Titel:
Anfangsverdacht der Billigung von Straftaten im Zusammenhang mit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7.10.2023 – Anforderungen an Durchsuchungsbeschluss
Normenketten:
StGB § 140 Nr. 2
GG Art. 5, Art. 13
StPO § 102, § 103
Leitsätze:
1. Grundsätzliche Voraussetzungen für die Anordnung einer Durchsuchung bei einer - noch - nicht verdächtigen Person in Bezug auf die Unverletzlichkeit der Wohnung , deren Einschränkungen, einen Anfangsverdacht und die Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG BeckRS 2023, 11630). (Rn. 29 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch wenn die eine Demonstration anmeldende Person zwar mitteilt, dass die Verteidigung der palästinensischen Menschenrechte nicht gleich Unterstützung der Hamas bedeute und sie nicht Sprecher der Hamas sei, andererseits aber äußert, ein besetztes Volk habe das legitime Recht auf Widerstand mit allen notwendigen Mitteln, besteht zumindest ein Anfangsverdacht dahin, dass die Gräueltaten der Hamas vom 7.10.2023 (ua Mord) iSv § 140 Nr. 2 StGB gebilligt werden. Dies rechtfertigt den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses gegen diese Person zwecks Auffindens weiteren belastenden Materials. (Rn. 45 – 61) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Billigung von Straftaten, Meinungsfreiheit, Anfangsverdacht, Angriff Hamas auf Israel, Durchsuchungsbeschluss, Verhältnismäßigkeit
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 19.10.2023 – ER VI Gs 12154/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 797
Tenor
1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers (…), eingelegt durch seinen Bevollmächtigten Rechtsanwalt (…) mit Schriftsatz vom 23.10.2023, gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 19.10.2023, Gz. ER VI Gs 12154/23, wird als unbegründet verworfen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
1
Das Amtsgericht München erließ am 19.10.2023 unter dem Gz. ER VI 12154/23 einen Beschluss (Bl. 5/7 d.A.) zur Durchsuchung der Person, der Wohnung mit Nebenräumen, der Geschäftsräume mit Nebenräumen und der Fahrzeuge des Beschwerdeführers nach folgenden Gegenständen: Computer, Laptops, internetfähige Endgeräte. Zugleich wurde die Beschlagnahme der genannten Gegenstände angeordnet, sofern sie nicht freiwillig herausgegeben werden.
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In den Gründen führte das Amtsgericht aus, aufgrund der bisherigen Ermittlungen bestehe folgender Tatverdacht:
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Ein nicht näher bekannter Verantwortlicher des Vereins (…) habe am 09.10.2023 auf dem weltweit einsehbaren Instagram-Account der Münchner Gruppierung (…) einen Aufruf zur Teilnahme an einer pro-palästinensischen „Solidaritätsaktion“ veröffentlicht, die am selben Tag ab 18:30 Uhr auf dem Münchner Marienplatz habe stattfinden sollen und auch tatsächlich durchgeführt worden sei. Anmelder der „Solidaritätsaktion“ sei ein Dritter – der Beschwerdeführer – gewesen.
4
Anlässlich des Aufrufs zur Teilnahme an der „Solidaritätsaktion“ habe sich auf dem genannten Instagram-Account am 09.10.2023 zwischen einzelnen Usern und (…) eine kontroverse Diskussion entwickelt. Auf den Vorwurf eines Users, dass ein nicht näher bekannter Bericht den Hamas-Terrorismus offen als Widerstand entschuldige, habe der unbekannte Beschuldigte von (…) geantwortet, dass man zwar nicht der Pressesprecher der Hamas sei, dass aber ein besetztes Volk das „legitime Recht auf Widerstandsrecht mit allen notwendigen Mitteln, wie sie von der UN-Vollversammlung zusammen“ habe. Als weiteren Kommentar habe der unbekannte Beschuldigte von (…) gepostet, dass die Palästinenser das Recht hätten, sich selbst zu verteidigen.
5
Der unbekannte Beschuldigte habe die von der Terrororganisation Hamas am 07.10.2023 gegen die israelische Bevölkerung verübten Kriegsverbrechen gutgeheißen, indem er, wie er gewusst habe, eine tatsächlich nicht existente Rechtfertigung des Überfalls auf Israel behauptet habe. Wie der unbekannte Beschuldigte gewusst habe, seien seine Äußerungen geeignet gewesen, in der deutschen Bevölkerung, die großen Anteil an den Angriffen gegen die israelische Bevölkerung genommen habe, ein Gefühl der Rechtsunsicherheit zu bewirken. Dies sei strafbar als Billigung von Straftaten gemäß § 140 Nr. 2 StGB.
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Nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen stehe der Dritte in einer funktionalen Beziehung zu (…). Eine Person mit dem Namen (…), mutmaßlich der hier genannte Dritte, habe in dem Impressum des Vereins verantwortlich mit dem angeblichen Wohnsitz Jordanien gezeichnet. Daneben spreche für eine Verbindung zwischen dem Dritten und (…), dass die Münchner Untergruppierung des Vereins die vom hier genannten Dritten angemeldete „Solidaritätsaktion“ vom 09.10.2023 beworben habe.
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Der Durchsuchungsbeschluss wurde am 20.10.2023 vollzogen (vgl. Bl. 31/63 d.A.).
