Inhalt

VG München, Urteil v. 06.03.2024 – M 5 K 19.5590
Titel:

Zuvielarbeit, Feuerwehr, Opt-Out-Erklärung, unionsrechtlicher Entschädigungsanspruch, qualifizierter Verstoß (hier verneint), beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch, Ausgleich in Freizeit, Mehrarbeitsvergütung, Feststellungsklage

Normenketten:
BayAzV § 4
RL 2003/88/EG
Schlagworte:
Zuvielarbeit, Feuerwehr, Opt-Out-Erklärung, unionsrechtlicher Entschädigungsanspruch, qualifizierter Verstoß (hier verneint), beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch, Ausgleich in Freizeit, Mehrarbeitsvergütung, Feststellungsklage
Fundstelle:
BeckRS 2024, 7878

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der 1958 geborene Kläger steht als Oberbrandinspektor (Besoldungsgruppe A 10) seit … Oktober 1977 in den Diensten der Beklagten und begehrt Freizeitausgleich bzw. einen finanziellen Ausgleich auf Grund geleisteter Zuvielarbeit.
2
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit des Klägers beträgt seit dem 1. Januar 2014 durchschnittlich über 48 Stunden, wobei der von dem Kläger zu leistende Einsatzdienst in Form von 24-Stunden-Schichten erbracht wird.
3
Mit Dienstvereinbarung vom 13. Dezember 2013 mit Wirkung vom 1. Januar 2014 vereinbarten der Beklagte und der Personalrat der Beklagten, dass für den Dienstbetrieb im Wachdienst unter anderem gilt, dass eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 56 Stunden festgelegt wird. Weiter ist geregelt, dass der Dienstrhythmus im Wechsel zwischen 24 Stunden Wachschichten und Freischichten eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 56 Stunden ergibt, was zudem im Wege einer Individualvereinbarung (Opt-Out) vereinbart werden soll. Die vom Kläger abgeschlossene Opt-Out Erklärung sieht eine Widerrufsfrist von sechs Monaten zum Ablauf eines Kalenderjahres vor sowie eine regelmäßige durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 52 Stunden. Die Dienstvereinbarung sieht unter Nr. 2.3 „Arbeitszeitverkürzung“ deshalb vor, dass auf Grund des Dienstrhythmus in einer 56-Stunden-Woche entgegen der Opt-Out vereinbarten 52-Stunden-Woche den Beamten pro Kalenderjahr ein pauschaler Ausgleich von acht Wachtagen Freizeitausgleich gewährt wird.
4
Mit Schreiben vom … Dezember 2013 beantragte der Kläger, ihm für die über die nach EU-Recht geltende Höchstarbeitszeit geleisteten Dienste Freizeitausgleich oder eine finanzielle Entschädigung für die seit dem 1. September 2007 geleistete Zuvielarbeit zuzuerkennen.
5
Dies wies die Beklagte mit Schreiben vom … Dezember 2013 zurück. Die Beamten hätten allesamt die Opt-Out-Erklärungen freiwillig unterzeichnet. Diese Opt-Out Erklärungen seien unter Beachtung des § 4 der Verordnung über die Arbeitszeit für den bayerischen öffentlichen Dienst (Bayerische Arbeitszeitverordnung – BayAzV) erstellt worden.
6
Mit Schreiben vom … Januar 2014 erhob die Klagepartei Widerspruch, welchen die Beklagte mit Schreiben vom … Januar 2014 zunächst ruhend stellte. Zwischen den Beteiligten wurde die Durchführung von vier Musterklageverfahren vereinbart.
7
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 26. November 2017 hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
8
1. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für die in der Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 30. September 2017 über die Höchstwochenarbeitszeit von 48 Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit von insgesamt 759,15 Stunden vollen Freizeitausgleich zu gewähren,
9
hilfsweise, d.h. im Falle der Ablehnung des Hauptantrags zu 1.
10
a) die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für die in der Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 30. September 2017 über die Höchstwochenarbeitszeit von 48 Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit von insgesamt 759,15 Stunden eine Entschädigung in Geld nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 14.807,62 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
11
hilfsweise, d.h. im Falle der Ablehnung des Hauptantrags zu 1. und des ersten Hilfsantrags zu a),
12
b) die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für die in der Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 30. September 2017 über die Höchstwochenarbeitszeit von 48 Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit von insgesamt 579,00 Stunden vollen Freizeitausgleich zu gewähren,
13
hilfsweise, d.h. im Falle der Ablehnung des zweiten Hilfsantrags zu b),
14
c) die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für die in der Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 30. September 2017 über die Höchstwochenarbeitszeit von 48 Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit von insgesamt 579,00 Stunden eine Entschädigung in Geld nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung in Höhe von 11.299,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
15
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die nach dem 30. September 2017 über die Höchstwochenarbeitszeit von 48 Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit vollen Freizeitausgleich zu gewähren,
16
hilfsweise, d.h. im Falle der Ablehnung des Hauptantrags zu 2.
