Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 21.02.2024 – AN 14 K 21.02334
Titel:

Rückforderung landwirtschaftlicher Subventionen

Normenketten:
VO (EU) 1306/2013 über Finanzierung, Verwaltung und Kontrollsystem der GAP Art. 63 Abs. 1 UAbs. 1, Abs. 3, Abs. 4
Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 35 Abs. 2 lit. a, Abs. 3, Abs. 4 (aK mWv 1.1.2015)
VO (EU) Nr. 809/2014 Art. 7 Abs. 1
BayVwVfG Art. 48
Leitsätze:
1. Art. 35 Abs. 2 lit. a, Abs. 3 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 bzw. Art. 63 Abs. 1 UAbs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 ordnen als Rechtsfolge der Nichteinhaltung von Förderverpflichtungen die (ggf. Teil-)Rücknahme der Förderung und damit sinngemäß die Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids an und stellen umfassende unionsrechtliche Rechtsgrundlagen für die Bescheidsaufhebung dar. Es besteht kein Bedürfnis für eine Anwendung der Art. 48 f. BayVwVfG. (Rn. 25 – 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Abweichung von den Vorgaben der Sanktionsmatrix ist zur Sicherstellung einer gleichmäßigen Behandlung und zur Vermeidung von Willkür nur bei atypischen Einzelfällen angezeigt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Landwirtschaftliche Subventionen, Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen, Art. 63 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 4 VO (EU) Nr. 1306/2013, Art. 35 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 als Rechtsgrundlagen für Aufhebung und Rückforderung bei Nichteinhaltung von im Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum festgelegten Verpflichtungen, Blühflächen an Waldrändern und in der Feldflur, Ermessen, Sanktionsmatrix, Gleichbehandlung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 7655

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids, mit dem die Bewilligung von landwirtschaftlichen Subventionen für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUM) teilweise aufgehoben und ein zu erstattender Betrag von 1.512,00 EUR festgesetzt wurde.
2
Der Kläger betreibt auf dem Gebiet der Gemeinde … Landwirtschaft im Nebenerwerb. Er stellte am 24. Februar 2020 einen Antrag auf Förderung von Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) … für den Verpflichtungszeitraum 2020 bis 2024. Dabei gab der Kläger an, im Rahmen des Bayerischen Kulturlandschaftsprogramms (KULAP) Förderung für Blühflächen an Waldrändern und in der Feldflur (Maßnahme B48) zu begehren. Dem Antrag angehängt war eine unterschriebene „Feldstücksdruckliste für AUM 2020“. Dort wurde u.a. das Feldstück ... „…“ mit 2,52 ha Fläche aufgeführt und als AUM-Maßnahme für die Gesamtfläche dieses Feldstücks „B 48 – Blühflächen“ mit einer Laufzeit von 2020 bis 2024 angegeben. Mit Mehrfachantrag vom 25. März 2020 beantragte der Kläger unter anderem Zahlungen für AUM für das Jahr 2020. Dabei versicherte er durch Ankreuzen des entsprechenden Passus, die damit verbundenen Förderkriterien, Verpflichtungen und sonstigen Auflagen im Verpflichtungsjahr 2020 einzuhalten. Auch in diesem Antrag wurde das Feldstück ... „…“ angeführt und die AUM-Förderung mit dem Code B48 beantragt.
3
Mit Bewilligungsbescheid („Grundbescheid“) des AELF … vom 1. Juli 2020 wurde dem Kläger für fünf Jahre, erstmals für das Verpflichtungsjahr 2020, eine jährliche Zuwendung für die Maßnahme B48 (Blühflächen an Waldrändern und in der Feldflur) bewilligt bei einer grundsätzlichen Förderung von 600 EUR/ha. Mit Bescheid vom 10. Dezember 2020 wurde dem Kläger sodann durch das AELF … für eine angemeldete Fläche von 2,52 ha für die Fördermaßnahme B48 für das Jahr 2020 ein Betrag von 1.512,00 EUR bewilligt.
4
Die Fläche war bereits im Verpflichtungszeitraum 2015 bis 2019 als B48-Fläche bewilligt und auch angelegt worden. In seinem Mehrfachantrag für das Jahr 2021 hat der Kläger für das gegenständliche Feldstück ... keine AUM-Zahlungen beantragt.