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Gegen den Durchsuchungsbeschluss legte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 23.10.2023 (Bl. 27/28 d.A.) Beschwerde ein und beantragte festzustellen, dass die Anordnung der Durchsuchung rechtswidrig gewesen sei. Zugleich beantragte er, die Sicherstellung des Mobiltelefons (Apple blau) sowie des Lenovo Think Pad (schwarz) aufzuheben und deren Herausgabe anzuordnen. Ferner beantragte er Akteneinsicht, kündigte eine weitere Begründung der Beschwerde nach erfolgter Akteneinsicht an und bat darum, vor einer Entscheidung die weitere Begründung abzuwarten.
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Mit Schriftsatz vom 16.11.2023 (Bl. 69/77 d.A.) begründete der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers die Beschwerde wie folgt:
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Die Anordnung der Durchsuchung sei rechtswidrig gewesen. Es habe bereits an einem Anfangsverdacht gefehlt. Das Amtsgericht habe argumentiert, dass folgende Äußerungen auf Instagram den Straftatbestand des § 140 Nr. 2 StGB verwirklichen könnten:
- „die Verteidigung der palästinensischen Menschenrechte ist nicht gleich die Unterstützung der Hamas. Wir sind nicht der Sprecher der Hamas. Aber wie Sie selbst erwähnt haben: Ein besetztes Volk hat das legitime Recht auf Widerstandsrecht mit allen notwendigen Mitteln, wie sie von der UN-Vollversammlung zusammen“
- „Gaza ist besetzt und belagert seit über 15 J – ein Akt der kollektiven Strafe, ein Verbrechen unter internationalem Recht. Die Palästinenser haben das Recht sich selbst zu verteidigen.“
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Das Amtsgericht habe daraus gefolgert, dass der unbekannte Beschuldigte die von der Terrororganisation Hamas am 07.10.2023 gegen die israelische Bevölkerung verübten Kriegsverbrechen gutheiße, indem er, wie er gewusst habe, eine tatsächlich nicht existente Rechtfertigung des Überfalls auf Israel behaupte.“
12
Bei auch nur summarischer rechtlicher Prüfung habe sich dem Amtsgericht aber erschließen müssen, dass die genannten Äußerungen keineswegs geeignet seien, die Voraussetzungen des § 140 Nr. 2 StGB zu erfüllen. Im Rahmen des ersten Kommentars habe sich der unbekannte Nutzer des Instagram-Accounts (…) zunächst von der Organisation der Hamas distanziert, indem er geschrieben habe, dass die Verteidigung der palästinensischen Menschenrechte eben nicht gleich die Unterstützung der Hamas sei und sie zudem nicht der Sprecher der Hamas seien. Diese einleitenden Worte sprächen klar dafür, dass die folgenden Äußerungen eben nicht im Zusammenhang mit dieser Organisation und ihren Taten zu setzen seien, sondern als allgemeine Äußerungen zur Situation des Konfliktes Palästina/Israel verstanden werden müssten. Zudem ergebe sich daraus gerade eine Gegenüberstellung der Hamas und dem grundsätzlichen Eintreten für die Menschenrechte von Palästinensern, wobei der Kontext die Schlussfolgerung aufdränge, dass der Account-User sich eben auf Seiten der grundsätzlichen Verteidigung der Menschenrechte sehe.
13
Weiterhin gebe der unbekannte User im Rahmen des digitalen Austauschs lediglich Positionen wieder, die auch im Völkerrecht von vielen namhaften Juristen und internationalen Institutionen vertreten würden. Zunächst werde vorgetragen, dass die Bevölkerung eines besetzten Gebiets ein Recht zum zivilen Ungehorsam, zum Widerstand beziehungsweise zur Selbstverteidigung innehabe. Dass ein palästinensisches Volk existiere und grundsätzlich ein Recht auf Selbstbestimmung habe, sei mittlerweile völkerrechtlich geklärt. Dass die israelische Besatzung völkerrechtswidrig sei, werde auch von vielen namhaften Juristen und Menschenrechtsorganisationen so gesehen.
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Wie das Amtsgericht zu der Schlussfolgerung komme, dass die Kundgabe einer von vielen Völkerrechtlern und internationalen Organisationen geteilten inhaltlichen Position geeignet sein solle, den öffentlichen Frieden zu stören, bleibe unklar. Insbesondere erfolge diese Einschätzung ohne die gebotene restriktive Auslegung des § 140 Nr. 2 StGB im Lichte der Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG. Es müsse im Rahmen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung möglich sein, inhaltliche Differenzen auszutragen, wobei eine strafrechtliche Ahndung von Meinungsäußerungen ultima ratio bleiben müsse.
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Neben dem fehlenden Anfangsverdacht habe auch kein hinreichend konkreter Auffindeverdacht bestanden. Den erforderlichen Konnex, dass konkrete und tatsachenbasierte Gründe dafür sprachen, dass sich gesuchte Beweismittel in den Räumlichkeiten des Unverdächtigen befinden, habe das Amtsgericht in seinem Beschluss nicht ausreichend begründet. Insbesondere sei nicht hinreichend begründet worden, wieso auf den benannten elektronischen Geräten des Beschwerdeführers Informationen auffindbar gewesen sein sollten, die der Aufklärung der mutmaßlichen Straftat nach § 140 Nr. 2 StGB dienen könnten. Lediglich die Annahme, dass der Beschwerdeführer auch bei der Gruppierung (…) aktiv sei und eine entsprechende Demonstration angemeldet habe, reiche dafür nicht aus.
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Schließlich verletze die Anordnung der Durchsuchung auch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Vorliegend habe zunächst die naheliegende und grundrechtsschonendere Möglichkeit der Vernehmung des Beschwerdeführers als Zeuge bestanden. Weiterhin wären die Ermittlungsbehörden auch gehalten gewesen, zunächst die freiwillige Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände zu fordern.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 16.11.2023 (Bl. 69/77 d.A.) Bezug genommen.
