Inhalt

OLG Nürnberg, Endurteil v. 12.03.2024 – 3 U 1856/23
Titel:

Fortbestand der Verpflichtungen aus dem Erbbaurechtsvertrag nach Zuschlag des Erbbaurechts an Dritten

Normenketten:
ErbbauRG § 5, § 9
ZPO § 258
Leitsätze:
1. Ansprüche aus einer schuldrechtlichen Abrede in einem Erbbaurechtsbestellungsvertrag gegen den ersten Erbbaurechtsinhaber, die über den dinglichen Erbbauzins hinausgehen, bestehen gegen diesen fort, auch wenn das Erbbaurecht einem Dritten zugeschlagen wurde. (Rn. 27 – 29)
2. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der mit einem Zustimmungsvorbehalt nach § 5 ErbbauRG der Eintritt des Erwerbers in die schuldrechtliche Verpflichtung zur Zahlung und Anpassung des Erbbauzinses erzwungen werden kann, begründet keine Verpflichtung, den Erwerber als Vertragspartner des Bestellungsvertrags bzw. der Erbbauzinsabrede zu akzeptieren. Dementsprechend besteht erst recht keinerlei Obliegenheit, bereits bei der Bestellung des Erbbaurechts durch Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts sicherzustellen, dass ein Eintritt eines späteren Erwerbers oder Erstehers in den Bestellungsvertrag erzwungen werden könnte. (Rn. 36 – 37)
Schlagworte:
Erbbaurecht, künftige Leistung, Erbbaurechtsbestellungsvertrag, dingliche Erbbauzinsreallast, Zustimmungsvorbehalt
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 10.08.2023 – 18 O 3484/22
Fundstellen:
BeckRS 2024, 8034
ErbbauZ 2025, 25
LSK 2024, 8034

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. August 2023, Az. 18 O 3484/22, abgeändert, soweit die Beklagten darin zur Zahlung eines Betrags von jeweils mehr als 12.816,41 € vierteljährlich verurteilt wurden; im Umfang der Aufhebung wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. August 2023, Az. 18 O 3484/22, zurückgewiesen.
III. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das vorliegende Endurteil und das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. August 2023, Az. 18 O 3484/22, soweit es aufrechterhalten wurde, sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 179.546,22 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten darum, ob die Beklagten noch Pflichten aus einem Erbbaurechtsvertrag treffen, nachdem das Erbbaurecht in der Zwangsversteigerung einem Dritten zugeschlagen wurde.
2
Die Kläger sind als Erben der früheren Eigentümer, und Eigentümer eines mit einer Gewerbeimmobilie bebauten 10.000 qm großen Grundstücks in Nürnberg. Die Beklagten sind Erben des am 27. Februar 2010 verstorbenen Herrn ..., dem die genannten drei früheren Eigentümer mit notarieller Urkunde des Notars, vom 23. Dezember 1965 (Urk-Rolle Nr.), und nachfolgender Messungsanerkennung vom 6. Dezember 1966 (Urk-Rolle Nr.) an dem Grundstück ein Erbbaurecht für die Dauer von 99 Jahren bestellt haben (Grundbuch – Erbbargrundbuch – des Amtsgerichts Nürnberg für, Blatt). Als Erbbauzins ist in dem Vertrag eine jährliche Zahlung von 3,00 DM/qm vorgesehen, die in vierteljährlich fälligen Teilbeträgen ab 5. Januar 1966 zu erbringen ist (Ziff. V. 1 und 2). Im Umfang von 30.000,00 DM wurde eine Erbbauzinsreallast bewilligt (Ziff. V. 3), welche am 16. Februar 1967 unter lfd. Nr. 2 in Abteilung II des Erbbaurechtsgrundbuchs eingetragen wurde. Schuldrechtlich ist vereinbart, dass sich der Erbbauzins in dem Verhältnis erhöhen oder verringern sollte, wie sich der Gesamt-Lebenshaltungsindex nach oben oder unten, unter Berücksichtigung eines Schwellenwerts von jeweils 10%, verändert (Ziff. V. 4; vom Landgericht und im Folgenden als „Zusatzvereinbarung“ bezeichnet). Die Genehmigung der Anpassungsklausel durch die Landeszentralbank ist in der Folgezeit erteilt worden. Ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Eigentümer für eine Übertragung oder einen Zuschlag des Erbbaurechts ist in dem Vertrag nicht vorgesehen.
3
Aufgrund eines von der aus einer an sie abgetretenen Grundschuld an dem Erbbaurecht (eingetragen am 28. Februar 2012 als lfd. Nr. 6 in Abteilung III) betriebenen Zwangsversteigerungsverfahrens in das Erbbaurecht wurde dieses mit Beschluss vom 24. März 2022 der (haftungsbeschränkt) zugeschlagen. Eine Übernahme der schuldrechtlichen Verpflichtungen durch die Ersteherin erfolgte nicht.
4
Die Kläger fordern vorliegend von den Beklagten für die Zeit ab dem 1. April 2022 Zahlung der Differenz zwischen dem Betrag, der sich infolge der Zusatzvereinbarung errechnet, und dem dinglich gesicherten Erbbauzins, welche sie mit 12.824,73 € pro Quartal beziffert haben. Nach ihrer Auffassung haften die Beklagten ungeachtet des Übergangs des Erbbaurechts infolge des Zuschlags weiter für die schuldrechtlichen Verpflichtungen, wie sie sich aus der Zusatzvereinbarung ergeben.
5
Die Beklagten meinen, ihre Verpflichtungen aus dem notariellen Vertrag seien infolge des Zuschlags vollständig entfallen. Die Bestimmung über die Anpassung des Erbbauzinses stelle keine selbstständige Verpflichtung dar, sondern regle nur dessen Höhe. Die Rechtsvorgänger der Kläger hätten es versäumt, durch Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts die Übernahme der Regelung zur Anpassung des Erbbauzinses durch die Ersteherin faktisch zu erzwingen.