5
Der Kläger wurde mit Schreiben vom 4. Mai 2021 – vor dem Hintergrund einer Erklärung des Klägers, das Feldstück ... nicht umbrechen und neuansäen zu wollen, – zur geplanten Aufhebung und Rückforderung der Förderung i.H.v. 1.512,00 EUR angehört. Der Kläger widersprach der Rückforderung mit Schreiben vom 15. Mai 2021. Sodann erging gegenüber dem Kläger der folgende Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid des AELF … vom 19. Juli 2021:
„1. Der Bewilligungsbescheid (Grundbescheide zu Agrarumweltmaßnahmen AUM) vom 01.07.2020 mit der dazugehörigen o.g. Auszahlungsmitteilung wird wie insoweit widerrufen als die Förderung 3.539,59 € übersteigt.
ausgereicht wurden 5.051,59 €.
Zu erstatten sind 1.512,00 €.
2. Der Rückforderungsbetrage ist für den Zeitraum zwischen dem 23.08.2021 und der Rückzahlung bei Agrarumweltmaßnahmen mit 3% über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die Höhe der Zinsforderung wird in einem besonderen Bescheid festgesetzt.
Sofern die Rückzahlung bis spätestens 23.08.2021 erfolgt, werden keine Zinsen erhoben.
3. Der Zuwendungsempfänger trägt die Kosten des Bescheides. Es werden Gebühren und Auslagen i.H. von 60,00 € festgesetzt.“
6
Zur Begründung wurde unter anderem ausgeführt, Voraussetzung für die Gewährung von Ausgleichsleistungen nach B48 sei, dass die Förderfläche im Frühjahr des ersten Verpflichtungsjahres mit speziellem Saatgut „Qualitätsblühmischungen Bayern“ (QBB) einzusäen sei. Wenn die Etablierung eines geeigneten Bestandes im Jahr der Aussaat nicht gelinge, sei das AELF darüber zu informieren und die Fläche spätestens im Frühjahr des Folgejahres, also 2021, neu zu bestellen. Eine Nach- bzw. Neuansaat sei zur Vermeidung einer starken Verunkrautung bzw. beim Auftreten von Problemunkräutern und nach Zustimmung des zuständigen AELF erlaubt.
7
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 23. August 2021, beim AELF … eingegangen am selben Tag, Widerspruch gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid erhoben. Er führte aus, die Rückforderung für nicht gerechtfertigt zu halten. Tatsache sei, dass er das Feldstück Nr. ... entsprechend den Vorgaben der AUM B48 seit dem Jahr 2015 nicht mehr landwirtschaftlich genutzt und diese Fläche entsprechend stillgelegt habe. Er beantrage, die Fläche für den Verpflichtungszeitraum 2020 bis 2024 entsprechend den Vorgaben der Kulap-Maßnahme B48 ohne Durchführung eines Umbruchs weiterhin als Blühfläche zu belassen.
8
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) vom 3. Dezember 2021 – dem Kläger zugestellt am 7. Dezember 2021 – zurückgewiesen. Zuvor war der Kläger mit Schreiben vom 28. Oktober 2021 zur geplanten Zurückweisung des Widerspruchs angehört worden.
9
Zur Begründung des Widerspruchsbescheids wurde ausgeführt, dass der Kläger mit am 23. März 2021 beim AELF eingegangenem Rücknahmeschreiben zwar zum Ausdruck gebracht habe, dass er trotz Rücknahme der Maßnahme mit einer Rückzahlung der Förderung für die Maßnahme B48 nicht einverstanden sei. Der Kläger habe sich aber im Sinne des Art. 3 VO (EU) Nr. 809/2014 eigenständig dazu entschlossen, den Antrag für die Maßnahme B48 schriftlich zurückzuziehen. Einen weiteren Aufhebungsgrund stelle die Verletzung der Fünfjährigkeit dar. Der Kläger habe im Rahmen des Mehrfachantrags vom 7. April 2021 für die Maßnahme B48 keinen Auszahlungsantrag mehr gestellt.
10
Dagegen ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 30. Dezember 2021 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach Klage erheben.