18
Unter dem 22.11.2023 nahm die Generalstaatsanwaltschaft München Stellung zu der Beschwerde und beantragte beim Amtsgericht München, der Beschwerde nicht abzuhelfen (Bl. 80/82 d.A.). In ihrer Begründung führte die Generalstaatsanwaltschaft aus, zur Auslegung der inkriminierten Äußerungen sei deren Kontext zu berücksichtigen. Der Aussagegehalt der Äußerungen sei eindeutig: Ein Volk, das völkerrechtswidrig besetzt werde, habe das Recht, sich so zu verteidigen, wie das durch die (ursprünglich von der palästinensischen Bevölkerung gewählte) Vereinigung Hamas bewerkstelligt werde. Damit werde der Terror der Hamas mit einem nicht existenten, abwegigen Rechtfertigungsgrund gutgeheißen. Diese Auslegung werde gestützt durch den Inhalt der bei dem Dritten aufgefundenen Flugblätter (vgl. Bl. 61/63 d.A.). Demnach trage Israels „faschistische“ Regierung die Verantwortung für Gewalt im Gazastreifen. Verantwortlich für den Inhalt zeichne der Dritte (…) im Namen von (…).
19
Diese Interpretation werde weiter bestätigt durch den Auftritt von (…) auf seinem Instagram-Account. Dabei verwende der Verein die Parole „from the river to the sea palestine will be free!“. Unabhängig von der Strafbarkeit der Verwendung dieser Parole gemäß § 86a StGB sei festzustellen, dass diese eine gewaltsame Bekämpfung Israels befürworte; ein palästinensisches Staatsgebiet vom Jordan bis an das Mittelmeer – heutiges Staatsgebiet Israels – sei ohne Gewalt gegen Israel nicht denkbar.
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Angesichts der Diskussion auf dem Instagram-Account von (…) sei die Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens erkennbar. Sie äußere sich noch deutlicher in der aufgebrachten Diskussion in der deutschen Öffentlichkeit über den Versuch von Teilen der Gesellschaft, den Terror der Hamas zu relativieren.
21
In Anbetracht der ermittelten Verbindungen des Dritten (…) zu (…) beziehungsweise (…) sei ohne Weiteres davon auszugehen gewesen, dass die Durchsuchung gerade bei ihm zu beweiserheblichen Funden führen würde. Eine mildere Maßnahme als die Durchsuchung sei nicht angezeigt gewesen.
22
Mit Beschluss vom 30.11.2023 (Bl. 84 d.A.) half das Amtsgericht München unter Bezugnahme auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom 22.11.2023 der Beschwerde nicht ab.
23
Mit Verfügung vom 05.12.2023 (Bl. 87 d.A.) legte die Generalstaatsanwaltschaft München die Beschwerde dem Landgericht München I zur Entscheidung vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig zu verwerfen.
24
Mit Schriftsatz vom 11.12.2023 nahm der Bevollmächtigte des Beschwerdeführers zur Beschwerdeerwiderung der Generalstaatsanwaltschaft Stellung. Diese verkenne das Vorbringen des Beschwerdeführers völlig. Die Distanzierung von der Organisation Hamas werde nicht gesehen und pauschal in Abrede gestellt. Der Aussagegehalt des gegenständlichen Instagram-Posts sei einer Vielzahl von Deutungen zugänglich. Vor dem Hintergrund des Art. 5 GG hätten die Strafverfolgungsbehörden stets der Deutung Vorrang zu geben, die nicht strafrechtlich relevant sei. Unklar sei, welche Rolle die bei dem Dritten gefundenen Flugblätter für die Frage nach dem Vorliegen eines Anfangsverdachts spielen sollten. Dass die derzeitige Regierung Israels als „rechtsextrem“ zu bewerten sei, sei im Übrigen keine Einzelmeinung, sondern eine weit verbreitete Ansicht. Auch der Vortrag der Generalstaatsanwaltschaft, dass die Verwendung der Parole „From the river to the sea – Palestine will be free!“ ihre Interpretation stütze, gehe fehl. Inwiefern die Parole zwingend zu der Schlussfolgerung führen solle, dass eine gewaltsame Bekämpfung Israels befürwortet werde, sei aus strafrechtlicher Sicht nicht nachvollziehbar.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 11.12.2023 Bezug genommen.
26
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Der Beschluss des Amtsgerichts München vom 19.10.2023, Gz. ER VI Gs 12154/23, entspricht der Sach- und Rechtslage.
27
1. Die Beschwerde ist zulässig, § 304 Abs. 1 StPO.
28
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Amtsgericht hat den Durchsuchungsbeschluss vom 19.10.2023 zu Recht erlassen. Die Kammer teilt – unter Berücksichtigung der (verfassungs-)rechtlichen Maßgaben (a) – die Auffassung des Amtsgerichts, dass vorliegend die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung der Durchsuchung erfüllt waren (b).
29
a) Die – auch aus verfassungsrechtlicher Sicht – an einen Durchsuchungsbeschluss zu stellenden Anforderungen sind in der Rechtsprechung geklärt. Folgende Maßgaben sind zu beachten:
30
Art. 13 Abs. 1 GG garantiert die Unverletzlichkeit der Wohnung. In diese grundrechtlich geschützte persönliche Lebenssphäre greift eine Durchsuchung schwerwiegend ein (vgl. BVerfGE 42, 212 <219>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19.04.2023 – 2 BvR 2180/20 –, Rn. 25; Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 15.11.2023 – 1 BvR 52/23 –, Rn. 21). Notwendiger, aber auch in Anbetracht der Eingriffsintensität einer Wohnungsdurchsuchung hinreichender Anlass für eine Durchsuchung ist der Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde. Das Gewicht des Eingriffs verlangt auf konkreten Tatsachen beruhende Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 115, 166 <197 f.>; BVerfGK 2, 290 <295>; 5, 84 <88>). Eine Durchsuchung darf somit nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich sind (vgl. BVerfGK 8, 332 <336>; 11, 88 <92>).
