Titel:
Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs für Einreichung der Klage
Normenkette:
FGO § 54 Abs. 2, § 90 Abs. 2
Leitsätze:
1. Steuerberater sowie Steuerberatungsgesellschaften, die als Berufsausübungsgesellschaften in das bei der Bundessteuerberaterkammer nach § 86b StBerG geführte amtliche Steuerberaterverzeichnis eingetragen sind, sind seit dem 1.1.2023 verpflichtet, für Schriftsätze und Anträge an ein Finanzgericht das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) zu nutzen. Das gilt auch für eine nach § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO zulässige Klageeinreichung beim Finanzamt; eine beim Finanzamt per Fax eingelegte Klage ist unwirksam. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die vorübergehende Unmöglichkeit der Einreichung der Klage per beSt aus technischen Gründen ist nicht unverzüglich im Sinne des § 52d Satz 4 FGO geltend gemacht worden, wenn sie erst fast vier Monate später vorgetragen worden ist; die Ersatzeinreichung durch Fax an das Finanzamt ist daher unwirksam. (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Rechtsbehelfsbelehrung in einer Einspruchsentscheidung des Finanzamts ist auch dann nicht unrichtig im Sinne des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO, wenn sie nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass die verpflichtende Übermittlung elektronischer Dokumente durch Steuerberater auch bei der Anbringung der Klage beim Finanzamt gilt. In einer Rechtsbehelfsbelehrung kann nicht auf sämtliche Modalitäten hingewiesen werden. (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei einer vorübergehenden technischen Störung des beSt ist eine etwaige fehlende beziehungsweise fehlerhafte Kenntnis der sich aus § 52d FGO ergebenden Rechtslage für Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe im Hinblick auf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht entschuldbar (vgl. BGH, Beschluss v. 15.12.2022, III ZB 18/22). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Steuerberaterpostfachs (beSt) bei Anbringung der Klage beim Finanzamt nach § 47 Abs. 2 Satz 1 Finanzgerichtsordnung, elektronisches Postfach
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – IX R 7/24
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
EFG 2024, 1695
BeckRS 2024, 7921
DStRE 2024, 1392
LSK 2024, 7921
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger legte gegen den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 5. Januar 2021 Einspruch ein. Der Beklagte, das Finanzamt, hat mit Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2023 die Einkommensteuer für das Streitjahr 2018 auf 15.966 € erhöht. Die Absetzung für Abnutzung bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erkannte es nur i.H.v. 626 € an. Die Einspruchsentscheidung wurde der Prozessbevollmächtigten, der M-UG (hb) Steuerberatungsgesellschaft, laut Postzustellungsurkunde am 2. Juni 2023 zugestellt. In der Rechtsbehelfsbelehrungder Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2023 heißt es, dass die Klage schriftlich oder als elektronisches Dokument eingereicht oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären sei. Weiter wird bezüglich der Frist darauf hingewiesen, dass die Frist für die Erhebung der Klage als gewahrt gelte, wenn die Klage bei dem Finanzamt innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben werde. Es wird ergänzt: „Die Voraussetzungen zur elektronischen Einreichung regelt § 52a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zur verpflichtenden Übermittlung elektronischer Dokumente siehe § 52d FGO.“
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Hiergegen erhob der Kläger, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, per Telefax am 28. Juni 2023 Klage, welche die Prozessbevollmächtigte an das Finanzamt adressierte und faxte. Das Finanzamt leitete das Fax per Post weiter an das Finanzgericht München, wo es am 12. Juli 2023 einging.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Juli 2023 wurde die Prozessbevollmächtigte darauf hingewiesen, dass Schriftsätze, Anträge und Erklärungen, die durch eine nach der FGO vertretungsberechtigte Person, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung stehe, eingereicht werden, ab dem 1. Januar 2023 als elektronisches Dokument zu übermitteln sind und der Klageschriftsatz vom 28. Juni 2023 nicht auf diesem Weg elektronisch eingereicht wurde.
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Mit Schreiben vom 28. August 2023 – über das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) übermittelt – begründete der Kläger, vertreten durch die Prozessbevollmächtigte, seine Klage und bat in einem weiteren Schreiben darum, von der Nichtberücksichtigung der Formvorschriften ausnahmsweise abzusehen.