11
Zur Begründung führte er aus, er habe in den Jahren 2015 bis 2019, nachdem seine Einsaat im Jahr 2015 ohne sachliche Begründung nicht anerkannt worden sei, erneut das Feldstück umbrechen und neu einsäen müssen. In den Folgejahren seien am Grundstück keinerlei Änderungen durchgeführt worden, sodass sich die Natur frei habe entfalten können. Im Jahr 2020 sollte ein Umbrechen der Fläche durchgeführt werden. Bei der Samenbeschaffung seien jedoch erhebliche Probleme aufgetreten, sodass um ein Jahr verschoben worden sei. Zwischenzeitlich habe sich die Fläche im Sinne des Tier- und Naturschutzes sehr gut entwickelt. Verschiedenen Vögeln habe die Fläche als Futterplatz gedient und sogar Rebhühner hätten in der Hecke Junge ausbrüten können. Der Kläger sei aufgefordert worden, die stillgelegte Fläche umzubrechen. Dies laufe aber dem Tier- und Naturschutz entgegen. Der Kläger sei sodann beim Beklagten vorstellig geworden und habe erklärt, dass er das Programm weitermache, wenn er nicht umbrechen müsse. Der Kläger habe dies auch den Sachbearbeitern im Einzelnen erläutert. Es werde bestritten, dass der Kläger den Antrag zurückgenommen habe. Er habe zum Ausdruck bringen wollen, dass er nicht umbrechen wolle und am Programm weiterhin teilnehmen wolle. Ein Umbrechen der gewachsenen Fläche habe nur negative Auswirkungen auf den Umwelt-, Tier- und Insektenschutz. Der dem Programm B48 zugrundeliegende naturschutzrechtliche Aspekt sei vom Kläger voll und ganz erfüllt worden. Aus diesem Grund habe der Kläger auch keine Rücknahme seines Antrags durchgeführt; er habe lediglich vom Umbrechen befreit werden wollen. Er begehre, das Grundstück auch für den Zeitraum 2020-2024 entsprechend den Vorgaben der Maßnahme B48 ohne Durchführung eines Umbruchs weiterhin als Blühfläche zu belassen und eine Förderung zu erhalten.
12
Der Kläger beantragt,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 19.07.2021 und den Widerspruchsbescheid vom 03.12.2021 aufzuheben.
13
Der Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
14
Dass die Fläche umzubrechen und mit einer Qualitätsblühmischung einzusäen sei, sei eine Verpflichtung. Sofern ein Umbruch sowie die Einsaat nicht nachgewiesen werden könnten, sei regelmäßig die Maßnahme wegen Nichterfüllung von Beginn an aufzuheben. Zwar habe es im Jahr 2019/2020 wegen Saatgutmangels Probleme beim Erwerb des Saatguts gegeben, jedoch seien die Landwirte deshalb nicht grundsätzlich von der Verpflichtung entbunden gewesen. Die vom Kläger begehrte Entbindung von den vorgegebenen Pflichten könne nicht vorgenommen werden. Der Kläger begehre damit die sehr hohe Förderung einer Fläche, obwohl ihm keinerlei Aufwendungen entstanden seien.
15
Mit Schreiben vom 15. März 2022 führte der Kläger aus, die Ausführungen, ihm seien keinerlei Aufwendungen entstanden, seien schlicht falsch. Er habe im Jahr 2015 die Kleemischungen eingesät. Das Jahr sei sehr trocken gewesen und es sei nicht gewachsen. Auf Betreiben des Beklagten habe er die Fläche umbrechen und vollständig neu im Folgejahr ansäen müssen. Er habe somit zweimal die Arbeitsleistung erbracht, aber nur einmal einen Zuschuss erhalten. Die Fläche habe sich sehr gut entwickelt und erfülle die Naturbestrebungen des Gesetzgebers. Die Durchführung eines Umbruchs würde Sinn und Zweck der Förderung eklatant widersprechen.
16
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2024 führten die Vertreter des Beklagten unter anderem aus, die Maßnahme B48 sei eine Ackermaßnahme, die auf einer vorherigen Ackerfläche durchgeführt werden müsse. Nach fünf Jahren komme es naturgemäß zur Ansiedlung anderer als der gewünschten Arten. Diese müssten vor einer erneuten Förderung untergeackert werden.
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Im Übrigen wird auf die Behördenakten und die Gerichtsakte sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21. Februar 2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

18
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
A.