17
a) es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die nach dem 30. September 2017 über die Höchstwochenarbeitszeit von 48 Stunden hinaus geleistete Arbeitszeit eine Entschädigung in Geld nach dem jeweils geltenden Stundensatz für die Mehrarbeitsvergütung zu zahlen.
18
Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung zu. Es bestehe ein unionsrechtlicher und ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch. Der Kläger leiste eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von durchschnittlich 52,5 Stunden.
19
Von der in § 4 Abs. 2 BayAzV vorgesehenen Möglichkeit, die Arbeitszeit der Beamten auf bis zu 56 Stunden in der Woche zu verlängern, habe die Beklagte Gebrauch gemacht, indem sie die Arbeitszeit in der am 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Änderungsdienstvereinbarung mit entsprechender Opt-Out-Erklärung auf durchschnittlich 52 Stunden in der Woche festgelegt habe. Durch diese Vorgehensweise habe die Beklagte jedoch gegen Art. 6 b) der RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) verstoßen, wonach die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreiten dürfe. An diesem Verstoß gegen Art. 6 b) Arbeitszeitrichtlinie ändere auch die Tatsache nichts, dass es die Öffnungsklausel des Art. 22 Abs. 1 Arbeitszeitrichtlinie erlaube, Art. 6 der Arbeitszeitrichtlinie unter bestimmten Voraussetzungen nicht anzuwenden. Zwar bestimmt Art. 22 Abs. 1 a) Arbeitszeitrichtlinie, dass es einem Mitgliedstaat freigestellt sei, Artikel 6 nicht anzuwenden, wenn er die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalte und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Artikel 16 b) RL genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentagezeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt.
20
Die Öffnungsklausel des Art. 22 Abs. 1 Arbeitszeitrichtlinie sei fehlerhaft ins deutsche Recht umgesetzt worden, so dass ein qualifizierter Verstoß gegen eine unionsrechtliche Vorschrift vorliege. Behörden und Gerichte seien aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts gehalten, die Vorgaben der Richtlinie zu befolgen und entgegenstehendes nationales Recht unangewendet zu lassen.
21
Die fehlerhafte Umsetzung ergebe sich bereits daraus, dass dies lediglich auf Verordnungsebene erfolgt sei und nicht durch ein förmliches Landesgesetz. Weiter sei Sinn und Zweck der Ausnahmeregelungen des Art. 22 Abs. 1 Arbeitszeitrichtlinie sowie des § 4 Abs. 2 BayAzV, den jeweiligen Beamten selbst darüber entscheiden zu lassen, ob er sich zu einer höheren durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit bereit erklären will. Die Opt-Out Erklärungen seien jedoch auf eine Vielzahl von Beamten angewandt worden und nicht für den Einzelfall ausgehandelt worden.
22
§ 4 Abs. 1 Satz 1 BayAzV verlängere die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit in einem Bezugszeitraum von 12 Monaten. Insoweit würde § 4 Abs. 1 Satz 2 BayAzV eine unzulässige Regelung des Bezugszeitraumes darstellen, da Art. 16 Arbeitszeitrichtlinie bestimme, dass die Mitgliedstaaten für die Anwendung der folgenden Artikel einen Bezugszeitraum vorsehen könnten, wobei nach Art. 16 b) Arbeitszeitrichtlinie für Artikel 6 (wöchentliche Höchstarbeitszeit) ein Bezugszeitraum von bis zu vier Monaten festgelegt werden könne.
23
Zudem sei die Öffnungsklausel des Art. 22 Abs. 1 Arbeitszeitrichtlinie auch dadurch fehlerhaft umgesetzt, da in Opt-Out-Erklärungen geregelt sei, dass die Opt-Out-Erklärung ausschließlich zum Ablauf eines Kalenderhalbjahres mit einer Frist von sechs Monaten schriftlich widerrufen werden könne. Die Beklagte habe den in Art. 22 Abs. 1 a) i.V.m. Art. 6 b) i.V.m. Art. 16 b) der Arbeitszeitrichtlinie geregelten Bezugszeitraum von vier Monaten in europarechtswidriger Weise auf zumindest sechs Monate ausgedehnt. Die Regelung des Bezugszeitraums von vier Monaten sei eine nicht verzichtbare Schutzvorschrift der Beschäftigten, die gewährleisten soll, dass der Beschäftigte die Möglichkeit habe, spätestens nach vier Monaten wieder zur 48-Stunden-Woche zurückzukehren und damit sicherstelle, dass der Beschäftigte selbst prüfen könne, ob er den gesundheitlichen Anforderungen der erhöhten Arbeitszeit noch gerecht werde.
24
Dem Kläger stehe ein unionsrechtlicher und ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung dieses Anspruchs gegenüber der Beklagten zu. Eine vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte pauschale Berechnungsmethode für Zuvielarbeit ergebe einen Freizeitausgleich des Klägers in Höhe von 759,15 Stunden. Von den 52 Wochen eines Kalenderjahres seien sieben Wochen abzuziehen, sodass auszugleichende Zuvielarbeit für 45 Wochen à 4,5 Stunden pro Woche, somit 202,5 Stunden pro Jahr bzw. 16,87 Stunden pro Monat vorliege. Der streitgegenständliche Zeitraum betrage 45 Monate, sodass sich eine Gesamtsumme von 759,15 Stunden ergebe.