6
Das Landgericht hat im angegriffenen Endurteil vom 10. August 2023 die Beklagten antragsgemäß samtverbindlich zur Zahlung von vierteljährlich 12.824,73 €, fällig am 5. Monatstag eines Kalendervierteljahres im Voraus, allerdings nur für die Zukunft, verurteilt. Die im Erbbaurechtsvertrag übernommenen Verpflichtungen des Erbbauberechtigten blieben schuldrechtliche Verbindlichkeiten und richteten sich auch nach Veräußerung des Erbbaurechts weiter gegen den ursprünglichen Erbbauberechtigten. Die an sich akzessorische Zinsanpassungsklausel sei durch den Übergang des Erbbaurechts nicht in Wegfall geraten. Der Verbraucherpreisindex, den die Kläger herangezogen haben, sei der bestmögliche Wertmesser für die Veränderung der Lebenshaltungskosten. Seit 1965 ergebe sich eine kumulierte Steigerung von 443%, was zu einem Anspruch von sogar 13.152,99 € vierteljährlich führe.
7
Mit ihrer Berufung rügen die Beklagten, dass das Landgericht im Urteilstenor einen Endzeitpunkt für die Zahlungspflicht hätte vorsehen müssen und die Bestimmung des § 258 ZPO aufgrund der Abhängigkeit der Leistung von einer Gegenleistung nicht angewandt werden könne. Das Landgericht habe ferner nicht beachtet, dass die Beklagten die Echtheit oder Wirksamkeit der Abreden sowie das Fehlen nachträglicher Änderungen bestritten hatten und die Kläger keinen Sachvortrag zur Anspruchshöhe gehalten hätten; das Landgericht hätte nicht selbst die Berechnung vornehmen dürfen und zudem die Schwellenwertregelung beachten müssen. Die schuldrechtliche Regelung zur Indexierung könne nicht von der Schuld selbst getrennt werden, sodass die Beklagten dann, wenn sie keinen Erbbauzins mehr schulden, auch keinen erhöhten Erbbauzins mehr schulden würden. Alles andere widerspreche jeglichem Gerechtigkeitsempfinden, was auch der Einzelrichter des Landgerichts zunächst so gesehen habe. Zudem hätten die Kläger einen Anspruch auf Zahlung der Erhöhungsbeträge gegenüber der Ersteherin selbst vereitelt, weil sie nicht für eine Übernahme der Zusatzvereinbarung durch die Ersteherin gesorgt hätten; die Beklagten behaupten insoweit, die Ersteherin hätte sich hierzu einverstanden erklärt. Die Kläger müssten sich insoweit entgegenhalten lassen, dass ihre Rechtsvorgänger sich in leichtfertiger Weise nicht ein Zustimmungserfordernis für den Fall der Veräußerung oder Zwangsversteigerung des Erbbaurechts vorbehalten hätten, mit dem sie einen solchen Eintritt hätten herbeiführen können.
8
Die Beklagten und Berufungsführer beantragen,
Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10.08.2023 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
9
Die Kläger und Berufungsbeklagten beantragen,
Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10. August 2023 – Aktenzeichen: 18 O 3484/22 – wird zurückgewiesen.
10
Die Kläger meinen, eine Befristung der Zahlungspflicht sei nicht erforderlich gewesen, weil wegen des in Ziff. II. § 3 des Vertrags vereinbarten Vorrechts auf Erneuerung sowie wegen der Regelungen zum Heimfall eine Beendigung der Zahlungspflicht auch nach Ablauf von 99 Jahren nicht feststehe. Den Eltern der Kläger, Landwirtseheleute, könne nicht vorgeworfen werden, bewusst auf einen Zustimmungsvorbehalt verzichtet zu haben, zumal die spätere Rechtsprechung des BGH damals noch gar nicht abzusehen gewesen sei. Versuche im Zwangsversteigerungsverfahren, die Zuschlagserteilung zu verhindern, falls der Ersteher die Zusatzvereinbarung nicht übernimmt, seien erfolglos geblieben; die Ersteherin wäre auch keinesfalls zur Übernahme dieser Verpflichtungen bereit gewesen. Die schuldrechtliche Verpflichtung aus dem Erbbaurechtsvertrag und die dinglich gesicherte Pflicht könnten getrennt werden. Für die Beklagten sei aus der Versteigerung ein Erlös von rund 1,2 Mio. € verblieben. Das Landgericht habe zutreffend den Verbraucherpreisindex anstelle des ursprünglich vereinbarten Lebenshaltungskostenindex herangezogen, nachdem dieser nicht mehr erhoben werde.
11
Der Senat hat mit den Parteien zur Sache mündlich verhandelt und die Sach- und Rechtslage einschließlich des Ansatzes und Rechenergebnisses des Senats umfassend erörtert. Die Beklagten haben den vorgetragenen Inhalt der notariellen Urkunden, auf die sich die Kläger stützen, unstreitig gestellt. Im Übrigen wird zur Darstellung des Sachverhalts auf den Tatbestand des angegriffenen Endurteils, ergänzend die ausgetauschten Schriftsätze samt Anlagen, Bezug genommen; auf Letztere wird ebenfalls wegen des tatsächlichen und rechtlichen Vorbringens der Parteien im einzelnen Bezug genommen.
II.
12
Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache nur geringfügig Erfolg.
13
1. Die Aufnahme eines Endzeitpunkts für die Zahlungen in den Urteilstenor war und ist im vorliegenden Fall nicht erforderlich.