19
Die Klage ist statthaft als Anfechtungsklage gegen den für den Kläger belastenden Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2021.
20
Der am 23. August 2021 eingelegte Widerspruch gegen den Bescheid vom 19. Juli 2021 wurde i.S.d. § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO fristgemäß eingelegt; die Bekanntgabe erfolgte nach Art. 41 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG am 22. Juli 2021, sodass sich das auf Sonntag, den 22. August 2021 fallende Fristende um einen Tag verschob (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 2 ZPO). Die Klage wurde am 30. Dezember 2021 fristgemäß (§ 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO) innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids am 7. Dezember 2021 eingelegt und ist auch im Übrigen zulässig.
B.
21
Die Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22
I. Die (Teil-)Aufhebung des Grundlagenbescheids vom 1. Juli 2020 und des Auszahlungsbescheids vom 10. Dezember 2020 war bereits vor dem Hintergrund rechtmäßig, dass der Kläger auf dem gegenständlichen Feldstück ... „…“ unstreitig nicht die Förderverpflichtungen für die Agrarumwelt- und Klimamaßnahme B48 (Blühflächen an Waldrändern und in der Feldflur) erfüllt hat.
23
1. Die Aufhebung stützt sich unmittelbar auf Art. 63 Abs. 1 Unterabs. 1, Abs. 4 VO (EU) Nr. 1306/2013, Art. 35 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 3, 4 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 als Rechtsgrundlagen i.V.m. Ziff. 6.7.2 der Gemeinsamen Richtlinie vom 30.12.2019 der Bayerischen Staatsministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und für Umwelt und Verbraucherschutz zur Förderung von Agrarumwelt-, Klima- und Tierschutzmaßnahmen (AUM) in Bayern (Gemeinsame Richtlinie).
24
Das Gericht sieht bei der Aufhebung von Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen keinen Raum und keine Notwendigkeit für den Rückgriff auf die nationalen Vorschriften nach Art. 48, 49 BayVwVfG.
25
Die anderslautende Rechtsprechung, die an der Anwendbarkeit der nationalen Rücknahme- und Widerrufsvorschriften festhält, beruft sich darauf, dass das Unionsrecht keine Regelung über die Aufhebung von Bewilligungsbescheiden für die Teilnahme an Agrarumweltmaßnahmen auf Grundlage der VO (EU) Nr. 1305/2013 enthalte (vgl. etwa NdsOVG, U.v. 5.5.2021 – 10 LB 201/20 – juris Rn. 23; VG Würzburg, U.v. 17.4.2023 – W 8 K 21.735 – juris Rn. 87). Die dabei zitierte Rechtsprechung (insb. BVerwG, U.v. U.v. 1.10.2014 – 3 C 31/13 – juris Rn. 12; U.v. 10.12.2003 – 3 C 22/02 – juris 15 f. sowie VGH BW, U.v 7.4.2014 – 10 S 870/13 – juris Rn. 22 ff.) bezieht sich ihrerseits allerdings nicht auf die hier maßgebliche Rechtslage, sondern auf ältere unionsrechtliche Vorschriften. Damit wird verkannt, dass das im vorliegenden Fall geltende Unionsrecht gerade Regelungen über die Aufhebung von Bewilligungsbescheiden vorsieht. Denn Art. 35 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 3 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 bzw. Art. 63 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 ordnen nach ihrem eindeutigen Wortlaut als Rechtsfolge der Nichteinhaltung von Förderverpflichtungen die (ggf. Teil-)Rücknahme der Förderung und damit sinngemäß die Aufhebung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids an und stellen (entgegen VG Würzburg, U.v. 17.4.2023 – W 8 K 21.735 – juris Rn. 87) umfassende unionsrechtliche Rechtsgrundlagen für die Bescheidsaufhebung dar (vgl. Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 35 Rn. 8; ohne Begründung BayVGH, B.v. 18.1.2024 – 6 ZB 23.189 – juris Rn. 8; offengelassen von SächsOVG, U.v. 10.11.2021 – 6 A 311/19 – juris Rn. 34).
