Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 04.04.2024 – 203 StRR 104/24
Titel:

Betrug nach der Methode „love scam“

Normenketten:
StGB § 76a, § 261 Abs. 6, Abs. 10, § 263
StPO § 435 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Bei der Methode „love scam“ spiegelt eine Person einer anderen unter Ausnutzung von deren Gutgläubigkeit eine erfundene Identität, eine erfundene Lebensgeschichte, eine erfundene Vertrauensbasis und einen erfundenen dringenden Geldbedarf vor. Sobald das Opfer die erwünschte(n) Zahlung(en), in der Regel über einen Dritten, geleistet hat, bricht der Täter dem Tatplan entsprechend den Kontakt ab und taucht unerkannt und für das Opfer nicht rückverfolgbar ab. Dieses Verhalten erfüllt den Tatbestand von § 263 StGB. (Rn. 3)
2. Der Tatbestand des Betrugs entfällt im Falle einer freiwilligen Zuwendung auch nicht deshalb, weil sich der Getäuschte der nachteiligen Wirkung seiner Verfügung auf sein Vermögen bewusst ist. (Rn. 3)
3. Es ist auch im subjektiven Verfahren möglich, neben dem Freispruch eines Angeklagten eine Einziehungsentscheidung zu treffen, ohne dass hierfür der Weg eines selbständigen Einziehungsverfahrens beschritten werden müsste. Eines gesonderten Antrags der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 S. 1 StPO bedarf es nicht. (Rn. 8)
1. Gegenstand einer Geldwäsche kann auch ein Bankguthaben sein.  (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Leichtfertigkeit iSd § 261 Abs. 6 StGB liegt vor, wenn sich die Herkunft des Gegenstands aus einer rechtswidrigen Tat nach der Sachlage geradezu aufdrängt und der Täter gleichwohl handelt, weil er dies aus besonderer Gleichgültigkeit oder großer Unachtsamkeit außer Acht lässt. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Gibt es eine Anklage, die das Objekt der Einziehung erfasst, geht der tatunabhängigen Einziehung grundsätzlich die erweiterte Einziehung nach §§ 73 ff. und § 76a Abs. 1 bis Abs. 3 StGB vor. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betrug, Geldwäsche, Leichtfertigkeit, selbstständiges Einziehungsverfahren, erweiterte Einziehung, love scam
Vorinstanz:
LG Regensburg, Urteil vom 11.10.2023 – 3 NBs 608 Js 5587/22
Fundstellen:
FDStrafR 2024, 007821
BeckRS 2024, 7821

Tenor

I. Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Regensburg vom 11. Oktober 2023 wird als unbegründet verworfen.
II. Die Angeklagte hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

