Titel:
Disziplinarrecht: Entfernen eines Polizisten aus dem Beamtenverhältnis wegen außerdienstlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge – Cannabis
Normenketten:
BayDG Art. 11, Art. 14, Art. 25 Abs. 2, Art. 55
BeamtStG § 34 S. 3, § 35 S. 2 (idF bis zum 14.6.2017)
BeamtStG § 47
BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2
Leitsätze:
1. Die außerdienstliche unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem minder schweren Fall weist einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Polizeibeamte unterliegen wegen ihres besonderen Auftrags zur Abwehr von Gefahren und zur Verfolgung von Straftaten einer strengeren Verpflichtung. Mit dieser Verpflichtung ist es durchweg unvereinbar, wenn ein Polizeibeamter – auch außerhalb des Dienstes – gegen Strafvorschriften verstößt, die wichtige Gemeinschaftsbelange schützen sollen und damit einem besonderen staatlichen Anliegen dienen (hier: Verstoß gegen das Cannabisverbot zum Zwecke des Eigenbedarfs). Das Thema Suchtprävention stellt nach wie vor eines der wichtigsten Felder in den Präventionsbemühungen der Bayerischen Polizei dar. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Polizeibeamter, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Unerlaubte Einfuhr von Marihuana (155, 10 g und THC: 21, 0 g) zum Eigenbedarf, strafrechtlich minder schwerer Fall acht Monate, Freiheitsstrafe auf Bewährung, Vorzeigen des Dienstausweises bei polizeilicher Kontrolle, Beschaffungsfahrt, Drogentherapie, Vorzeigen des Dienstausweises bei polizeilicher Kontrolle Beschaffungsfahrt, unerlaubte Einfuhr von Marihuana (155,10 g und THC: 21,0 g) zum Eigenbedarf, Polizist, Disziplinarrecht, Betäubungsmittel, Cannabis, Eigenbedarf, außerdienstliche Pflichtverletzung, Marihuana, Suchtprävention
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 09.05.2022 – M 13L DK 19.806
Fundstelle:
BeckRS 2024, 7471
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Tatbestand
1
Der 1972 geborene, ledige und kinderlose Beklagte wendet sich im Berufungsverfahren gegen das Urteil der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts München vom 9. Mai 2022, mit dem seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen eines außerdienstlichen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz ausgesprochen wurde.
2
Der Beklagte ist seit dem 1. November 1999 Beamter auf Lebenszeit im Polizeivollzugsdienst der zweiten Qualifikationsebene und wurde am 1. Januar 2011 zum Polizeihauptmeister in der Besoldungsgruppe A 9 ernannt. Seit dem 1. Juli 2010 war er in der Abteilung Einsatz – Unterabteilung Einsatzzentrale eines bayerischen Polizeipräsidiums tätig. Im Jahre 2014 wurde er mit acht Punkten und im Jahre 2011 mit sieben Punkten beurteilt. Ein Persönlichkeitsbild vom 23. April 2018 weist ein jederzeit loyales und ehrliches Verhalten gegenüber Kollegen und Vorgesetzten sowie ein stetes Bemühen um gute Arbeitsleistung aus. Der Beamte ist disziplinarrechtlich und strafrechtlich mit Ausnahme des im vorliegenden Disziplinarverfahren gegenständlichen strafrechtlichen Vorwurfs nicht vorbelastet.
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Nachdem die Dienstbehörde des Beklagten am 7. März 2017 mittels WE-Meldung (Meldung wichtiger Ereignisse) über die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge durch den Beklagten informiert worden war, erteilte sie dem Beamten am 9. März 2017 zunächst ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte. Die Disziplinarbehörde leitete ein Disziplinarverfahren ein, das aufgrund des laufenden Strafverfahrens ausgesetzt wurde, enthob den Beklagten am 6. Juli 2018 vorläufig des Dienstes und behielt 20% seiner Dienstbezüge ein.
4
Mit rechtskräftigem Urteil des Amtsgerichts Krefeld vom 2. Februar 2018 wurde der Beklagte zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem minder schweren Fall verurteilt (§ 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, Anl. I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG, § 56 StGB).
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In den gemäß § 267 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 StPO abgekürzten Urteilsgründen wird dem Beklagten folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
6
„Der Angeklagte hat in den letzten drei Jahren vor der hier abzuurteilenden Tat regelmäßig Cannabis konsumiert. Den Anlass seines mit der Zeit gesteigerten Konsums sieht er in einer beabsichtigten Selbstmedikation gegen gelegentliche, jedoch seit seiner Kindheit wiederkehrende Migräneattacken, in deren Folge er sich in regelmäßigen Abständen für zumeist drei Tage am Stück dienstunfähig melden musste. Dieser anfänglich gelegentliche Cannabiskonsum hat sich dann mit der Zeit gesteigert und zu einer beständigen Konsumneigung verfestigt, in deren Folge der Angeklagte zuletzt an freien Tagen täglich bis zu fünf Joints konsumierte (…).