31
Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG wird nicht schrankenlos gewährleistet. Art. 13 Abs. 2 GG ermöglicht Durchsuchungen der Wohnung, wenn dies gesetzlich zugelassen ist und von dem Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch im Gesetz bestimmte andere Organe angeordnet wurde. Dem Gewicht des Eingriffs und der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schutzes der räumlichen Privatsphäre entsprechend behält Art. 13 Abs. 2 GG die Anordnung einer Durchsuchung grundsätzlich dem Richter vor. Der gerichtliche Durchsuchungsbeschluss dient dazu, die Durchführung der Maßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220>; 96, 44 <51 f.>; 103, 142 <151>). Dazu muss der Beschluss den Tatvorwurf und die gesuchten Beweismittel so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Der Richter muss die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie dies nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist. Der Betroffene wird auf diese Weise zugleich in den Stand versetzt, die Durchsuchung zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen von vornherein entgegenzutreten (vgl. BVerfGE 20, 162 <224>; 42, 212 <220 f.>; 96, 44 <51 f.>; 103, 142 <151 f.>). In dem Beschluss muss zum Ausdruck kommen, dass der Ermittlungsrichter die Eingriffsvoraussetzungen selbstständig und eigenverantwortlich geprüft hat (vgl. BVerfGE 103, 142 <151 f.>). Dazu ist zu verlangen, dass ein dem Beschuldigten angelastetes Verhalten geschildert wird, das den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt. Die wesentlichen Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes, die die Strafbarkeit des zu subsumierenden Verhaltens kennzeichnen, müssen benannt werden (vgl. BVerfGK 8, 349 <353>; 9, 149 <153>; 18, 414 <418>; 19, 148 <153>).
32
An eine Durchsuchung nach § 103 StPO bei einer nicht verdächtigen Person, die durch ihr Verhalten auch aus Sicht der Ermittlungsbehörden in keiner Weise Anlass zu den Ermittlungsmaßnahmen gegeben hat, sind besondere Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfGK 1, 126 <132>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11.01.2016 – 2 BvR 1361/13 –, Rn. 13). Konkrete Gründe müssen dafür sprechen, dass der gesuchte Beweisgegenstand in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten des Unverdächtigen gefunden werden kann. Dies unterscheidet die Durchsuchung beim Unverdächtigen nach § 103 StPO von einer Durchsuchung bei einer verdächtigen Person nach § 102 StPO, bei der es bereits nach der Lebenserfahrung in gewissem Grade wahrscheinlich ist, dass Beweisgegenstände zu finden sind, die zur Prüfung des Tatverdachts beitragen können, und bei der durch die Verknüpfung des personenbezogenen Tatverdachts mit einem eher abstrakten Auffindeverdacht ein hinreichender Eingriffsanlass besteht (vgl. BVerfGK 1, 126 <132>; 15, 225 <241>).
33
Dem erheblichen Eingriff, den eine Durchsuchung bedeutet, entspricht ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung muss mit Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck erfolgversprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein, was nicht der Fall ist, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen (vgl. BVerfGE 96, 44 <51>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 11.01.2016 – 2 BvR 1361/13 –, Rn. 12; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 19.04.2023 – 2 BvR 1844/21 –, Rn. 46). Dabei ist es grundsätzlich Sache der ermittelnden Behörden, über die Zweckmäßigkeit und die Reihenfolge vorzunehmender Ermittlungshandlungen zu befinden. Ein Grundrechtseingriff ist aber jedenfalls dann unverhältnismäßig, wenn naheliegende grundrechtsschonende Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterbleiben oder zurückgestellt werden und die vorgenommene Maßnahme außer Verhältnis zur Stärke des in diesem Verfahrensabschnitt vorliegenden Tatverdachts (vgl. BVerfGK 11, 88 <92>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 10.01.2018 – 2 BvR 2993/14 –, Rn. 25) oder zur Schwere der Straftat steht.
34
b) Den aufgeführten Anforderungen wird der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts vom 19.10.2023 gerecht. Zum Zeitpunkt der Durchsuchung bestand der Anfangsverdacht, dass eine Straftat begangen worden ist (aa). Die Durchsuchungsanordnung beschreibt die aufzuklärende Straftat hinreichend genau, sodass die Umgrenzungsfunktion gewahrt ist (bb). Ein hinreichender Auffindeverdacht lag ebenfalls vor (cc). Die Durchsuchung entsprach auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (dd).
35
aa) Wegen der Veröffentlichungen am 09.10.2023 auf dem Instagram-Account der Münchner Gruppierung (…) lag der Anfangsverdacht einer Straftat, hier gemäß § 140 Nr. 2 StGB, vor.
36
(1) Ein Anfangsverdacht ist zu bejahen, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat gegeben sind, § 152 Abs. 2 StPO. Die Möglichkeit, dass nach kriminalistischer Erfahrung eine verfolgbare Straftat gegeben ist, genügt für den Anfangsverdacht. Bei der Beurteilung des Anfangsverdachts können auch offenkundige Tatsachen des Zeitgeschehens eine Rolle spielen (vgl. KK-StPO/Diemer, 9. Aufl. 2023, StPO § 152 Rn. 7).