25
Die Hilfsanträge zu 1 a) zu 1 c) und 2 a) würden Geltung erlangen, sofern der Kläger den Ausgleichsanspruch in Form von Freizeitausgleich aus vom Beamten nicht zu vertretenden Gründen nicht in angemessener Zeit in Anspruch nehmen könne. Der Ausgleich sei dann durch eine finanzielle Entschädigung zu gewähren.
26
Der Hilfsantrag zu 1 b) greife für den Fall, dass die Öffnungsklausel europarechtskonform umgesetzt worden sei. Da weder in der Richtlinie noch in der Arbeitszeitverordnung geregelt sei, wie geleistete Mehrarbeit abgegolten werde, sei auf Art. 87 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) abzustellen. Dort sei bestimmt, dass dann, wenn Beamte durch dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht würden, innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren sei. Die Mehrarbeit sei durch die Opt-Out-Erklärung auch angeordnet worden und der Dienstherr habe ein dienstliches Bedürfnis für die Mehrarbeit erkennen lassen. Der Kläger habe im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis 30. September 2017 insgesamt 579,00 Stunden auszugleichende Mehrarbeit geleistet. Dies ergebe eine konkrete Berechnung anhand der geleisteten Wachtage.
27
Der Kläger habe auch ein berechtigtes Interesse an der erstrebten Feststellung. Ein schutzwürdiges anzuerkennende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sei gegeben, da der Kläger auch über den 30. September 2017 hinaus bei der Beklagten beschäftigt sei und nach wie vor 52,50 Stunden in der Woche Dienst verrichte, sodass ihm die Ansprüche auch nach dem 30. September 2017 zustehen würden.
28
Mit Beschluss vom 20. Juni 2018 wurde das Verfahren ruhend gestellt.
29
Mit Schriftsatz vom 11. November 2019 hat die Beklagte darum gebeten, dass ruhende Verfahren fortzuführen und beantragt,
30
die Klage abzuweisen.
31
Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts München M 5 K 12.5969 sowie M 5 K 14.5855, welche ebenfalls die Frage der Ausgleichsansprüche wegen Zuvielarbeit bei Abgabe einer Opt-Out-Erklärung zum Gegenstand gehabt hätten, seien nun rechtskräftig. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe im Verfahren 3 BV 16.2472 die Berufung zurückgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Beschluss vom 2. Juli 2019 (2 B 78.18) die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision zurückgewiesen.
32
Auch die hiesige Klage sei unter Zugrundelegung der oben genannten Entscheidungen unbegründet.
33
Die Beklagtenpartei hat mit Schreiben vom 15. September 2023, die Klagepartei mit Schreiben vom 12. Dezember 2023 auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
34
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
35
Über die Streitsache kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
II.
36
Die zulässige Leistungsklage ist unbegründet. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Freizeitausgleich noch auf die beantragte Mehrarbeitsvergütung. Ihm stehen die geltend gemachten Ansprüche auf Freizeitausgleich in Höhe von 759,15 Stunden (Hauptantrag), auf Freizeitausgleich in Höhe von 579,00 Stunden (Hilfsantrag Nr. 1 b) sowie Zahlung von 14.807,62 EUR (Hilfsantrag Nr. 1 a) bzw. 11.299,75 EUR (Hilfsantrag Nr. 1 c) nicht zu.
37
Grundsätzlich haben Beamte, von denen eine über der in Art. 6 b) der RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (Arbeitszeitrichtlinie) liegende durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 48 Stunden liegende Dienstzeit verlangt wurde, ab 1. Januar 2001 Anspruch auf Ausgleich der unionswidrig geleisteten Zuvielarbeit. Ein solcher Anspruch ergibt sich sowohl als unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch wie auch als beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch. Dieser ist vorrangig durch Freizeit auszugleichen. Kann aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht innerhalb eines Jahres Freizeitausgleich gewährt werden, wandelt sich der Ausgleichsanspruch in einen Geldanspruch um (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 26.7.2012 – 2 C 29/11 – BVerwGE 143, 381 – juris).
38
1. Ein unionsrechtlicher Anspruch auf Freizeitausgleich (Hauptantrag Nr. 1) bzw. ein Entschädigungsanspruch (Hilfsantrag Nr. 1 a) für die durchschnittlich geleistete wöchentliche Arbeitszeit des Klägers von 52 Stunden steht dem Kläger nicht zu.