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Mit Schreiben vom 25. Oktober 2023 beantragte der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und machte gleichzeitig geltend, dass es sich bei der Klageerhebung mittels Telefax um eine Ersatzeinreichung gehandelt habe, da das Kartenlesegerät ausgefallen sei. Gleichzeitig übermittelte er die Klageschrift vom 28. Juni 2023 ein weiteres Mal über beSt. Im Wiedereinsetzungsantrag trägt die Prozessbevollmächtigte vor, dass das Ausweis-Lesegerät bereits am Vortrag, dem 27. Juni 2023, nicht funktioniert habe, weil keine Verbindung zum Computer zustande gekommen sei. Eine kurzfristige Ausleihe eines Ersatzgeräts sowie der Versuch, einen IT-Spezialisten zu erreichen, seien gescheitert. Wegen einer mehrtätigen beruflichen Abwesenheit ab dem 29. Juni 2023 habe Fristversäumnis gedroht. Nach Rückkehr sei das defekte Ausweis-Lesegerät ausgetauscht worden, mittlerweile könne das elektronische Postfach beSt beim FG München eingesehen werden.
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Der Kläger vertritt in seiner Klage die Rechtsauffassung, dass die Klage zulässig sei. Infolge technischer Probleme habe die Klage nicht elektronisch nach den Anforderungen des § 52a FGO bei Gericht eingereicht werden können. Unter Zugrundelegung der beigefügten Rechtsbehelfsbelehrunghabe ein zulässiger Ersatzübertragungsweg gefunden werden müssen. Es sei die Klage als unterschriebenes Telefax bei der Behörde im Wissen eingelegt worden, dass die Klage von dort unverzüglich an das Gericht im elektronischen Wege weitergeleitet werde. Dieser Weg sei nach der Formulierung der Rechtsbehelfsbelehrungrechtens. Denn die Formulierung „die Klage ist bei dem Finanzgericht München, schriftlich oder als elektronisches Dokument einzureichen oder…“ gebe ein Wahlrecht. Der Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung „… die Frist für die Erhebung der Klage gilt als gewahrt, wenn die Klage bei dem Finanzamt S. innerhalb der Frist angebracht … wird“ mache deutlich, dass die Klage lediglich angebracht werden müsse. Angebracht sei eine Klage, wenn sie derart in den Verfügungsbereich der Behörde übergegangen sei, dass diese Kenntnis nehmen könne. Erstmals durch das gerichtliche Schreiben vom 28. November 2023 sei der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die formalen Anforderungen des § 52a FGO auch im Falle einer Klageanbringung bei der Behörde zu beachten seien. Der Wortlaut der Rechtsbehelfsbelehrungsage dazu nichts. Aus Gehörsgründen hätte es eines Hinweises in der Rechtsbehelfsbelehrungbedurft. Fehlen zwingende Bestandteile der Belehrung, so führe dies nicht zur Fehlerhaftigkeit oder Unwirksamkeit des Verwaltungsakts, sondern gelte die Jahresfrist für die Erhebung der Klage. Mit dem Wiedereinsetzungsantrag vom 25. Oktober 2023 sei der Klageschriftsatz über das besonderen Steuerberaterpostfach nochmals übermittelt worden.
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Eine gerichtliche Ablehnung der Zulässigkeit der Klage würde gegen das Übermaßverbot und die verfassungsrechtliche Gewährleistung rechtlichen Gehörs verstoßen. Die Ausführungen des Finanzamts in den Schreiben vom 4. Oktober 2023 und vom 27. November 2023 seien als verspätet zurückzuweisen. Das Finanzamt sei bereits mit Faxeingang der Klageschrift am 28. Juni 2023 über die vermeintlich unzulässige Weise der Klageerhebung informiert gewesen. Bei unverzüglichem Beklagtenvortrag innerhalb von 14 Tagen wäre der Kläger auch in der Lage gewesen, den verspäteten Antrag auf Wiedereinsetzung zu vermeiden.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 5. Januar 2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Mai 2023 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Absetzungen für Abnutzung in Höhe von 1.194 € angesetzt werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Das Finanzamt beantragt,
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Das Finanzamt trägt zur Begründung vor, dass die Klage unzulässig sei, da sie per Fax erhoben worden sei. Die Klage sei auch nicht als Ersatzeinreichung in zulässiger Weise erhoben worden. Es fehle an der unverzüglichen Glaubhaftmachung der (technischen) Unmöglichkeit. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO gestellt worden. Darüber hinaus sei die Klage unbegründet. Das Finanzamt sehe keine Möglichkeit, von den gesetzlichen AfA-Sätzen des § 7 Abs. 4 Satz 1 EStG abzuweichen.
