Titel:
Auslegung eines Teilungsabkommens in Bezug auf die Kausalität zwischen Schadensfall und Krankheitskosten
Normenkette:
BGB § 133, § 157, § 242
Leitsätze:
1. Zur Auslegung eines Teilungsabkommens zwischen gesetzlichem Krankenversicherer einer Patientin und dem Haftpflichtversicherer des behandelnden Krankenhauses. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwar bezieht sich der im Teilungsabkommen niedergelegte Verzicht auf die Prüfung der Haftungsfrage grundsätzlich sowohl auf die haftungsbegründende als auch auf die haftungsausfüllende Kausalität. Dieser Verzicht betrifft nach dem hier zu beurteilenden Teilungsabkommen jedoch nicht die Frage der Kausalität zwischen Schadensfall und den geltend gemachten Krankheitskosten. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der in einem Teilungsabkommen vereinbarte Verzicht betrifft nicht die Frage der Kausalität zwischen Schadensfall und geltend gemachten Krankheitskosten, wenn das Teilungsabkommen die Vereinbarung enthält, dass die gesetzliche Krankenkasse auf Verlangen des Haftpflichtversicherers die Ursächlichkeit des Schadenfalles für den der Kostenanforderung zugrunde liegenden Krankheitsfall nachzuweisen hat (Abgrenzung zu OLG Bamberg BeckRS 2023, 4745). (Rn. 19 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwar bezieht sich der im Teilungsabkommen niedergelegte Verzicht auf die Prüfung der Haftungsfrage grundsätzlich sowohl auf die haftungsbegründende als auch auf die haftungsausfüllende Kausalität. Dieser Verzicht betrifft nach dem hier zu beurteilenden Teilungsabkommen jedoch nicht die Frage der Kausalität zwischen Schadensfall und den geltend gemachten Krankheitskosten. (Redaktionelle Leitsätze der RuS-Redaktion) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Teilungsabkommen, Auslegung, Krankenversicherung, Haftpflichtversicherung, Behandlungsfehler, Behandlungskosten, Kausalität, Prüfungsverzicht
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 01.03.2023 – 9 O 18823/19
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe vom -- – VI ZR 136/24
Fundstellen:
MedR 2024, 982
r+s 2024, 468
LSK 2024, 7558
BeckRS 2024, 7558
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 01.03.2023, Aktenzeichen 9 O 18823/19, aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung aus einem Teilungsabkommen.
2
Die Klägerin ist gesetzlicher Krankenversicherer der Patientin Magdalena I.. Diese befand sich in ärztlicher Behandlung im ...klinikum M.. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des Klinikums. Zwischen den Parteien besteht ein Teilungsabkommen. Dieses enthält unter anderem folgende Regelungen:
(1) Kann eine diesem Abkommen beigetretene Krankenkasse („K“) gegen eine natürliche oder juristische Person, die bei der ... („H“) haftpflichtversichert ist, gemäß § 116 SGB X Ersatzansprüche aus Schadenfällen ihrer Versicherten oder deren mitversicherten Familienangehörigen (Geschädigte) geltend machen, so verzichtet die „H“ auf die Prüfung der Haftungsfrage.“
(2) Voraussetzung für die Anwendung des Abkommens ist in der Kraftfahrt-Haftpflicht-Versicherung ein Kausalzusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs; bei der Allgemeinen Haftpflicht-Versicherung ein Kausalzusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem versicherten Haftpflichtbereich. …
(4) Ferner findet in der Allgemeinen Haftpflicht-Versicherung das Abkommen keine Anwendung, wenn nach dem unstreitigen Sachverhalt kein objektiver Verstoß gegen Sorgfalts – und Verhaltensvorschriften vorliegt.
(7) Die „H“ ersetzt der „K“ a) in Fällen der Kraftfahrt-Haftpflicht-Versicherung sowie in Fällen der Haftung nach den Vorschriften des Haftpflichtgesetzes, Luftverkehrsgesetzes und des § 833 Satz 1 BGB 55 v.H. b) in übrigen Fällen der Allgemeinen Haftpflicht-Versicherung 45 v.H. …
Die „K“ hat auf Verlangen der „H“ die Ursächlichkeit des fraglichen Schadenfalles für den der Kostenanforderung zugrunde liegenden Krankheitsfall nachzuweisen.