39
Entgegen der Berechnung der Klagepartei auf Seite 26 f. im Schriftsatz vom 26. November 2017 ist das Gericht – nach Aktenlage und gegenteiliger Ausführungen der Beteiligten – davon überzeugt, dass der Kläger keine regelmäßige geleistete wöchentliche Arbeitszeit von 52,50 Stunden, sondern von 52 Stunden, wie in der Opt-Out-Erklärung vereinbart, geleistet hat, da die Berechnungen auf Seite 26 f. im Schriftsatz des Klägers den in der Dienstvereinbarung unter Nrn. 2.2 und 2.5 geregelten Freizeitausgleich von 3 Wachtagen unberücksichtigt lassen. Auch die konkreten Berechnungen der zuviel geleisteten Stunden auf Seite 39 ff. im Schriftsatz der Klagepartei vom 26. November 2017 betreffend dem Hilfsantrag 1. b kommen zu einer niedrigeren regelmäßig geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit.
40
Ein solcher Anspruch setzt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (U.v. 25.11.2010 – C-429/09, Fuß-II – juris Rn. 49 ff.) und des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 26.7.2012 – 2 C 29/11 – BVerwGE 143, 381, juris Rn. 15 ff.) voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, dem Geschädigten Rechte verleiht, der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist und zwischen dem Verstoß und dem Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht.
41
a) Die erste Voraussetzung liegt vor. Art. 6 b) der Arbeitszeitrichtlinie verleiht mit der Festsetzung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit dem Einzelnen Rechte, die dieser nach Ablauf der Frist zur Umsetzung in das Arbeitszeitrecht des Beklagten unmittelbar vor den nationalen Gerichten geltend machen kann (EuGH, U.v. 25.11.2010 – C-429/09, Fuß-II – juris Rn. 49 f.; BVerwG, U.v. 26.7.2012 – 2 C 29/11 – BVerwGE 143, 381, juris Rn. 16).
42
b) Allerdings liegt kein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen diese Vorschrift vor.
43
aa) Art. 6 b) der Arbeitszeitrichtlinie findet vorliegend keine Anwendung. Art. 22 Abs. 1 a) der Arbeitszeitrichtlinie stellt es einem Mitgliedsstaat frei, die Vorschrift des Art. 6 nicht anzuwenden, wenn der Mitgliedstaat u.a. die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhält und mit den erforderlichen Maßnahmen dafür sorgt, dass kein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer verlangt, im Durchschnitt des in Art. 16 b) der Arbeitszeitrichtlinie genannten Bezugszeitraums mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentagezeitraums zu arbeiten, es sei denn der Arbeitnehmer hat sich hierzu bereit erklärt. Weiter ist in der Vorschrift u.a. festgelegt, dass keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, eine solche Arbeit zu leisten. Nach Art. 16 b) der Arbeitszeitrichtlinie beträgt der Bezugszeitraum für die wöchentliche Höchstarbeitszeit entsprechend Art. 6 der Arbeitszeitrichtlinie vier Monate.
44
bb) Da der Kläger eine Individualvereinbarung (Opt-Out-Regelung) mit der Beklagten unterschrieben hat, dass er ab dem 1. Januar 2014 bereit ist, in einem Zeitraum von 12 Monaten über die 48 Stunden hinaus Dienst mit einer durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 52 Stunden zu leisten, kommt Art. 6 b) der Arbeitszeitrichtlinie nicht zum Tragen. In der Opt-Out-Regelung wird auf die Möglichkeit des Widerrufs sowie den Umstand, dass dem Beamten dadurch keine Nachteile entstehen, hingewiesen.
45
Die Individualvereinbarung konnte in rechtmäßiger Weise zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossen werden, obwohl § 4 Abs. 2 der Bayerischen Arbeitszeitverordnung (BayAzV), wonach die wöchentliche Höchstarbeitszeit auf bis zu 56 Stunden ausgedehnt werden kann, ausdrücklich keinen Bezugszeitraum enthält.
46
Bei der geschlossenen Opt-Out-Vereinbarung handelt es sich um eine Individualvereinbarung i.S.v. § 4 Abs. 2 BayAzV. Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass der Beklagte derartige Vereinbarungen mit nahezu jedem bei ihr beschäftigen Feuerwehrbeamten abgeschlossen hat und dabei die Einzelheiten der jeweiligen Vereinbarung nicht „individuell ausgehandelt“ worden sind. Denn eine auf solche im Einzelfall ausgehandelte Vereinbarungen verengte Sichtweise wird dem Bedeutungsgehalt des Begriffs „Individualvereinbarung“ nicht gerecht. Die „Individualvereinbarung“ ist mit Blick auf den Sinn und Zweck der Regelung, den jeweiligen Beamten (bei Einhaltung weiterer Voraussetzungen) selbst darüber entscheiden zu lassen, ob er sich zu einer höheren durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit bereit erklären will, in Abgrenzung zur Kollektivvereinbarung oder einseitigen Anordnung durch den Dienstherrn zu sehen. Die hier im Streit stehende Opt-Out-Vereinbarung wurde jedoch mit jedem einzelnen Beamten, der über den Abschluss frei entscheiden konnte, jeweils (individuell) getroffen (OVG NW, B.v. 6.3.2015 – 6 A 2272/13 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 14.9.2018 – 3 BV 16.2472 – BeckRS 2018, 47104, Rn. 33). Es ist auch nicht anzunehmen, dass die lediglich zum Halbjahresende bestehende Widerrufsmöglichkeit eine nicht mehr mit dem Erfordernis der Freiwilligkeit zu vereinbarende Einschränkung darstellen würde (OVG NW, B.v. 6.3.2015 – 6 A 2272/13 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 14.9.2018 – 3 BV 16.2472 – BeckRS 2018, 47104, Rn. 34).