26
Es besteht kein Bedürfnis für eine Anwendung der Art. 48 f. BayVwVfG. Das dort vorgesehene (Entschließungs-)Ermessen ist ohnehin nach der ständigen Regelungspraxis des Unionsrechts, dem auch Art. 35 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 3 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 bzw. Art. 63 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 entspricht, ausgeschlossen (vgl. Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 35 Rn. 11; vgl. auch mit Bezugnahme auf „intendiertes Ermessen“ NdsOVG, U.v. 5.5.2021 – 10 LB 201/20 – juris Rn. 36). Zudem ist Vertrauensschutz auf Ebene der Rückzahlungspflicht unionsrechtlich in Art. 7 Abs. 3 VO (EU) Nr. 809/2014 mit Sperrwirkung für Vertrauensschutzvorschriften nach nationalem Recht geregelt (vgl. Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 35 Rn. 12; NdsOVG, U.v. 5.5.2021 – 10 LB 201/20 – juris Rn. 36).
27
2. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid wurde durch das zuständige AELF … (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a AELFV i.V.m. Lfd. Nr. … der Anlage 1 zur AELFV a.F.) erlassen, der Kläger wurde zuvor ordnungsgemäß angehört.
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3. Dadurch, dass der Kläger weder 2020 noch 2021 das gegenständliche Feldstück umgebrochen und mit dem vorgegebenen Saatgut „Qualitätsblühmischungen Bayern“ (QBB) eingesät hat, hat er gegen im Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum festgelegte Verpflichtungen verstoßen, sodass nach Art. 35 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 3, 4 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014, Art. 63 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013 der Grundlagenbescheid sowie der Auszahlungsbescheid vollständig aufzuheben waren.
29
a) Nach Art. 32 ff. Delegierte VO (EU) Nr. 1306/2013 stellten die Mitgliedstaaten Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum (EPLR) auf (vgl. VG Berlin, U.v. 19.10.2023 – 26 K 277/22 – juris Rn. 42). Diese Programme mussten mittels Kommissionsbeschluss genehmigt werden, sodann stellte die EU Ausgaben aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums zur Verfügung. Dem Freistaat Bayern wurde sein EPLR Bayern 2020 am 13. Februar 2015 mit einer Laufzeit bis 2020 genehmigt, die sodann bis Ende 2022 verlängert wurde (vgl. Webseite des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus, https://www.stmelf.bayern.de/foerderung/entwicklungsprogramme-fuer-den-laendlichen-raum-eplr/index.html, abgerufen am 22.3.2024). Folglich ergeben sich die i.S.d. Art. 35 Abs. 2 Buchst. a Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 „im Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum festgelegten Verpflichtungen“ unmittelbar aus dem EPLR Bayern 2020 (abrufbar unter https://www.stmelf.bayern.de/mam/cms01/agrarpolitik/dateien/programm_eplr2024_gesamt.pdf).
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Im EPLR Bayern 2020 sind auf S. 420 unter Ziff. 8.2.4.3.11.1. die mit der Förderung von Blühflächen an Waldrändern und in der Feldflur einhergehenden Förderverpflichtungen festgehalten. Demnach ist Förderverpflichtung die Ansaat von mehrjährigen Blühflächen mit speziellen zertifizierten Qualitätssaatgutmischungen, wobei bei Neuverpflichtungen im Anschluss an eine fünfjährige Blühfläche die Neuansaat auch im zweiten Jahr erfolgen kann. Dieselbe Verpflichtung (i.S.v. Ziff. 3.2 der Gemeinsamen Richtlinie) ist im Merkblatt Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen der Gemeinsamen Richtlinie für die Maßnahmen B48/B61 – Blühflächen an Waldrändern und in der Feldflur, festgehalten, wobei konkretisiert wird, dass die Förderfläche bereits im Frühjahr des ersten Verpflichtungsjahres, spätestens aber im Frühjahr des Folgejahres mit der QBB einzusäen ist.
31
Diese Verpflichtung hat der Kläger unstreitig weder 2020 eingehalten noch 2021 nachgeholt. Er hat damit mit der zwingend vorgegebenen Rechtsfolge der „ganzen oder teilweisen Rücknahme“ (vgl. Art. 35 Abs. 2 Buchst. a Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014, Art. 63 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EU) Nr. 1306/2013; auch Ziff. 6.7.2 der Gemeinsamen Richtlinie verweist auf Art. 35 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014) gegen im EPLR Bayern 2020 festgelegte Verpflichtungen verstoßen.