7
Am 07.03.2017 reiste der Angeklagte gegen 12:55 Uhr als Führer des Pkw Daimler mit dem amtlichen Kennzeichen … aus den Niederlanden kommend über die BAB 61 im Bereich der Gemeinde N. in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im Kofferraum des von ihm geführten Fahrzeugs führte er dabei bewusst 155,10 g Marihuana mit sich, das er am selben Tag in einem Coffeeshop in Am... zum Eigenkonsum für 1.800 Euro erworben hatte. Wie der Beklagte für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, hatte das Marihuana einen Wirkstoffgehalt von 21,0 g Tetrahydrocannabinol. Unmittelbar hinter dem Grenzübergang wurde er zur Durchführung einer Rauschgifteinfuhrkontrolle in die Ausfahrt K. gelotst und das Fahrzeug dort polizeilich überprüft, wobei die mitgeführten Betäubungsmittel aufgefunden und durch ihre Sicherstellung aus dem Verkehr gezogen wurden. (…)“
8
Mit Verfügung vom 12. April 2018 setzte das zuständige Polizeipräsidium das Disziplinarverfahren fort.
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Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 15. Februar 2019 Disziplinarklage gegen den Beklagten zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
10
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 9. Mai 2022 wurde gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßname der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt. Der Beklagte habe durch das ihm im Strafurteil zur Last gelegte Verhalten ein außerdienstliches Dienstvergehen begangen. Im Übrigen ergebe sich aus der Strafakte, dass der Beklagte „sofort nach dem Anhalten unaufgefordert“ mit seinem Dienstausweis der Bayerischen Polizei „aus dem Fenster der Fahrertür winkte“, nachdem ihn die Polizeibeamten angehalten hatten. Soweit der Beklagte hierzu angab, er habe gedacht, einen Beamten zu kennen und habe durch das Vorzeigen des Dienstausweises seine kollegiale Ansprache der Polizeibeamten rechtfertigen wollen, könne dies zu Gunsten des Beklagten als wahr unterstellt werden. Dennoch habe er durch das Vorzeigen seines Dienstausweises gegen die Gehorsamspflicht sowie die Pflicht zur uneigennützigen Aufgabenwahrnehmung verstoßen. Nach Ziff. 4.7 der Vorschrift über Polizeidienst-, Beschäftigungs- und Dienstausweise, Kriminaldienstmarken (PRdS-P2-6350.1.1/13) seien Ausweise und Kriminaldienstmarken nur für dienstliche Zwecke zu verwenden und dürften nicht benutzt werden, um private Vorteile zu erlangen. Durch sein Verhalten habe er zumindest den Eindruck erweckt, sich durch den Dienstausweis einen privaten Vorteil verschaffen zu wollen. Dem Beklagten sei es zweifelsfrei darum gegangen, als Kollege erkannt zu werden. Dabei habe er billigend in Kauf genommen, dass bei den ihn kontrollierenden Polizeibeamten der Anschein habe entstehen können, durch das Vorzeigen des Dienstausweises eine Relevanz in Bezug auf die Fahrzeugkontrolle bewirken zu wollen. Das Dienstvergehen wiege derart schwer, dass ein endgültiger und vollständiger Vertrauensverlust des Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Beklagten eingetreten sei.
11
Der Beklagte trägt zur Begründung seiner Berufung im Wesentlichen vor, dass die strafrechtliche Wertung der Tat auf das Disziplinarverfahren übertragen werden müsse. Der Gesetzgeber habe den Kriminellen im Blick gehabt, der durch die Einfuhr nicht geringer Mengen von Betäubungsmitteln die Grundlage für den Markt schaffen wolle (BT-Drs. 8/3551). Die vom Beklagten eingeführte Menge an Betäubungsmitteln habe jedoch ausschließlich für den Eigenbedarf gedient. Der Gesetzgeber habe solche Fälle der Strafmilderungsvorschrift des § 30 Abs. 2 BtMG unterfallen lassen wollen. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass das gesamte Tatbild wegen aller subjektiven Momente und der Täterpersönlichkeit vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß gewöhnlich vorkommenden Fälle abweiche. Der Strafrichter habe die Besonderheiten der Tat berücksichtigt, die auch disziplinarrechtlich zu berücksichtigen seien. Darunter falle die Geständigkeit, Reue und das tiefe Beeindrucktsein des Beklagten sowie dessen ausschließlicher Eigenkonsum einer „weichen Droge“. Der Wirkstoffgehalt habe das Dreifache des nach ständiger Rechtsprechung mit 7,5 g Tetrahydrocannabinol (THC) bemessenen Grenzwertes für die nicht geringe Menge unterschritten. Die dem Beklagten erschwerend vorgeworfene lange und gezielten Beschaffungsfahrt sei nicht Gegenstand des Disziplinarverfahrens gewesen und könne daher nicht erschwerend berücksichtigt werden. Aus welchen Motiven der Beklagte die Fahrt vorgenommen habe und ob etwa der Entschluss, Betäubungsmittel zu kaufen, nicht nur bei Gelegenheit gefasst worden sei, sei im Disziplinarverfahren nicht geklärt worden. Wenn das Gericht als wahr unterstelle, dass der Beklagte mit dem Zeigen des Dienstausweises lediglich sein laxes Ansprechen der ihn kontrollierenden Polizisten habe rechtfertigen wollen, so könne nicht erschwerend wirken, dass er damit seine dienstliche Stellung absichtlich offenbart habe. Denn das Zeigen sei gerade nicht erfolgt, um sich dadurch einen entsprechenden Vorteil zu verschaffen. Liege die Pflichtverletzung aber darin, dass er einen entsprechenden Schein gesetzt habe, so fehle diesbezüglich dem Beklagten die subjektive Komponente. Als Milderungsgrund sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte in eine verfestigte Konsumneigung geraten sei, um seine Migräneattacken selbst zu medikamentieren. Dieser Konsumneigung sei er inzwischen erfolgreich durch Therapie und Drogenscreenings entgegengetreten. Durch das aktive Aufarbeiten zeige der Beklagte ein hohes Maß an Einsichtsfähigkeit sowie den Willen, den Pflichtenverstoß nicht zu wiederholen. Darin komme die bereits pflichtenmahnende Wirkung des Disziplinarverfahrens zum Ausdruck. Zudem sei sein Persönlichkeitsbild und die Einmaligkeit des Pflichtenverstoßes positiv zu berücksichtigen.