14
Verpflichtungen zur künftigen Leistung i.S.v. § 258 ZPO beinhalten stets ein prognostisches Element im Hinblick auf das Bestehen und die Höhe der Zahlungspflicht (vgl. MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 258 Rn. 11). Dementsprechend ist anerkannt, dass beide Seiten Veränderungen des Anspruchs infolge Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse im Wege des § 323 ZPO (MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 258 Rn. 19) geltend machen können und der Verurteilte Vollstreckungsgegenklage erheben kann, wenn die Zahlungspflicht infolge eines später eingetretenen Ereignisses vollständig erloschen ist (vgl. MüKoZPO/Gottwald, 6. Aufl. 2020, ZPO § 323 Rn. 34; BGH, Urteil vom 20. Juni 1996 – III ZR 116/94, NVwZ 1997, 99).
15
Vorliegend spricht zwar einiges dafür, dass die Zahlungspflicht mit Ablauf des Jahres 2064 oder im Februar 2066 enden wird, weil das Erbbaurecht nur für einen Zeitraum von 99 Jahren, beginnend schuldrechtlich am 1. Januar 1966, dinglich mit dem Tag der Eintragung am 16. Februar 1967, bestellt wurde.
16
Es kann gleichwohl nicht sicher davon ausgegangen werden, dass die Zahlungspflicht im Jahr 2064 enden wird, weil die Kläger als Erbbauberechtigte nach § 27 Abs. 3 ErbbauRG, falls die tatsächlichen Voraussetzungen gegeben sind, eine Verlängerung des Erbbaurechts erwirken können. Dies würde einen Fortbestand der Zahlungsverpflichtungen aus dem Bestellungsvertrag, der eine Verpflichtung für die Dauer des Erbbaurechts vorsieht, nach sich ziehen.
17
Darauf, dass die Ausübung eines Vorrechts nach § 31 ErbbauRG dazu führt, dass das Erbbaurecht für die Folgezeit mit dem zwischen Eigentümer und einem Dritten ausgehandelten Inhalt zustande kommt (§ 31 Abs. 3 ErbbauRG; MüKoBGB/Weiß, 9. Aufl. 2023, ErbbauRG § 31 Rn. 5) und deshalb die aktuell bestehende Verpflichtung als solche wohl nicht mehr fortbestehen würde, kommt es damit nicht mehr entscheidend an.
18
Ein Endzeitpunkt für die vertragsgemäßen Zahlungspflichten steht damit nicht hinreichend sicher fest, so dass eine Befristung nicht auszusprechen ist. Der Senat wiederholt, dass das Fehlen eines Endtermins nicht bedeutet, dass den Beklagten zu gegebener Zeit der Einwand, die Zahlungsverpflichtung habe – insbesondere wegen Erlöschen des Erbbaurechts – geendet, abgeschnitten wäre.
19
2. Der Inhalt der damals von den jeweiligen Rechtsvorgängern der Parteien getroffenen Vereinbarungen ist aufgrund der vor dem Senat erfolgten Erklärungen als unstreitig zugrundezulegen.
20
Soweit die Beklagten weiter bestritten haben, dass es nicht zu späteren Änderungen der Abreden gekommen ist, obläge ihnen die Darlegungslast für entsprechende rechtsvernichtende oder rechtshindernde Einwendungen. Das bloße Bestreiten hilft damit nicht weiter.
21
3. Das Landgericht hat fehlerfrei eine Verurteilung zu künftigen Leistungen auf Grundlage von § 258 ZPO ausgesprochen. Der Anwendung dieser Bestimmung steht nicht entgegen, dass sie voraussetzt, dass die Leistungen nicht von einer Gegenleistung abhängig sind (dazu statt aller MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl. 2020, ZPO § 258 Rn. 9).
22
Der Erbbaurechtsbestellungvertrag ist seiner Natur nach Rechtskauf, bei dem die vom Grundstückseigentümer geschuldete Leistung in der Verschaffung des Erbbaurechts liegt (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2005 – IX ZR 145/04, NJW-RR 2006, 188, Rn. 11; BeckOGK/Toussaint, 1.12.2023, ErbbauRG § 9 Rn. 2). Diese Verpflichtung haben die Rechtsvorgänger der Kläger im vorliegenden Fall vollständig erfüllt, indem sie die notwendigen materiellrechtlichen und grundbuchverfahrensrechtlichen Erklärungen abgegeben haben (und es auch zur Eintragung gekommen ist). Die Zahlungspflicht ist damit nicht mehr von einer noch von der Klägerseite zu bewirkenden Gegenleistung abhängig. Auch der BGH geht in Konstellationen der vorliegenden Art durchwegs von der Zulässigkeit der Verurteilung zu künftigen Leistungen nach § 258 ZPO aus (ausdrücklich BGH, Urteil vom 2. März 2012, V ZR 159/11, NZM 2012, 640, Rn. 14; auch BGH, Urteil vom 5. Juni 2016, V ZB 160/13, NJW 2014, 3521).
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4. Die Angriffe der Berufung dagegen, dass das Landgericht von einem Fortbestand der Verpflichtungen aus dem Erbbaurechtsvertrag, insbesondere der „Zusatzvereinbarung“ gegenüber den Beklagten ausgegangen ist, sind unbegründet.
24
a) Im Hinblick auf die Schuldnerstellung und die Auswirkungen eines Rechtsübergangs am Erbbaurecht ist zwischen dem schuldrechtlichen und dem dinglichen Erbbauzins zu differenzieren.
25
Grundlage jeder Erbbauzinsvereinbarung ist der Bestellungsvertrag zwischen dem Besteller (Eigentümer) und dem ersten Erbbauberechtigten; die Ausgestaltung des Erbbauzinses unterliegt dabei der Vertragsfreiheit (BeckOGK/Toussaint, 1.12.2023, ErbbauRG § 9 Rn. 5). Die vom ersten Erbbauberechtigten versprochenen Gegenleistungen sind dabei der schuldrechtliche Kaufpreis i.S.v. § 433 Abs. 2 BGB für das zu verschaffende Recht.