32
b) Der Beklagte hat zurecht Grund- und Auszahlungsbescheid insoweit vollständig aufgehoben, als sie die B48-Förderung betrafen. Insbesondere hat er sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
33
Nach Art. 35 Abs. 3 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 trägt der Mitgliedstaat bei der Entscheidung darüber, inwieweit die Förderung bei Nichteinhaltung von Verpflichtungen abgelehnt oder zurückgenommen wird, Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit des festgestellten Verstoßes Rechnung. Art. 35 Abs. 3 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 gibt dabei Leitlinien für die Beurteilung von Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit vor. In der Sanktionsmatrix für die Nichteinhaltung von Verpflichtungen oder sonstigen Auflagen gemäß Gemeinsamer Richtlinie Nr. 6.7.2 (Sanktionsmatrix) in Anlage 7 zur Gemeinsamen Richtlinie wird für das EPLR Bayern 2020 konkretisiert, wie hoch die Kürzung der Förderung je nach Ausmaß, Schwere, Dauer und Häufigkeit eines Verstoßes ausfällt. Diese Sanktionsmatrix – grundsätzlich ein bloßes Verwaltungsinternum – gewährleistet in Konkretisierung der unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 35 Abs. 3 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 eine möglichst gleichförmige Ausübung der Beurteilung eines Verpflichtungsverstoßes innerhalb Bayerns. Eine Abweichung von den Vorgaben der Sanktionsmatrix ist zur Sicherstellung einer gleichmäßigen Behandlung und zur Vermeidung von Willkür nur bei atypischen Einzelfällen angezeigt.
34
Der Beklagte hat vorliegend sein Ermessen im Einklang mit der Sanktionsmatrix ausgeübt. Demnach ist für die Gesamtbewertung und daraus resultierende Kürzung grundsätzlich die Bewertungsstufe „Ausmaß“ maßgeblich, wobei nachrangig die anderen Bewertungsmerkmale, wenn sie in der Bewertungsstufe einheitlich mehr als eine Stufe nach oben oder nach unten abweichen, zu einer abweichenden Gesamtbewertung führen können (vgl. Sanktionsmatrix S. 2, erster Aufzählungspunkt). Hier liegt ein nach der Sanktionsmatrix „sehr schwerer“ Verstoß vor, die hundertprozentige Kürzung der Förderung ist zwingend. Der Kläger hat die Verpflichtung zur Ansaat der QBB auf dem gegenständlichen Feldstück zu keinem Zeitpunkt innerhalb des Verpflichtungszeitraums eingehalten. Das Ausmaß des Verstoßes war damit laut Sanktionsmatrix „sehr schwer“, denn die Förderfläche war zu 100% betroffen. Das Ziel war im Zeitpunkt der Bescheidsaufhebung im Juli 2021 nicht mehr erreichbar, da der spätestmögliche Zeitpunkt der Ansaat im Frühjahr 2021 bereits vorbei war, sodass die Schwere des Verstoßes laut Sanktionsmatrix ebenfalls als „sehr schwer“ zu beurteilen war. Der Verstoß war folglich insgesamt als „sehr schwer“ zu bewerten. Nach Art. 35 Abs. 4 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 (vgl. auch Ziff. 6.7.2 der Gemeinsamen Richtlinie und S. 2 der Sanktionsmatrix) sind bei mehrjährigen Verpflichtungen Rücknahmen auch bei den in den vorangegangenen Jahren bereits ausgezahlten Beträgen vorzunehmen. Die in der Sanktionsmatrix festgehaltene Ausnahme bei Nachweis, dass der Verstoß im betreffenden Jahr – hier 2020 – nicht vorlag, greift vorliegend nicht. Damit gibt die Sanktionsmatrix den vollständigen Entzug der Bewilligung und die Rückforderung des bereits ausgezahlten Betrags vor.