47
cc) Der Rüge des Klägerbevollmächtigten, dass Art. 22 der Arbeitszeitrichtlinie fehlerhaft umgesetzt sei, da § 4 BayAzV nur eine Regelung im Wege der Verordnung und nicht in Gesetzesform treffe, ist entgegenzutreten. Denn für die Umsetzung der unionsrechtlichen Richtlinien überlässt Art. 288 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) den mitgliedstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Es bedarf nicht notwendig in jedem Mitgliedstaat eines Umsetzungsaktes des formellen Gesetzgebers in Gestalt der wörtlichen Übernahme der Richtlinienbestimmungen in eine ausdrückliche, besondere Gesetzesvorschrift. Vielmehr reicht es – je nach Richtlinieninhalt – aus, wenn ein allgemeiner rechtlicher Rahmen bestehender verfassungs- und verwaltungsrechtlicher Grundsätze die innerstaatliche Anwendung der Richtlinie sicherstellt. Dem Grundsatz des „effet utile“ genügen jedenfalls Parlamentsgesetze und Rechtsverordnungen (Ruffert in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Auflage 2022, Art. 288 AEUV Rn. 33).
48
Auch hat sich der Bayerische Gesetzgeber mit Erlass des Art. 87 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) nicht dergestalt festgelegt, dass alle Regelungen betreffend die Arbeitsleistung über die regelmäßige Wochenarbeitszeit hinaus durch ein förmliches Gesetz erfolgen müssen. Vielmehr steht es dem Gesetzgeber frei, die konkrete Ausgestaltung selbst zu wählen und in Form einer Verordnung vorzunehmen. Ein förmliches Gesetz ist insbesondere deshalb nicht erforderlich, da mit der Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie keine anderslautende, in einem formellen Gesetz enthaltene Norm ersetzt werden muss. Denn die Ersetzung wäre nur durch eine Regelung möglich, die denselben oder einen höheren Rang hat wie die zu ersetzende Norm. Vorliegend erfolgte durch die Bayerische Arbeitszeitverordnung jedoch eine Neuregelung (VG München, U.v. 18.10.2016 – M 5 K 14.5855 – juris Rn. 38).
49
dd) Den Mitgliedstaaten ist es nach Art. 17 Abs. 3 c) iii) der Arbeitszeitrichtlinie unbenommen, vom in Art. 16 b) der Arbeitszeitrichtlinie genannten Bezugszeitraum abzuweichen. Art. 19 UAbs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie erlaubt die Festlegung eines höchstens zwölfmonatigen Bezugszeitraums, wenn die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer gewahrt werden und ein solcher in den Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen Sozialpartnern aus objektiven, technischen oder arbeitsorganisatorischen Gründen fixiert wird.
50
Maßstabsbildende Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Frage der Notwendigkeit eines Bezugszeitraums und zur Auslegung des Begriffs „im Durchschnitt des in Artikel 16 b) genannten Bezugszeitraums“ i.S.v. Art. 22 Abs. 1 a) RL 2003/88/EG oder der Vorgängerrichtlinie gibt es für den Fall des „Opt-Out“ bislang nicht. Das gilt auch für das Urteil des Gerichtshofs vom 5. Oktober 2004 (C-397/01 – juris Rn. 98) für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums. Dieses Urteil bezieht sich auf Art. 18 Abs. 1 b) der Vorgängerrichtlinie 1993/104/EG, der allerdings im Wesentlichen mit Art. 22 RL 2003/88/EG vergleichbar ist. In diesem Urteil führt der Gerichtshof aber nur aus, dass die Inanspruchnahme der Möglichkeit, die Grundsatznorm des Art. 6 der Richtlinie nicht anzuwenden, voraussetzt, dass die Mitgliedstaaten die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer einhalten und bestimmte – in der Richtlinie genannte – kumulative Voraussetzungen erfüllen. Für die Frage der Festlegung eines Bezugszeitraums folgt daraus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 a) RL 2003/88/EG nur von dem „in Artikel 16 b) genannten Bezugszeitraum“ die Rede ist.