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Der Beklagte beantragt,
13
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 9. Mai 2022 auf eine mildere Disziplinarmaßname als die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen.
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die Berufung zurückzuweisen.
16
Er verteidigt im Wesentlichen das angefochtene Urteil.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegte Strafakte, die Disziplinarakte sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (Art. 11 BayDG) erkannt.
19
In tatsächlicher Hinsicht legt der Senat seiner disziplinarrechtlichen Beurteilung die Feststellungen zum äußeren Geschehen im angefochtenen Urteil zugrunde, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (Art. 3 BayDG i.V.m. § 130b Satz 1 VwGO). Sie beruhen auf den für den Senat nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Halbsatz 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG bindenden Feststellungen des rechtskräftigen Strafurteils des Amtsgerichts Krefeld vom 2. Februar 2018. Danach sind sämtliche tatsächlichen Feststellungen zur objektiven und subjektiven Seite einer Straftat eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das denselben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, auch im Berufungsverfahren bindend. Es besteht kein Anlass, sich von den Feststellungen des Strafgerichts zu lösen (Art. 55 Halbsatz 2 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG). Tatsächliche Umstände, aus denen sich die offenkundige Unrichtigkeit ergeben kann, wurden jedoch weder dargetan noch sind solche ersichtlich.
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Dies zugrunde gelegt hat der Beklagte am 7. März 2017 vorsätzlich und unerlaubt Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, konkret 155,10 g Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 21,0 g THC, in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt und sich damit in einem minder schweren Fall gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, Anl. I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG, § 56 StGB strafbar gemacht.
21
Im Übrigen ergibt sich aus der Strafakte (S. 2 d.), insbesondere dem Vermerk vom 7. März 2017, dass der Beklagte „sofort nach dem Anhalten unaufgefordert“ mit seinem Dienstausweis der Bayerischen Polizei „aus dem Fenster der Fahrertür winkte“, nachdem ihn die Polizeibeamten des Polizeipräsidiums D. am 7. März 2017 angehalten hatten.
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Durch das Vorzeigen seines Dienstausweises verstieß der Beklagte gegen Ziff. 4.7 der Vorschrift über Polizeidienst-, Beschäftigungs- und Dienstausweise, Kriminaldienstmarken – PRdS-P2-6350.1.1/13. Danach sind Ausweise und Kriminaldienstmarken nur für dienstliche Zwecke zu verwenden und dürfen nicht benutzt werden, um private Vorteile zu erlangen. Dies gilt unabhängig von der vom Verwaltungsgericht als wahr unterstellten Behauptung des Beklagten, er habe gedacht, einen Beamten zu kennen, und durch das Vorzeigen des Dienstausweises seine kollegiale Ansprache der Polizeibeamten rechtfertigen wollen. Denn eine Verwendung für dienstliche Zwecke war damit nicht verbunden. Der Beklagte hat sich durch Vorzeigen nicht etwa selbst in den Dienst versetzt, dienstliche Aufgaben erfüllt oder dienstliche Befugnisse in Anspruch genommen, so dass auch keine innerdienstliche Dienstpflichtverletzung angenommen werden kann. Auf die Frage, ob das Verhalten des Beklagten darauf abzielte, einen privaten Vorteil zu erlangen, kommt es daher nicht an. Dem Beklagten ging es zweifelsfrei darum, als Kollege der Polizeibeamten erkannt zu werden. Dabei nahm er – wie das Verwaltungsgericht zu Recht feststellte – billigend in Kauf, bei den ihn kontrollierenden Polizeibeamten könnte der Anschein entstehen, durch das Vorzeigen des Dienstausweises die Fahrzeugkontrolle beeinflussen oder abwenden zu wollen.
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Durch den festgestellten Sachverhalt hat der Beklagte ein Dienstvergehen (§ 47 BeamtStG) begangen.
24
Mit seinem Verhalten hat der Beklagte gegen seine Pflicht verstoßen, Strafgesetze zu beachten, sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG in der bis 14.6.2017 geltenden Fassung – a.F.) und dienstlichen Vorgaben und Anordnungen zu folgen (§ 35 Satz 2 BeamtStG in der bis zum 6.12.2018 gültigen Fassung i.V.m. Ziff. 4.7 der Vorschrift über Polizeidienst-, Beschäftigungs- und Dienstausweise, Kriminaldienstmarken – PRdS-P2-6350.1.1/13).