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Auf das richterliche Schreiben vom 28. November 2023 wird verwiesen.
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Wegen des weiteren Sachverhalts und hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die vorgelegten Akten und die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO).
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unzulässig. Der Kläger hat die Klage nicht innerhalb der Klagefrist in der seit dem 1. Januar 2023 vorgeschriebenen Form erhoben. Denn die beim Finanzamt innerhalb der Klagefrist als Telefaxschreiben eingegangene Klageschrift entspricht nicht den Anforderungen des § 52d Satz 1 und 2 FGO. Eine wirksame Ersatzeinreichung nach § 52d Satz 3 und 4 FGO liegt nicht vor. Der Formverstoß führt zur Unwirksamkeit und schließt die Fristwahrung, hier die Wahrung der Klagefrist, aus.
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1. Der Kläger hat die Klagefrist gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO versäumt. Die einmonatige Klagefrist beginnt mit Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung, welche nach § 54 Abs. 1 FGO i.V.m. § 122 Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz AO der Prozessbevollmächtigten am 2. Juni 2023 zugestellt wurde. Die Klagefrist endete nach § 54 Abs. 2 FGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB am Montag, den 3. Juli 2023, da der 2. Juli 2023 ein Sonntag war.
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1.1. Vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen – und damit auch der Klageschriftsatz –, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind nach § 52d Satz 1 FGO als elektronisches Dokument zu übermitteln. Gleiches gilt nach § 52d Satz 2 FGO für die nach der Finanzgerichtsordnung vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung steht.
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Für die in § 62 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO genannten – in das Steuerberaterverzeichnis (vgl. § 86b Steuerberatergesetz – StBerG) eingetragenen – Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 (i.V.m. § 49) StBerG steht seit dem 1. Januar 2023 ein sicherer Übermittlungsweg im Sinne des § 52a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Verfügung (Bundesfinanzhof-BFH-Beschlüsse vom 31. Oktober 2023 IV B 77/22, BFH/NV 2024, 20; vom 28. April 2023 XI B 101/22, BStBl II 2023, 783). Der BFH hat bereits entschieden, dass Steuerberater seit dem 1. Januar 2023 verpflichtet sind, das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) zu nutzen. Diese Nutzungspflicht besteht – wie sich aus § 86e, § 157e StBerG ergibt – auch für jede im Steuerberaterverzeichnis (vgl. § 86b StBerG) eingetragene Berufsausübungsgesellschaft (Steuerberatungsgesellschaft) im Sinne von § 3 Satz 1 Nr. 2, § 49 StBerG (BFH-Beschluss vom 23. Januar 2024 IV B 46/23, BFH/NV 2024, 392). Im Streitfall ist Prozessbevollmächtigte des Klägers die M-UG (hb) Steuerberatungsgesellschaft, welche als eine in das bei der Bundessteuerberaterkammer nach § 86b StBerG geführte amtliche Steuerberaterverzeichnis eingetragene Berufsausübungsgesellschaft verpflichtet ist, seit dem 1. Januar 2023 das beSt zu nutzen.
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1.2. Der Umstand, dass der Kläger die Klage innerhalb der Klagefrist per Telefax gemäß § 47 Abs. 2 FGO beim Finanzamt erhoben hat, ändert an dem Formmangel nichts. Zwar kann gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO die Klage fristwahrend auch bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung erlassen hat, angebracht werden. Allerdings gelten auch in diesem Fall die formalen Anforderungen des § 52a FGO für die elektronische Übermittlung schriftlich einzureichender Dokumente (vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 2. Mai 2019 7 K 7019/19, Juris; FG-Hamburg vom 22. Januar 2019 2 K 212/18, Juris; FG Münster vom 26. April 2017 7 K 2792/14 E, Juris; Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO § 52a FGO Rn. 3; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO/FGO, § 47 Rn. 159). Es sind keine Gründe erkennbar, an eine beim Finanzamt eingereichte Klage geringere Formanforderungen zu stellen. Das Finanzamt fungiert nur im Hinblick auf die Fristwahrung quasi als „Briefkasten“ des Finanzgerichts, weitere Erleichterungen sieht das Gesetz nicht vor. Andernfalls würden die gesteigerten formalen Anforderungen des §§ 52a, 52d FGO obsolet, wenn über den Weg der Anbringung gemäß § 47 Abs. 2 FGO mühelos per Telefax Klage erhoben werden könnte. Das Finanzamt verfügt im Streitfall auch über ein besonderes elektronisches Behördenpostfach (beBPO), da es gemäß § 52d FGO seit dem 1. Januar 2022 selbst zur elektronischen Einreichung verpflichtet ist.