3
Die Patientin litt unter einer rezidivierenden Divertikulitis. Bei ihr wurde am 19.01.2016 von Ärzten der Beklagten eine Sigma-Resektion vorgenommen. Intraoperativ wurde wegen ausgedehnten intraabdominellen Verwachsungen von einer Laparoskopie auf eine Laparotomie gewechselt. Außerdem wurde wegen einer lokalen Durchblutungsstörung auch ein Teil des Ileums entfernt. Am 22.01.2016 zeigte sich bei rückläufigen Leukozyten auf 12,9 ein deutlicher Anstieg des CRP-Wertes auf 402 mg/l. Am 23.01.2016 wurde um 13:51 Uhr eine Röntgenaufnahme des Abdomens erstellt, um 16:35 Uhr eine Computertomografie des Abdomens. Am 24.01.2016 wurde die Patientin in der Zeit von 0.29 Uhr bis 2.33 Uhr erneut operiert (Erste Revision). Intraoperativ zeigte sich ein Nahtbruch im Bereich der angelegten Anastomose am Dickdarm und in der Folge eine kotige 2-Quadranten-Peritonitis. Die Anastomoseinsuffizienz wurde übernäht, das Abdomen gespült und ein doppelläufiges Ileostoma angelegt. Es wurde eine intravenöse Antibiose verabreicht. Bei erneuter klinischer Verschlechterung wurde am 25.01.2016 eine Relaparotomie durchgeführt (Zweite Revision). Intraoperativ zeigte sich eine punktförmige Perforation im Bereich des Jejunums 10 cm oral der Dünndarmanastomose. Diese wurde übernäht. Da parallel aus der Dickdarmanastomose Luft entwich, wurde auch diese aufgelöst und neu angelegt. Postoperativ wurde die Patientin erneut intensivmedizinisch betreut. Die antibiotische Therapie wurde erweitert. Die Patientin verblieb bis zum 31.01.2016 auf der Intensivstation. Am 29.01.2016 erfolgte eine weitere Re-Laparotomie (Dritte Revision). Dabei wurde der Bauchraum gespült und eine Vakuumsversiegelung der Bauchdecke angelegt. Im weiteren Verlauf entwickelte die Patientin einen erneuten Wundinfekt, der am 09.02.2016 eine Wundrevision und ein Wunddébridement, sowie eine teilweise Faszienexzision erforderten. Erneut wurde ein VAC-Verband angelegt. Eine weitere Wundrevision musste bei persistierender Wundheilungsstörung im Bereich des Abdomens am 16.02.2016 durchgeführt werden. Im Rahmen dieses operativen Eingriffs wurde auch eine Harnblasenfistel übernäht. Am 25.02.2016 erfolgte eine Sekundärnaht der Operationswunde. Bei weiterhin persistierender Wundheilungsstörung wurde am 07.03.2016 eine erneute Sekundärnaht der Operationswunde durchgeführt. Im weiteren Verlauf entwickelt die Patientin erneut eine Wundheilungsstörung, die eine bettseitige Eröffnung der Wunde erforderlich machte. Es folgten weitere stationäre und ambulante Behandlungen der Patientin.
4
Die Klägerin holte hinsichtlich der Behandlung der Patientin ein Gutachten des MDK ein (Anlage K 1). Der Sachverständige des MDK Dr. P2. kommt im Gutachten vom 29.12.2016 zu dem Ergebnis, dass die Computertomographie vom 23.01.2016 verspätet durchgeführt worden sei, ebenso die darauffolgende Revisionsoperation. Es handele sich um einen einfachen Behandlungsfehler. Das schwere Krankheitsbild habe sich aber auch bei zeitgerechter Diagnostik und sofortiger operativer Therapie ausbilden können (Anlage K 1, S. 13 f.).
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Die Klägerin hat für die Kosten der Behandlung infolge des Eintritts der Insuffizienz 40.560,30 € verauslagt. Sie verlangt davon 45%, mithin 18.252,14 € von den Beklagten.
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Die Klägerin trägt vor, sie könne aus dem Teilungsabkommen den Ersatz der Aufwendungen verlangen. Der Anspruch bestehe unabhängig davon, ob sich eine Komplikation realisiert habe oder ein Fehler vorliege.