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Das dem Beamten vorgeworfene außerdienstliche Verhalten ist nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen in einer für sein Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Losgelöst vom konkreten Dienstbezug und der Stellung als Polizeivollzugsbeamter kann ein Dienstvergehen regelmäßig angenommen werden, wenn der vom Gesetzgeber vorgegebene Strafrahmen für eine vorsätzlich begangene Straftat mit einer Höchststrafe von bis zu zwei Jahren im mittleren Bereich liegt und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht nur gering wiegt (BayVGH, U.v. 20.9.2023 – 16a D 22.2292 – juris Rn. 35). Vorliegend erstreckt sich der Strafrahmen für die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem minder schweren Fall von drei Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe (§ 30 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BtMG). Der Unrechtsgehalt der konkreten Tat wiegt durchaus schwer, wie das hier konkret ausgeurteilte Strafmaß von acht Monaten Freiheitsstrafe zeigt.
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Darüber hinaus weist die außerdienstliche unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem minder schweren Fall einen hinreichenden Bezug zum Amt eines Polizeibeamten auf. Polizeibeamte haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Sie genießen daher in der Öffentlichkeit eine besondere Vertrauens- und Garantenstellung. Dieses berufserforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn Polizeibeamte selbst erhebliche Vorsatzstraftaten begehen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Polizeibeamte auf seinem konkreten Dienstposten gerade mit der Verfolgung solcher Delikte betraut war. Erhebliche Straftaten eines Polizeibeamten begründen auch in Ansehung ihres außerdienstlichen Charakters ein disziplinarwürdiges Dienstvergehen (BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 21 ff.).
27
Die festgestellten Dienstpflichtverletzungen sind nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, der sich aus § 47 Abs. 1 BeamtStG ergibt (Thomsen in BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand 15.7.2023, § 47 BeamtStG Rn. 7), einheitlich zu würdigen. Sie wiegen in ihrer Gesamtheit so schwer, dass die Entfernung aus dem Dienst die angemessene Disziplinarmaßnahme ist.
28
1. Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12 m.w.N.).
29
Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 12 ff.).
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Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 a.a.O. Rn. 16).
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2. Für den hier zu entscheidenden Fall ergibt sich danach Folgendes:
32
2.1 Setzt sich das Dienstvergehen – wie hier – aus mehreren Handlungen zusammen, so bestimmt sich der Orientierungsrahmen in erster Linie nach der schwersten Verfehlung. Dies ist hier die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in einem minder schweren Fall gemäß § 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, Anl. I bis III zu § 1 Abs. 1 BtMG.
33
Für diese von dem Beklagten verwirklichte Tat reicht der Orientierungsrahmen für mögliche Disziplinarmaßnahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Der gesetzliche Strafrahmen sieht – wie dargestellt – bei minder schweren Fällen eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor. Angesichts dessen handelt es sich bei dem von dem Beklagten verübten Delikt nicht mehr „nur“ um eine mittelschwere Straftat. Als solche sind Taten zu betrachten, für die eine Strafandrohung von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe gilt (vgl. BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 33). Im Übrigen würde selbst bei mittelschweren Straftaten der Orientierungsrahmen bis zu einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis reichen, wenn das Dienstvergehen – wie hier – hinreichenden Bezug zum Amt des Beamten aufweist (vgl. BVerwG, U.v. 18.6.2015 a.a.O. Rn. 33 m.w.N.).
34
Das Betäubungsmittelgesetz enthält in § 29 ein generelles strafbewehrtes Cannabisverbot. Einheitliche Disziplinarmaßgrundsätze für Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz fehlen. Für die disziplinare Einstufung von Verstößen ist zunächst – objektiv – leitend, dass ein Zuwiderhandeln gegen die mit dem Betäubungsmittelgesetz verfolgten staatlichen Schutzziele eine „grob sozialschädliche Haltung“ (BVerwG, U.v. 14.5.1997 – 1 D 58.96 – juris Rn. 32; BayVGH, B.v. 23.3.2023 – 16b DS 23.311 – juris Rn. 18; VGH BW, U.v. 25.2.2010 – DL 16 S 2597/09 – juris Rn. 34) offenbart, weshalb das Anliegen des Gesetzgebers, „mit dem Betäubungsmittelgesetz den schädlichen Auswirkungen des zunehmenden Rauschgiftkonsums vorzubeugen und so Gefahren von dem Einzelnen, aber auch von der Allgemeinheit, insbesondere von der Jugend, abzuwehren, für die disziplinare Relevanz einschlägigen Fehlverhaltens von erheblicher Bedeutung ist“ (BVerwG, U.v. 14.5.1997 a.a.O.). Indes wird das disziplinare Gewicht eines solchen einschlägigen Fehlverhaltens angesichts der Variationsbreite möglicher Verwirklichungsformen pflichtwidrigen Verhaltens in diesem Bereich von den besonderen Umständen des Einzelfalls bestimmt (BVerwG, U.v. 14.5.1997 a.a.O. Rn. 46). Dies zumal in Fällen, in denen das Betäubungsmittelvergehen nicht in Ausübung oder bei Gelegenheit des Dienstes geschah; die Vielfalt der in Betracht kommenden Möglichkeiten lässt es ebenso wenig wie das Gebot der Einzelfallgerechtigkeit zu, in einem solchen Versagensbereich vom konkreten Fall weitgehend losgelöste Regeln für das Disziplinarmaß aufzustellen (BVerwG, U.v. 10.12.1985 – 1 D 76.85 – juris Rn. 17).