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1.3. Eine wirksame Ersatzeinreichung der Klage in Papierform liegt nicht vor. Gemäß § 52d Satz 3 FGO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften (zum Beispiel durch Telefax) zulässig, wenn dem nutzungsverpflichteten Einreicher eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen (§ 52d Satz 4 FGO). § 52d Satz 3 FGO greift bei technischen Problemen im Rahmen der Verwendung des vollständig eingerichteten beSt ein. In einem derartigen Fall ist die vorübergehende Unmöglichkeit bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. „Unverzüglich“ bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Der Zeitraum des unverschuldeten Zögerns im Sinne des § 52d Satz 4 FGO ist eng zu fassen. Zur Glaubhaftmachung gehört jedenfalls eine Schilderung der tatsächlichen Umstände, die eine vorübergehende technische Unmöglichkeit rechtfertigen können (BFH-Beschluss vom 23. Januar 2024 IV B 46/23, BFH/NV 2024, 392).
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Hieran fehlt es im Streitfall. Mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Juli 2023 wurde der Prozessbevollmächtigten mitgeteilt, dass die Klage nicht den Anforderungen des § 52d FGO entspricht. Im Streitfall hat die Prozessbevollmächtigte aber weder bei Übermittlung der Klage per Telefax am 28. Juni 2023 noch unverzüglich danach technische Probleme glaubhaft gemacht. Der Vortrag der Prozessbevollmächtigten fast vier Monaten nach der Übermittlung des Klageschriftsatzes per Telefax ist nicht unverzüglich im Sinne des § 52d Satz 4 FGO. Dies überschreitet bei Weitem den gesetzlich zulässigen Zeitrahmen für eine nachträgliche Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit. Die Ersatzeinreichung ist bereits aus diesem Grund unwirksam (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Januar 2024 IV B 46/23, BFH/NV 2024, 392). Offenbleiben kann, ob der Vortrag der Prozessbevollmächtigten im Wiedereinsetzungsantrag vom 25. Oktober 2023 ausreichend glaubhaft ist.
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1.4. Entgegen der Ansicht des Klägers war die Rechtsbehelfsbelehrungdes Finanzamts auch nicht fehlerhaft, so dass sich die Frist zur Einlegung des Rechtsbehelfs nicht auf ein Jahr verlängerte (§ 55 Abs. 1 und Abs. 2 FGO).
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1.4.1. Nach § 55 Abs. 1 FGO beginnt die Frist für einen Rechtsbehelf nur zu laufen, wenn der am Verfahren Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Behörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz (der Behörde oder des Gerichts) und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist diese Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, sodass die reguläre Klagefrist nicht zu laufen begonnen hat, so ist die Einlegung einer Klage nach Maßgabe des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung im Sinne des § 54 Abs. 1 FGO zulässig.
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1.4.2. Eine Rechtsbehelfsbelehrungist dann unrichtig erteilt, wenn sie in einer der gemäß § 55 Abs. 1 FGO wesentlichen Aussagen unzutreffend beziehungsweise derart unvollständig oder missverständlich gefasst ist, dass hierdurch – bei objektiver Betrachtung – die Möglichkeit zur Fristwahrung gefährdet erscheint (BFH-Beschluss vom 28.04.2015 – VI R 65/13, Rz 15; BFH-Urteil vom 28.04.2020 – VI R 41/17, BStBl II 2020, 531, Rz 16). Ob das der Fall ist, bestimmt sich danach, wie der Erklärungsempfänger die Rechtsbehelfsbelehrungoder ergänzenden Angaben nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der ihm bekannten Umstände verstehen musste (BFH-Beschluss vom 2. Februar 2024 VI B 13/23, BFH/NV 2024, 412).