51
Die Europäische Kommission scheint in ihrer „Mitteilung zu Auslegungsfragen in Bezug auf die RL 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung“ vom 24. Mai 2017 (2017/ C 165/1) davon auszugehen, dass sich auch ein Bezugszeitraum von über zwölf Monaten als zulässig erweist:
52
„Angesichts dieser Formulierung und der Möglichkeit für die Mitgliedstaaten, günstigere Bestimmungen für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer anzuwenden, bedeutet dies nach Ansicht der Kommission, dass die Opt-Out-Regelung in unterschiedlicher Weise genutzt werden kann:
53
- vollständige Abweichung von Artikel 6 und Artikel 16 b) [der Arbeitszeitrichtlinie]: ein Arbeitnehmer kann mehr als 48 Stunden im Durchschnitt während eines zu bestimmenden Bezugszeitraums arbeiten, der auch zwölf Monate überschreiten kann (…)“ (Amtsblatt der Europäischen Union, C 165/1, S. 54).
54
Es liegt nahe, § 4 Abs. 2 BayAzV so auszulegen, dass dort eine erweiternde Abweichung von § 4 Abs. 1 Satz 2 BayAzV unter bestimmten Voraussetzungen im Hinblick auf die wöchentliche Höchstarbeitszeit aber unter Beibehaltung des dort genannten Bezugszeitraums von zwölf Monaten geregelt wird. Jedenfalls ist inhaltlich durch die Dienstvereinbarung und die Opt-Out Erklärung sichergestellt, dass die Obergrenze des Bezugszeitraums nicht überschritten und dem Zweck der Richtlinie, nämlich dem Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer, Rechnung getragen wird (vgl. OVG NW, B.v. 6.3.2015 – 6 A 2272/13 – juris Rn. 11).
55
Eine entsprechende Vereinbarung findet sich in der zwischen dem Beklagten und dem Personalrat geschlossenen Dienstvereinbarung (Art. 73 des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes/BayPersVG) vom 13. Dezember 2013 mit Wirkung vom 1. Januar 2014. Diese nimmt in ihrer Präambel Bezug auf die Opt-Out-Regelung, in der wiederum in Nr. 1 durch die Formulierung „Jahresdurchschnitt“ wohl ein zwölfmonatiger Bezugszeitraum festgelegt worden ist.
56
Nach Ansicht der Kammer ist es unionsrechtskonform, dass der Verordnungsgeber in § 4 Abs. 1 Satz 2 BayAzV einen Bezugszeitraum für die Berechnung des Durchschnitts von 48 Stunden von zwölf Monaten genannt hat, da mit Blick auf Art. 17 bis 19 der Arbeitszeitrichtlinie auch längere Bezugszeiträume zulässig sind.
57
ee) Für die Frage, ob ein unionsrechtlicher Anspruch auf Freizeitausgleich bzw. Entschädigungsanspruch gegeben ist, ist jedoch entscheidend, dass – selbst wenn man einen Verstoß gegen die Arbeitszeitrichtlinie durch die fehlende Festlegung eines Bezugszeitraums in § 4 Abs. 2 BayAzV annehmen wollte – dieser nicht hinreichend qualifiziert ist.
58
Das Bundesverwaltungsgericht sowie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof haben die Frage, ob es unionsrechtskonform ist, dass der Verordnungsgeber in § 4 BayAzV einen Bezugszeitraum für die Berechnung des Durchschnitts von 48 Stunden von zwölf Monaten nennt und § 4 BayAzV somit den Anforderungen von Art. 22 Abs. 1 a) Arbeitszeitrichtlinie gerecht wird offengelassen, da ein qualifizierter Verstoß durch Festlegung eines Bezugszeitraums von zwölf Monaten jedenfalls nicht vorliegt (BVerwG, U.v. 20.7.2017 – 2 C 31/16 – BVerwGE 159, 245, juris Rn. 38, 41; BayVGH, B.v. 14.9.2018 – 3 BV 16.2472 – BeckRS 2018, 47104, Rn. 29; OVG NW U.v. 7.12.2018 – 6 A 2215/15 – ZBR 2019, 315, juris Rn. 134 f).
59
Ein qualifizierter Verstoß liegt vor, wenn der Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Umsetzungsermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat. Ob und wann dies der Fall ist, hängt unter anderem davon ab, wie eindeutig die verletzte Vorschrift ist und wie viel Spielraum dem Mitgliedstaat bei der Umsetzung eingeräumt ist. Ist eine Vorschrift der Auslegung fähig und bedürftig, ist ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht erst dann anzunehmen, wenn die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs verkannt worden ist (vgl. EuGH, U.v. 25.11.2010 – C-429/09, Fuß-II – juris Rn. 51 f. m.w.N.; BVerwG, U.v. 26.7.2012 – 2 C 29/11 – juris Rn. 18).
60
Dass der Freistaat Bayern bei der Regelung der wöchentlich zulässigen Höchstarbeitszeit in § 4 Abs. 2 BayAzV die Grenzen seines Umsetzungsermessens offenkundig und erheblich überschritten hat, ist nicht ersichtlich (vgl. BVerwG, U.v. 20.7.2017 – 2 C 31/16 – BVerwGE 159, 245, juris Rn. 38, 41.; BayVGH, B.v. 14.9.2018 – 3 BV 16.2472 – BeckRS 2018, 47104, Rn. 29; OVG NW, B.v. 6.2.2019 – 6 A 510/16 – juris Rn. 16; U.v. 7.12.2018 – 6 A 2215/15 – ZBR 2019, 315, juris Rn. 134 f.).