26
Die Parteien können die Verpflichtung zur Kaufpreiszahlung, wenn der Erbbauzins periodisch zu leisten sein soll, vollständig oder teilweise dinglich absichern (BeckOGK/Toussaint, 1.12.2023, ErbbauRG § 9 Rn. 7), was dann den „dinglichen Erbbauzins“ darstellt. Im Hinblick auf diesen kommen die Regelungen des § 9 ErbbauRG zur Anwendung, nach denen die Verpflichtung durch eine (subjektiv-dingliche) Reallast, lastend auf dem Erbbaurecht, zugunsten des jeweiligen Grundstückseigentümers gesichert wird (BeckOGK/Toussaint, 1.12.2023, ErbbauRG § 9 Rn. 6). Dabei wird vermutet, dass ein dinglicher Erbbauzins gewollt ist, wenn die Zahlungen wiederkehrend geschuldet sind (§ 9 Abs. 1 S. 1 ErbauRG; MüKoBGB/Weiß, 9. Aufl. 2023, ErbbauRG § 9 Rn. 8). Der dingliche Erbbauzins meint dabei nicht die einzelne wiederkehrende Leistung, sondern den Erbbauzins als das reallastartige Stammrecht; Gegenleistung für die Bestellung oder Übertragung des Erbbaurechts ist insoweit die Belastung des Erbbaurechts mit einer Erbbauzinsreallast, aus der dann die persönliche und dingliche Haftung des jeweiligen Erbbaurechtsinhabers für den vereinbarten Erbbauzins folgt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2009 – V ZR 18/09, NJW 2010, 224, Rn. 9). Der Erbbauzins stellt insoweit eine Belastung, nicht den Inhalt des Erbbaurechts dar (BGH, Urteil vom 25. September 1981 – V ZR 244/80, BGHZ 81, 358 = NJW 1982, 234 (234); BeckOGK/Toussaint, 1.12.2023, ErbbauRG § 9 Rn. 8; Heller, Erbbaurechtsgesetz, 4. Auflage 2016, § 9 Rn. 5; MüKoBGB/Weiß, 9. Aufl. 2023, ErbbauRG § 9 Rn. 6; Schlögel/Winkler, in: Winkler/Schlögel, Handbuch Erbbaurecht, 7. Auflage 2021, § 6 Rn. 26, 27).
27
Die Möglichkeit der Bestellung einer dinglichen Erbbauzinsreallast lässt aber die Möglichkeit unberührt, überhaupt oder daneben schuldrechtliche Pflichten vorzusehen. Vor Inkrafttreten des § 9a ErbbauRVO (23. Januar 1974; nunmehr § 9a ErbbauRG) war dies insbesondere wegen Erhöhungen/Anpassungen zwingend (vgl. MüKoBGB/Weiß, 9. Aufl. 2023, ErbbauRG § 9 Rn. 55). Die Rechte und Pflichten aus einer Erbbauzinsanpassungsklausel, die sich aus dem schuldrechtlichen Bestellungsvertrag ergibt, gehen dabei nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen, insbesondere dem Prinzip der Relativität der Schuldverhältnisse, im Fall einer Einzelrechtsnachfolge oder der Zwangsversteigerung nicht auf den Erwerber des Erbbaurechts über (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2017, V ZB 186/15, DNotZ 2018, 58, Rn. 23 m.w.N.; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014, V ZR 160/13, NJW 2014, 3521 Rn. 8).
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Im Übrigen gilt, dass auch, soweit ein dinglicher Erbbauzins vereinbart und so eine Haftung des jeweiligen Erbbauberechtigten geschaffen ist, gewollt sein kann, dass Teil der Leistungspflicht des ersten Erbbaurechtsinhabers auch eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Zahlung des (gesamten) vereinbarten Erbbauzinses ist, der erste Erbbauberechtigte also neben den sich für ihn oder einen Rechtsnachfolger aus § 1108 BGB ergebenden Pflichten stets persönlich schuldet (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2009 – V ZR 18/09, NJW 2010, 224, Rn. 10). Es besteht dann dieselbe Situation wie bei der dinglichen Besicherung von z.B. Krediten, weil auch dort die Bestellung der Sicherheit nicht bewirkt, dass im Umfang der so erlangten Vollstreckungsmöglichkeit keine Zahlung mehr aus der ursprünglichen schuldrechtlichen Beziehung geschuldet wäre. Von einer solchen Gestaltung geht offenbar der BGH auch regelmäßig aus, weil sonst die (noch näher zu behandelnde) Äußerung nicht nachvollziehbar wäre, die Ansprüche gegen den ersten Erbbauberechtigten seien „wertlos“, nachdem es zu einer Zwangsversteigerung mit Erlöschen der Erbbauzinsreallast gekommen ist.
29
b) Aus diesen Grundsätzen folgt, dass es entgegen der Ansicht der Berufungsbegründung keine unnatürliche Aufspaltung darstellt, den Erbbauzins anders zu behandeln als das Erhöhungsrecht bzw. die Erhöhungsbeträge gemäß der „Zusatzvereinbarung“. Der Umstand, dass möglicherweise der Grundbetrag und die Erhöhungsbeträge ein unterschiedliches rechtliches Schicksal nehmen, ist darin begründet, dass hinsichtlich des Grundbetrags die Pflicht des Erbbaurechtserwerbers mit der Verschaffung der Reallast erfüllt ist, es hinsichtlich der überschießenden Beträge aber bei der fortwährenden schuldrechtlichen Pflicht aus dem Rechtskauf in Gestalt des Bestellungsvertrags verbleibt.