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2.2 Im vorliegenden Fall ist der Orientierungsrahmen voll auszuschöpfen.
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2.2.1 Die besondere Schwere des Dienstvergehens liegt hier darin begründet, dass der Beklagte durch sein vorsätzliches und schuldhaftes Verhalten in eigennütziger Weise im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt hat. Polizeibeamte unterliegen wegen ihres besonderen Auftrags zur Abwehr von Gefahren und zur Verfolgung von Straftaten einer strengeren Verpflichtung. Mit dieser Verpflichtung ist es durchweg unvereinbar, wenn ein Polizeibeamter – auch außerhalb des Dienstes – gegen Strafvorschriften verstößt, die wichtige Gemeinschaftsbelange schützen sollen und damit einem besonderen staatlichen Anliegen dienen. Das Thema Suchtprävention stellt nach wie vor eines der wichtigsten Felder in den Präventionsbemühungen der Bayerischen Polizei dar (vgl. https://www.polizei.bayern.de/schuetzen-und-vorbeugen/sucht-und-drogenpraevention/index.html). Mit dem Verhalten des Beklagten wird die zentrale Aufgabe der Suchtbekämpfung konterkariert und werden die bestehenden Anstrengungen ernsthaft in Frage gestellt. Die Glaubwürdigkeit von konkreten Aufklärungs- und Präventionsmaßnahmen durch die Polizei wird durch ein Verhalten, wie es der Beklagte an den Tag legte, massiv untergraben (vgl. BayVGH, U.v. 17.1.2024 – 16a D 21.2138 – juris Rn. 59). Das Vertrauen des Dienstherrn in seinen Beamten, der die Aufgabe, Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz wegen der genannten Gefahren abzuwenden und zu verhindern, nicht nur nicht erfüllt, sondern im Gegenteil Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz selbst begeht und somit die abzuwehrenden Gefahren steigert, ist empfindlich gestört, hier sogar endgültig zerstört (vgl. BayVGH, U.v. 17.1.2014 a.a.O.; VGH BW, U.v. 25.2.2010 – DL 16 S 2597/09 – juris Rn. 35; OVG NW, U.v. 16.12.1998 – 6d 4674/97.O – juris Rn. 15).
37
Der Einwand, das Verwaltungsgericht habe das disziplinarrechtlich tatbestandliche Verhalten zusätzlich im Rahmen der Rechtsfolge angeführt und daher in unzulässiger Weise doppelt zu seinen Lasten berücksichtigt, geht ins Leere. Der Beklagte verkennt bei dieser Argumentation die Struktur des Disziplinarklageverfahrens. In einem ersten Schritt ist (auf der Tatbestandsebene) zu fragen, ob der Beamte durch sein Verhalten ein Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen hat. In einem zweiten Schritt ist bejahendenfalls – wie dargelegt (auf der Rechtsfolgenebene) – die gebotene Disziplinarmaßnahme zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist wegen des nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG vorrangig zu berücksichtigenden Zumessungsmaßstabes der Schwere des Dienstvergehens auch auf dieser Ebene die Eigenart der Dienstpflichtverletzungen notwendigerweise in den Blick zu nehmen und zu gewichten.
38
Die aufgeworfene Frage, ob das ausgeübte Amt als Polizeibeamter ein Umstand ist, der einem sog. Doppelverwertungsverbot unterliegt, weil dieser Gesichtspunkt bereits für die Feststellung des außerdienstlichen Verhaltens als Dienstvergehens nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG bzw. für die Bestimmung des Orientierungsrahmens bis zur Höchstmaßnahme von Bedeutung ist und deshalb im Rahmen der Maßnahmebemessung nicht mehr (erneut) berücksichtigt werden dürfe, ist zu verneinen. Der Frage liegt schon die irrige Annahme zugrunde, die Stellung als Polizeivollzugsbeamter sei für das Vorliegen eines Dienstvergehens nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamStG oder die Eröffnung des Orientierungsrahmens bis zur Höchstmaßnahme erforderlich gewesen. Wegen des hohen Strafrahmens des § 30 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 BtMG war ein Amtsbezug weder für das eine noch für das andere zwingend notwendig.
39
Unabhängig hiervon ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass für die Bemessung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme alle be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind. Die Schwere des Dienstvergehens ist dabei bereits durch die ausdrückliche Anordnung in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG zum richtungsweisenden Bemessungskriterium bestimmt. Dies macht eine Betrachtung der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten zwingend erforderlich. Hierbei ist vor allem von Relevanz, ob die verletzte Pflicht eine beamtenrechtliche Kernpflicht darstellt oder ob es sich um eine Pflicht handelt, die eher als untergeordnete Nebenpflicht einzustufen ist, was vor allem anhand der konkreten Amtsstellung des Beamten zu beurteilen ist. Schließlich verlangt der Gesichtspunkt der „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf das dem Beamten verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne. Die besondere Stellung von Polizeibeamten ist bei der Entscheidung über die angemessene Disziplinarmaßnahme besonders zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 16, 39).