37
Das Rechtsgut des § 140 StGB ist der öffentliche Friede (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.1968 – 1 StR 161/68 –, juris, Rn. 9). Die Norm soll die Entstehung eines „psychischen Klimas verhindern, in dem gleichartige Untaten gedeihen können“ (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.1968 – 1 StR 161/68 –, juris, Rn. 12).
38
Der objektive Tatbestand setzt voraus, dass eine der in § 138 Abs. 1 Nummer 2 bis 4 und 5 letzte Alternative StGB oder in § 126 Abs. 1 StGB genannten rechtswidrigen Taten oder eine rechtswidrige Tat nach § 176 Abs. 1 StGB oder nach den §§ 176c und 176d StGB in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Abs. 3 StGB) gebilligt wird.
39
Billigen der Tat bedeutet ein nachträgliches Gutheißen der Tat (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.1968 – 1 StR 161/68 –, juris, Rn. 11). Das Tatbestandsmerkmal des Billigens ist nicht zuletzt im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot und den ultima-ratio-Charakter des Strafrechts restriktiv auszulegen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.05.2017 – 2 Rv 9 Ss 177/17 –, juris, Rn. 15; MüKoStGB/Hohmann, 4. Aufl. 2021, StGB § 140 Rn. 17). Tatbestandsmäßig sind nur Äußerungen, die „aus sich heraus verständlich“ sind und „als solche unmittelbar, ohne Deuteln, erkannt“ werden (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.1968 – 1 StR 161/68 –, juris, Rn. 13). Ein Billigen erfordert die Kundgabe der Zustimmung des Äußernden, dass die Tat begangen worden ist, und zwar derart, dass er sich damit moralisch hinter den Täter stellt (vgl. Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, 30. Aufl. 2019, StGB § 140 Rn. 3). Taugliches Objekt der Billigung im Sinne von § 140 Nr. 2 StGB ist auch eine nicht dem Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts unterfallende Auslandskatalogtat, wenn sie zur Störung des inländischen öffentlichen Friedens geeignet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 20.12.2016 – 3 StR 435/16 –). Denn es geht hierbei nicht um die strafrechtliche Ahndung dieser Katalogtat. Die Verherrlichung von Auslandstaten kann in gleicher Weise wie die von Inlandstaten auch in Deutschland die allgemeine Bereitschaft zur Begehung ähnlicher Delikte fördern und das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Sicherheit erschüttern.
40
Öffentlich erfolgt die Billigung, wenn die Äußerung für eine nach Zahl und Zusammensetzung unbestimmte Mehrheit tatsächlich anwesender Personen wahrnehmbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.1968 – 1 StR 161/68 –, juris, Rn. 12). Von der Handlungsvariante des Verbreitens eines Inhalts (§ 11 Abs. 3 StGB) sind auch befürwortende Äußerungen im Internet auf Webseiten unabhängig vom Ort des Einstellens erfasst (vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2000 – 1 StR 184/00 –).
41
Das Billigen muss in einer Weise erfolgen, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Öffentlicher Friede ist sowohl der Zustand allgemeiner Rechtssicherheit und des befriedeten Zusammenlebens der Bürger als auch das im Vertrauen der Bevölkerung in die Fortdauer dieses Zustands begründete Sicherheitsgefühl (vgl. MüKoStGB/Hohmann, 4. Aufl. 2021, StGB § 140 Rn. 29 m.w.N.). Bei dem öffentlichen Frieden handelt es sich nicht um ein strafbegründendes Tatbestandsmerkmal, sondern um eine „Wertungsformel zur Ausscheidung nicht strafwürdig erscheinender Fälle“ (vgl. BVerfGE 124, 300 <340>).
42
Beim subjektiven Tatbestand ist bedingter Vorsatz erforderlich und ausreichend. Dieser muss sich auf die konkrete Vortat, deren tatsächlichen Eigenschaften, die sie zur Katalogtat machen sowie auf deren Rechtswidrigkeit und die Tathandlung beziehen (vgl. BeckOK StGB/Heuchemer, StGB § 140 Rn. 15 <Stand: 01.11.2023>).
43
(2) Dies zugrunde gelegt, ist die Kammer der Auffassung, dass im vorliegenden Fall ein Anfangsverdacht, das heißt zureichende Anhaltspunkte für eine Straftat gemäß § 140 Nr. 2 StGB, vorlag.
44
Es besteht kein vernünftiger Zweifel daran, dass Täter der – in Ziffer II. 9. des Anhangs der Durchführungsverordnung (EU) 2023/1505 des Rates vom 20.07.2023 („EU-Terrorliste“) aufgeführten (vgl. zur entsprechenden Einstufung EuGH, Urteil vom 23.11.2021 – C-833/19 P –, ECLI:EU:C:2021:950) und vom Bundesministerium des Innern und für Heimat mit Verfügung vom 02.11.2023 (BAnz AT 02.11.2023 B10) verbotenen – Hamas im Zuge des Angriffs auf Israel am 07.10.2023 Katalogtaten im Sinne des § 140 StGB, unter anderem vielfache Tötungsdelikte und Geiselnahmen, begingen. Dies ist eine offenkundige Tatsache des Zeitgeschehens und kann bei der Beurteilung des Anfangsverdachts berücksichtigt werden (vgl. KK-StPO/Diemer, 9. Aufl. 2023, StPO § 152 Rn. 7). Katalogtaten im Sinne des § 126 Abs. 1 Nr. 3 StGB sind nicht nur bestimmte Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, sondern auch Mord gemäß § 211 StGB und Totschlag gemäß § 212 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 20.12.2016 – 3 StR 435/16 –). Daher braucht hier nicht entschieden zu werden, welche Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch die Täter der Hamas am 07.10.2023 gegebenenfalls begingen.