7
Die Beklagte ist der Auffassung, eine Haftung bestehe nur, wenn wie beim gesetzlichen Anspruchsübergang auch ein Haftungsgrund nachgewiesen sei. Keinesfalls hätten die Beklagten eine Art Garantiehaftung vereinbaren wollen. Es sei deshalb an der Klagepartei, einen Behandlungsfehler zu behaupten. Auf diese Behauptung hin sei dann nach § 3 des Teilungsabkommens die Ursächlichkeit des behaupteten Fehlers für die behaupteten Folgen zu prüfen.
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Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben, die Beklagte zur Zahlung von 18.252,14 € nebst Zinsen verurteilt, sowie festgestellt, dass die Beklagte darüber hinaus verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Schäden innerhalb des zwischen den Parteien bestehenden Teilungsabkommens bis zum vereinbarten Limit von 50.000 € mit einer Quote von 45% zu ersetzen, die der Klägerin aufgrund des Schadensfalls der Magdalena I. in Zusammenhang mit der Behandlung im ...klinikum M. ab dem 21.10.2016 entstanden sind und noch entstehen werden. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin könne aus dem Teilungsabkommen einen vertraglichen Anspruch geltend machen. Der Anspruch setze nach diesem Abkommen lediglich einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem versicherten Haftpflichtbereich voraus. Schadensfall sei ein Ereignis, das dazu führe, dass der Behandlungsverlauf ein anderer als der erwartete sei und der Fall aufgrund des Vorwurfs eines Behandlungsfehlers bei der Beklagten gemeldet werde. In der aufgetretenen Anastomose-Insuffizienz bzw. der möglicherweise verzögerten Reaktion darauf liege ein Schadensfall im Sinne des Teilungsabkommens. Eine Garantiehaftung der Beklagten sei damit nicht verbunden, die Vereinbarung sei auf 50.000 € limitiert, und durch die Quotierung (45%) sei gewährleistet, dass sämtliche Einwendungen pauschaliert berücksichtigt würden. Schließlich hätten die Parteien in § 1 Abs. 4 S. 1 des Teilungsabkommens eine Regelung getroffen, die offensichtlich unbillige Schadensabwicklungen unterbinde. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 3 des Teilungsabkommens. Auf Verlangen der Beklagten habe die Klägerin durch das vom Landgericht eingeholte Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. G. auch die Ursächlichkeit des Schadensfalls für den der Kostenanforderung zugrundeliegenden Krankheitsfall nachgewiesen. Auf die Frage, ob die Insuffizienz komplikations- oder fehlerbedingt ist, komme es nach dem Verständnis der Kammer zum Begriff des Schadenfalls nicht an.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt. Die Kammer habe den Begriff des Schadensfalles gemäß der §§ 1 Abs. 2 und 3 des Teilungsabkommen rechtsfehlerhaft ausgelegt. Die von der Kammer hierzu vertretene Auffassung könne keinesfalls gemeint gewesen sein. Es sei völlig unklar, wessen Erwartung vom Behandlungsverlauf für die Beurteilung entscheidend sein solle. Die Auslegung der Kammer führe im Ergebnis zu einer Garantiehaftung der Beklagten in den Grenzen des Teilungsabkommens für den Erfolg der Behandlung. Versicherungsschutz bestehe nur für vorgeworfene Behandlungsfehler und ihre Folgen. Entsprechend sei ein Schadensfall im Sinne des Teilungsabkommens im Kontext des Arzthaftungsrechts der vorgeworfene Behandlungsfehler mit seinen Folgen, losgelöst von der Frage, ob der Vorwurf berechtigt sei, oder nicht. Ausschließlich diese Auslegung sei auch mit § 1 Abs. 1 des Teilungsabkommens zu vereinbaren, in welcher der „Schadensfall“ als dasjenige Ereignis definiert sei, aus welchem die Krankenkasse in der Lage sei, Ansprüche gegen den Versicherungsnehmer der Haftpflichtversicherung geltend zu machen. Dies werde weiter unterstützt durch die Formulierung in § 3 des Teilungsabkommens, in der ausdrücklich von einem „fraglichen Schadenfall“ die Rede sei. Hierdurch sei gerade zum Ausdruck gebracht, dass die Frage, ob der Behandlungsfehlervorwurf berechtigt sei oder nicht, angesichts