1
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Die Strafkammer hat auf der Basis einer beanstandungsfreien Beweiswürdigung frei von Rechtsfehlern den objektiven und subjektiven Tatbestand der Geldwäsche zutreffend bejaht.
3
a. Gegen die von ihr getroffene Feststellung, dass die Überweisungen der Geschädigten auf das Konto der Angeklagten aus Betrugsstraftaten von deren flüchtig Bekannten „O.“ herrührten, ist nichts zu erinnern. Bei der Methode „love scam“, die häufig über Dating-Plattformen im Internet praktiziert wird, spiegelt eine Person einer anderen unter Ausnutzung von deren Gutgläubigkeit eine erfundene Identität, eine erfundene Lebensgeschichte, eine erfundene Vertrauensbasis und einen erfundenen dringenden Geldbedarf vor. Sobald das Opfer die erwünschte(n) Zahlung(en), in der Regel über einen Dritten, geleistet hat, bricht der Täter dem Tatplan entsprechend den Kontakt ab und taucht unerkannt und für das Opfer nicht rückverfolgbar ab. Dieses Verhalten des Bekannten der Angeklagten und etwaiger weiterer Beteiligter erfüllt den Tatbestand von § 263 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2022 – 2 StR 395/22 –, juris Rn. 3; LG München I, Urteil vom 27. Juni 2019 – 12 Kls 319 Js 227596/16, BeckRS 2019, 33417 Rn. 77, und dazu BGH, Beschluss vom 21. November 2019 – 1 StR 482/19 –, juris; Metz JR 2019, 492, 494). Die für den Betrug erforderliche Irrtumserregung zum Zeitpunkt der Zahlung belegen die Feststellungen des Landgerichts auch im Falle der Geschädigten R. Dass das Opfer im Laufe der Ermittlungen auf ihrer Fehlvorstellung beharrte, lässt den objektiven Tatbestand nicht wieder entfallen. Soweit die Revision eine Kündigung des Darlehens vermisst und eine Schenkung ins Feld führt, übersieht sie, dass sowohl ein Darlehensvertrag als auch eine Schenkung unter den konkreten Umständen sittenwidrig im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB wären (zur Sittenwidrigkeit einer Schenkung vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2022 – X ZR 40/20 –, juris Rn. 16 ff.) und den beiden Geschädigten die für eine Realisierung ihres Rückzahlungsanspruchs erforderliche Identität des Vertragspartners nicht bekannt ist. Der Tatbestand des Betrugs entfällt im Falle einer freiwilligen Zuwendung auch nicht deshalb, weil sich der Getäuschte der nachteiligen Wirkung seiner Verfügung auf sein Vermögen bewusst ist (BGH, Urteil vom 12. Mai 1992 – 1 StR 133/92 –, BGHSt 38, 281-284, juris Rn. 5; BGH, Urteil vom 10. November 1994 – 4 StR 331/94 –, juris Rn. 13; im Ergebnis auch BGH, Beschluss vom 26. Januar 2006 – 5 StR 334/05 –, juris Rn. 7 zur Subvention). Dies gilt jedenfalls dann, wenn wie hier der Täter dem Opfer einen bestimmten Zweck für die Vermögenshingabe nur vorgegaukelt hat (zur Zweckverfehlung beim Schenkungsbetrug vgl. Fischer, StGB, 71. Aufl., § 263 Rn. 139; des weiteren zur Zweckverfehlung NK-StGB/Kindhäuser/Hoven, StGB, 6. Aufl., § 263 Rn. 296; Saliger in Esser/Rübenstahl/Saliger/Tsambikakis, Wirtschaftsstrafrecht, § 263 StGB B IV Rn. 122, 178 ff.; Beukelmann, BeckOK StGB, 60. Ed § 263 Rn. 49 ff.; Oğlakcıoğlu/Mansouri, NStZ 2023, 129 ff., insb. S. 133 ff.; Tiedemann in LK-StGB, 12. Aufl., § 263 Rn. 181 ff., 185a; Heger in Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl., § 263 Rn. 56: wenn der mit der Aufwendung verfolgte Zweck verfehlt wurde, obwohl seine Erreichung sich als Grundbedingung für das Vermögensopfer darstellt). Den Bedenken einer Mindermeinung der Literatur (vgl. Hefendehl in MüKo-StGB, 4. Aufl., § 263 Rn. 1026 ff. zum Meinungsstand; Perron in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl., § 263 Rn. 41, 102) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das Vermögensdelikt des Betrugs schützt auch vor durch Täuschung veranlassten bewussten Vermögenseinbußen.
4
b. Gegenstand einer Geldwäsche kann auch ein Bankguthaben sein (vgl. BGH, Urteil vom 15. August 2018 – 5 StR 100/18-, juris Rn. 28, 29; Hecker in Schönke/Schöder a.a.O. § 261 Rn. 4; Krause in Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Aufl., § 261 Rn. 10).
5
