie hier – die Vorgaben des Art. 6 BayBO eingehalten sind (BayVGH, B.v. 13.9.2022 – 15 CS 22.1851 – juris Rn. 17; B.v. 25.1.2023 – 9 ZB 22.2569 – juris Rn. 11). Ausweislich der vorgelegten und genehmigten Planunterlagen liegen die Abstandsflächen des streitgegenständlichen Vorhabens – sogar mit 0,8 H entsprechend der Abstandsflächensatzung – vollumfänglich auf dem Baugrundstück selbst. Allein der Umstand, dass das Vorhaben der Beigeladenen aufgrund des abfallenden Geländes höher liegt als das Anwesen der Antragsteller und dieses nach der Aufstockung überragen wird, begründet keine erdrückende oder abriegelnde Wirkung. Dass eine solche ausscheidet, ergibt sich bereits daraus, dass der Abstand zwischen dem Vorhaben und dem Wohngebäude der Antragsteller mehr als 10 m beträgt (herausgemessen mittels der entsprechenden Funktion im BayernAtlas). Zudem verfügt das großzügige Anwesen der Antragsteller ausweislich der einschlägigen Luftbildaufnahmen (Google Maps und Google Earth) und des in den Planunterlagen enthaltenen Lageplans über einen ausreichenden Freiraum, der durch die bloße Aufstockung des bereits bestehenden Wohngebäudes auf dem Baugrundstück nicht wesentlich tangiert wird.
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(2) Es ist ferner nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich, dass die angefochtene Baugenehmigung deshalb gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstößt, weil die Errichtung des Vorhabens zu Beeinträchtigungen der Belichtung und Besonnung auf Grundstück der Antragsteller führt.
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Es besteht grundsätzlich kein Anspruch aus Bauplanungsrecht, von jeder Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung verschont zu bleiben. Mögliche Verringerungen des Lichteinfalls bzw. eine weiter zunehmende Verschattung sind vielmehr in aller Regel im Rahmen der Veränderung der baulichen Situation in bebauten Ortslagen grundsätzlich hinzunehmen; das gilt grundsätzlich selbst dann, wenn Verschattungen zu finanziellen Einbußen hinsichtlich der Energiegewinnung durch Photovoltaikanlagen führen. Auch mit Blick auf eine zu prognostizierende Beeinträchtigung durch eine Verschattung durch ein geplantes Gebäude gilt zumindest indiziell, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots regelmäßig aus tatsächlichen Gründen ausscheidet, sofern – wie hier – die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten sind (BayVGH, B.v. 13.9.2022 – 15 CS 22.1851 – juris Rn. 21 m.w.N.). Sofern in besonderen Ausnahmefällen selbst bei Einhaltung der Anforderungen des Art. 6 BayBO eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots aufgrund des Heranrückens eines größeren Vorhabens möglich bleibt, sind vorliegend keine besonderen Umstände des Einzelfalls ersichtlich, die dennoch eine unzumutbare Betroffenheit der Antragsteller begründen könnten. Da sich das Vorhaben nördlich des Grundstücks der Antragsteller befindet, ist mit Blick auf den täglichen Sonnenverlauf von Osten (morgens) über Süden (mittags) nach Westen (abends) eine ausreichende Besonnung und Belichtung des Anwesens der Antragsteller gewährleistet.
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(3) Wenngleich dies von den Antragstellern nicht vorgetragen wurde, ist auch nicht ersichtlich, dass durch die Aufstockung und insbesondere den nach Süden ausgerichteten Balkon im Obergeschoss unzumutbare Einsichtnahmemöglichkeiten geschaffen würden.
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Das Bauplanungsrecht vermittelt weder im Allgemeinen noch das Gebot der Rücksichtnahme im Speziellen einen generellen Schutz vor unerwünschten Einblicken. Dies gilt auch für neu geschaffene Einsichtsmöglichkeiten (BayVGH, B.v. 24.11.2023 – 15 CS 23.1816 – juris Rn. 28). Im bebauten innerörtlichen Bereich gehört es zur Normalität, dass von benachbarten Grundstücken bzw. Gebäuden aus Einsicht in andere Grundstücke und Gebäude genommen werden kann (BayVGH, B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 20). Allenfalls in besonderen, von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls geprägten Ausnahmefällen kann sich etwas Anderes ergeben (BayVGH, B.v. 24.11.2023 – 15 CS 23.1816 – juris Rn. 29). Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher situationsbedingter Ausnahmefall hier vorliegt, lassen sich der Aktenlage aber nicht entnehmen. Zwar liegt das Vorhaben der Beigeladenen aufgrund der Hanglage höher als das Anwesen der Antragsteller, was einen Blick „von oben herab“ ermöglichen kann. Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Abstände sowie der Einhaltung der Abstandsflächen ist eine Unzumutbarkeit der durch das Vorhaben im Innenbereich sich ergebenden Einsichtsmöglichkeiten jedoch nicht ersichtlich. Über die herkömmlichen Einsichtnahmemöglichkeiten in Innerortslagen hinausgehende Belastungen sind nicht ersichtlich. Den Antragstellern ist es grundsätzlich zuzumuten, ihre Räumlichkeiten durch in Innerortslagen typische Sichtschutzeinrichtungen vor ungewollter Einsichtnahme zu schützen (BayVGH, B.v. 24.11.2023 – 15 CS 23.1816 – juris Rn. 31).
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Nach alldem hat die Anfechtungsklage in der Hauptsache voraussichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Da auch sonst keine Gründe ersichtlich sind, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen könnten, ist das private Interesse der Antragsteller an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die erteilte Baugenehmigung gegenüber dem kraft Gesetzes zugrunde gelegten Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Vollziehung der Baugenehmigung nachrangig. Der Antrag ist demzufolge abzulehnen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO. Als im Verfahren unterlegen haben die Antragsteller die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen. Da die Beigeladenen keinen eigenen Antrag gestellt und sich mithin auch nicht dem Prozesskostenrisiko ausgesetzt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.