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Die Vorschrift des § 55 Abs. 1 FGO verlangt keine Belehrung über die einzuhaltende Form der Klageerhebung. Somit ist eine solche auch nicht erforderlich, um den Lauf der Klagefrist in Gang zu setzen. Die für die Klageerhebung einzuhaltende Form ergibt sich in erster Linie aus der Vorschrift des § 64 Abs. 1 FGO, darüber hinaus erweitert durch die Vorschrift des § 52a FGO und eingeschränkt durch die seit dem 1. Januar 2023 geltende und im Streitfall anzuwendende Vorschrift des § 52d FGO. Soweit die einer Einspruchsentscheidung angefügte Rechtsbehelfsbelehrungdennoch Ausführungen über die Form der Klageerhebung enthält, gehören diese somit nicht zum zwingend notwendigen – wenn auch für den Empfänger nützlichen – Inhalt der Belehrung (vgl. Hartmann in Gosch AO/FGO, § 55 FGO Rn. 34; Leipold in Hübschmann/Hepp/Spitaler AO/FGO § 55 FGO Rn. 34; Brandis in Tipke/Kruse AO/FGO § 55 FGO Rn. 8; Malzahn in Schwarz/Pahlke AO/FGO, § 55 FGO Rn 20). Insbesondere zählt nach der Rechtsprechung des BFH ein Hinweis auf die für bestimmte Vertretungsberechtigte geltende Verpflichtung, eine Nichtzulassungsbeschwerde und ihre Begründung an den BFH ausschließlich als elektronisches Dokument zu übermitteln (§ 52d FGO), nicht zu den nach § 55 Abs. 1 FGO zwingend vorgeschriebenen Angaben einer Rechtsbehelfsbelehrung(BFH-Beschluss vom 2. Februar 2024 VI B 13/23, BFH/NV 2024, 412).
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1.4.3. Im Streitfall war die Rechtsbehelfsbelehrungdes Finanzamts nach diesen Maßstäben vollständig, zutreffend und auch nicht missverständlich, so dass die einmonatige Klagefrist regulär zu laufen begann. In der Rechtsbehelfsbelehrungder Einspruchsentscheidung heißt es zwar zunächst nur, dass die Klage „schriftlich oder als elektronisches Dokument einzureichen oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erklären ist“. Diese allgemeinen, primär Steuerpflichtige – die nicht vertreten werden – betreffenden Ausführungen werden zum Schluss ergänzt durch die Sätze: „Die Voraussetzungen zur elektronischen Einreichung regelt § 52a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Zur verpflichtenden Übermittlung elektronischer Dokumente siehe § 52d FGO.“
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Ausreichend für den Inhalt einer Rechtsbehelfsbelehrung ist, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich des Fristbeginns den Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmung wiedergibt. Dies gilt erst recht, wenn Angaben zur Form gemacht werden, die schon dem Grunde nach nicht zwingender Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung sind. Nach diesen Maßstäben genügt es, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung auf § 52a FGO und § 52d FGO, wonach die elektronische Einreichung verpflichtend ist, verwiesen wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Mai 2021 II S 5/21, BFH/NV 2021, 1204). Der Hinweis in der Rechtsbehelfsbelehrung, dass die Frist als gewahrt gilt, wenn die Klage beim Finanzamt innerhalb der Frist angebracht wird, bezieht sich lediglich auf die Frist. Zu den Angaben der Form der Klageerhebung werden in diesem Zusammenhang keine Angaben gemacht. Nach der Rechtsprechung des BFH genügt es für die Klarheit der Rechtsbehelfsbelehrung, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung den Gesetzeswortlaut der einschlägigen Bestimmung wiedergibt und verständlich über die allgemeinen Merkmale des Fristbeginns bzw. Fristlaufs unterrichtet. Letzteres setzt nicht voraus, dass in der Rechtsbehelfsbelehrung den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung zu tragen ist. Vielmehr genügt eine abstrakte Belehrung anhand des Gesetzestextes über die vorgeschriebene Anfechtungsfrist (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Mai 2021 II S 5/21, BFH/NV 2021, 1204). Aus diesem Grund ist ein ausdrücklicher Hinweis, dass die verpflichtende Übermittlung elektronsicher Dokumente durch Steuerberater auch bei der Anbringung der Klage beim Finanzamt gilt, nicht erforderlich. In einer Rechtsbehelfsbelehrung kann nicht auf sämtliche Modalitäten hingewiesen werden. Nach der Rechtsprechung des BFH muss die Rechtsmittelbelehrung in einem finanzgerichtlichen Urteil nicht einmal einen Hinweis auf die für bestimmte Prozessvertreter bestehende Pflicht zur elektronischen Übermittlung einer Nichtzulassungsbeschwerde und ihrer Begründung (§ 52d FGO) enthalten (BFH-Beschluss vom 2. Februar 2024 VI B 13/23, BFH/NV 2024, 412).