30
Davon, dass die schuldrechtlichen Ansprüche gegen den ersten Erbbauberechtigten unabhängig davon fortbestehen, was später mit der Erbbauzinsreallast geschieht, geht auch der BGH aus. Wenn dieser ausführt, dass sich der Anspruch auf Erhöhung oder Reduzierung des Erbbauzinses nach Übergang des Erbbaurechts im Wege der Einzelrechtsnachfolge oder infolge Zwangsversteigerung weiterhin gegen den ursprünglichen Erbbauberechtigten richtet, wenn nicht der Erwerber in den schuldrechtlichen Bestellungsvertrag mit schuldbefreiender Wirkung eintritt (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2017, V ZB 186/15, DNotZ 2018, 58, Rn. 23; BGH, Urteil vom 5. Juni 2014, V ZR 160/13, NJW 2014, 3521 Rn. 8; BeckOGK/Toussaint, 1.12.2023, ErbbauRG § 9 Rn. 43), setzt dies logisch voraus, dass diese Ansprüche nicht infolge einer „Aufspaltung“ oder aus anderen Gründen ohnehin erloschen sind.
31
c) Wie der Senat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, spricht gegen dieses Verständnis auch nicht, dass theoretisch aufgrund deflationärer Entwicklungen die Zahlungspflicht unter den Betrag, auf den die Reallast lautet, sinken könnte. In diesem Falle wäre dem Grundstückseigentümer durch die Reallast ein Anspruch gegen den (ersten oder späteren) Erbbaurechtsinhaber verschafft worden, für den es (insoweit) keine schuldrechtliche Grundlage im Gestellungsvertrag gibt, so dass in diesem Umfang ein Kondiktionsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB oder § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB entsteht; der Vertragspartner des Bestellungsvertrags könnte dann, wenn er zugleich der Erbbauberechtigte ist, diesen Anspruch dem Anspruch aus der Reallast entgegenhalten oder, wenn er nicht mehr Berechtigter ist, eine entsprechende Rückzahlung verlangen.
32
d) Auch die Argumentation der Beklagten zur Selbstvereitelung des Anspruchs durch die Kläger kann aus diesen Gründen nicht durchgreifen.
33
Aus einem Recht des Eigentümers, die Zustimmung zu einer Veräußerung oder einen Zuschlag zu verweigern, lässt sich keine Verpflichtung oder Obliegenheit ableiten, dies zu tun, und noch weniger, sich zur Ermöglichung einer solchen Weigerung ein Zustimmungsrecht auszubedingen. „Dürfen“ oder „können“ impliziert nicht „müssen“.
34
aa) Ein Zustimmungsvorbehalt, wie er nach § 5 ErbbauRG möglich ist, wird vom BGH zwar als Handhabe gesehen, den Eintritt des Erwerbers in die schuldrechtliche Verpflichtung zur Zahlung und Anpassung des Erbbauzinses zu erzwingen (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2017, V ZB 186/15, DNotZ 2018, 58, Rn. 24).
35
bb) Eine Verpflichtung, künftig den Erwerber als Vertragspartner des Bestellungsvertrags bzw. der Erbbauzinsabrede zu akzeptieren, lässt sich damit aber nicht begründen.
36
Gerade dann, wenn Verpflichtungen nur schuldrechtlicher Art sind und daher Zahlungsansprüche nur persönlich gegen den Verpflichteten bestehen, hängt der Wert der Forderung entscheidend von der Person des Schuldners und seiner Solvenz ab. Der Gläubiger muss daher stets entscheiden können, ob er eine Schuld-/Vertragsübernahme wünscht (die er dann mittelbar über das Zustimmungserfordernis erzwingen kann) oder nicht; er kann hierbei abwägen, ob er die Bonität des ersten Erbbauberechtigten oder des Erwerbes für besser hält. Die Entscheidung muss ihm generell überlassen bleiben, erst recht aber in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem eine nur mit minimalem Mindestkapital auszustattende juristische Person Ersteherin ist. Mithin bleibt es den Klägern unbenommen, es bei der Schuldnerstellung der Beklagten zu belassen, auch wenn das Erbbaurecht nun einer anderen Person zusteht. Selbst bei Bestehen eines Zustimmungsvorbehalts wären die Kläger daher nicht verpflichtet, diesen einzusetzen, um die Erwerberin zu einem Eintritt zu veranlassen, wenn sie es bei den Beklagten als Schuldnern belassen wollen. Alles andere würde bedeuten, dass ihnen infolge der Zwangsversteigerung, die sie weder selbst initiiert haben noch von ihnen verhindert hätte werden können, indirekt ein neuer Schuldner aufgedrängt wird.
37
cc) Dementsprechend besteht erst recht keinerlei Obliegenheit, bereits bei der Bestellung des Erbbaurechts durch Vereinbarung eines Zustimmungsvorbehalts sicherzustellen, dass ein Eintritt eines späteren Erwerbers oder Erstehers in den Bestellungsvertrag erzwungen werden könnte.
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dd) Im Übrigen merkt der Senat an, dass es den Beklagten freisteht, die Erwerberin des Erbbaurechts (die (haftungsbeschränkt)) zu einer Erklärung zu bewegen, in den Bestellungsvertrag einzutreten und die Verpflichtungen zur Zahlung des Erbbauzinses auch, was die Erhöhungsbeträge angeht, zu übernehmen. Daraus, dass sich die Kläger ein entsprechendes Druckmittel nicht vorbehalten haben, folgt nicht, dass eine solche Übernahme nicht möglich wäre. Sofern, wie die Beklagten vorbringen, die Erwerberin zur Übernahme bereit ist, könnte der Eintritt in die Verpflichtungen jederzeit nachgeholt werden. Ebenso könnten die Beklagten die Erwerberin, wenn diese – wie behauptet – entsprechende Bereitschaft besitzt, zu einer Freistellung veranlassen.