40
Der Einwand, der Gesetzgeber habe im Rahmen des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG den Kriminellen im Blick gehabt, der durch die Einfuhr nicht geringer Mengen von Betäubungsmitteln die Voraussetzungen für die inländische Rauschgiftszene schafft (BT-Drs. 8/3551 S. 37), was aber auf den Beklagten nicht zutreffe, weil die von ihm eingeführte Menge an Betäubungsmitteln ausschließlich für den Eigenbedarf gedient habe, greift nicht. Denn Sinn und Zweck der Strafandrohung für die unerlaubte Einfuhr einer nicht geringen Menge von Betäubungsmitteln bestehen im Vergleich zu einer geringen Menge gerade darin, dass die Vorratshaltung die abstrakte Gefahr der Weitergabe an Dritte in sich birgt (vgl. BGH, B.v. 4.9.1996 – 3 StR 355/96 – juris Rn. 5).
41
Vorliegend fallen die konkreten Umstände der Tatbegehung im Rahmen der objektiven Handlungsmerkmale erschwerend ins Gewicht. Dabei können sich insbesondere auch das planvolle Vorgehen und die aufgewandte kriminelle Energie sowie die Bemühungen, das Dienstvergehen zu verschleiern, zu Lasten des Beamten auswirken. Für die Einschätzung der Schwere des Dienstvergehens ist es durchaus beachtlich, ob der Beamte dieses gezielt geplant und beherrscht oder hieran eher nur am Rande mitgewirkt oder bei Gelegenheit begangen hat (Gansen in: Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Stand November 2023, § 13 BDG Rn. 14a).
42
Sein planvolles und gezieltes Vorgehen hat der Beklagte selbst eingeräumt. Entgegen seiner anfänglichen Einlassung im Rahmen der Polizeikontrolle, „er habe in Düren einen Freund besuchen (…) wollen, (…) sich aber verfahren“, da ihn „das Navi fälschlicherweise nach Holland geleitet“ habe (Strafakte S. 3), gab er in der Strafverhandlung zu, er habe sich „einen gewissen Vorrat“ verschaffen wollen, um sich jederzeit „behandeln“ zu können (Protokoll S. 2 – Strafakte S. 80). Der Einwand, die gezielte Beschaffungsfahrt in die Niederlande sei nicht Gegenstand der Disziplinarklage gewesen, greift nicht durch. Art. 58 Abs. 2 Satz 1 BayDG steht der Berücksichtigung bekannt gewordener zumessungsrelevanter Umstände im Rahmen der Zumessungserwägungen nach Art. 14 BayDG nicht entgegen (BayVGH, U.v. 20.9.2023 – 16a D 22.172 – juris Rn. 37).
43
Erschwerend ist zudem zu werten, dass der Beklagte bei der Polizeikontrolle seinen Dienstausweis vorzeigte. Auch wenn er sich – seinen als wahr unterstellten – Angaben nach keinen Vorteil verschaffen wollte, hat er dennoch den Anschein gesetzt, die Angelegenheit „unter Kollegen regeln zu wollen“. Dem Beklagten ging es – wie er selbst einräumte – darum, als Kollege erkannt zu werden. Durch sein Verhalten nahm er damit jedenfalls billigend in Kauf, dass sich die kontrollierenden Polizeibeamten, würden sie aufgrund einer falsch verstandenen kollegialen Verbundenheit auf eine Fahrzeugkontrolle verzichten, erheblich pflichtwidrig verhalten und ihrerseits in Gefahr bringen würden, wegen Verstößen gegen dienstliche Pflichten in ernstliche Schwierigkeiten zu kommen. Erschwerend ins Gewicht fällt insoweit jedenfalls die damit verbundene eigenständige Dienstpflichtverletzung durch den Verstoß gegen die Vorschriften über die Verwendung des Dienstausweises.
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In der Gesamtbetrachtung der Schwere des Dienstvergehens ist danach eine Entfernung des Beamten aus dem Dienst angezeigt.
45
2.2.2 Denn Milderungsgründe kommen dem Beklagten nicht durchgreifend zugute. Die im Rahmen der erforderlichen Gesamtschau für den Beamten sprechenden Entlastungsgründe haben allesamt kein derartiges Gewicht, dass von der Verhängung der Höchstmaßnahme abgesehen werden könnte.
46
Mildernd zu berücksichtigen ist, dass vom Amtsgericht ein minder schwerer Fall festgestellt, dem Beklagten (nur) ein einmaliges strafrechtlich relevantes Verhalten bei der Drogenbeschaffung zur Last gelegt worden ist, der Beklagte sog. „weiche“ Drogen zum Zweck des Eigenbedarfs eingeführt hat und es – soweit ersichtlich – zu keinen konkreten Beeinträchtigungen der Dienstfähigkeit des Beamten gekommen ist. Auch die erfolgreiche Drogentherapie mit dem aktuellen Negativnachweis ist als positives Nachtatverhalten mildernd zu berücksichtigen. Der Beklagte ist ferner strafrechtlich und disziplinarisch nicht vorbelastet und hat seine Tätigkeit ohne wesentliche Beanstandungen ausgeübt (vgl. Persönlichkeitsbild vom 23.4.2018).