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1.5. Bei der nochmaligen Einreichung der Klageschrift vom 28. Juni 2023 über das beSt am 25. Oktober 2023 war die Klagefrist, welche am 3. Juli 2023 endete, bereits abgelaufen.
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2. Dem Kläger kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) nicht gewährt werden.
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2.1. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm gemäß § 56 Abs. 1 FGO auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. In formeller Hinsicht setzt die Gewährung der Wiedereinsetzung voraus, dass innerhalb einer Frist von zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz FGO) nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll.
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Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 13.09.2012 – XI R 40/11, BFH/NV 2013, 213, Rz 14; vom 04.08.2020 – XI R 15/18, BFH/NV 2021, 29, Rz 18). Jedes Verschulden – mithin auch einfache Fahrlässigkeit – schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17.02.2010 – I R 38/09, BFH/NV 2010, 1283; vom 13.09.2012 – XI R 48/10, BFH/NV 2013, 212, Rz 12). Nach § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 155 Satz 1 FGO muss sich jeder Beteiligte das Verschulden seines Prozessbevollmächtigten wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 15.05.2019 – XI R 14/17, BFH/NV 2019, 924, Rz 7).
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2.2. Ausgehend davon erfüllt der Wiedereinsetzungsantrag des Klägers diese Voraussetzungen nicht.
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Die Prozessbevollmächtigte des Klägers – deren Verschulden sich der Kläger zurechnen lassen muss – hat die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen können, nicht innerhalb der Frist von zwei Wochen vollständig, substantiiert und in sich schlüssig dargelegt. Offenbleiben kann hier, ob dem Kläger bereits bei Klageerhebung bewusst war, dass die Übermittlung der Klage per Telefax an das Finanzamt den gesetzlichen Vorgaben des § 52d FGO nicht entspricht. Spätestens aber durch das Schreiben des Gerichts vom 17. Juli 2023 wurde die Prozessbevollmächtigte durch das Gericht darauf hingewiesen, dass die Klageerhebung durch Telefax vom 28. Juni 2023 an das Finanzamt die Voraussetzungen des § 52a FGO nicht erfüllt und § 52d FGO eine von Amts wegen zu berücksichtigende Formvorschrift darstellt. Dieses Schreiben hat die Klägervertreterin auch erhalten (vgl. Schreiben der Klägervertreterin vom 19. Dezember 2023). Spätestens ab diesem Zeitpunkt lief die Frist zur Antragstellung nach § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO. Auf den gerichtlichen Hinweis vom 28. November 2023 der Berichterstatterin kommt es deshalb nicht mehr an. Da der Kläger aber die Umstände des Funktionsausfalls des Kartenlesegeräts erst mit Schreiben vom 25. Oktober 2023 darlegte, war die Frist von zwei Wochen jedenfalls abgelaufen.
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Abgesehen davon ist bei einer vorübergehenden technischen Störung des beSt eine etwaige fehlende beziehungsweise fehlerhafte Kenntnis der sich aus § 52d FGO ergebenden Rechtslage für Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe nicht entschuldbar (vgl. BGH-Beschluss vom 15.12.2022 – III ZB 18/22, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht 2023, 189, Rz 9, zu § 130d ZPO). Hätte die Prozessbevollmächtigte in dieser Situation die Voraussetzungen des § 52d Satz 3 und 4 FGO beachtet, wäre die Einlegungsfrist auch ohne Übermittlung des Schriftsatzes als elektronisches Dokument gewahrt worden (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Januar 2024 IV B 46/23, BFH/NV 2024, 392).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird zugelassen, weil höchstrichterlich noch nicht geklärt ist, ob eine Nutzungspflicht des beSt auch bei Anbringung der Klage beim Finanzamt besteht.