des Verzichts auf die Prüfung der Haftpflichtfrage gerade ungeklärt bleibe. Rechtsfehlerhaft sei die Prüfung der Kammer zu § 3 des Teilungsabkommens, weil tatsächlich nicht auf die Anastomosinsuffizienz, sondern vielmehr den vermeintlichen Behandlungsfehler einer Verzögerung der Revisionsoperation abzustellen sei, hinsichtlich derer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Kausalität festzustellen sei. Das Landgericht habe verkannt, dass die von ihm vertretene Anwendung des Teilungsabkommens bereits bei „nicht haftungsbegründender, etwa komplikationsbedingter Abweichung vom erwarteten Behandlungsverlauf“ schon deshalb nicht zu Ansprüchen aus dem Teilungsabkommen führen könne, als insoweit § 1 Abs. 4 des Teilungsabkommens Anwendung finde. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass das Auftreten der Anastomoseinsuffizienz Folge der durchgeführten Sigmaresektion sei. Es sei sicher, dass die Behandlungsmaßnahme der Resektion des Darmabschnittes mit Anlage der Anastomose an den Resektionsenden ursächlich dafür geworden ist, dass die Anastomose insuffizient geworden sei. Insoweit liege allerdings unstreitig ein Behandlungsfehler der Beklagten nicht vor. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass klägerseits erstmals nach Einschaltung des Prozessbevollmächtigten substanzlos die Aufklärungsrüge erhoben worden sei. Dies sei treuwidrig und unbeachtlich. Ausnahmslose Rechtspraxis sei, dass Ansprüche von Krankenkassen aus Teilungsabkommen erst nach gutachterlicher Prüfung des Behandlungsgeschehens und Feststellung eines Behandlungsfehlers durch den MDK geltend gemacht würden.
10
Die Beklagte beantragt,
Das Urteil des Landgerichts München I vom 01.03.2023 zum Aktenzeichen 9 O 18823/19 wird abgeändert und die Klage abgewiesen.
11
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
12
Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil. Der im Teilungsabkommen verwendete Begriff des Schadensfalls sei nicht mit dem Begriff der Verletzung identisch, sondern meine nur das versicherte Wagnis, also das tatsächliche Schadensgeschehen, für das der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag Deckungsschutz zu gewähren habe. Zwar habe das Landgericht diesen Begriff nicht ganz richtig erfasst, den Schadensfalls aber zu Recht bejaht. Das Abkommen finde nur dann keine Anwendung, wenn sich die Parteien einig seien, dass eine Haftung nicht einmal denkbar wäre. Mit der Einholung des MDK-Gutachtens habe die Beklagte sichergestellt, dass kein Groteskfall nach § 1 Abs. 3 und Abs. 4 des Teilungsabkommens vorliege. Die Regelung des § 3 des Teilungsabkommens betreffe die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Schadensereignis – nicht der Verletzung – und den aufgewandten Kosten. Es sei nicht auf den konkreten Behandlungsfehler und den dadurch verursachten Primärschaden abzustellen, sondern auf die aus dem versicherten Risiko stammenden Kosten. Nach § 287 ZPO genüge hier eine überwiegende Wahrscheinlichkeit. Wegen des vereinbarten Prüfungsverzichts komme es auch auf die Aufklärungsrüge nicht an.
13
Der Senat hat am 23.11.2023 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift, sowie auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien wird ergänzend Bezug genommen. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung reichte die Klägerin den nachgelassenen Schriftsatz vom 13.01.2024 ein.
14
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg, der Klägerin steht ein vertraglicher Zahlungsanspruch aus dem Rahmen-Teilungsabkommen nicht zu, weil die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass der geltend gemachte Krankheitsfall kausal im Sinne von § 3 des Teilungsabkommens auf dem Schadenfall beruht.
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1. Zutreffend ist, dass nach § 1 Abs. 1 des Teilungsabkommens die Beklagte bei Ersatzansprüchen aus Schadenfällen der Versicherten der Klägerin auf die Prüfung der Haftungsfrage verzichtet hat.
