Titel:
Unbefugtes Offenbaren von Gesundheitsdaten im Strafvollzug
Normenketten:
StVollzG § 109, § 118
BayStVollzG § 201 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Ein ungerechtfertigtes Offenbaren von Gesundheitsdaten kann, auch wenn es innerhalb der Anstalt erfolgt, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen verletzen. Eine unbefugte Offenbarung ist als eine in die Grundrechte des Beschwerdeführers eingreifende Maßnahme anzusehen, die aus diesem Grund tauglicher Gegenstand eines Verfahrens nach § 109 StVollzG sein kann. (Rn. 10)
2. Nach Art. 201 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayStVollzG unterliegen personenbezogene Daten, die vom Gefangenen einem Arzt als Geheimnis anvertraut oder über ihn sonst bekannt geworden sind, auch gegenüber der Justizvollzugsanstalt grundsätzlich der Schweigepflicht. Zum Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten innerhalb der Justizvollzugsanstalt ist eine Offenbarung nur dann als unerlässlich im Sinne von Art. 201 Abs. 1 S. 3 BayStVollzG anzusehen, wenn eine geordnete Aufgabenerfüllung ohne die Kenntnis der Daten oder Geheimnisse nicht möglich scheint. (Rn. 12)
3. Die subjektive Einschätzung der Persönlichkeit des Strafgefangenen von Seiten eines Anstaltsarztes außerhalb von Art. 201 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayStVollzG unterliegt mangels Regelungscharakter nicht der Anfechtung nach § 109 StVollzG. (Rn. 16)
Schlagworte:
Strafvollzug, Bayern, Gesundheitsdaten, Offenbarung, Schweigepflicht, Einschätzung der Persönlichkeit
Vorinstanz:
LG Regensburg, Beschluss vom 27.06.2023 – SR StVK 430/21
Fundstelle:
BeckRS 2024, 7819
Tenor
1. Dem Strafgefangenen wird kostenfrei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.
2. Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg beim Amtsgericht Straubing vom 27. Juni 2023 wird als unbegründet zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und seine insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen dem Beschwerdeführer zur Last.
4. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 500.- Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg beim Amtsgericht Straubing vom 27. Juni 2023 und beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels. Dem Strafvollzugsverfahren liegt zu Grunde, dass der anwaltlich vertretene Antragsteller beantragt hat, festzustellen, dass die interne schriftliche Auskunftserteilung des Anstaltsarztes am 28. Februar 2020 rechtswidrig gewesen wäre. Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag zurückgewiesen. In dem angefochtenen Beschluss ist die Strafvollstreckungskammer zu dem Ergebnis gekommen, dass die Erteilung einer internen Auskunft keine Maßnahme im Sinne von § 109 StVollzG darstellen würde. Zudem wäre die Auskunftserteilung nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer erhebt in der Rechtsbeschwerde formelle und materielle Rügen und begründet den Wiedereinsetzungsantrag mit ihm nicht anlastbaren Verzögerungen in der Justizvollzugsanstalt und bei Gericht. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, dem Antragsteller Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Rechtsbeschwerde als unzulässig, hilfsweise als unbegründet zu verwerfen.
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Antragsgemäß hat der Senat dem Beschwerdeführer auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, da er hinreichend glaubhaft gemacht hat, die Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde nicht verschuldet zu haben (Art. 208 BayStVollzG, § 120 Abs. 1 S.2 StVollzG i.V.m. §§ 44 ff. StPO). Der Senat geht davon aus, dass der Beschwerdeführer, nachdem der Senat mit Beschluss vom 11. September 2023 den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hatte, von diesem Beschluss im Zeitraum 6. bis 10. Oktober 2023 Kenntnis erlangte und am 12. Oktober 2023 in der Justizvollzugsanstalt um einen Termin beim Rechtspfleger nachsuchte. Insoweit durfte er mit seiner fristgemäßen Vorführung rechnen. An der Fristversäumung durch die erst am 2. November 2023 erfolgte Niederschrift der Rechtsbeschwerde trifft ihn kein Verschulden.