39
e) Die Verteidigung der Beklagten bleibt auch erfolglos, soweit sie sich auf die in einigen gerichtlichen Entscheidungen anzutreffende Bemerkung stützen, die schuldrechtlichen Ansprüche gegen den ersten Erbbauberechtigten und Partner des Bestellungsvertrags seien „wertlos“.
40
aa) Es ist schon nicht ersichtlich, wie die tatsächliche Bewertung eines Anspruchs als „wertlos“ zu dessen rechtlichen Untergang führen sollte. Die Wertlosigkeit eines Anspruchs setzt grundsätzlich dessen rechtliches Bestehen voraus.
41
bb) Vor allem aber betrifft diese in Literatur und Rechtsprechung anzutreffende Passage jeweils eine ganz andere Konstellation als die vorliegende und ist in diesem Kontext zu verstehen: Wenn der Eigentümer des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks aus der Erbbauzinsreallast oder ein anderer Gläubiger aus einem der Erbbauzinsreallast im Rang vorgehenden Recht die Zwangsvollstreckung in das Erbbaurecht betreibt, erlischt nach allgemeinen Regeln grundsätzlich die Erbbauzinsreallast mit dem Zuschlag (§ 91 Abs. 1 ZVG). Der Eigentümer wird dann mit einem Geldbetrag abgefunden, kann aber künftig nicht mehr wegen seiner Ansprüche aus der Reallast gegen den Eigentümer persönlich vorgehen oder in das Erbbaurecht vollstrecken (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 1987, V ZB 10/86, NJW 1987, 1942 (1943 f.); Winkler, NJW 1985, 940 (940 f.)).
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Diese Rechtslage wurde verbreitet als höchst unangemessen empfunden und deshalb kritisiert (Winkler a.a.O.; Tradt, DNotZ 1984, 370 (371)), was dazu geführt hat, dass durch die Neufassung von § 9 Abs. 3 ErbbauRG/ErbbauRVO, § 52 Abs. 2 ZVG im Jahr 1994 nunmehr auch ein „versteigerungsfester Erbbauzins“ vereinbart werden kann. Von der Kritik wurde dabei ins Feld geführt, dass das Ergebnis (Verlust der Möglichkeit, aus der Reallast gegen den jeweiligen Erbbauberechtigten vorzugehen, und damit jeder dinglichen Sicherheit) für den Eigentümer schwerwiegende Folgen hat, zumal seine Ansprüche gegen den (ersten) Erbbauberechtigten wertlos seien (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 1987, V ZB 10/86, NJW 1987, 1942 (1944, letzter Absatz unter 2.); Tradt, DNotZ 1984, 370; präziser Czub, in: Lemke, Immobilienrecht, 2. Auflage 2016, § 9 ErbbauRG § 9 Rn. 7: „meist geringe Werthaltigkeit“). Die „Wertlosigkeit“ der schuldrechtlichen Ansprüche auf Zahlung des (ursprünglich dinglich gesicherten) Erbbauzinses gegen den ersten Erbbauberechtigten wurde also als Argument dafür angeführt, dass der Grundstückseigentümer nicht auf sie verwiesen werden könne, und die Reallast daher fortbestehen müsse.
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Die Annahme, die schuldrechtlichen Ansprüche gegen den ersten Erbbauberechtigten seien wertlos, mag typischerweise zutreffen, weil sonst kein Anlass für den Eigentümer oder den anderen Gläubiger bestanden hätte, die Zwangsvollstreckung in das Erbbaurecht zu betreiben. Aus der Wertlosigkeit eines Anspruchs mangels Solvenz des Schuldners folgt aber gerade nicht, dass dieser erlösche bzw. erloschen sei.
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cc) Selbst wenn man – abweichend hiervon – mit dem HansOLG Hamburg (Urteil vom 5. Dezember 1990, 4 U 92/90, NJW-RR 1991, 658) weitergehend annähme, der ehemalige Erbbauberechtigte sei nach Verlust des Erbbaurechts infolge der Zwangsversteigerung nicht mehr schuldrechtlich zur Zahlung verpflichtet (was sich aber kaum begründen ließe), würde dies nur für den dinglichen Erbbauzins gelten, aber nicht für den daneben bestehenden schuldrechtlichen Erbbauzins u.a. wegen der Anpassungsbeträge (vgl. MüKoBGB/Weiß, 9. Aufl. 2023, ErbbauRG § 9 Rn. 20).
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dd) Unabhängig von alledem kam es vorliegend überdies nicht zu einem Erlöschen der Erbbauzinsreallast, weil das Grundpfandrecht, aus dem die Bank die Zwangsversteigerung betrieben hat, dieser Reallast im Rang nachging. Wegen § 879 Abs. 1 S. 2 BGB genoss die bereits 1967 eingetragene Erbbauzinsreallast zugunsten der Eigentümer des belasteten Grundstücks Vorrang vor der 2012 zugunsten der eingetragenen (und sodann mehrfach abgetretenen) Grundschuld. Abweichende Rangvermerke finden sich für diese Grundschuld nicht. Auch die Beklagten haben im Rahmen der Erörterung in der mündlichen Verhandlung nichts anderes geltend gemacht.