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Bei der Schwere des von dem Beklagten begangenen Dienstvergehens, aufgrund dessen er sich als Beamter untragbar gemacht hat, können jedoch weder diese Gesichtspunkte noch die dienstlichen Leistungen zur Verhängung einer milderen Disziplinarmaßnahme führen. Gegenüber der erheblichen Ansehensschädigung und dem Vertrauensverlust vermag die Therapiemaßnahme und die nachgewiesene Drogenabstinenz keine derart mildernde Wirkung zu entfalten, dass von der Höchstmaßnahme abgesehen werden müsste. Je schwerwiegender eine Dienstpflichtverletzung ist, umso gewichtiger muss der Milderungsgrund sein. Dem genügt die Therapie nicht. Im Gegensatz zu den Fällen, in denen die unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln keinen dienstlichen Bezug aufweist, kann der Autoritäts- und Ansehensverlust bei Polizeibeamten durch eine Therapie nicht rückgängig gemacht werden (zu diesem Aspekt bei einem Lehrer: BVerwG, B.v. 25.5.2012 – 2 B 133.11 – juris Rn. 17). Die fehlende Vorbelastung stellt das normale Verhalten zur Erfüllung der Dienstpflichten dar und ist nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens derart abzumildern, dass bei einem Beamten, der das in ihn gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat, von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden könnte (BayVGH, U.v. 29.7.2015 – 16b D 14.1328 – juris Rn. 40; BVerwG, B.v. 5.4.2013 – 2 B 79.11 – juris Rn. 27).
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Der Aspekt der Beschaffung zum Eigenbedarf zur Selbstmedikation wegen Migräneattacken fällt zwar mildernd, jedoch – wie auch das Verwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht feststellte – ebenfalls nicht durchgreifend ins Gewicht. Der Beklagte gab in der mündlichen Verhandlung am 2. Februar 2018 vor dem Strafgericht an (Strafakte S. 81), „5 – 10mal im Jahr“ in manchen Jahren auch „1mal im Monat oder auch öfter“ Migräneattacken erlitten zu haben. Er habe vor drei bis vier Jahren angefangen, Cannabis zu konsumieren, zunächst nur bei Migräneattacken, später dann auch vorbeugend. Es habe sich eingeschlichen, dass „man öfters was geraucht habe“. Wenn er frei hatte, habe er „täglich konsumiert (4 – 5 Joints)“.
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Dem Beklagten ist es, wie jedem anderen gesetzesunterworfenen Bürger, versagt, Selbstheilung oder Schmerzlinderung dadurch zu erreichen, dass er Betäubungsmittel unter Verstoß gegen bestehende Straftatbestände des Betäubungsmittelgesetzes erwirbt. Die Entscheidung des Gesetzgebers, den Gefahren des Cannabiskonsums mit den Mitteln des Strafrechts zu begegnen, ist zu respektieren. Dies schließt das grundsätzliche Verbot einer Selbstmedikation durch Cannabisprodukte ein (BVerfG, B.v. 30.6.2005 – 2 BvR 1772/02 – juris Rn. 13; Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, Betäubungsmittelgesetz, 10. Aufl. 2022, § 29 Rn. 1051). Zumal durch den in § 3 Abs. 2 BtMG enthaltenen Befreiungsvorbehalt zum Tatzeitpunkt angemessene Lösungen im Einzelfall möglich gewesen wären (zur Rechtfertigung des unerlaubten Umgangs mit Betäubungsmitteln zum Zwecke der Eigenbehandlung: vgl. BGH, B.v. 28.6.2016 – 1 StR 613/15 – juris Rn. 13). Der Beklagte hat aber weder vorgetragen noch ist aus der Aktenlage ersichtlich, dass er das Erlaubnisverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angestrengt oder überhaupt in Erwägung gezogen hat. Ein Betroffener ist aber gehalten, den vom Gesetzgeber aufgezeigten Weg der legalen Versorgung mit Cannabis zu beschreiten. Seine vorgetragene Ärztephobie steht der Zumutbarkeit eines gesetzmäßigen Vorgehens nicht entgegen. Sie und die Nebenwirkungen anderer Medikamente mögen – seinen Angaben zufolge – zwar eine Ursache für den Verzicht auf eine schulmedizinische Behandlung und seine Selbstmedikation gewesen sein. Dass seine traumatischen Erfahrungen mit Ärzten aber auch der Grund dafür gewesen sein könnten, dass der Beklagte keinen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis nach § 3 BtMG beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte gestellt hat, lässt sich weder seinem Vorbringen entnehmen noch wäre eine solche Begründung angesichts der dem Antrag gemäß § 7 Satz 2 BtMG beizufügenden Angaben und Unterlagen hinreichend schlüssig. Auch der den Beklagten behandelnde Diplom-Psychologe und Psychologische Psychotherapeut C. geht in seiner dem Strafgericht mit Schriftsatz vom 22. Januar 2018 (Strafakte S. 65 ff.) vorgelegten Stellungnahme („Wäre das Gesetz [gemeint: Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 6.3.2017 – BGBl. S. 403] nur ein Jahr früher in Kraft getreten, säße [der Beklagte] nicht vor Gericht“) wohl davon aus, dass der Beklagte den legalen gesetzlichen Weg durchaus hätte erfolgreich beschreiten können. Hinzu kommt, dass dem Beklagten – entgegen der Stellungnahme des Herrn C. („ein Jahr früher“) – bei seiner Tat am 7. März 2017 das bereits am 10. März 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 6. März 2017 (BGBl. S. 403), das Cannabis zu medizinischen Zwecken als verkehrs- und verschreibungsfähige Betäubungsmittel der Anl. III des Betäubungsmittelgesetzes zugelassen hat, deutlich sichtbar vor Augen stand.