45
Es bestanden auch zureichende Anhaltspunkte dafür, dass der unbekannte Beschuldigte von (…) die von den Tätern der Hamas begangenen Katalogtaten billigte. Die Kammer hat hier nicht zu entscheiden, ob insoweit der Tatnachweis abschließend zu führen sein wird. Zu prüfen war allein, ob ein Anfangsverdacht bestand, dessen Schwelle von Rechts wegen sehr niedrig angesetzt ist (vgl. KK-StPO/Diemer, 9. Aufl. 2023, StPO § 152 Rn. 7).
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Zureichende Anhaltspunkte für ein Billigen im Sinne des § 140 Nr. 2 StGB durch den unbekannten Beschuldigten von (…) lagen vor. Dieser antwortete im Rahmen der am 09.10.2023 auf dem Instagram-Account von (…) geführten Diskussion auf den Vorwurf eines Users, ein (nicht näher bekannter) Bericht entschuldige den Hamas-Terrorismus offen als Widerstand:
„die Verteidigung der palästinensischen Menschenrechte ist nicht gleich die Unterstützung der Hamas. Wir sind nicht der Sprecher der Hamas. Aber wie sie selbst erwähnt haben: Ein besetztes Volk hat das legitime Recht auf Widerstandsrecht [sic] mit allen notwendigen Mitteln, wie sie von der UN-Vollversammlung zusammen“
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Ferner antwortete der unbekannte Beschuldigte auf den Vorwurf eines Users, „Komisch, wenn Menschen wirklich niedergemetzelt werden von der Hamas, seid ihr ganz still. Ihr seid dir [sic] fünfte Kolonne des Islamofaschismus“ Folgendes:
„Gaza ist besetzt und belagert seit über 15 J – ein Akt der kollektiven Strafe, ein Verbrechen unter internationalem Recht. Die Palästinenser haben das Recht sich selbst zu verteidigen.“
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Aufgrund dieser Äußerungen des unbekannten Beschuldigten hat das Amtsgericht zureichende Anhaltspunkte dafür angenommen, der Beschuldigte habe die von Tätern der Hamas am 07.10.2023 begangenen Katalogtaten gutgeheißen, indem er, wie er gewusst habe, eine tatsächlich nicht existente Rechtfertigung des Überfalls auf Israel behauptet habe.
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Diese rechtliche Bewertung ist nicht zu beanstanden. Es trifft zwar zu, dass die ersten beiden Sätze der erstgenannten Antwort als gewisse Distanzierung von der Hamas gedeutet werden können. Auch kann der letzte – unvollständige – Satz der Antwort als Bezugnahme auf Entscheidungen der Vollversammlung der Vereinten Nationen und gegebenenfalls das Völkerrecht insgesamt verstanden werden. Allerdings sind die davor stehenden Worte, auch unter Berücksichtigung des Kontextes, insoweit eindeutig, als dort einem „besetzten Volk“ das „legitime Recht“ auf Widerstand „mit allen notwendigen Mitteln“ zugesprochen wird. Ebenso wird in der zweitgenannten Antwort, trotz der Erwähnung des „internationalen Rechts“ im ersten Satz, im zweiten Satz den Palästinensern ohne Einschränkung das Recht zugesprochen, sich selbst zu verteidigen. Die Bewertung dieser Äußerungen als Billigen der Taten von Tätern der Hamas am 07.10.2023 und nicht – wie in der Beschwerdebegründung angeführt – als „allgemeine Äußerungen zur Situation des Konfliktes Palästina/Israel“ beinhaltet keinen Rechtsfehler.
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Die Kammer verkennt dabei nicht, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Voraussetzung jeder rechtlichen Würdigung von Äußerungen ist, dass ihr Sinn – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls aus der Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums – zutreffend erfasst worden ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 07.04.2001 – 1 BvQ 17/01 u.a. –, Rn. 27; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28.03.2017 – 1 BvR 1384/16 –, Rn. 17). Entscheidungen, die den Sinn einer umstrittenen Äußerung erkennbar verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung stützen, verstoßen gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen die zur Verurteilung führende Bedeutung zu Grunde legt, ohne vorher die anderen möglichen Deutungen mit nachvollziehbaren Gründen ausgeschlossen zu haben. Dabei müssen ausgehend vom Wortlaut auch der Kontext und die sonstigen Begleitumstände einer Äußerung beachtet werden (vgl. BVerfGE 43, 130 <136>; 82, 43 <52 f.>; 93, 266 <295 f.>; stRspr). Diese insbesondere für die Anwendung der §§ 185 ff. StGB entwickelten Grundsätze gelten entsprechend, wenn es um die Subsumtion einer Äußerung oder eines Verhaltens unter die Tatbestandsmerkmale des § 130 StGB geht (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, AfP 2000, S. 563 ff.).