61
2. Es besteht kein Anspruch auf Freizeitausgleich in Höhe von 579,00 Stunden (Hilfsantrag Nr. 1 b) sowie Zahlung einer entsprechenden Vergütung in Höhe von 11.299,75 EUR (Hilfsantrag Nr. 1 c) auf Grund eines nationalen beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruches.
62
a) Der Kläger hat keinen beamtenrechtlichen Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung, soweit seine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit oberhalb von 48 Stunden lag.
63
Art. 87 Abs. 2 Satz 1 BayBG sieht vor, dass der Beamte verpflichtet ist, ohne Entschädigung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Nach Art. 87 Abs. 2 Satz 2 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) ist innerhalb eines Jahres für die über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus geleistete Mehrarbeit entsprechende Dienstbefreiung zu gewähren, wenn der Beamte durch dienstlich angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit mehr als fünf Stunden im Monat über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus beansprucht wird. Ist die Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht möglich, so können Beamte an ihrer Stelle nach Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG eine Vergütung erhalten. Gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Besoldungsgesetzes (BayBesG) setzt eine Vergütung nach Art. 87 Abs. 2 Satz 3 BayBG voraus, dass sich die angeordnete oder genehmigte Mehrarbeit auf konkrete, zeitlich abgrenzbare und messbare Dienste bezieht. Darüber hinaus kann die Mehrarbeitsvergütung gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 2 BayBesG nur dann geleistet werden, wenn im Einzelnen nachgewiesen ist, dass eine Dienstbefreiung aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht innerhalb eines Jahres möglich war.
64
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Mehrarbeit der Dienst, den der einer Arbeitszeitregelung unterliegende Beamte aufgrund dienstlicher Anordnung oder Genehmigung zur Wahrnehmung der Obliegenheiten des Hauptamts oder, soweit ihm ein Amt nicht verliehen ist, zur Erfüllung der einem Hauptamt entsprechenden Aufgaben über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus – d.h. nicht im Rahmen des normalen Arbeitsumfangs – verrichtet. Die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit unterliegt keinem Schriftformerfordernis, sie muss sich aber auf konkrete und zeitlich abgegrenzte Mehrarbeitstatbestände beziehen; nicht erforderlich ist, dass im Zeitpunkt der Anordnung oder Genehmigung die Anzahl der zu leistenden oder bereits geleisteten Mehrarbeitsstunden bekannt ist. Der Dienstherr entscheidet über die Anordnung oder Genehmigung von Mehrarbeit nach Ermessen. Dabei hat er insbesondere zu prüfen, ob nach dienstlichen Notwendigkeiten überhaupt Mehrarbeit erforderlich ist und welchem Beamten sie übertragen werden soll. Rechtmäßige Mehrarbeit darf nur verfügt oder erteilt werden, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse dies erfordern und sich die Mehrarbeit auf Ausnahmefälle beschränkt. Danach zeichnet sich Mehrarbeit – neben der Notwendigkeit einer (zwangsläufig) individuellen Ermessensentscheidung, ob überhaupt, und falls ja, von wem Mehrarbeit zu leisten ist – vor allem dadurch aus, dass sie auf Ausnahmefälle beschränkt ist und über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgeht. Letzteres wird bereits vom Wortlaut des Art. 87 Abs. 2 Satz 1 BayBG festgelegt („über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus“). Daraus folgt, dass die regelmäßige Arbeitszeit nicht zugleich Mehrarbeit sein kann. Auch eine rechtswidrig zu hoch festgesetzte regelmäßige Arbeitszeit ist keine Mehrarbeit im Sinne der genannten Vorschriften (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 19.4.2018 – 2 C 40.17 – juris Rn. 13 f.; BayVGH, B.v. 14.9.2018 – 3 BV 16.2472 – BeckRS 2018, 47104, Rn. 40).
65
Soweit die durchschnittliche Arbeitszeit des Klägers über 48 Stunden, nämlich bei bis zu 52 Stunden lag, ist kein Fall von Mehrarbeit gegeben. Auch diese erweiterte Arbeitszeit ist – ungeachtet ihrer Rechtmäßigkeit – regelmäßige Arbeitszeit und damit keine Mehrarbeit.
66
Art. 22 der Arbeitszeitrichtlinie gestattet es, die regelmäßige Arbeitszeit auf freiwilliger Basis höher als in Art. 6 dieser Richtlinie vorgesehen festzulegen, wenn u.a. die allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer eingehalten werden und keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen, dass er nicht bereit ist, eine solche Arbeit zu leisten.
67
Die Anforderungen dieser Regelung hat der Bayerische Verordnungsgeber in § 4 Abs. 2 BayAzV ordnungsgemäß umgesetzt (vgl. bereits BVerwG, U.v. 20.7.2017 – 2 C 31/16 – BVerwGE 159, 245, juris Rn. 25). Danach kann unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 BayAzV überschritten werden, wenn – u.a. – der Beamte sich hierzu bereit erklärt (Nr. 1) und dem Beamten, sofern er nicht zur Überschreitung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit bereit ist oder die Erklärung nach Nummer 1 widerruft, keine Nachteile entstehen (Nr. 2).