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Nach Gewährung von Wiedereinsetzung wegen unverschuldeter Versäumung der Monatsfrist aus § 118 Abs. 1 StVollzG i.V.m. Art. 208 BayStVollzG ist die Rechtsbeschwerde nicht nur form-, sondern auch fristgerecht angebracht worden. Sie ist ferner mit der Sachrüge in zulässiger Weise begründet worden. Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Denn es ist zu besorgen, dass die Strafvollstreckungskammer die Grundrechtsrelevanz der Offenbarung von Gesundheitsdaten verkannt hat.
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Die Rechtsbeschwerde erweist sich jedoch als unbegründet.
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I. Die Verfahrensrügen versagen.
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1. Die Verfahrensrügen, mit denen der Beschwerdeführer eine Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO i.V.m. § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG, Art. 208 BayStVollzG) geltend macht, sind entgegen § 118 Abs. 2 S. 2 StVollzG nicht hinreichend ausgeführt und damit nicht zulässig erhoben. Nach den genannten Vorschriften ist eine Verfahrensrüge nur dann in zulässiger Form erhoben, wenn die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden. Diese Angaben müssen so genau und vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Beschwerdebegründung ohne Rückgriff auf die Akten und sonstige Unterlagen prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt (st. Rspr., vgl. etwa Senat, Beschluss vom 26. Januar 2023 – 203 StObWs 502/22 –, juris Rn. 6 m.w.N.; KG Berlin, Beschluss vom 20. April 2020 – 2 Ws 35/20 Vollz –, juris Rn. 16; Arloth/Krä, StVollzG, 5. Aufl., § 118 Rn. 4). Eine zulässige Aufklärungsrüge setzt nach der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung regelmäßig voraus, dass der Beschwerdeführer bestimmte Tatsachen, deren Aufklärung das Gericht unterlassen hat, sowie die Beweismittel, derer sich der Tatrichter hätte bedienen sollen, benennt; ferner bedarf es der Darlegung, welche Umstände das Gericht zu der vermissten Beweiserhebung hätten drängen müssen und welches Ergebnis von der unterbliebenen Beweiserhebung zu erwarten gewesen wäre (st. Rspr., vgl. Senat a.a.O.; KG Berlin, Beschluss vom 30. Mai 2022 – 5 Ws 72/22 Vollz –, juris Rn. 13).
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Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Beschwerdeführers auch bei der mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen großzügigen Auslegung des Vortrags nicht gerecht. Soweit der Beschwerdeführer die Aufklärung näherer Einzelheiten zu der Anfrage der Bediensteten an den Arzt vermisst, insbesondere Absender, Adressat, Datum und Inhalt, versäumt es die Beschwerdeschrift, ein konkretes Ergebnis der unterbliebenen Beweiserhebung zu behaupten. Dem Vortrag der Rechtsbeschwerde lässt sich zudem nicht entnehmen, welchen Erkenntnismehrwert die Beweiserhebung erbracht hätte. Dies gilt auch für die Rüge, die Kammer habe aufklären müssen, an wen die Auskunft des Arztes gesendet wurde, zumal der Empfänger der Auskunft aus dem Beschluss ersichtlich ist. Der Rüge, die Strafvollstreckungskammer habe es unterlassen, zu prüfen, ob die Bedienstete Frau W. den Anstaltsleiter vertreten hätte, mangelt es sowohl an der Angabe eines Beweismittels als auch an der konkreten Behauptung eines Beweisergebnisses. Soweit der Beschwerdeführer ein Aufklärungsdefizit zu der Frage eines Hinweises nach Art. 201 Abs. 1 S. 5 BayStVollzG besorgt, erschließt sich nicht, welche Umstände das Gericht zu der vermissten Beweiserhebung hätten drängen müssen. Dass der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer in der ersten Instanz zu einem fehlenden Hinweis vorgetragen hätte, lässt sich der Rechtsbeschwerde nicht entnehmen.