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Für § 140 StGB gilt nichts anderes. Zwar handelt es sich bei § 140 StGB nicht unmittelbar um eine Staatsschutznorm, dennoch gilt aber auch hier der Grundsatz, dass bei einer solchen gesetzlichen Beschränkung der Meinungsfreiheit „besonders sorgfältig zwischen einer – wie verfehlt auch immer erscheinenden – Polemik und einer Beschimpfung oder böswilligen Verächtlichmachung zu unterscheiden ist, weil Art. 5 GG gerade aus dem besonderen Schutzbedürfnis der Machtkritik erwachsen ist und darin unverändert seine Bedeutung findet” (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 29.07.1998 – 1 BvR 287/93 –, Rn. 40; vgl. auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.11.2002 – 1 Ws 179/02 –, NJW 2003, S. 1200 <1201>). Ahndungen gemäß § 140 StGB sind aber auch unter Zugrundelegung der verfassungsrechtlichen Maßgaben zum Schutz der Meinungsfreiheit möglich, wenn sie, wie nach Art. 5 Abs. 1 GG geboten, dem Schutz der Rechte Dritter und der Gewährleistung von Friedlichkeit, nicht aber lediglich einem Schutz vor allgemeiner Beunruhigung dienen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 25.01.2016 – 1 BvR 1373/15 –).
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So liegt es hier. Auch unter Berücksichtigung der aus Art. 5 GG zum Schutz der Meinungsfreiheit abzuleitenden Maßgaben erachtet die Kammer im vorliegenden Fall jedenfalls die Voraussetzungen für die Bejahung eines Anfangsverdachts des Billigens im Sinne von § 140 Nr. 2 StGB als gegeben. Die oben aufgeführten Äußerungen auf Instagram wurden am 09.10.2023, also nur zwei Tage nach dem Angriff von Tätern der Hamas auf Israel am 07.10.2023, veröffentlicht. Es bestand damit ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Bezugstaten und der Veröffentlichung der Äußerungen. Zudem waren die Äußerungen jeweils Antwort auf Vorwürfe von Usern, (…) entschuldige den Hamas-Terrorismus als Widerstand beziehungsweise sei ganz still, „wenn Menschen wirklich niedergemetzelt werden von der Hamas“. Insoweit lag auf der Hand, dass sich die Äußerungen auf die von Tätern der Hamas am 07.10.2023 begangenen Taten bezogen. Es war vor diesem Hintergrund nicht rechtsfehlerhaft, dass das Amtsgericht die Äußerungen nicht – wie in der Beschwerdebegründung angeführt – dahingehend würdigte, sie gäben „lediglich Positionen wieder, die auch im Völkerrecht von vielen namhaften Juristen und internationalen Institutionen vertreten werden“, sondern vielmehr zureichende Anhaltspunkte dafür bejahte, dass ein Billigen von Straftaten im Sinne des § 140 Nr. 2 StGB vorliegt.
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Dies gilt auch für die Bejahung eines Anfangsverdachts dahingehend, dass die Billigung durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Abs. 3 StGB) erfolgte. Denn die gegenständlichen Äußerungen wurden auf dem Instagram-Account von (…) veröffentlicht.
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Es bestand weiterhin ein Anfangsverdacht, dass das Billigen in einer Weise geschah, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Es liegt auf der Hand, dass eine Billigung der von Tätern der Hamas am 07.10.2023 begangenen grausamen Taten geeignet ist, die gesellschaftliche Stimmung zum Nachteil insbesondere von Juden und Israelis in Deutschland zu beeinflussen. Die Behauptung einer Rechtfertigung für die Taten vom 07.10.2023 ist geeignet, Aggression, Unsicherheit und Angst in der Bevölkerung zu verursachen und in Deutschland lebende Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufzuhetzen. Hinzu kommt eine Bedrohung der Gesamtbevölkerung mit der hierdurch geschaffenen Lage der Gefährdung und Furcht. An der Eignung zur Friedensstörung besteht daher im hier gegebenen konkreten Zusammenhang kein Zweifel.
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Schließlich war auch die Bejahung eines Anfangsverdachts hinsichtlich des subjektiven Tatbestands zutreffend, weil zureichende Anhaltspunkte dafür bestanden, dass der unbekannte Beschuldigte die gegenständlichen Äußerungen bewusst und gewollt auf dem Instagram-Account von (…) veröffentlichte und dabei in Kenntnis der von Tätern der Hamas am 07.10.2023 begangenen Taten und deren Rechtswidrigkeit handelte.
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bb) Der Richtervorbehalt des Art. 13 Abs. 2 GG wurde eingehalten, die Begrenzungsfunktion des Durchsuchungsbeschlusses gewahrt. Der Tatvorwurf und die zu suchenden Beweismittel wurden ausreichend präzise beschrieben. Das Amtsgericht brachte in seinem Durchsuchungsbeschluss zum Ausdruck, dass die Durchsuchung allein den Zweck verfolgen sollte, den aus dem Geschehen vom 09.10.2023 abgeleiteten Tatvorwurf aufzuklären.
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cc) Ein hinreichender Auffindeverdacht war gegeben. Es sprachen konkrete Gründe dafür, dass die gesuchten Beweisgegenstände – Computer, Laptops, internetfähige Endgeräte – in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten des Beschwerdeführers gefunden werden können. Wie im Durchsuchungsbeschluss ausgeführt, stand der Beschwerdeführer nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen in einer funktionalen Beziehung zu (…). Eine Person mit dem Namen (…), mutmaßlich der Beschwerdeführer, habe im Impressum des Vereins (vgl. Bl. 13 d.A.) verantwortlich mit dem angeblichen Wohnsitz Jordanien gezeichnet. Ferner habe die Münchner Untergruppierung von (…) die vom Beschwerdeführer angemeldete „Solidaritätsaktion“ vom 09.10.2023 beworben.
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Diese Umstände waren für die Bejahung eines hinreichenden Auffindeverdachts genügend. Insbesondere war auch naheliegend, dass auf den gesuchten technischen Geräten Informationen zu dem beziehungsweise über den unbekannten Beschuldigten zu finden sein könnten, nachdem die gegenständlichen Äußerungen über den Instagram-Account von (…) veröffentlicht wurden und der Beschwerdeführer zu dieser Gruppierung nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen in einem Näheverhältnis stand.