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Die unerlaubte Einfuhr von Marihuana könnte darüber hinaus nur in dem Umfang in milderem Licht erscheinen, der für den Konsum zur Linderung der Gesundheitsbeeinträchtigungen erforderlich wäre. Bezogen auf die Anzahl der geltend gemachten Migräneattacken von „1mal im Monat oder auch öfter“ (Strafakte S. 81) führte der Beklagte eine Menge an Marihuana in die Bundesrepublik Deutschland unerlaubt ein, die für 1.400 Joints ausgereicht hätte (durchschnittlich 15 mg THC/Konsumeinheit vgl. stRspr BGH, U.v. 18.7.1984 – 3 StR 183/84 – juris Rn. 20; BayObLG, B.v. 24.8.2023 – 202 StRR 52/23 – juris Rn. 19), bezogen auf die im Jahr 2016 gemeldeten 24 Krankheitstage und den von ihm angegebenen Tageskonsum von bis zu fünf Joints besaß der Beklagte damit eine Menge, die seinen Bedarf für mehr als elf Jahre gedeckt hätte. Auch die eigene Einlassung des Beklagten (Strafakte S. 81), seine Migräne habe sich nach Beendigung seines Cannabiskonsums durch die Umstellung seiner Ernährung, Wegfall des Schichtdienstes und seiner Tätigkeit vor einem Monitor deutlich gebessert („relativ wenig Migräne“), weckt ernsthafte Zweifel an der damaligen Erforderlichkeit der Eigentherapie mit Cannabis.
51
Der Beklagte war zwar geständig und zeigte Reue. Jedoch scheidet der Milderungsgrund der freiwilligen, vollständigen und vorbehaltlosen Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung durch einen bisher unbescholtenen Beamten (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 33) aus. Bei der Fahrzeugkontrolle am 7. März 2017 gab der Beklagte an, „keine BtM mitzuführen“ (Strafakte S. 3). Erst nach Auffinden des Marihuanas im Kofferraum führte der Beklagte aus, die Betäubungsmittel in Am... „bei einer unbekannten männlichen Person für 1.800 Euro“ zur Deckung des jährlichen Eigenbedarfs gekauft zu haben. Ein wesentlicher Beitrag zur Aufdeckung des Tatumfangs war damit nicht verbunden. Der Umstand, dass das aufgefundene Marihuana sichergestellt und damit aus dem Verkehr gezogen wurde, ist bei entdeckten Betäubungsmitteldelikten die Regel, so dass dieser Gesichtspunkt nicht zur Rechtfertigung besonderer, vom „Durchschnittsfall“ abweichender Umstände taugt. Die vom Strafgericht zudem konstatierte Tatneigung aufgrund seines langjährigen Cannabis-Missbrauchs wirkt sich disziplinarisch nicht zu Gunsten des Beklagten aus. Zum einen war – seinen Angaben folgend – nicht die Betäubungsmittelabhängigkeit, sondern die beabsichtigte Selbstmedikation gegen gelegentliche, seit seiner Kindheit wiederkehrende Migräneattacken handlungsleitend. Zum anderen wird das Ansehen und das Vertrauen des Dienstherrn umso mehr geschädigt, je länger Cannabis-Missbrauch betrieben wird. Soweit in den Gründen des Strafurteils zur Begründung eines minder schweren Falles ausgeführt wird, die einführte Wirkstoffmenge unterschreite noch das Dreifache des nach ständiger Rechtsprechung mit 7,5 g THC bemessenen Grenzwerts für die nicht geringe Menge im Sinne der verletzten Strafnorm, ist dies nicht etwa mildernd zu berücksichtigen. In Anlehnung an die strafrechtliche Rechtsprechung erweist sich die 2,8fache Überschreitung (21,0 g THC) der nicht geringen Menge allerdings noch als derart gering, dass dies jedenfalls nicht als bestimmender Erschwerungsgrund gewertet werden kann (Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, Betäubungsmittelgesetz, 10. Aufl. 2022, § 29a Rn. 129; BGH, B.v. 25.2.2016 – 2 StR 39/16 – juris Rn. 6; B.v. 31.3.2016 – 2 StR 36/16 – juris Rn. 3; B.v. 30.6.2016 – 2 StR 476/15 – juris Rn. 8).
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Angesichts des von dem Beklagten begangenen Dienstvergehens und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig. Der Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt. Er hat die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Eine anderweitige Verwendung des Beklagten – verbunden mit einer Disziplinarmaßnahme unterhalb der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis – kommt nicht als „mildere Maßnahme“ in Betracht. Wenn – wie hier – das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zu dem Beamten endgültig zerstört ist, weil er als Beamter „nicht mehr tragbar ist“ und es dem Dienstherrn nicht zumutbar ist, das Beamtenverhältnis mit dem Beklagten fortzusetzen, muss der Frage, ob der Beamte anderweitig, gegebenenfalls in einer anderen Behörde oder sogar Laufbahn eingesetzt werden kann, nicht nachgegangen werden (vgl. BayVGH, U.v. 24.5.2017 – 16a D 15.2267 – juris Rn. 192). Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst gewesen sein muss, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt (BayVGH, U.v. 24.5.2017 – 16a D 15.2267 – juris Rn. 193).
53
Nach alldem war die Berufung des Beklagten mit der Kostenfolge des Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG zurückzuweisen. Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).