35
Dabei muss bereits aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) grundsätzlich außer Betracht bleiben, ob und inwieweit die streitgegenständliche Fläche – durchaus im Sinne des höheren Ziels der AUM-Förderungen – ohne Umbrechen und erneute Ansaat eine ökologisch wertvolle Fläche darstellt, die durch Durchführung der B48-Verpflichtungen in ihrem ökologischen Wert verringert würde. Hierin wäre – auch bei Unterstellung, dass die Angaben des Klägers zur Entwicklung seines Feldstücks zutreffen, – keineswegs ein atypischer Einzelfall zu sehen, der zu einer abweichenden Beurteilung führen könnte. Der Ausschluss von der Förderung steht durchaus im Einklang mit den Zielen der Förderung. Der Beschreibung der Art des Vorhabens auf S. 420 des EPLR Bayern 2020 lässt sich entnehmen, dass Ziel ist, dass die Blühflächen gerade in dieser Eigenschaft als Blühfläche Insekten und Wildtieren als Nahrungs-, Vermehrungs- und Schutzfläche dienen. Die Förderung zielt nur auf diese spezifische Art der ökologischen Entwicklung ab. Wird die QBB nicht im neuen Verpflichtungszeitraum erneut ausgesät, ist nicht sichergestellt, dass die Fläche weiterhin die gewünschten Pflanzenarten in der erhofften Menge beherbergt; es droht die allmähliche Ansiedlung unerwünschter Arten. Der Beklagte argumentiert außerdem überzeugend, dass die Förderung ausdrücklich auf Ackerflächen abzielt; es soll also nicht zu einer derartigen Verunkrautung und Verbuschung der Förderfläche kommen, dass ihre Einsatzfähigkeit als Ackerfläche nach Ende des Förderzeitraums leidet, folglich ist zu Beginn eines erneuten Förderzeitraums eine mit einem erneuten Umbrechen der Fläche verbundene Neuansaat der QBB ganz im Sinne der Förderziele. Auch ist ersichtlich, dass bei der Konzeption der Förderung gerade berücksichtigt wurde, dass eine Neuverpflichtung im Anschluss an eine vorherige fünfjährige Verpflichtung erfolgen konnte. Denn für diesen Fall wurde lediglich dergestalt eine Erleichterung eingeführt, dass die Neuansaat unter gewissen Bedingungen auch im zweiten Jahr erfolgen konnte (vgl. Ziff. 8.2.4.3.11.1 auf S. 420 des EPLR Bayern); die Möglichkeit, überhaupt keine Neuansaat vorzunehmen, ist im Umkehrschluss klar ausgeschlossen. Dem Kläger sind zu guter Letzt im Förderzeitraum ab 2020 keine Kosten entstanden, obwohl die Förderung grundsätzlich zu Aufwendungen von Geldmitteln für die QBB verpflichtet und jedenfalls teilweise auf den Ausgleich dieser Kosten abzielt (vgl. Ziff. 8.2.4.3.11.5 auf S. 421 des EPLR Bayern 2020).
36
4. Damit kommt es nicht auf die Beurteilung der seitens des Beklagten vorgebrachten Rücknahme des Förderantrags durch den Kläger und auf die Verletzung der Fünfjährigkeit als eigenständige Widerrufsgründe an. Die Aufhebung von Grundlagen- und Auszahlungsbescheid war bereits aufgrund der Nichteinhaltung der Förderverpflichtungen geboten.
37
II. Die Pflicht des Klägers zur Rückerstattung der bereits ausgezahlten Förderung für das Jahr 2020 i.H.v. 1.512,00 EUR folgt unmittelbar aus Art. 63 Abs. 3 VO (EU) Nr. 1306/2013, Art. 7 Abs. 1 VO (EU) Nr. 809/2014 (vgl. Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 35 Rn. 10). Die in diesem Zusammenhang abschließende (vgl. Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 35 Rn. 12; NdsOVG, U.v. 5.5.2021 – 10 LB 201/20 – juris Rn. 36) Vertrauensschutzvorschrift des Art. 7 Abs. 3 VO (EU) Nr. 809/2014 greift nicht. Der Zinssatz von 3% über dem Basiszinssatz ergibt sich aus Art. 7 Abs. 2 Unterabs. 2 VO (EU) Nr. 809/2014 i.V.m. Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG.
38
Der Kläger hat die Kosten des Bescheids nach Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 KG zu tragen, die festgesetzte Gebühr i.H.v. 60,00 EUR ist nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG i.V.m. Ziff. 1.I.9 des Kostenverzeichnisses in ihrer Höhe nicht zu beanstanden.
39
III. Damit ist die Klage vollumfänglich abzuweisen.
40
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.