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dd) Der Durchsuchungsbeschluss vom 19.10.2023 wahrte auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Schwere des Eingriffs stand nicht außer Verhältnis zu dem mit ihm verfolgten Zweck (vgl. BVerfGE 42, 212 <220>; 59, 95 <97>; 96, 44 <51>; 115, 166 <198>). Im Rahmen einer umfassenden Gesamtabwägung, die die hohe Bedeutung der Unverletzlichkeit der Wohnung in den Blick nimmt, sprechen der nicht nur schwache Anfangsverdacht einer Straftat gemäß § 140 Nr. 2 StGB, die außerordentliche Schwere der Taten, auf die sich der Anfangsverdacht nach § 140 Nr. 2 StGB bezog, die nicht nur geringe Wahrscheinlichkeit des Auffindens der erhofften Beweismittel und deren Bedeutung für das Strafverfahren für die Angemessenheit der Durchsuchungsanordnung.
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Die Schwere der Tat und die zu erwartenden Strafe waren vorliegend von Gewicht. § 140 StGB sieht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. Zwar genügt der pauschale Verweis auf den Strafrahmen nicht, um die Schwere der verfolgten Taten zu begründen (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 6. Mai 2008 – 2 BvR 384/07 –, juris, Rn. 18; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 05.12.2023 – 2 BvR 1749/20 –, Rn. 34). Hier sind die Schwere der Tat und die zu erwartende Strafe aber insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich die Tat gemäß § 140 Nr. 2 StGB auf schwerste, von Tätern der Hamas am 07.10.2023 begangene Straftaten bezog, erheblich.
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Den Ermittlungsbehörden standen auch nicht naheliegende und grundrechtsschonendere Ermittlungsmaßnahmen zur Verfügung, die ohne greifbare Gründe unterblieben wären. Die in der Beschwerdebegründung eingebrachte Möglichkeit einer Zeugenvernehmung des Beschwerdeführers wäre – insbesondere vor dem Hintergrund des nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen bestehenden Näheverhältnisses des Beschwerdeführers zu (…) beziehungsweise (…) und der Gefahr, dass der unbekannte Beschuldigte gewarnt werden könnte – nicht ebenso wirksam gewesen wie eine Wohnungsdurchsuchung, hätte also kein milderes Mittel im technischen Sinne (vgl. dazu BVerfGE 126, 112 <144 f.>; 155, 238 <280 Rn. 105>; stRspr) dargestellt.
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3. Die mit der Durchsuchung gemäß §§ 94, 98 StPO angeordnete Beschlagnahme war ebenfalls rechtmäßig.
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Ebenso wie eine Durchsuchung stellt eine Beschlagnahme einen Eingriff in den grundrechtlich geschützten Bereich des Betroffenen dar. Die Anordnung steht daher, wie alle Zwangsmaßnahmen im Strafverfahren (vgl. BVerfGE 27, 211, 219), unter dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfGE 20, 162, 186 f.; 42, 212, 220; 44, 353, 372). Dieser Grundsatz verlangt, dass die Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Ziels geeignet und erforderlich sein muss und dass der mit ihr verbundene Eingriff nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und zur Stärke des bestehenden Tatverdachts stehen darf (vgl. BVerfGE 16, 194, 202; 17, 108, 117). Wegen des Gewichts des Eingriffs ist die Anordnung der Beschlagnahme ebenfalls grundsätzlich dem Richter vorbehalten (vgl. BVerfGE 9, 89, 97; 42, 212, 220). Ordnet ein Richter – etwa gleichzeitig mit dem Erlass eines Durchsuchungsbefehls – die Beschlagnahme von Gegenständen an, bevor diese von den Strafverfolgungsbehörden in amtlichen Gewahrsam genommen worden sind, so muss er die Gegenstände so genau bezeichnen, dass keine Zweifel darüber entstehen, ob sie von der Beschlagnahmeanordnung erfasst sind (vgl. BVerfG, NStZ 1992, S. 91; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. 2023, § 98 Rn. 9).
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Diesen Anforderungen genügt der Beschluss des Amtsgerichts vom 19.10.2023. Insbesondere wurden die zu beschlagnahmenden Gegenstände mit „Computer, Laptops, internetfähige Endgeräte“ ausreichend genau bezeichnet. Soweit in der Beschwerdebegründung angeführt wird, die Ermittlungsbehörden seien gehalten gewesen, zunächst die freiwillige Herausgabe der Gegenstände zu fordern, erschließt sich dies nicht. Der Beschluss vom 19.10.2023 ordnet die Beschlagnahme ausdrücklich nur für den Fall an, dass die Gegenstände nicht freiwillig herausgegeben werden. Der Beschwerdeführer wollte ausweislich des Durchsuchungsberichts (vgl. Bl. 32 d.A.) die Aushändigung des Sicherstellungsprotokolls nicht mit seiner Unterschrift bestätigen und wollte sich auch nicht zur Frage über sein Einverständnis mit der Sicherstellung äußern. Daher erfolgte – wie auf dem Sicherstellungsprotokoll vermerkt (vgl. Bl. 36 d.A.) – die Beschlagnahme.
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Vor diesem Hintergrund kamen die beantragte Aufhebung der „Sicherstellung“ des Mobiltelefons (Apple blau) sowie des Lenovo Think Pad (schwarz) und die Anordnung von deren Herausgabe nicht in Betracht.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 StPO.