68
Bei der in Bezug genommenen Höchstarbeitszeit gemäß § 4 Abs. 2 BayAzV handelt es sich um regelmäßige Arbeitszeit. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Dienstvereinbarung, welche unter Nr. 1 „Dienstplan“ vorsieht, dass sich eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 56 Stunden ergibt. In Nr. 5 „Übergangsregelung“ der Dienstvereinbarung ist dann geregelt, dass zusätzlich zu leistende Arbeitszeit als Mehrarbeit vergütet wird, sodass der Dienstherr nur die Zeiten, die über die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 56 Stunden hinausgehen, als Mehrarbeit angeordnet hat. Den Regelungen in der Dienstvereinbarung und der Opt-Out-Erklärung ist nichts zu entnehmen, das auf eine individuelle, ausnahmsweise Arbeitszeitverlängerung, was Voraussetzung für eine rechtmäßige Anordnung von Mehrarbeit wäre, hindeutet.
69
b) Auch ein nationaler Anspruch auf Freizeitausgleich bzw. finanzieller Abgeltung aus dem auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches/BGB) gestützten beamtenrechtlichen Ausgleichsanspruch liegt nicht vor. Zieht der Dienstherr einen Beamten über die regelmäßige Dienstzeit hinaus zum Dienst heran und ist diese Zuvielarbeit rechtswidrig, so steht dem Beamten ein entsprechender Anspruch zu (BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 2 C 23.15 – BVerwGE 156, 262, juris Rn. 25; B.v. 2.4.2019 – 2 B 43/18 – juris Rn. 10). Die Abgeltung von Zuvielarbeit kommt nach dem Grundsatz von Treu und Glauben allenfalls dann in Frage, wenn das Fehlen des Ausgleichs nach den Gesamtumständen des Falles grob unbillig und deshalb dem Beamten nicht zumutbar wäre (OVG NW, U.v. 11.1.2006 – 6 A 4767/03 – juris LS; OVG NW, U.v. 16.4.2008 – 6 A 502/05 – IÖD 2008, 14, juris Rn. 45). Der Billigkeitsanspruch setzt eine rechtswidrige Inanspruchnahme des Beamten über die höchstens zulässige Arbeitszeit hinaus voraus (BVerwG, U.v. 17.2.2022 – 2 C 5/21 – ZBR 2022, 345, juris Rn. 23 m.w.N.)
70
Vorliegend ist die geleistete Zuvielarbeit – wie oben dargestellt – zum einen nicht rechtswidrig. Zum anderen hat sich der Kläger in der Opt-Out Erklärung freiwillig zur Leistung von 52 Stunden pro Woche bereit erklärt. In der Opt-Out Erklärung ist ausdrücklich auf die Arbeitszeitverordnung Bezug genommen und ausgeführt worden, dass in der Arbeitszeitverordnung eine maximale wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden vorgesehen sei. Der Beamte hat sich in Kenntnis dessen dennoch dafür verpflichtet, über 48 Wochenstunden hinaus Dienst zu leisten und hat die Opt-Out Erklärung auch nicht widerrufen. Spätestens als der Kläger durch seinen Klägerbevollmächtigten mit Schreiben vom 11. Dezember 2013 gegenüber der Beklagten beantragte hat, dass ihm für die über die nach EU-Recht geltende Höchstarbeitszeit geleisteten Dienste Freizeitausgleich oder eine finanzielle Entschädigung zuerkannt werden solle er dennoch die Opt-Out Erklärung nicht widerrufen und über 48 Stunden Dienst geleistet hat, hat er sich widersprüchlich Verhalten (vgl. Schubert in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2022, § 242 Rn. 413 ff.). Im Rahmen einer Gesamtwürdigung erscheint es dem Gericht nicht grob unbillig, dass der Kläger, der sich widersprüchlich verhalten hat, kein Anspruch auf Freizeitausgleich bzw. finanzieller Abgeltung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach § 242 BGB zusteht.
III.
71
Die Feststellungsklage ist bereits unzulässig. Denn diese ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGO subsidiär zur Leistungsklage. Aufgrund der Bindung des Beklagten an Recht und Gesetz nach Art. 19 Abs. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (Grundgesetz/GG) wäre dem Kläger Freizeitausgleich bzw. eine Mehrarbeitsvergütung auch für künftige Mehrarbeit zu gewähren, würde ein solcher Anspruch bestehen. Die Feststellungsklage ist jedenfalls auch unbegründet. Der Kläger hat – wie oben dargestellt – weder einen unionsrechtlichen noch einen nationalen beamtenrechtlichen Anspruch auf Freizeitausgleich bzw. Vergütung der über 48 Stunden hinaus geleisteten wöchentlichen Dienst.
72
IV. Der Kläger trägt als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).