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2. Die Verfahrensrüge, mit der der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör geltend macht, ist ebenfalls nicht entsprechend den Anforderungen des § 118 Abs. 2 S. 2 StVollzG begründet worden und erweist sich als unzulässig. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs erfordert nach gefestigter Rechtsprechung neben der Angabe der Tatsachen, aus denen sich aus der Sicht des rügenden Betroffenen die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergibt, einen substanziierten Vortrag zum Vorliegen der Voraussetzungen einer Gehörsverletzung einschließlich der Darlegung, warum nicht auszuschließen sei, dass die Entscheidung ohne die Gehörsverletzung anders ausgefallen wäre; zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit des Gehörsverstoßes gehört somit auch die Angabe, was bei Gewährung des rechtlichen Gehörs vorgetragen worden wäre und dass nicht auszuschließen sei, dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung geführt hätte (st. Rspr., vgl. Senat a.a.O. Rn. 12 m.w.N.; KG Berlin, Beschluss vom 20. April 2020 – 2 Ws 35/20 Vollz –, juris Rn. 18 m.w.N.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 15. Juni 2020 – V 4 Ws 122/20 –, juris Rn. 15). Auch diese Vorgaben hat der Beschwerdeführer nicht beachtet. Seinem Vortrag lässt sich nicht entnehmen, was er im Fall der Gewährung rechtlichen Gehörs hätte vorbringen wollen.
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II. Die Überprüfung der Entscheidung auf die Sachrüge hin hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler ergeben.
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1. Zwar kann der Senat der Rechtsauffassung der Strafvollstreckungskammer, die Auskunft über die Diagnosen in der ärztlichen Mitteilung vom 28. Februar 2020 unterfiele nicht der Vorschrift von § 109 StVollzG, nicht folgen. Der Inhalt der Krankenunterlagen des Beschwerdeführers samt Diagnosen ist in besonderem Maße grundrechtsrelevant (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 2016 – 2 BvR 1541/15-, juris Rn. 20). Ein ungerechtfertigtes Offenbaren von Gesundheitsdaten kann, auch wenn es innerhalb der Anstalt erfolgt, das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen verletzen. Eine unbefugte Offenbarung ist als eine in die Grundrechte des Beschwerdeführers eingreifende Maßnahme anzusehen, die aus diesem Grund tauglicher Gegenstand eines Verfahrens nach § 109 StVollzG sein kann (vgl. BeckOK Strafvollzug Bayern/Arloth, 18. Ed. 1.4.2023, BayStVollzG Art. 201 Rn. 23; BeckOK Strafvollzug Bund/Beck, 24. Ed. 1.8.2023, StVollzG § 182 Rn. 41). Die Rechtsansicht der Strafvollstreckungskammer, interne Verstöße gegen Art. 201 BayStVollzG seien nicht gerichtlich überprüfbar, erweist sich demnach als unzutreffend (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 28. Juli 2022 – 2 BvR 1814/21 –, juris).
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2. Auf diesen Rechtsfehler kommt es aber für die Frage, ob die Rechtsbeschwerde in der Sache Erfolg hat, nicht an. Denn im vorliegenden Verfahren war die Offenbarung von medizinischen Daten des Betroffenen im verfahrensgegenständlichen Schreiben des Anstaltsarztes nicht rechtswidrig.
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a) Nach Art. 201 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayStVollzG unterliegen personenbezogene Daten, die vom Gefangenen einem Arzt als Geheimnis anvertraut oder über ihn sonst bekannt geworden sind, auch gegenüber der Justizvollzugsanstalt grundsätzlich der Schweigepflicht (vgl. allgemein BeckOK Strafvollzug Bund/Beck, 24. Ed. 1.8.2023, StVollzG § 182 Rn. 10 ff. zu § 182 StVollzG). Nach Satz 2 hat sich auch ein Arzt gegenüber der Anstaltsleitung zu offenbaren, soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Anstalt oder – hier nicht einschlägig – zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben der Gefangenen oder