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f) Für die Richtigkeit des hier dargestellten Standpunkts sprechen schließlich die folgenden wirtschaftlichen Überlegungen:
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Die Ersteherin des Erbbaurechts konnte davon ausgehen, nicht kraft Gesetzes in die schuldrechtlichen Vereinbarungen einzutreten. Sie musste daher lediglich damit rechnen, aufgrund der fortbestehenden Reallast den dinglichen Erbbauzins leisten zu müssen. Die sich daraus ergebenden fortlaufenden Verpflichtungen sind bei der Frage, wie viel ein Interessent bietet, relevant, weil sie sich für ihn als zusätzliche Anschaffungskosten darstellen. Da die Ersteherin nur die dinglichen Erbbauzinsen berücksichtigen musste, dürfte sie zu einem wesentlich höheren Gebot bereit gewesen sein als dann, wenn sie höhere dingliche Zinsen und/oder zusätzlich schuldrechtliche Verpflichtungen bedienen hätte müssen. Damit kam es im Ergebnis den Beklagten zugute, dass die Ersteherin lediglich im Umfang des dinglichen Erbbauzinses haftet, weil dadurch ein entsprechend höheres Gebot und damit ein entsprechend hoher Nettoerlös für sie erzielt wurde. Die Beklagten haben damit von der Ersteherin indirekt den Geldbetrag erhalten, den sich diese erspart hat, weil sie selbst nicht den Klägern das inflationsgesicherte Entgelt schuldete.
48
g) Inhaber der Ansprüche aus dem Erbbaurechtsbestellungsvertrag, soweit diese rein schuldrechtlicher Natur sind, sind die Kläger.
49
Die Parteien haben sich zwar nicht dazu verhalten, wie sich die Rechtsnachfolge nach Herrn vollzog, welcher der notariellen Urkunde aus dem Jahr 1965 nach neben den beiden Eltern der Kläger Grundstückseigentümer und Besteller des Erbbaurechts war. In der mündlichen Verhandlung wurde auch lediglich die Eigentumslage am belasteten Grundstück unstreitig gestellt. Jedoch ist im unstreitigen Tatbestand des angegriffenen Urteils ausgeführt, dass die Kläger Rechtsnachfolger der drei damals auf Bestellerseite handelnden Personen sind; die Beklagten haben deswegen keine Tatbestandsberichtigung begehrt, sodass diese Feststellungen für den Senat gem. § 314 ZPO bindend sind. Im Übrigen führt auch die Berufungsbegründung entsprechend aus, so dass das Vorbringen zugestanden wäre.
50
h) Daraus, dass der Einzelrichter des Landgerichts zunächst einen anderen Standpunkt eingenommen habe, können die Beklagten für sich genommen nichts herleiten; maßgeblich ist, ob die letztlich getroffene Entscheidung sachlich richtig ist. Eine Änderung der Rechtsauffassung könnte allenfalls relevant sein, wenn diese nicht rechtzeitig erkennbar ist und eine Partei deshalb davon abgehalten wird, relevanten Sachvortrag zu halten. Abgesehen davon, dass auch nach Schilderung der Berufung die geänderte Auffassung rechtzeitig vor dem zweiten Verhandlungstermin offengelegt wurde, was eine „Überraschungsentscheidung“ ausschließt, macht die Berufung auch nicht geltend, was sie zusätzlich an Tatsachen vorgetragen oder an Einwendungen vorgebracht hätte und deshalb die getroffene Entscheidung auf diesem Vorgang beruht.
51
5. Auch die Berechnung der sich ergebenden Beträge durch das Landgericht begegnet keinen wesentlichen Bedenken. Bei der gebotenen Handhabung der notwendigen ergänzenden Vertragsauslegung errechnen sich lediglich geringfügig niedrigere Beträge.
52
a) Das Landgericht war nicht gehindert, die erforderliche Berechnung bzw. Überprüfung des klageweise geforderte Betrags selbst vorzunehmen. Die Indizes, auf die das Landgericht abgestellt hat, und die entsprechenden Publikationen des Statistischen Bundesamtes stellen allgemein zugängliche und zuverlässige Quellen dar, so dass offenkundige Tatsachen i.S.v. § 291 ZPO vorliegen. Nach überwiegender Auffassung, die auch der Senat regelmäßig teilt, bedarf es hinsichtlich offenkundiger Tatsachen auch nicht einmal eines entsprechenden Sachvortrags. Der mögliche Fehler, dass das Gericht nicht zuvor rechtliches Gehör zur Herangehensweise gewährt hat, ist jedenfalls zwischenzeitlich geheilt.
53
b) Grundsätzlich fehlerfrei hat das Landgericht auch wegen der Erhöhungen für die letzten Jahre auf den Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamtes abgestellt.
54
Der im Bestellungsvertrag als Maßstab vorgesehene „Gesamt-Lebenshaltungskostenindex“, der offenbar den „Preisindex für die Lebensführung aller privaten Haushalte“ meinte, wird zwischenzeitlich nicht mehr ermittelt, weshalb es einer Ausfüllung der so entstandenen Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bedarf. Die vereinbarte Bemessungsgrundlage ist daher nach stetiger Rechtsprechung durch die zu ersetzen, die dem weggefallenen Index am nächsten kommt und deshalb am besten geeignet ist, den Willen der Parteien umzusetzen (so jeweils BGH, Urteil vom 31. 10. 2008 – V ZR 71/08, NJW 2009, 679 Rn. 7 f.; BGH, Urteil vom 2. März 2012, V ZR 159/11, NZM 2012, 640, Rn. 10). Dem früheren „Lebenshaltungskostenindex eines 4-Personen-Haushalts mit mittlerem Einkommen“ kommt, wie der BGH wiederholt ausgesprochen hat, der Verbraucherpreisindex am nächsten (so jeweils BGH, Urteil vom 31. 10. 2008 – V ZR 71/08, NJW 2009, 679 Rn. 7 f.; BGH, Urteil vom 2. März 2012, V ZR 159/11, NZM 2012, 640, Rn. 10). Dafür, dass für den „Preisindex für die Lebensführung aller privaten Haushalte“ anderes gilt, insbesondere ein amtlicher Index erhoben wird, der diesem näherkommt, ist nichts aufgezeigt oder sonst ersichtlich.