c. Auch die Tathandlung nach § 261 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und 4 StGB ist hinreichend ausgeführt. Bei Konten genügt das alleinige Recht des Kontoinhabers, über das Geld zu verfügen (BGH, Urteil vom 12. Juli 2016 – 1 StR 595/15 –, juris 23; Krause a.a.O. § 261 Rn. 16; Hecker a.a.O. Rn. 19; Neuheuser in MüKo-StGB a.a.O. § 261 Rn. 63, 66).
6
d. Die Beweiswürdigung zum subjektiven Tatbestand hält der materiellrechtlichen Nachprüfung stand. Ein leichtfertiges Handeln der Angeklagten hat das Landgericht unter Beachtung der gebotenen vorsatznahen Auslegung des § 261 Abs. 6 S. 1 StGB (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 1997 – 1 StR 791/96, BGHSt 43, 158, juris Rn. 41 zu § 261 Abs. 5 StGB a.F.) ausreichend belegt. Leichtfertigkeit liegt vor, wenn sich die Herkunft des Gegenstands aus einer rechtswidrigen Tat nach der Sachlage geradezu aufdrängt und der Täter gleichwohl handelt, weil er dies aus besonderer Gleichgültigkeit oder großer Unachtsamkeit außer Acht lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Januar 2019 – 1 StR 311/17 –, juris Rn. 7 zu § 261 Abs. 5 a.F.; BGH, Urteil vom 24. Juni 2008 – 5 StR 89/08 –, juris Rn. 20 m.w.N. zu § 261 Abs. 5 a.F.; Fischer a.a.O. § 261 Rn. 57; Neuheuser a.a.O. Rn. 108; Hecker a.a.O. Rn. 28; Altenhain in Kindhäuser/Neumannn/Paeffgen/Saliger, StGB, 6. Aufl., § 261 Rn. 93).
7
Das Landgericht hat entgegen dem Vorbringen der Revision tragfähig belegt, dass sich der Angeklagten auch unter Berücksichtigung ihrer individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten die Möglichkeit einer betrügerischen Handlung nach den Gesamtumständen, insbesondere aus der zur Verfügungstellung ihres Kontos als „Umschlagsplatz“ für verschleierte Zahlungen von Unbekannten an eine Person, deren Personalien, Wohnort und finanziellen Hintergründe sie ebenfalls nicht kannte (Urteil S. 7, 25), aufdrängen musste, was sie ungeachtet der ungewöhnlichen Transaktionsform aus besonderer Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit außer Betracht ließ. Die Ausführungen der Revision erschöpfen sich in dem erfolglosen Versuch, ihre eigene Würdigung an die Stelle jener der Strafkammer zu setzen. Die Revision lässt dabei insbesondere außer Betracht, dass die Angeklagte nach den Urteilsgründen bereits im Jahre 2019 ihr Konto für die Begehung eines Betrugs zur Verfügung gestellt hatte (Urteil S. 6 und 7).
8
2. Gegen die Einziehungsentscheidung im subjektiven Verfahren bestehen ebenfalls keine Rechtsbedenken. Es ist auch im subjektiven Verfahren möglich, neben dem Freispruch eines Angeklagten eine Einziehungsentscheidung zu treffen, ohne dass hierfür der Weg eines selbständigen Einziehungsverfahrens beschritten werden müsste (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Mai 2019 – 5 StR 118/19, juris Rn. 1 und BGH, Beschluss vom 21. Februar 2017 – 3 StR 535/16, juris Rn. 1, 16 jeweils zur Schuldunfähigkeit; BGH, Beschluss vom 14. Dezember 1988 – 3 StR 295/88 –, BGHSt 36, 51-59, juris Rn. 15 zum Freispruch aus rechtlichen Gründen; Lohse in Leipziger Kommentar zum StGB, 13. Auflage, § 76a StGB Rn. 45; Joecks/Meißner in MüKo-StGB a.a.O. § 76a Rn. 19; vgl. auch BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss vom 23. Mai 2023 – GSSt 1/23 –, juris zur Einstellung). Eines gesonderten Antrags der Staatsanwaltschaft nach § 435 Abs. 1 S. 1 StPO bedarf es nicht (BGH, Großer Senat a.a.O. Rn. 53 zur Einstellung; vgl. auch Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 435 Rn. 19a). Der Einwand der Verteidigung zu § 76a Abs. 4 StGB geht fehl. Denn eine Konstellation einer tatunabhängigen erweiterten selbständigen Einziehung von Vermögen unklarer Herkunft liegt hier nicht vor. Gibt es eine Anklage, die das Objekt der Einziehung erfasst, geht der tatunabhängigen Einziehung grundsätzlich die erweiterte Einziehung nach §§ 73 ff. und § 76a Abs. 1 bis 3 StGB vor (vgl. BGH, Beschluss vom 8. März 2022 – 3 StR 238/21-, juris Rn. 20; Joecks/Meißner a.a.O. § 76a Rn. 17; Eser/Schuster in Schönke/Schröder a.a.O. § 76a Rn. 16).
9
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.