Dritter erforderlich ist. Satz 3 der Regelung sieht vor, dass der Arzt zur Offenbarung von ihm im Rahmen der allgemeinen Gesundheitsfürsorge bekannt gewordener Geheimnisse befugt ist, soweit dies für die Aufgabenerfüllung der Anstalt unerlässlich oder – hier wiederum nicht einschlägig – zur Abwehr von erheblichen Gefahren für Leib oder Leben der Gefangenen oder Dritter erforderlich ist. Die Befugnis steht im pflichtgemäßen Ermessen des Arztes (Arloth/Krä a.a.O. § 182 Rn. 8 zu § 182 StVollzG). Die Anstaltsleitung kann nach Art. 201 Abs. 2 S. 2 BayStVollzG eine unmittelbare Offenbarung gegenüber bestimmten Anstaltsbediensteten allgemein zulassen. Zum Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten innerhalb der Justizvollzugsanstalt ist eine Offenbarung nur dann als unerlässlich im Sinne von Art. 201 Abs. 1 S. 3 BayStVollzG anzusehen, wenn eine geordnete Aufgabenerfüllung ohne die Kenntnis der Daten oder Geheimnisse nicht möglich scheint. Der Gefangene kann auf den Schutz seiner Daten verzichten. Wenn eine Einsichtnahme in eine Gesundheitsakte für die Beurteilung der Begründetheit einer Beschwerde unerlässlich und dies für den Betroffenen offensichtlich ist, kann im Einzelfall eine konkludente Einwilligung des Beschwerdeführers in die Offenbarung (vgl. Art. 201 Abs. 1 S. 4 BayStVollzG) angenommen werden (Arloth/Krä, a.a.O. Rn. 8a m.w.N.). Nicht von der Schweigepflicht umfasst sind Werturteile und persönliche Einschätzungen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. August 2009 – 3 Ws 661/09 –, juris Rn. 4; Arloth/Krä a.a.O. § 182 Rn. 4 m.w.N.; Koranyi in Laubenthal/Nestler/Neubacher//Verrel/Baier, Strafvollzugsgesetze, 13. Aufl., Kapitel O Rn. 175; Beck a.a.O. StVollzG § 182 Rn. 12).
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b) Danach waren die Auskünfte des Anstaltsarztes in der Stellungnahme vom 28. Februar 2020, bei dem Beschwerdeführer wäre ein rheumatischer Wirbelsäulenschaden bekannt, darüber hinaus jedoch keine Stoffwechselkrankheit und keine Verdauungsbeschwerden, zulässig. Anlass für die Auskunft des Arztes an die Anstaltsbedienstete war die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs von Seiten des Gefangenen gegenüber der Justizvollzugsanstalt. Mit Schreiben vom 13. Februar 2020 hatte dieser gegenüber der Anstalt einen Antrag auf Entschädigung gestellt und die Forderung mit einer nicht rechtzeitigen Umstellung auf fleischlose Verpflegung und dadurch verursachte Gesundheitsbeeinträchtigungen begründet. Bei dieser Sachlage durfte die Strafvollstreckungskammer zu dem Ergebnis kommen, dass die Bedienstete intern von der Anstaltsleitung mit der Bearbeitung des Vorgangs betraut war (zur Möglichkeit einer Delegation vgl. Art. 177 Abs. 2 S. 2 BayStVollzG) und in deren Auftrag die Sach- und Rechtslage zu prüfen hatte. Die Klärung, ob und inwieweit eine rechtzeitige Kostumstellung aus medizinischen Gründen geboten war und ob der Vortrag des Beschwerdeführers zu den von ihm geltend gemachten gesundheitlichen Auswirkungen nach der ärztlichen Beurteilung unter Berücksichtigung der dokumentierten Diagnosen zutraf, lag im Aufgabenbereich der Anstalt. Die Auskunft des Arztes über die Diagnose war ausdrücklich auf die Entschädigungsforderung des Antragstellers und die diesbezügliche Anfrage der Anstaltsbediensteten bezogen („zum Brief des Gef. B. von 13.02.2020“) und richtete sich nach den Feststellungen der Strafvollstreckungskammer an die anfragende Bedienstete zum Zwecke der Bearbeitung des Entschädigungsantrags des Beschwerdeführers. Die Auskunft des Arztes über den allgemeinen Gesundheitszustand und über die bekannten Vorerkrankungen – einschließlich Morbus Bechterew – erweist sich somit unter Berücksichtigung der Vorschriften von Art. 23 S. 1 und 2, Art. 5 Abs. 1 und Art. 58 BayStVollzG für die vom Gefangenen selbst veranlasste Aufgabenerfüllung der Anstalt, nämlich eine tatsachenbasierte Prüfung des Entschädigungsanspruchs, als zwingend.