55
Die in der Tabelle auf Seiten 5/6 des angegriffenen Endurteils angegebenen Prozentsätze entsprechen, wovon sich der Senat überzeugt hat, auch dem, was z.B. in der amtlichen Publikation „Preise – Verbraucherpreisindizes für Deutschland – Lange Reihen ab 1948, Stand: Dezember 2022“, Artikelnummer: 5611103221124, für den genannten Preisindex für die Lebensführung aller privaten Haushalte (alte Bundesländer) – betreffend die Jahre bis 1999 – und den Verbraucherpreisindex – ab 2000 – angegeben ist.
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c) Die Berechnung des Landgerichts ist lediglich insoweit fehlerhaft (was das Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen hatte), als darin der Verbraucherpreisindex bereits ab dem Jahr 1991, in dem dieser erstmals erhoben wurde, angesetzt wurde, und nicht der Gesamt-Lebenshaltungskostenindex bis einschließlich zum Jahr 1999, für welches er zuletzt offiziell angegeben ist, zugrunde gelegt wurde. Der im Vertrag von den Parteien vereinbarte Index ist, weil dies den Konsens besser umsetzt, so lange zugrunde zu legen, wie dieser amtlich festgestellt wird; auf den Ersatzindex ist erst ab dem Zeitpunkt überzugehen, ab dem der vereinbarte nicht mehr erhoben wird.
57
Es errechnen sich dann, wie der Senat in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, geringfügig geringere Werte. Die Gesamtkumulation seit Januar 1966, den die Rechtsvorgänger der Parteien als maßgeblichen Beginn vereinbart haben, beläuft sich deshalb unter Berücksichtigung aller bezifferten Veränderungen (im Laufe des Jahres 1966, d.h. seit dem vereinbarten Ausgangszeitpunkt am 1. Januar 1966, im Jahresdurchschnitt um 3,3%, zuletzt im Jahr 2022 um 7,9%; für 2023 liegen noch keine Daten vor) nicht auf 443%, sondern auf 434%. Es errechnet sich dann ein Gesamtbetrag für den Erbbauzins von jährlich 130.266,845 DM, so dass sich die „Erhöhungsbeträge“, die die Kläger allein fordern, auf jährlich 100.266,845 DM oder 51.265,62 € belaufen. Der je Quartal von den Beklagten geschuldete Betrag beträgt damit 12.816,41 €, was geringfügig weniger ist, als mit den Klageanträgen begehrt wird und zugesprochen wurde.
58
d) Unerheblich ist, dass das Landgericht auf die Regelung dazu, dass eine Erhöhung erst ab einer Veränderung von 10% benötigt werden soll, nicht näher eingegangen ist. Nach der Regelung im Bestellungsvertrag sind zurückliegende Veränderungen in jedem Fall zu berücksichtigen („…umfassen dann aber die volle Änderung“). Da vorliegend die Änderung ein Vielfaches von 10% beträgt, wirkt sich der Schwellenwert nicht aus. Dazu, dass es in der jüngeren Vergangenheit Anpassungen gegeben hätte und damit die Schwellenwertregelung relevant würde, hat keine Partei vorgetragen.
59
e) Ob vorliegend gewollt war, dass die Beklagten auch Zahlung persönlich schulden sollten, soweit dafür die Erbbauzinsreallast bestellt wurde, kann dahinstehen, weil die Kläger ihre Ansprüche ausschließlich auf die Erhöhungsbeträge stützen.
60
f) Damit hat die Berufung lediglich im Umfang von 8,32 € pro Quartal Erfolg; die angegriffene Entscheidung war dahingehend abzuändern, dass die Beklagten nur zur Zahlung in dieser Höhe verpflichtet sind und die Klage im Übrigen abgewiesen wird.
61
Bei der sich aus dem landgerichtlichen Tenor ergebenden Folge, dass eine vollstreckbare Verpflichtung zur Zahlung nur für die Zukunft, betrachtet vom Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht aus, ausgesprochen wurde, verbleibt es. Wie mündlich erörtert, teilt der Senat zwar nicht den offenbar vom Landgericht eingenommenen Standpunkt, dass bei entsprechender Antragstellung eine Verurteilung immer nur für künftige Perioden möglich sei, ein Ausspruch für die während des Rechtsstreits fällig gewordenen Perioden also nicht getroffen werden könne. Das Landgericht hätte hier zumindest eruieren müssen, was die Klagepartei begehrt, und Gelegenheit zu einer entsprechenden Antragspräzisierung wegen der im Laufe des Verfahrens verstrichenen Zeiträume geben müssen. Da die hierdurch beschwerten Kläger kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt haben, ist dem Senat eine Abänderung insoweit aber nicht möglich. Somit verbleibt es dabei, dass die getroffene und durch das vorliegende Berufungsurteil modifizierte Entscheidung nur die nach dem 10. August 2023 fällig werdenden Quartalsraten betrifft.
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6. Den Streitwert für das Berufungsverfahren setzt der Senat entsprechend dem landgerichtlichen Streitwert in Anwendung von § 9 ZPO mit dem 3,5-fachen Jahresbetrag der geforderten Zahlungen an; dieser beläuft sich auf 179.546,22 €.
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Wegen der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hält der Senat die Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO für geboten, da die Zuvielforderung der Kläger nur minimal im Verhältnis zum Forderungsbetrag ist und nicht zu einer Erhöhung der Kosten geführt hat.
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Eine Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, da der Senat, soweit nicht Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind, auf gefestigte Grundsätze in Rechtsprechung und Literatur zurückgreifen konnte und von diesen nicht abweicht, soweit seine Überlegungen die Entscheidung tragen. Damit ist weder eine Divergenz noch eine grundsätzliche Bedeutung in dem Sinne, dass eine höchstrichterliche Entscheidung zur Beantwortung noch ungeklärter Rechtsfragen herbeizuführen wäre, gegeben.
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Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich dann aus § 708 Nr. 10 i.V.m. § 711 ZPO.