16
a) Nach § 1 Abs. 2 des Teilungsabkommens ist die Voraussetzung für die Anwendung des Abkommens ein Kausalzusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem versicherten Haftpflichtbereich. Der Begriff des Schadenfalls in einem Teilungsabkommen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Zusammenhang mit dem versicherten Wagnis zu verstehen. Es muss ein innerer Zusammenhang zwischen dem Schadenfall und dem versicherten Wagnis bestehen, so dass dieses seiner Art nach in den versicherten Gefahrenbereich fällt (BGH, Urt. v. 12.06.2007 – VI ZR 110/06, juris; OLG Koblenz, Urt. v. 21.08.2017 – 12 U 1102/16, juris Rz. 17; vgl. auch OLG Celle, Urt. v. 29.12.2000 – 9 U 169/00 = NVersZ 2001, 234, 235). Der Anwendungsbereich des Teilungsabkommens ist bereits dann eröffnet, wenn der Anspruch, sein Bestehen unterstellt, unter das versicherte Wagnis fallen würde (BGH, Urt. v. 01.10.2008 – IV ZR 285/06, juris Rz. 11; OLG Bamberg, Urt. v. 21.03.2023 – 5 U 54/22 V – juris Rz. 37). Behandlungs- und Pflegekosten, die nicht auf behauptete Fehler zurückzuführen sind, sind von den Teilungsabkommen nicht erfasst (Ratzel in Ratzel/Lissel, Handbuch des Medizinschadensrechts, 1. Aufl. 2013, § 20 Rz. 708).
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b) Weil nach dem MDK-Gutachten im Raum steht, dass bei der Beklagten versicherten Behandlern ein Behandlungsfehler in Form der verzögerten Behandlung nach der ersten Operation vorzuwerfen ist und dieses Risiko bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, ist der Anwendungsbereich des Teilungsabkommens nach § 1 Abs. 2 des Teilungsabkommens eröffnet. Es handelt sich um einen Schadenfall im Zusammenhang mit dem versicherten Wagnis. Das versicherte Wagnis ist das tatsächliche Schadensgeschehen, für das der Versicherer nach dem Versicherungsvertrag Deckungsschutz zu gewähren hat, nämlich die Befriedigung begründeter und die Abwehr unbegründeter Schadensansprüche, die aufgrund Gesetz oder Vertrag gegen den behandelnden Versicherungsnehmer erhoben werden. Die Klägerin macht aus dem Teilungsabkommen Ansprüche hinsichtlich des bei der Beklagten versicherten Risikos des Behandlungsfehlervorwurfs, die CT-Untersuchung und die Revisionsoperation vom 23.01.2016 seien zu spät durchgeführt worden, geltend, sowie auch hinsichtlich des bei der Beklagten versicherten Risikos der von der Klägerin in der Berufungsinstanz erstmals behaupteten mangelnden Aufklärung der Patientin vor der Erstoperation. Dass die Ansprüche aufgrund des im MDK-Gutachten erhobenen Behandlungsfehlervorwurfs vorliegend von der Klägerin erhoben werden, ist als Schadensfall im Sinne des Teilungsabkommens anzusehen, unabhängig von der Frage, ob diese Behandlungsfehlervorwürfe zutreffend sind.
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Die weitere Behauptung der Klägerin, die Patientin sei vor der Erstoperation unzureichend aufgeklärt worden, ist vorliegend hingegen nicht geeignet, Ansprüche nach dem Teilungsabkommen zu begründen. Für diese Behauptung bestehen nach der Dokumentation und dem MDK-Gutachten keinerlei Anhaltspunkte, sie ist nach Auffassung des Senats gemäß § 242 BGB treuwidrig aufgestellt und deshalb als Schadensfall im Sinne des Abkommens nicht zu berücksichtigen. Das Zutreffen eines Aufklärungsmangels unterstellt, wäre zudem auch die Erstoperation rechtswidrig gewesen und geeignet, gesetzliche Schadensersatzansprüche der Patientin und damit aus übergegangenem Recht auch der Klägerin auszulösen. Die Klägerin macht jedoch nur im Bezug auf die behaupteten postoperativen Fehler Ansprüche aus dem Teilungsabkommen geltend.