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c) Darauf, dass die Auskunft hier jedenfalls aus der Sicht des Anstaltsarztes auch von einer konkludent erteilten Einwilligung des Strafgefangenen erfasst gewesen wäre, kommt es daher nicht an.
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d) Die Einwendungen der Rechtsbeschwerde zeigen keinen Rechtsfehler auf. Der Einwand des Antragstellers, die ärztliche Diagnose stehe in keinem Zusammenhang mit der fleischlosen Anstaltskost, geht fehl. Denn der Antragsteller selbst hat einen derartigen Zusammenhang mit seinem Entschädigungsantrag begründet, indem er gesundheitliche Auswirkungen der verzögerten Kostumstellung behauptet hat. Seine Bedenken, der Arzt hätte jedenfalls den rheumatischen Wirbelsäulenschaden nicht mitteilen dürfen, vermag der Senat nicht zu teilen. Bei Morbus Bechterew handelt es sich um eine chronische entzündlich-rheumatische Erkrankung, so dass nicht auszuschließen ist, dass sowohl eine Ernährung mit hohem pflanzlichen Anteil als auch der Verzehr von Fleischgerichten und Wursterzeugnissen Einfluss auf den Verlauf nehmen kann. Sein Einwand, die verfahrensgegenständlichen Aussagen des Arztes zu seinem Gesundheitszustand wären in ihrem Umfang zur Aufgabenerfüllung der Anstalt nicht erforderlich gewesen, nachdem die Kostumstellung bereits genehmigt, indes verspätet umgesetzt worden wäre, geht fehl. Die Rechtsbeschwerde stellt nicht in Abrede, im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gesundheitliche Folgen der verspäteten Kostumstellung behauptet zu haben. Somit war der Anstaltsarzt gehalten, der Bediensteten auf deren Anfrage seine umfassende ärztliche Einschätzung zu den möglichen medizinischen Folgen der Verzögerung der Kostumstellung wiederzugeben. Der von der Rechtsbeschwerde behauptete Verstoß gegen die Hinweispflicht nach Art. 201 Abs. 1 S. 5 BayStVollzG ist im angefochtenen Beschluss nicht festgestellt. Eine zulässige Aufklärungsrüge hat der Beschwerdeführer insoweit nicht erhoben.
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3. Soweit der Anstaltsarzt in der verfahrensgegenständlichen Stellungnahme äußerte, der Gefangene weise eine immer wieder wegen Lappalien beschwerende und alles hinterfragende egoistische Persönlichkeitsstörung auf, handelt es sich nach der Beurteilung des Senats aufgrund der Wortwahl nicht um die Offenbarung einer Diagnose oder eines sonstigen geschützten Geheimnisses, sondern um eine subjektive Einschätzung der Persönlichkeit des Strafgefangenen außerhalb von Art. 201 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayStVollzG, die mangels Regelungscharakter auch nicht der Anfechtung nach § 109 StVollzG unterliegt. Zudem gilt es zu bedenken, dass aus der Sicht eines Mediziners auch einer psychischen Komponente für die Beurteilung eines möglichen Schadensersatzanspruchs wegen einer verzögerten Kostumstellung durchaus Bedeutung zukommen konnte. Es liegt auf der Hand, dass nicht nur psychische Erkrankungen wie etwa eine Depression, sondern auch psychosomatische Beschwerden sowie Angst-, Ess- oder Persönlichkeitsstörungen mit einem veränderten Gesundheitsbewusstsein und einem Bedürfnis nach einem Wechsel zu einer vegetarischen Kost einhergehen können. Eine Verweigerung könnte in diesem Fall eine psychische Belastung hervorrufen oder verstärken. Auch hierbei spielt eine Rolle, dass der Antragsteller nach seinem eigenen Vortrag in seinem Entschädigungsantrag eine Körperverletzung, eine unterlassene Hilfeleistung und eine Arbeitsunfähigkeit wegen verweigerter Kostausgabe behauptet hat und nach eigenen Angaben an einer erhöhten Haftempfindlichkeit leidet.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 StVollzG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 60, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat hält einen Wert von 500.- Euro im Rechtsbeschwerdeverfahren für angemessen.