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2. Vorliegend hat die Klägerin die Ursächlichkeit des Schadensfalles für die geltend gemachten Kosten nach § 3 des Teilungsabkommens nicht hinreichend nachgewiesen. Zwar bezieht sich der Verzicht auf die Prüfung der Haftungsfrage grundsätzlich sowohl auf die haftungsbegründende als auch auf die haftungsausfüllende Kausalität (OLG Koblenz, Urt. v. 21.08.2017 – 12 U 1102/16, juris Rz. 16). Dieser Verzicht betrifft nach dem hier zu beurteilenden Teilungsabkommen jedoch nicht die Frage der Kausalität zwischen Schadensfall und den geltend gemachten Krankheitskosten.
20
a) Die Regelung in § 1 des Teilungsabkommen, nach der sowohl die haftungsbegründende als auch die haftungsausfüllende Kausalität nicht geprüft werden, wird durch die Klausel in § 3 des Teilungsabkommens eingeschränkt. Nach seinem Wortlaut nimmt § 3 des Teilungsabkommens die Frage der Kausalität vom unbedingten Verzicht auf die Prüfung der Haftungsfrage in § 1 Abs. 1 des Abkommens aus. In der Gesamtschau der Regelungen hat die Krankenkasse demnach nach § 1 Abs. 2 des Teilungsabkommens den Kausalzusammenhang zwischen Schadenfall und versicherter Risikoquelle zu beweisen, was gemäß § 1 Abs. 1 des Teilungsabkommens grundsätzlich zu einem umfassenden Verzicht auf die Prüfung der Haftungsfrage durch den Haftpflichtversicherer führt (BGH, Urt. v. 12.06.2007 – VI ZR 110/06, juris Rz. 13). Hingegen kann nach dem hier konkret zu beurteilenden Teilungsabkommen der Haftpflichtversicherer den Beweis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schadensfall und den Aufwendungen für den konkreten Krankheitsfall von der Krankenkasse verlangen. Diese Möglichkeit ist – anders als im vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 12.06.2007 zu beurteilenden Teilungsabkommen – auch nicht auf Zweifelsfälle beschränkt. Wie der BGH dort unter Randziffer 14 ausführt, bleibt es den Partnern eines Teilungsabkommens unbenommen, den Ausschluss der Prüfung der Haftungsfrage und damit den Rationalisierungseffekt des Teilungsabkommens zu beschränken (s.a. BGHZ 164, 117, 118f). Eine solche Einschränkung widerspricht zwar dem Sinn und Zweck von Teilungsabkommen, die auf die Sozialversicherungsträger übergegangenen Ansprüche schnell, pragmatisch und mit möglichst geringem Verwaltungsaufwand zu regulieren, ist aber im Rahmen der Vertragsfreiheit der Partner des Abkommens selbstverständlich zulässig. Es entspricht nicht generell dem Wesen von Teilungsabkommen, dass sich die Haftpflichtversicherer wegen der intendierten schlanken Abläufe nicht mit berechtigten Einwendungen gegen die Inanspruchnahme wehren können sollen (Lang, Stahl, Küpperbusch, Die Kausalitätsprüfung in Teilungsabkommen, NZV 2006, 628, 631). Es kann jeweils nur anhand der Regelung in dem einzelnen Teilungsabkommen ermittelt werden, wie weit der durch das Teilungsabkommen bezweckte Rationalisierungseffekt gehen soll (BGH, Urt. v. 23.11.1983 – IVa ZR 4/82, juris Rz. 18).
21
b) Die Beklagte kann von der Klägerin demnach nach § 3 des Teilungsabkommens verlangen, den Ursachenzusammenhang der einzelnen Krankheitskosten mit dem Schadensfall nachzuweisen. Einer solchen Auslegung stehen die in den Entscheidungen des OLG Koblenz (Urt. v. 21.08.2017 – 12 U 1102/16) und OLG Bamberg (OLG Bamberg, Urt. v. 21.03.2023 – 5 U 54/22 V) niedergelegten Grundsätze gerade nicht entgegen. Die von der Klägerin zitierte Stelle der Entscheidung des OLG Koblenz (juris, Rz. 23), wonach der dortigen Beklagten nach dem Sinn und Zweck des Abkommens nicht gestattet sein kann, sich auf ein Fehlen des Ursachenzusammenhangs zwischen Schadensereignis und körperlicher Beeinträchtigung zu berufen, ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass das dort zu beurteilende Teilungsabkommen gerade keine Haftungseinschränkung vorsah, die § 3 des hiesigen Teilungsabkommens entspricht. Wörtlich führt das OLG Koblenz unter Rz 22 der Entscheidung aus: „Zur Herbeiführung einer Haftungseinschränkung hätte es den Parteien freigestanden, … eine Vereinbarung dergestalt in das Teilungsabkommen aufzunehmen, die die Beklagte berechtigt hätte, von der Klägerin im Zweifelsfall den Nachweis des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Schadensfall und dem der Kostenanforderung zugrunde liegenden Krankheitsfall zu verlangen.“ Fast wortlautgleich hat das OLG Bamberg seine Entscheidung unter Rz. 38 (juris) begründet. Dabei ist entgegen der Auffassung der Klagepartei auf das versicherte Risiko im Bezug auf den konkreten Behandlungsfehlervorwurf abzustellen. Zu berücksichtigen ist, dass im Bereich der Haftpflichtversicherung für Heilbehandlungen immer von der Klägerin zu tragende Krankheitskosten anfallen, unabhängig davon ob sich das versicherte Risiko verwirklicht. Eine Abgrenzung der „Sowieso-Kosten“ und der auf das versicherte Risiko kausal zurückzuführenden Kosten im Bereich der haftungsausfüllenden Kausalität kann daher nur im Bezug auf den konkreten Behandlungsfehlervorwuf vorgenommen werden, andernfalls käme § 3 des Teilungsabkommens keinerlei Bedeutung zu. Es ist nochmals darauf zu verweisen, dass die Klägerin Ansprüche hinsichtlich der Erstoperation nicht geltend gemacht hat. Zutreffend führt die Beklagte aus, dass Gegenstand der Deckung der Beklagten nicht jegliche Heilbehandlung im Haus der Versicherungsnehmerin ist, sondern nur die konkret von einem Dritten erhobene Schadensersatzforderung und der zur Begründung erhobene Haftpflichtvorwurf. Nach der von der Klägerin insbesondere im Schriftsatz vom 13.01.2024 vertretenen Rechtsansicht käme es auch bei § 3 des Teilungsabkommens lediglich darauf an, ob die Kosten aus dem versicherten Risikobereich stammen. Dies ist aber bereits Gegenstand der Prüfung nach § 1 Abs. 2 des hier zu beurteilenden Teilungsabkommens, womit § 3 des Teilungsabkommens keine eigenständige Bedeutung mehr zukäme. Die Beklagte gewährt dem Krankenhaus gerade nicht Versicherungsschutz hinsichtlich jeglicher Heilbehandlung, sondern nur insoweit, als gesetzliche Schadensersatzansprüche privatrechtlichen Inhalts geltend gemacht werden. Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 13.01.2024 (S. 6 f.) ausführt, es sei ausreichend, dass die geltend gemachten Kosten aus dem Bereich der medizinischen Heilbehandlung stammen, kann dieser Auffassung nicht gefolgt werden und entspricht sie auch nicht dem eigenen Vorgehen der Klägerin.
22
c) Die Klägerin hat vorliegend den Beweis, dass die von ihr geltend gemachten Kosten ohne den von ihr vorgeworfenen Behandlungsfehler nicht entstanden wären, nicht geführt. Weder das MDK-Gutachten noch das in erster Instanz eingeholte gerichtliche Gutachten (vgl. schriftliches Gutachten vom 25.01.2022, S. 38) konnten eine Kausalität des vorgeworfenen Behandlungsfehlers (das Zutreffen des Vorwurfs nach § 1 Abs. 1 des Teilungsabkommens unterstellt) für den weiteren Verlauf und damit die in der Folgezeit angefallenen Kosten feststellen. Ob insoweit das Beweismaß des § 286 oder des § 287 ZPO anzuwenden ist, kann offen bleiben, weil sich der Senat auch nach den § 287 ZPO anzulegenden Maßstäben von der Kausalität des vorgeworfenen Behandlungsfehlers für den eingetretenen Schaden nicht überzeugen konnte.
23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
24
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtsstreit wirft weder Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, die vom Senat vorgenommene Auslegung von § 3 des Teilungsabkommens betrifft nur das konkret streitgegenständliche Teilungsabkommen.